Bergtechnikum

Betriebseigene Bildungseinrichtung
Bildungswesen » Institut
1948
1952
Objekt 105
Beschreibungen

An der Spitze der sich entwickelnden betrieblichen Bildungspyramide stand von 1948 bis 1952 das Bergtechnikum Freiberg, in der Wismut-Nomenklatur als Objekt 105 bezeichnet. Von 1950 bis 1952 besaß es eine Nebenstelle in Zwickau-Planitz. Die Bergschüler wurden aus den Schächten und anderen Betrieben von ihrem Objekt zur Vollzeit-Erwachsenenqualifizierung nach Freiberg delegiert und kehrten nach dem Schulbesuch i. d. R. dorthin zurück.

Dem Bergtechnikum standen ein sowjetischer Direktor und ein deutscher Rektor als Stellvertreter vor. Der Lehrbereich war in Fakultäten oder Abteilungen gegliedert, wie Bergbau-Fakultät, Bergmaschinen-Fakultät, Markscheider-Fakultät und Geologisch-mineralogische Fakultät, die von einem Dekan geleitet wurden. Im Schulalltag sprach man von Fachrichtungen oder Abteilungen. Eine Quergliederung unterschied zwischen Bergtechnikum und Bergschule. Viertel- und Halbjahreslehrgänge gehörten zur Bergschule, sie wurden nach Ziffern benannt, wie Steiger 9 oder Maschinenmeister 11. Jahreslehrgänge, wie Steiger G oder Steiger G1, Maschinensteiger E, Markscheider C, Geologen A, verstanden sich als Bergtechnikum i. e. S.

An den Bergvorschulen erwarben viele früher Steigerdienst Tuende in Abendkursen das Wissen, um am Bergtechnikum vor einer staatlichen Prüfungskommission den Befähigungsnachweis für den Aufsichtsdienst im Erzbergbau abzulegen.

Die Unterrichtsfächer liefen entweder über die gesamte Zeitdauer des Lehrganges, wie Gesellschaftslehre und Russisch sowie die jeweiligen Hauptfächer, z. B. Bergbaukunde und Sicherheit bei Steigern. Andere Fächer wurden, aufeinander aufbauend, nacheinander abgearbeitet, z. B. Physik/Elektrotechnik. In jedem Unterrichtsfach gab es eine Abschlussnote für das Zeugnis. Auf der Grundlage regelmäßiger Leistungskontrollen mussten die Dozenten monatlich eine Note für die Mitarbeit im Unterricht erteilen. Unter Beteiligung des gesamten Lehrkörpers wurden danach in monatlichen Zensurenkonferenzen unter Teilnahme der Klassenvertreter die Problemfälle ausführlich beraten und der Schulleitung Fördermaßnahmen für leistungsschwache Schüler sowie ggf. erzieherische Maßnahmen vorgeschlagen. Damit sollte die Erhöhung der Leistungsbereitschaft erreicht sowie das Zurückbleiben der Problemträger bekämpft und ihre Fluktuation verhindert werden.

Während die Zeugnisse für die Absolventen der kürzeren Lehrgänge provisorischen Charakter besaßen, bekamen die Absolventen der Jahresklassen ihre Ergebnisse auf gestalteten Vordrucken des Formats A 4 bescheinigt. Die Zeugnisse enthalten den Notenspiegel und geben über die erlangte Befähigung
Auskunft, bestätigt durch Unterschrift und Stempel eines Staatskommissars des Ministeriums für Volksbildung der Landesregierung Sachsen (1949/50) oder eines Vertreters des Ministeriums für Schwerindustrie der DDR (1951/52). Auf einem weiteren Dokument beurkundete das Bergtechnikum seinen Absolventen, die Prüfung für den technischen Aufsichtsdienst im Grubenwesen, Bergmaschinenwesen usw. (je nach Fachrichtung) vor einer Staatlichen Kommission abgelegt zu haben.
Die Wismut AG mietete zur Unterbringung des Bergtechnikums von der Landesregierung Sachsen ab 1. April 1948 die Immobilie Jägerkaserne, Lessingstraße 45, und baute sie aus: im Südflügel der ehemaligen Kaserne entstanden Unterrichts- und Laborräume; im Nordflügel Schlafräume, Küche und Speisesaal. Die Aula befand sich im 1. OG über dem Tor. Die Internatsplätze reichten nicht aus, weshalb im Orte weitere Räumlichkeiten genutzt wurden. Kapazitätserweiterungen erforderten im 1. Halbjahr 1949 die Einrichtung von Klassenräumen auch im Nordflügel. Daher mussten die Internatsbewohner in die am westlichen Stadtrand unmittelbar vor dem Hospitalwald an der B 173 gelegene und in Ernst-Thälmann-Heim umbenannte ehemalige Hausenkaserne ausweichen. Im Laufe des Jahres
1950 ging das Bergtechnikum zur zweischichtigen Auslastung der Unterrichtsräume über.

Die Direktion des Bergtechnikums bemühte sich sehr um den weiteren Ausbau der Einrichtung. Es entstanden vorbildlich ausgestattete Bergmaschinen- und Bergelektrik-Laboratorien; Übungs- und Schausammlungen für Mineralogie und Petrographie wurden angeschafft; auf dem Schulhof eine Lehrbohranlage (Holzdreibock mit sowjetischer Kernbohrmaschine KAM 300 oder 500) aufgestellt und ein hölzerner Förderturm zu Ausbildungszwecken errichtet, in Verbindung mit der Teufe eines kurzen Schachtes. Die Einrichtung eines Lehrreviers auf der Himmelfahrt-Fundgrube untertage mit Wirkung vom 7. August 1950 ermöglichte einen qualitativen Sprung in der praktischen Ausbildung.

Im Jahre 1952 hatte das Bergtechnikum einen soliden Entwicklungsstand und ein solches Ansehen erreicht, dass an seiner Perspektive kein Zweifel bestand. Insider rechneten sogar mit einer Aufstockung zur Bergbau-Ingenieurschule. Für die Mitarbeiter völlig unerwartet und unverständlich, wurde es am 15. August 1952 aufgelöst. Davon profitierten die Bergakademie Freiberg und ihre ABF "Wilhelm Pieck", die die Schul- und Internatsräume mitsamt der technischen Ausrüstung bekamen.

Das Bergtechnikum Freiberg war aus historischer Sicht eine kurze Episode wismuteigener Aus- und Weiterbildungsaktivitäten, aber dennoch sehr erfolgreich, mit nachhaltiger Ausstrahlung und Auswirkung. In der Wismut-Frühzeit spielte es eine Schlüsselrolle bei der Qualifizierung von Aufsichtspersonal und Fachkräften der mittleren Ebene. Für unzählige strebsame junge Leute war es Sprungbrett in eine erfolgreiche Karriere sowie zu elitären Abschlüssen.

Als die SDAG Wismut im Jahre 1990 ihre Tätigkeit einstellte und zur bundeseigenen GmbH umgebildet wurde, waren noch viele Absolventen des Bergtechnikums, inzwischen mit höheren Weihen gesegnet, in leitenden Stellungen des Unternehmens tätig.

Quelle: Chronik der Wismut, 1.13.3 Seite 3-4.

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