Gedichte aus den Produktionsstätten, über Bergarbeiter und Teerofenheizer, Wurster und Bühnenbildner. Klare Beschreibungen des Arbeitsalltags mit emotionaler Nähe zu den Personen. Aber auch genaue selbstkritische Beschreibung der Tätigkeit des Dichtens beim Praktikum in der Druckerei: "Schwarze Kunst am Vormittag. Laut Vertrag. / Die Halbtöne ahnt man noch nicht." (S.2) Die Gedichte sind genaue differenzierte Beobachtungen: "bis zur jeweils nächsten Pause liegen sie gedrückt ins Dösen, / denn die Arbeit ist zu eintönig, und niemand / holt sie raus. Der Meister in der Meisterbude / schläfr, verkatert, auch." ("Werkzeugbude") Ein Gedichtzyklus ist den Elementen gewidmet; eine Elegie in Distichen mit der Losung: "Leitkanal Dichter, sprich Bits, Distichen halten nicht dicht."
Deutschland über beide Ohren
Gedichte aus den Jahren 1985-88. Das Titelgedicht setzt sich mit dem Verbleib in der DDR auseinander, Gründe, die zur Privatsache erklärt werden. "Deutschland, / wo ich längst daran gewöhnt bin, / an die ungetrübte Presse, / Nahrung, die ich esse, / mir fast scheint, daß ich versöhnt bin (...) was ich hier noch mache - / das ist meine Sache." (S.2)
Gedichte zum sagenhaften Vineta und über Florenz im Mittelalter, mit verschlüsselten kritischen politischen Aussagen. Ein freies Taxi, an dem vorbei man nach Hause geht. Eine Wette um ein vereintes Deutschland, in dem es heißt: "Deutschland wird geeint sein, / Daß sich Frieden mehre, / Europa wird so frei sein, / Ganze Welt sich drein reihn, / Wetten wir? sagt Claire." mit der Pointe in der letzten Strophe: "Gut, ich halt dagegen. / Frage - halte inne, / Leise und verlegen - / Aber was, von wegen, / Was, wenn ich gewinne?"
Im Gedicht "Pentagramm für Sarah Kirsch" heißt es: "Sie sieht durch ei Augen der gefrorenen Katze am Wegrand / Wie ich, Schlaflose sich wälzen von Deutschland nach Deutschland. // Wir hörn, wo wir sind, das Elbwasser, wie es hinab schießt. / Ja, Schüsse. Und Pässe. Und Wasser, soviel auch abfließt."
Stadtbilderklärungen
Nicht ohne Humor und Kritik stellt die Autorin in Stadtbilderklärungen urbane Eindrücke und Arbeitserfahrungen nebeneinander. Der Chef im titelgebenden Gedicht ist z.B. der Schöpfer des Arbeiters, aber auch seiner eigenen "Ruhe-Rente", und parallel zur Schöpfungsgeschichte werden eine Flut und "ein Babylon von Bildern" beschrieben; das Gedicht bleibt jedoch hermetisch. Ebenso viele weitere der Gedichte. Der Feierabend bedeutet zwar Freiheit, wird jedoch mit Hieronymus Bosch zu einem Zerrbild aus Schrankwänden und Fernsehgeflacker. Gedichte über Dresden Nord und Berlin, Tiflis und Budapest verfolgen eher das Ziel, listenartig originelle Sinneswahrnehmungen aneinanderzureihen. Da treffen dann "Heckenrosen" auf "Heckenschützen". 6 Gedichte aus dem Tierpark Berlin, wo das Akrostichon "Berlin" durch die Begriffe Berufung, Ehrgefühl, Ressentiment, Lieblosigkeit, Ignoranz, Notwendigkeit und mit Tieren bebildert wird.
(Quelle: Datenbank des Forschungsprojekts "Das Institut für Literatur „Johannes R. Becher“ (1955-1993). Literarische Schreibprozesse im Spannungsfeld von kulturpolitischer Vereinnahmung, pädagogischem Experimentieren und poetischem Eigensinn").