Im sächsischen Erzgebirge begannen unmittelbar nach der Besetzung durch die Rote Armee im Juli 1945 sowjetische Geologen und andere Fachleute mit der Sichtung der in den Archiven der Bergakademie Freiberg und des alten Oberbergamtes Freiberg lagernden Unterlagen der erzgebirgischen Bergbaureviere, wozu auch die beiden Professoren Dr. Aeckerlein und Dr. Schumacher der Bergakademie Freiberg einbezogen wurden. Durch diese wurde ein Bericht über die Erzvorkommen im Bereich des Eibenstock-Karlsbader Granitmassivs angefertigt, der die Uranvorkommen beschrieb und einen Vorschlag zur radiologischen Untersuchung enthielt. [1]
Am 13. August 1945 stellte der damalige stellvertretende sowjetische Innenminister, Sawenjagin, die Aufgabe, eine Gruppe von Spezialisten in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands zu kommandieren, mit dem Ziel, Lagerstätten von Uranerzen zu suchen und zu erkunden.
Die 9. Verwaltung des Ministeriums des Innern der UdSSR bildete im September 1945 eine Sächsische Erkundungsexpedition (Sächsische Erzsuchabteilung), die die Suche von Uranlagerstätten im sächsischen Erzgebirge zum Auftrag hatte. [7] Die Expedition stand unter militärischer Leitung, bezog geeignete sowjetische Militäreinheiten in die Arbeiten ein und wurde unter der Feldpostnummer 27304 der Roten Armee geführt. Sie nahm die Betriebsteile Vereinigt Feld im Fastenberg, Johanngeorgenstadt und Gewerkschaft Schneeberger Bergbau, der Sachsenerz-Bergwerks AG in Beschlag und führte in diesen Gebieten mit verbliebenen Resten der Belegschaften und zusätzlich verpflichteten Arbeitskräften die Aufwältigung alter Bergwerke durch.
Bis zum Jahresende 1945 waren in Johanngeorgenstadt der Frisch-Glück-Schacht und der Schaar-Schacht bis zur 78-Lachter-Sohle rekonstruiert. [8]
Durch Auswertung der Archivunterlagen und die Revision alter Grubenbaue, teilweise mit Einbeziehung ehemaliger Bergleute der Sachsenerz - Bergwerks AG, sowie die Ausführung eines erheblichen Umfangs an geologischen Untersuchungsarbeiten konnten eine Reihe von Lagerstätten mit abbauwürdigen Uranerzen nachgewiesen werden. Als höffigste Gebiete wurden die Gebiete um Johanngeorgenstadt, Oberschlema und Schneeberg eingeschätzt.
Im April 1946 wurde die Erkundungsexpedition in die Gewinnungs- und Erkundungsexpedition (Sächsische Gewinnungs- und Erkundungsgruppe) umgebildet [7]. Sie war mit der Fortsetzung der Erkundungs- und vor allem, der Erweiterung der Gewinnungsarbeiten in den alten Silberrevieren um Johanngeorgenstadt, Schneeberg, Oberschlema, Annaberg und Marienberg befaßt.
Unter militärischer Leitung wurden Schurfgräben angelegt und Schürfe zur geologischen Untersuchung geteuft. Die Arbeitsbedingungen waren hart. Vielfach standen nur Schlägel und Eisen, Hacke und Schaufel zur Verfügung; es fehlte an Arbeitsbekleidung und Geleucht. Wo keine Fördereinrichtungen vorhanden waren, wurde das Erz in Rucksäcken oder Beuteln aus den Gruben getragen. [9]
Die Ergebnisse der Arbeiten führten dann auf Beschluß des Ministerrates der UdSSR vom 29.07.1946 zur Umbildung der Expedition in die Sächsische Bergbauverwaltung, dem Vorläufer der späteren Generaldirektion der SAG Wismut. [7]
Außer in Schneeberg mußten in allen Gebieten umfangreiche technische Voraussetzungen für die Aufnahme oder den Fortgang der Bergarbeiten geschaffen werden, wie Energiezuführung, Aufbau von Kompressorenanlagen und Pumpstationen. Zur Erschließung der uranerzführenden Gänge in der Lagerstätte Johanngeorgenstadt war der Bau einer 20 km langen 10-kV-Hochspannungsfreileitung bis zum Sommer 1946 erforderlich. Für die Aufnahme der Gewinnungs- und Förderarbeiten im Bergwerk Frisch Glück wurden im Herbst 1946 Betriebsanlagen der Magnetit- und Flußspatgrube Breitenbrunn nach Johanngeorgenstadt umgesetzt. Schon zu Beginn des Jahres 1946 war in stillgelegten Betriebsteilen des Blaufarbenwerkes Aue ein Erzlabor eingerichtet worden. [9]
Die Mehrzahl der erforderlichen deutschen Arbeitskräfte wurden durch Arbeitsverpflichtungen auf der Grundlage des Alliierten Kontrollratsgesetzes Nr. 3 vom 17. Januar 1946 zugeführt. Von den Arbeitsämtern wurden Dienstverpflichtungen für 6 Monate oder länger ausgesprochen und Werbekampagnen durchgeführt. Das Kontrollratsgesetz ordnete die Registrierung aller arbeitsfähigen Deutschen und deren Unterbringung in Arbeitsstellen an. Nach diesem Gesetz erhielten die Arbeitsämter des Landes Sachsen, aber auch anderer Länder der sowjetischen Besatzungszone die Auflage, Arbeitskräfte für eine Tätigkeit im Bergbau des Erzgebirges zu verpflichten. Nicht zuletzt lockten die gebotenen Möglichkeiten zur Verbesserung der materiellen Lage und die relativ guten Versorgungsbedingungen mit Lebensmitteln die Menschen in das Erzgebirge der Nachkriegszeit.
Im IV. Quartal 1946 begann auch die gezielte Einweisung von deutschen Bergarbeitern, die mit ihren Familien aus Schlesien und der Tschechoslowakei ausgewiesen wurden. Mit dem Befehl Nr. 128 vom 26. Mai 1947 ordnete die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) „auf Grund § 1, Abschnitt IV des Befehls der Berliner Dreimächtekonferenz und der Verfügung der Regierung der UdSSR die Übergabe einer Reihe deutscher Bergwerke auf Reparationskonto“ an. Mit der Durchführung wurde der Chef der Sowjetischen Militäradministration für das Land Sachsen (SMA Sachsen) beauftragt.
Im Befehl Nr. 131 der SMA Sachsen vom 30. Mai 1947 hieß es dazu: „Zur teilweisen Abdeckung der Reparationsansprüche der UdSSR sind die unten aufgeführten deutschen Bergwerksunternehmen aus dem deutschen Eigentum zu entnehmen und in das Eigentum der UdSSR zu überführen:
- Bergbauverwaltung Johanngeorgenstadt,
- Bergbauverwaltung Schneeberg,
- Bergbauverwaltung Oberschlema,
- Bergbauverwaltung Annaberg,
- Bergbauverwaltung Lauter,
- Bergbauverwaltung Marienberg,
- Pechtelsgrüner Aufbereitungswerk.“
Die Schätzung der Vermögenswerte dieser Betriebe einschließlich von Grundstücken, Bergbaurechten, Schächten, Anlagen, Wohn- und Betriebsgebäuden mit den übrigen Werten, Materialien und Werkzeugen erfolgte auf der Grundlage der für Reparationsleistungen beschlossenen Schätzungsinstruktion des Alliierten Kontrollrates vom 4. Januar 1946.
Durch die Hauptverwaltung des sowjetischen Vermögens im Ausland des Ministerrates der UdSSR und die Staatliche Aktiengesellschaft der Buntmetallindustrie „Medj“ war die Staatliche Aktiengesellschaft der Buntmetallindustrie „Wismut“6 in Moskau gegründet worden. Sie errichtete ihre Zweigniederlassung in Aue/Sa. Die im Befehl 131 der SMA Sachsen genannten Betriebe bildeten den Kern des Unternehmens in Deutschland. Es wurde am 2. Juli 1947 im Handelsregister von Aue, Teil B 33, registriert. [2]
Seit Gründung des Unternehmens waren vor allem aus Unkenntnis wegen der von sowjetischer Seite betriebenen Abschottung unterschiedlichste Firmenbezeichnungen auch im behördlichen Schriftverkehr im Umlauf: SSAG (Sowjetische Staatliche Aktiengesellschaft), SAG (Staatliche Aktiengesellschaft, auch Sowjetische Aktiengesellschaft) wie auch umgangssprachlich AG Wismut. Im nachfolgenden Material wird die Bezeichnung SAG Wismut verwendet.
Im Gesetzblatt der damaligen sowjetischen Besatzungszone, das unter dem Titel „Gesetzliche Befehle, Anordnungen, Bekanntmachungen“ erschien, findet sich im 3. Jahrgang, Nr. 20 vom 4. November 1947 über die SAG Wismut die folgende Neueintragung im Handelsregister: Staatliche Aktiengesellschaft der Buntmetallindustrie „Wismut“, Aue, Zweigniederlassung der unter der gleichen Firma in Moskau bestehenden Hauptniederlassung. Gegenstand des Unternehmens: Die Gewinnung, das Schürfen und der Absatz bunter Metalle, wie innerhalb des Gebietes der UdSSR, so auch im Ausland.
Grundkapital: 50.000.000 Rubel. Aktiengesellschaft.
Die Satzung ist am 6.6.1947 festgestellt worden.
Mitglieder des Vorstandes:
-
Ssedischew, P.A.
- Pachamow, S.A. sämtlich in Moskau.
- Lirow, N.W.
- Malzew, M.M.
-
Essakija, N.M. beide in Aue.
Die unter 4. und 5. Genannten sind gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Als nicht eingetragen wird noch veröffentlicht: „Die Geschäftsstelle befindet sich in Aue, Niederschlemaer Weg 49. Das Grundkapital zerfällt in 5.000 Namensaktien zu je 10.000 Rubel, die zum Nennbetrag ausgegeben werden.
Der Vorstand besteht aus drei Mitgliedern und zwei Ersatzmitgliedern (Kandidaten). Die Gründer, welche alle Aktien übernommen haben, sind:
- die Hauptverwaltung des sowjet. Vermögens im Ausland des Ministerrates der UdSSR,
- die Staatl. Aktiengesellschaft der Buntmetallindustrie ‘Medj’.
Den ersten Aufsichtsrat bilden: R.I. Axenow, K.D. Isotow, P.W. Pusarin, sämtlich in Moskau.“
Erster Generaldirektor der SAG Wismut wurde Michail Mitrofanowitsch Malzew, der schon vorher die Arbeiten zum Nachweis der Bauwürdigkeit der sächsischen Uranerze geleitet hatte. Zur Organisation und Leitung der Arbeiten wurde die Generaldirektion der Gesellschaft in Aue gebildet. Ende 1948 wurde der Sitz der Gesellschaft nach Siegmar-Schönau bei Chemnitz verlegt, wo sie ab 17.11.1952 im Handelsregister, Teil C, Band 1 unter der Nummer 77580 geführt wurde. Das war die Rechtsgrundlage für die geologischen Arbeiten und Gewinnungsarbeiten sowie für die gesamte Wirtschaftstätigkeit der Abteilung der Staatlichen Aktiengesellschaft "Wismut" in Deutschland bis Ende 1953. Der neue Sitz in Siegmar-Schönau wurde bis zur Auflösung der Gesellschaft beibehalten. In den Anfangsjahren unterstand die SAG Wismut direkt der sowjetischen Verteidigungsindustrie, in den folgenden Jahren dem sogenannten „Ministerium für Mittleren Maschinenbau“ und dessen 8. Verwaltung. Gearbeitet wurde zunächst in Sachsen, in den Gebieten Johanngeorgenstadt, Schneeberg, Oberschlema, Marienberg, Annaberg, Auerbach, Schwarzenberg, Freital, Niederschlema und einigen anderen Gebieten. Später wurden mit der Untersuchung von neuen Gebieten auch Arbeiten in Thüringen aufgenommen. Alle diese Arbeiten wurden mit einem großen Einsatz von Mitteln und Kräften betrieben.
Zur schnellen Entwicklung der Bergwerke der SAG Wismut mußten große Umfänge an Projektierungsleistungen und Investitionen realisiert werden. Dazu wurde eine Verwaltung mit einem leistungsfähigen Bereich Projektierung gebildet, der in enger Zusammenarbeit und unter Anleitung von sowjetischen Projektierungseinrichtungen arbeitete.
Die Schächte (Bergwerke), Bau- und Montagebetriebe und andere Betriebe der Wismut wurden zu großen Einheiten zusammengefaßt, die die Bezeichnung "Objekt" erhielten. 1953 bestanden 22 solcher Objekte in den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Gera, Dresden, Suhl, Leipzig, Halle und Erfurt, darunter 9 Bergbauobjekte mit 56 Schachtverwaltungen sowie 8 Aufbereitungsobjekte.
In schnellem Tempo wurden eigene Maschinenbau-, Instandsetzungs- und Versorgungskapazitäten aufgebaut. Dabei wurden die Anlagen, Ausrüstungen und Maschinen genutzt, die die Sowjetunion als Reparationszahlungen von Deutschland erhalten hatte. Außerdem wurden der SAG Wismut von Militäreinheiten der Sowjetarmee eine große Anzahl von Kraftfahrzeugen übergeben. Der größte Teil der benötigten Spezialausrüstungen, -maschinen und -geräte für die Such- und Erkundungsarbeiten, die Erzgewinnung und -aufbereitung wurde jedoch aus der Sowjetunion geliefert. Sowjetische Lieferungen deckten auch einen großen Teil des Bedarfs an Material, besonders bei Walzmaterial. Von großer Bedeutung bei der Entwicklung der Uranproduktion war die Bereitstellung der benötigten Facharbeiter und Ingenieure. Dazu wurden viele Arbeiter durch Verpflichtung eingestellt und in bergmännischen und anderen Berufen für den Einsatz bei den geologischen Arbeiten, in der Urangewinnung und -aufbereitung sowie in der Hilfs- und Nebenproduktion ausgebildet. In Sonderschulen und -lehrgängen erfolgte die kurzfristige Qualifizierung von bergmännischem Aufsichtspersonal (Steiger) und anderen Leitungskadern.
In der Generaldirektion, in den Objektverwaltungen und in den Betrieben wurden in der ersten Zeit alle Leitungsfunktionen durch sowjetische Kader besetzt. Dieses Personal hatte 1953 eine Stärke von 3358 Mann. Eine Ausnahme bildete die Funktion des Obersteigers in den Bergwerken, die mit deutschen Bergleuten besetzt wurde.
Die Gesamtbeschäftigtenzahl betrug Ende 1953 117.200 Mann, bei Einbeziehung der Beschäftigten der für Wismut tätigen Einrichtungen des Handels, des Gesundheitswesens und der gesellschaftlichen Organisationen der SAG Wismut, sogar mehr als 132.800 Mann.
Quelle: Chronik der Wismut, 1.1.1, Seite 2-6.
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- Wismut GmbH, Geol. Archiv (GA), Prof. Dr. Schumacher, Bericht über die Erzvorkommen im Bereich des Eibenstock - Karlsbader Granitmassivs, (Abschrift).
- Wismut GmbH, Unternehmensarchiv (UA), Anmeldung der SABM zur Eintragung in das Handelsregister vom 6. Juni 1947 (Kopie der deutschen Übersetzung). Anlage zum Protokoll der Sitzung des Vorstandes der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut am 21.12.1953, Büro-GD 39/1-4 (U-45).
- Wismut GmbH, UA, Vortrag über die wichtigsten Ergebnisse der Tätigkeit der SDAG Wismut im Zeitraum 1954-1990 durch Nasarkin, V. P. vor dem Vorstand der SDAG Wismut im April 1990. Büro GD.
- Wismut GmbH UA, Abkommen vom 22. August 1953 zwischen der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über die Gründung der gemischten Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut in der DDR (Abschrift). SE Abw. 1 (1.2; Dokument 1).
- Wismut GmbH, UA, Protokoll der Generalversammlung der Aktionäre der Staatlichen Aktiengesellschaft der Buntmetallindustrie Wismut vom 28. November 1953: Liquidation der Abteilung der SABM in der DDR (Abschrift der deutschen Übersetzung), Anlage zum Protokoll der Sitzung des Vorstandes der Sowjetisch- Deutschen Aktiengesellschaft Wismut am 21. Dezember 1953, Büro-GD, 39/1-4 (U-45).
- Wismut GmbH, UA, Satzung der Staatlichen AG der Buntmetallindustrie „Wismut“, registriert im Finanzministerium der UdSSR am 06.06.1947, Nr. 14615, Band 34.
- „Die Entwicklung der ersten sowjetischen Atombombe“, Seite 192-194, Autorenkollektiv, Verlag Energoatomizdat, Moskau 1995.
- Wismut GmbH, GA, M 52, Jahresbericht 1946.
- „Zur Geschichte der Gebietsparteiorganisation Wismut der SED“, Band I.
- W.I.Wetrow; W.W.Krotkow; W.W.Kunitschenko: „Bildung von Betrieben für Gewinnung und Aufbereitung von Uranerz“ aus „Entwicklung der ersten sowjetischen Atombombe“; Hrsg. Ministerium für Atomenergie und Intern. Akademie für Information, Energoatomizdat 1995, Übersetzung aus dem Russischen.