2021.02.24 - Dr Kerstin Nindel.mp4

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Transkript:

Astrid Kirchhof: Also, dann begrüße ich Sie sehr herzlich, Frau Dr. Nindel. Sie sind in Chemnitz, während ich in Berlin sitze. Wir haben ein Online-Interview, weil wir immer noch in Pandemie-Zeiten sind und deswegen haben wir unsere Interviews auf online umgestellt. Wir sind sehr froh und freuen uns sehr, dass Sie bereit sind, mit uns zu reden. Heute (räuspert sich) ist der 24. Februar 2021 [24.2.2021] und ich bin Astrid Kirchhof. Meine erste Frage an Sie, Frau Dr. Nindel, ist, erzählen Sie mir doch ein bisschen was über Ihre Lebensgeschichte und welche Rolle die Wismut darin gespielt hat. Bzw. bei Ihnen ja heute noch spielt. #00:00:53-9#

Kerstin Nindel: Ja. Auch schönen guten Tag und ich freue mich, dass ich hier mitmachen kann. Und ein paar Erfahrungen, die sonst vielleicht auch verloren gehen, und in den offiziellen Geschichtsschreibungen irgendwie nicht vorkommen, doch irgendwo mal ein bisschen festgehalten werden können. Ja, von meiner Lebensgeschichte. Dass es Wismut gibt, hat man in der DDR schon gewusst. Und habe ich auch gewusst, bevor ich dann studiert habe. Wir hatten (Telefon klingelt) im Studium auch... (Telefon klingelt) Ich würde mal ganz kurz Pause machen. #00:01:29-9#

Astrid Kirchhof: Gerne. #00:01:32-9#

Kerstin Nindel: Also, ja. Also, wir hatten im Studium auch Kommilitonen, die direkt von Wismut delegiert waren. Also insofern hat man da schon durchaus was mitbekommen. Auch, dass die deutlich, finanziell deutlich besser gestellt waren, als so die normalen Studenten, die 200 DDR-Mark Stipendium bekommen haben. Ich habe dann meine Ausbildung zur Diplom-Geologin abgeschlossen in Freiberg. Anschließend eine Promotion gehabt, wo es auch um das Thema Uranisotope ging. Völlig unabhängig von der Wismut. Also das war... / Dr. Astrid Kirchhof (unv.) / Dr. Kerstin Nindel Ich höre Sie gerade nicht, Sie haben aus... #00:02:14-2#

Astrid Kirchhof: Nee, ich habe auch nichts gesagt, ich war... #00:02:15-7#

Kerstin Nindel: Okay. #00:02:16-1#

Astrid Kirchhof: Nur, das ist interessant. Weil das war mir im Lebenslauf nicht klar, dass... / Dr. Kerstin Nindel Ja, ja / Dr. Astrid Kirchhof ...das ganz unabhängig ist. A-ha. #00:02:21-5#

Kerstin Nindel: Das war also völlig unabhängig von der Wismut. Grundlagenforschung in der DDR, wo es praktisch darum ging, die Geschütztheit von Grundwässern zu erforschen. Und dazu haben wir uns eben auch der Isotope des Urans mit bedient. Die also auch ganz natürlich in Grundwässern, in Gestein vorkommen. Also nichts mit Anreicherung oder Lagerstätten zu tun haben. Nachdem ich dann also meine Promotion auf den Weg gebracht habe und dann klar war, wann die beendet sein würde, nämlich dann im Herbst 1988, musste man sich ja umschauen, wo man nach dem Studium dann arbeiten will. Weil ich ja nicht von irgendeinem Betrieb delegiert war oder Ähnliches. Das heißt also, ich habe direkt nach, nach dem Gymnasium, nach meinem Abitur, mit dem Studium angefangen. Ohne da schon ganz konkret zu wissen, du willst dann mal genau dort und dort hingehen. Also, insofern habe ich mich also dann gekümmert. So Anfang 1988, wo könnte man hingehen nach dem Studium. Gab es verschiedene Möglichkeiten. Zum Beispiel ans Forschungszentrum nach Potsdam oder ins [CAROLINEN] nach Thüringen zu gehen. Und eine Option war gewesen, die Wismut sucht auch Arbeitskräfte in Gera oder in Chemnitz. Also damals noch Karl-Marx-Stadt. Und aus verschiedenen Gründen, also unter anderem auch Wohnraumsituation, die in Potsdam nicht da war, hat man sich dann entschieden. Und ich habe mich dann entschieden, bei der Wismut anfangen, eventuell anzufangen. Habe dann ein Kadergespräch gehabt, so ein ganz klassisches. Wo also der entsprechende Kaderleiter von der Wismut in Chemnitz mir erklärt hat, was für Stellen sie frei haben. Also auf was ich mich dort bewerben kann. Und ich habe ihm meinen Lebenslauf quasi erzählt und was ich in den letzten drei Jahren an Arbeit gemacht habe. Was meine Ausbildung ist. Und neben dem Kaderleiter war auch der entsprechende Abteilungsleiter für die Abteilung, wo also Personal gesucht worden ist, mit dabei. Und der sagte mir dann, Frau Dr. Nindel... nee, damals war ich noch nicht Doktor. Frau Nindel, wir suchen jemanden genau mit Ihrer Ausbildung, nur weiblich sollte er nicht sein. Da guckst du natürlich erst mal! Der Hintergrund war dann sogar verständlich. Weil Frauen in der DDR nicht unter Tage arbeiten durften. Das war quasi verboten. Die Wismut als Uranproduzent, als, als Bergbautreibender natürlich viele untertägige Arbeiten hatte und ja, ich als Frau, hätte da nicht arbeiten dürfen. Aber man hat dann doch sich überlegt, es gibt auch bei Wismut über-Tage-Arbeiten. Also hinsichtlich der Halden, die dort aufgeschüttet sind. Der Aufbereitungsanlagen. Also durchaus auch Einsatzgebiete, die also nicht unter Tage zwingend notwendig sind. Sodass ich dann also einen Arbeitsvertrag mit der Wismut unterschrieben hatte. Im Anschluss an diese Kadergespräche. Und ja, dann habe ich meine Promotion abgeschlossen. Mein zweites Kind bekommen. War mein Chef natürlich auch nicht begeistert. Er hat jetzt eine neue Abteilung gehabt. Das war nämlich ein Grund für dieses, für diese Personalaufstockung. Dass also in der Wismut schon, also wirklich bevor überhaupt klar war, es wird eine Wende geben, oder so. Also waren voll im Sozialismus. In dem Sektor Arbeitsschutz, Strahlenschutz eine neue Abteilung Umweltschutz aufgemacht worden ist. Speziell auch auf dem Wasserpfad. Also da eigentlich unabhängig jetzt, wie gesagt, von, von Wende oder so. Neben... Strahlenschutz, der ja schon sehr lange immer Thema in der Wismut war. Und auch Arbeitssicherheit, eben jetzt konkret das neue Thema Umweltschutz, mit einer neuen Abteilung aufgemacht worden ist. Insofern war dann mein Chef nicht so begeistert, dass ich also mit einem Jahr Babypause angefangen habe. Also er war zu meiner Promotionsverteidigung mit da. Und dann, ja, war das ein bisschen... es hat sich so ergeben. Also, es war jetzt nicht so geplant, aber, ne, irgendwo wollte ich schon zwei Kinder. Und das war auch mit der Promotion alles ein bisschen dann schon auf Kante genäht, dass ich das noch schaffe, ehe das zweite (lacht) geboren war dann. War dann praktisch erst mal ein Jahr zu Hause, ehe ich tatsächlich im Betrieb angefangen habe zu arbeiten. Ist aber niemand nachtragend gewesen, so nach dem Motto, hast du schon mal angefangen und warst nicht da, überhaupt nicht. Ich hatte also schon zumindest mit dem Abteilungsleiter dann auch den ein oder anderen Kontakt. Und haben sich eigentlich auch alle gefreut, dass ich komme. Und es war auch irgendwo ja selbstverständlich, dass man als junge Frau durchaus auch Kinder hat und trotzdem arbeitet mit der Qualifikation, die man hatte. Dann war das ein relativ kurzer aber prägender... eine prägende Zeit. Bis dann tatsächlich die Wende kam. Die ja niemand irgendwie auch nur erahnt hatte. Also das, bin ich dann sozusagen voll reingekommen in das, wir machen hier eine neue Abteilung, wir, wir erforschen und machen. Und dann, ja, eigentlich ein Jahr später, musste sich, mussten sich alle irgendwie neu finden. Oder viele zumindestestens, auch in meinem unmittelbaren Umfeld. Und, ja, was hat sich dann geändert in der Wende. Eigentlich für mich war das also schon eine interessante Tätigkeit, die ich dort angefangen hatte. Und mit der Wende waren dann, ja, auf der einen Seite die Russen nicht mehr da. Also das war ja alles irgendwo... also sämtliche leitenden Positionen waren doppelbesetzt. Immer mit einem deutschen und einem russischen Mitarbeiter. Und... ja. Und mit dieser ganzen Umstrukturierung dann waren dann, wie gesagt, die sowjetischen Kollegen, damals ja noch sowjetisch und nicht russisch, plötzlich nicht mehr da. Nicht mehr zuständig. Dafür kamen neue Chefs. Also nicht etwa aus den eigenen Reihen, sondern mit der ganzen Umstrukturierung, die damals vonstattengegangen ist, also... die Teilung in, in Kerngeschäft der Wismut. Die dann zur Wismut GmbH in Gründung, quasi zusammengefasst worden ist. Und dem zweiten Teil, der in der DFA dann... also der zweite Teil mit vielen anderen Teilbereichen noch und auch die Afög, die für die Leute, die nun jetzt nicht mehr gebraucht worden sind, weil nicht mehr produziert worden ist, untergekommen sind, war das also, ja... waren wir jetzt sozusagen am Anfang erst in, war ich bei der DFA mit gelandet. Also quasi eingeteilt. Die sind, die, die weiter Wismut sind, und dann die Bereiche, was Wissenschaftlich-Technisches Zentrum war. Und der Geologische Betrieb und der Projektierungsbetrieb, also diese drei Betriebe der ehemaligen SDAG Wismut zusammengefasst worden sind. War, war ich persönlich mit der Abteilung, wo ich war, bei der DFA angesiedelt gewesen. Es hat ungefähr ein halbes Jahr bloß gedauert. Dann hatte die Kienbaum-AG, die also die Strukturierung der Wismut, die Umstrukturierung, als die inhaltlich durchgeführt hat, zu dem Ergebnis gekommen, also ein paar Ingenieure brauchen wir schon auch für die Sanierung mit. Also das können wir nicht nur die Bergleute machen lassen, und, und ein paar Chefs. Sodass also da noch mal, ich glaube, es waren sogar 60 Kollegen, in der Größenordnung, von der DFA, also was C & E war, also Consulting & Engeneering, wieder zugegliedert worden ist zu der Wismut. Sodass ich dann also quasi wieder bei (lacht), bei der Wismut gelandet bin. Und für mich war damals also irgendwie so im, im Gefühl, also wir... die Russen waren jetzt nicht mehr da. Die habe ich auch nicht so sehr wahrgenommen. Dafür hatten wir jetzt neue Chefs aus dem Westen. Also nicht etwa Chefs aus den eigenen Reihen. Ein paar davon gab's schon. Aber so, die Abteilungsleiterbereiche, Bereichsleiter, die waren zu großen Teilen, also nicht nur, aber doch auch zu großen Teilen dann,... also was jetzt vor allem so diese ganze Sanierungsvorbereitung, ging auch durch, ja, Leute aus dem Westen besetzt. Wo du gesagt hast, hmm. Also eigentlich hat sich nicht so wirklich was geändert (lacht). Bist nach wie vor irgendwie fremdbestimmt. #00:11:49-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:11:51-1#

Kerstin Nindel: Jetzt will ich nicht sagen, dass die alle schlechte Arbeit gemacht haben. Also da gab's auch wieder solche und solche. Was mein damaliger Abteilungsleiter, also das ist so ein persönliches Erlebnis gewesen. Ich als, sagen wir mal als junge Frau irgendwo, mit zwei Kindern, promoviert, auf einer Ingenieurstelle, konnte von ihm nicht eingeordnet werden. Also dahingehend, also Emanze bist du nicht, weil dann hättest du keine Familie. Aber nur Familie bist du auch irgendwie nicht. Also sowas wie mich gab's im Westen eigentlich als Sekretärin, als Teilzeitmitarbeiter, aber nicht, nicht voll im Berufsleben mit zwei kleinen Kindern. Also meine Tochter war damals reichlich ein Jahr, mein Sohn war vier. Und, na, ich bleibe doch nicht zu Hause. Ich war doch nicht acht Jahre an der Hochschule, um jetzt zu Hause zu bleiben. Und ich muss sagen, unsere Männer, die waren in diesem ganzen Sozialisierungsprozess ja so mitgenommen, für die, für die war das auch völlig normal. Also der Umgang auch miteinander. Und auch, dass Mann zu Hause geblieben ist, wenn Kinder krank waren. Oder dass man manche Dinge eben mal einen Tag vorher ansprechen muss, wenn irgendwas länger dauert. Oder wenn, wenn eine Arbeit außerhalb ansteht. Da gab's überhaupt keine Probleme. Aber wie gesagt. Unsere neuen westdeutschen Vorgesetzten, für die war das irgendwas... was sie nicht kannten. Was so irgendwie komisch war. Und ich habe zu der Zeit immer sehr zeitig früh auch angefangen, so gegen sechs. Weil auch Schichtbetrieb in den Betrieben ja zeitig war. Und mein Mann hat sich früh um die Kinder gekümmert, sodass ich also auch zeitig anfangen konnte. Und ich war dann immer zuständig für das, was dann nachmittags passiert. Also da konnte ich mich auch nicht drauf verlassen, dass mein Mann daran denkt, dass da noch Kinder sind. Also früh waren die ja einfach da. Wenn (lacht) ich nicht mehr da war, das war die Zeit für mich. Und man hat auch früh relativ viel geschafft. Weil ja im Umfeld, in den Bergbaubetrieben die Leute auch zeitig angefangen haben mit arbeiten. Und wenn ich dann eben auch nach Königstein gefahren bin oder nach Aue, dann war das immer sehr zeitig. Also sind wir manchmal auch halb sechs losgefahren oder noch eher. Weil einfach, dass du dann zur eigentlichen Zeit da warst früh. Und insofern war ich aber dann nachmittags auch relativ pünktlich, gegen um vier, halb vier, um vier nicht mehr auf der Arbeit. Wo eben andere Kollegen dann durchaus noch da waren. Und für die westdeutschen Kollegen, die dann eher so halb neun früh angefangen haben, war ich ja immer nicht so viel da. Aber ich habe dann eigentlich mit, mit meinem Vorgesetzten, also das hat ganz gut funktioniert. Weil er sagt, Frau Dr. Nindel, ich brauch aber noch... Und ich sage, Sie kriegen das morgen. Morgen früh haben Sie das. Aber heute Nachmittag nicht mehr. Ja, OK, ja. Und er hat dann auch irgendwann begriffen, wenn er mich dann nachmittags um halb fünf irgendwo mal besucht hat und nicht gefunden hat, dass ich aber frühzeitig da war. Und dann war er auch um sieben da. Also, hmm, hat in beide (lacht) Richtungen eigentlich wirklich gut funktioniert, muss ich sagen. Also, dass man, dass man schon seine Aufgaben erfüllt. Und wenn jetzt angesagt war, also übermorgen ist ein Meeting, das geht eben erst um zwei los, dauert wahrscheinlich länger. Ich sage, kann ich mich einrichten, bleibe ich auch länger da. Aber wenn dann der Chef eben halb vier nicht da war, haben andere Kollegen noch gewartet, vielleicht kommt der noch. Ich bin dann nach Hause gegangen, weil... Aber das hat, nee, das hat funktioniert (lacht). Also... und vieles, was, was heutzutage jetzt diese neuen Errungenschaften sind, wo ich mich für unsere jungen Kollegen auch freue, dass das möglich ist, dass auch die Männer ihre, ihre, ihre Elternzeit mit, mit nutzen können. Dass sie Teilzeit arbeiten und so. Das sind alles Dinge, die ich eigentlich mit dem Start meines Berufslebens als selbstverständlich hatte. Also ich musste auch nicht dafür kämpfen. Was natürlich schwierig war mit der Wende, man konnte entweder ganz arbeiten, also Vollzeit, oder gar nicht. Also das, was heute auch wieder möglich ist, Teilzeit... #00:16:07-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:16:07-4#

Kerstin Nindel: ...war in der Wendezeit, stand überhaupt nicht zur Debatte. Also das war, entweder du arbeitest und wir brauchen dich komplett. #00:16:15-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:16:16-1#

Kerstin Nindel: Oder wir, wir haben jemand anders dann. Also das war schon, wo ich mir dann irgendwann gedacht hatte, ja, so, hmm. Am Anfang vielleicht ein bisschen Teilzeit wäre vielleicht nicht schlecht gewesen. Aber hat man das geschafft, mache ich es vielleicht jetzt so. So vor dem Ruhestand, wo ich sage, hmm, kann ich mir dann gönnen (lacht) vielleicht, mal schauen. Ja, das vielleicht jetzt erst mal soviel zu dem, wie ich begonnen habe mit der Arbeit. Wie ich den Umstieg gemacht habe. Ja, und letztendlich bin ich dann in verschiedenen Abteilungen die ganzen vielen Jahre immer bei derselben Firma geblieben. Was man heutzutage als... vielleicht nicht unbedingt positiv nur sieht. Also nicht flexibel genug. #00:17:00-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:17:01-0#

Kerstin Nindel: Auf der anderen Seite aber auch, ja, sind die Aufgaben so vielfältig in Wismut. Und so übergreifend, dass da trotzdem eine gewisse Flexibilisierung da ist. Also ohne, dass man jetzt ständig den Arbeitsplatz nach ein paar Jahren wechselt, um zu zeigen, dass man weiterkommt. Und das ist vielleicht auch so ein Punkt. Natürlich, wenn man wirklich richtig groß Karriere macht, dann wechselt man irgendwann mal die Arbeit. Aber... sagen wir mal, mit zwei Kindern arbeiten, schafft man das erst mal nicht. Also wenn die klein sind, dann bist du froh, dass du diesen festen Arbeitsplatz hast mit den ganzen sozialen Dingen, die die Wismut durchaus immer noch geboten hat. Und, ja, wo die Kinder dann größer waren, also wo man dann so Anfang, Anfang, Mitte 40 war, da waren einfach, sagen wir, die männlichen Kollegen im selben Alter an der Stelle angelangt, wo man hätte vielleicht selber hinkommen wollen. #00:18:00-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:18:01-8#

Kerstin Nindel: Was aber nicht ging. Aber ich bin da jetzt weder, weder traurig noch böse. Das ist einfach eine Feststellung. Eine Tatsache, die der Zeit geschuldet ist. Und wo manche noch lange nicht so weit sind, wie, wie ich da gekommen bin. #00:18:15-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:18:18-5#

Kerstin Nindel: Ja. Es gibt, gibt sicherlich noch viele Episoden zu erzählen. Aber vielleicht können wir das auch im Zusammenhang mit Ihren Fragen dann (lacht)... #00:18:25-9#

Astrid Kirchhof: (unv.) und so was nachfrage. Okay, dann würde ich ganz gerne an den Anfang Ihrer Erzählung gehen und mal fragen, also, Sie sind 1961 geboren. Und wenn ich das richtig gesehen habe, in Karl-Marx-Stadt. #00:18:41-1#

Kerstin Nindel: Richtig, ja. #00:18:42-0#

Astrid Kirchhof: In Chemnitz. #00:18:43-2#

Kerstin Nindel: In Karl-Marx-Stadt! Ich bin in Karl-Marx-Stadt geboren, das wird auch immer in meiner Geburtsurkunde (lacht) so drin stehen. #00:18:49-5#

Astrid Kirchhof: Und aus welcher, also wie war Ihre Familie? Haben Sie Geschwister? Und haben auch... was haben Ihre Eltern gearbeitet? War die Mama zu Hause oder ist sie auch arbeiten gewesen? Wie war das? #00:19:01-5#

Kerstin Nindel: Also... mein Vati ist Ingenieur. Diplomingenieur für Bauwesen. Mein, meine Großeltern hatten eine Baufirma, die 1962 teilverstaatlicht worden ist. Damit mein Vater studieren konnte. Und die 1972 dann volkseigen wurde. Wo dann die Enteignung der Betriebe in der DDR abgeschlossen worden war. Bis auf Handwerksbetriebe mit maximal zehn, zehn Leuten. Meine Mutti hat gearbeitet gehabt, bevor ich zur Welt gekommen bin. Dann gab's keine Kindergartenplätze. Dann habe ich noch zwei Geschwister. Insofern hat meine Mutti dann erst wieder gearbeitet, wo mein kleiner Bruder, der fast zehn Jahre jünger ist, dann auch in die Schule gehen konnte. Und kein Kindergartenplatz mehr gebraucht wurde. Sodass also vom sozialen Umfeld her, sagen wir mal, wir normal gelebt haben. Also es war nie wirklich viel übrig. Mein Vati hat auch Nebentätigkeiten gemacht, die er noch mal extra ein bisschen bezahlt bekommen hat. Weil natürlich als Ingenieur hast du in der DDR nicht wirklich viel verdient. Und mit 20 Mark Kindergeld pro Kind, also da sind wir heute schon deutlich besser. Auch wenn man von dem Kindergeld heute genauso nicht ein Kind erziehen kann. Meine Brüder sind auch beides Bauingenieure geworden. Und ich stand irgendwann auch so vor der Frage, hmm, was willst du denn mal werden? Ja, am Anfang, du machst Abitur, war gar keine Frage. Weil die Leistung also einfach so war, dass ich sage, okay, ja. Dann gibst du erst mal an, ich werde Arzt, hmm. Irgendein Berufswunsch. Und wenn man, wo ich mich dann genauer damit beschäftigt habe, jaa, nee, Arzt, so, hmm. Könntest du machen, aber willst du eigentlich nicht. Und habe dann so ein bisschen nach dem Ausschlussverfahren, was ich alles (betont) nicht machen will. Und was mir (betont) nicht so liegt (lacht). Wenn ich dann irgendwo dahin gekommen bin, ja, so Geologie wäre eigentlich nicht schlecht. Habe mich dann noch ein bisschen genauer damit beschäftigt. Wurde mir dann von vielen Lehrern und anderen ausgeredet, weil der Schlüssel für Geologie lag... auf einen Studienplatz kamen sieben Bewerber. In der Medizin war es nur eins zu zwei. Okay. Wir waren im Jahrgang dann 25, die ausgebildet worden sind. Und mehr waren es in der ganzen DDR nicht. Und es ist jedes Jahr auch nur eine oder maximal zwei Seminargruppen in Freiberg ausgebildet worden. Und parallel dazu, jedes zweite Jahr gab's auch eine Seminargruppe in, in Greifswald. Also es waren nicht wirklich viele, die in der DDR Geologie studiert haben. #00:21:45-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:21:46-1#

Kerstin Nindel: Und... ja. War eine super Studienzeit. Und dann stand eben irgendwann wieder die Frage, was machst du weiter. Und dann gab's das Angebot als Forschungsstudium an der Werkakademie erst mal weiterzumachen. Und, ja. Das habe ich einfach angenommen. Also da gab's jetzt nicht so furchtbar viele Überlegungen. Ich wollte erst mal noch in Freiberg bleiben, weil ich war dann in der Zwischenzeit verheiratet. Und habe dann halt das Forschungsstudium angeschlossen. #00:22:16-3#

Astrid Kirchhof: Ein Forschungsstudium, heißt das Promotion? #00:22:19-5#

Kerstin Nindel: Ja. Forschungsstudium war Promotion. Also man konnte direkt im Anschluss an das Diplom, gab's zwei prinzipielle Wege. Also man konnte natürlich auch mal einen dritten Weg gehen. Dass man im Betrieb angefangen hat, irgendwo zu arbeiten. Und sich dort ein Thema gesucht hat. Und eine Hochschule. Und dann promoviert hat, quasi wie nebenbei. Der übliche Weg war, dass man als Assistent angestellt war. Angestellter der Hochschule. Da warst du auch in der Lehre direkt mit tätig. Also hast die Studenten mit ausgebildet. Hast nebenbei deine, oder, ein wichtiger Teil deiner Arbeit war die Forschungsarbeit. Und das Forschungsstudium war so, dass man also weiter Student war an der Hochschule. Als Forschungsstudent. Man hat auch weiter nur Stipendium erhalten. Konnte sich aber ausschließlich auf die Promotionsarbeit, seine eigene sozusagen, konzentrieren. Hat also maximal ausgeholfen in der Lehre. Aber eigentlich war man dann nicht eingebunden in das Forschungsstudium. Da wurde in der Regel eigentlich nur zwei Jahre. Das heißt, das erste Jahr Zeit für die Diplomarbeit, die ich ja trotzdem gemacht habe. Und dann noch zwei weitere Jahre. Ich habe das unterbrochen mit einem Jahr Babypause für mein erstes Kind (lacht). Also quasi mit oder nach der Diplomarbeit ist meine Tochter, mein Sohn zur Welt gekommen. Und habe dann die beiden Jahre quasi mein, die Promotion dann mir erarbeitet. Und habe dann sozusagen die Promotion abgeschlossen mit dem zweiten Kind. #00:23:54-6#

Astrid Kirchhof: Konnte man, es, also wurde man für eine Promotion prinzipiell angesprochen? Oder konnte man auch sich selbst bewerben? #00:24:02-8#

Kerstin Nindel: Also man, man konnte sich schon selbst mit bewerben. Also prinzipiell ist es so gewesen, dass am Ende des Studiums gab es eine gewisse Anzahl von Arbeitsplätzen. Ein Teil war, waren die, die praktisch delegiert wurden von dem Betrieb schon. Die natürlich dort wieder zurückgegangen sind. Und dann bestand in der gesamten Republik ein Bedarf. Stellen, die besetzt werden sollten. Aufgrund... das ist auch die Grundlage gewesen, wie viele überhaupt ausgebildet werden. Dass also dann nach fünf Jahren gesagt wird, okay, ich habe jetzt die und die Stellen zu besetzen. Es waren immer mehr Stellen frei, als tatsächlich Studenten fertig geworden sind. Und unter anderem waren das eben auch immer die Stellen als Assistent an der Hochschule. Und es gab auch immer ein paar Stellen Forschungsstudium. Und... bei uns in der Sektion ist das, oder im Wissenschaftsbereich heißt das heute, so abgelaufen, dass dann entsprechend der Leistung, die man hatte im, im Studium, also in seinem Abschluss, und das war im vierten Studienjahr, also bevor die Diplomarbeit geschrieben worden ist, also auf Grundlage auch der Hauptabschlussprüfung konnte man sich dann sozusagen in dieser Reihenfolge aus diesem Pool von, ich sage jetzt mal 32 Stellen, wir waren damals noch 23, sagen, ich möchte diese Stelle nehmen. Und je besser du warst, um so mehr Möglichkeiten hattest du natürlich dann, dich auf... also für, für diese Stelle mit einem Arbeitsvertrag dann zu bewerben. Also... oder bist dann auch dort angenommen worden. Das war also jetzt nicht so, dass jetzt einer gesagt hat, also ich möchte unbedingt eine Promotion machen und bin aber eigentlich ganz schlecht. Die Stellen waren dann einfach schon mal nicht mehr da. Aber in der Regel gab's da auch keine Konflikte oder so. Weil, weil ja die, die gut waren, sozusagen auch die ersten Karten gezogen haben. Und da gab's durchaus auch welche dabei, die gesagt haben, nee, Promotion möchte ich nicht machen. Ich würde schon lieber in einen Betrieb gehen oder in eine andere Stadt oder wieder zurück. Also, wobei, wenn du Geologie studierst, dann weißt du eigentlich, dass du nicht zwangsläufig da bleibst, wo du herkommst. Oder in Freiberg bleibst. Aber das Leben ist halt dann auch ein bisschen anders. Also, wenn du dann irgendwo im Studium halt jemanden kennengelernt hast, hast du schon versucht, dort mit hinzugehen, wo dein Partner dann hingeht. Den du ja vorher noch nicht hattest, also... #00:26:39-6#

Astrid Kirchhof: Sie sagten vorher, Sie haben Geologie, zur Geologie sind Sie gekommen durchs Ausschlussprinzip. Was hat Sie denn fasziniert an der, an Geologie? / Dr. Kerstin Nindel Geologie? / Dr. Astrid Kirchhof ...studium. Oder an, ja, an Geologie? #00:26:53-3#

Kerstin Nindel: Also mich hat fasziniert A, es ist eine Naturwissenschaft. Also ich bin auch naturwissenschaftlich geprägt, das macht mir auch Spaß. Dann bin, sagen wir mal, fasziniert mich auch Landschaften, Morphologie, wie ist das alles entstanden? Wofür wird das verwendet? Also Bergbau, auch nicht nur der Bergbau auf Erze, auf, also, wenn jemand an Bergbau denkt, dann hat er die Kohle im Sinn oder Erz. Aber es gibt noch ganz viel andere. Jede Kiesgrube ist Bergbau. #00:27:26-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:27:27-5#

Kerstin Nindel: Und auch das ganze Wasser, also Grundwasser, ist alles Geologie. Also, wo kommt mein Wasser her? Wie fließt es da? Wie kann ich das fördern? Das gehört alles mit zur Geologie. Also, das ist ein... naturwissenschaftlich wirklich sehr, sehr komplexes Gebiet. Sehr komplexes Studium. Und man ist eigentlich vielleicht, wenn man dann Feldgeologie macht, nicht nur am Schreibtisch. #00:27:54-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:27:55-5#

Kerstin Nindel: Und hat eigentlich auch die Möglichkeit, mit rauszugehen. Wobei sich das dann im Laufe der Jahre auch ein bisschen ändert. Also... wirklich rausgehen, das macht man eher so in den Anfangsjahren. Oder man ist wirklich Feldgeologe und immer mit draußen. Und trotzdem habe ich immer noch die Möglichkeit, mehr wie andere Schreibtischarbeiten draußen mitzuwirken. Das ist eigentlich so das. Das sind so die Punkte, die mich auch bewogen hatten, ja, das könnte ein Beruf für dich werden. Und ich würde heutzutage wieder Geologie studieren. Also ich habe nie irgendwie so das Gefühl gehabt, das ist irgendwas, was dir jetzt nicht liegt oder, oder was du dir völlig anders vorgestellt hast. Und... / Dr. Astrid Kirchhof hm (bejahend) / Dr. Kerstin Nindel ...die Methoden entwickeln sich weiter. Klar, man muss auch mal dranbleiben. Aber... #00:28:42-5#

Astrid Kirchhof: Sie haben vorher gesagt, die Wismut hat zu dem Zeitpunkt Arbeitsstellen ausgeschrieben. #00:28:49-6#

Kerstin Nindel: Ja. #00:28:50-2#

Astrid Kirchhof: Und eigentlich hat doch die Wismut abgebaut in den 80er [1980er] Jahren, also... #00:28:54-6#

Kerstin Nindel: Ja. #00:28:55-8#

Astrid Kirchhof: Wie suchen die dann sozusagen noch neue Mitarbeiter? #00:28:58-7#

Kerstin Nindel: Naja, also es gab zum Beispiel, es wurde gesucht Mitarbeiter für's Labor. Naja, Laborleiter. Das ist das, was mir bekannt war. Oder eben in, in Umweltschutz. Also dann auch Leute, die man jetzt nicht im Betrieb einfach nur umschulen konnte. Sondern wirklich mit Qualifikation ausgebildete Leute in diesen speziellen Bereichen. Also jetzt nicht für den Abbau, aber eben so für, für diese ganzen wissenschaftlich-technischen Untersuchungen. Und auch sicherlich, was die Projektierung angeht, vielleicht auch weniger, aber eben gerade, wie gesagt, dass, wo ich da eingestiegen bin, haben sie halt Leute eingestellt. Also in speziellen Gebieten. Sicherlich auch das eine oder andere, kann ich mir vorstellen, was Standsicherheitsberechnung, Geotechnik angeht, da sind auch Leute eingestellt. Also das sind dann so die Fachbereiche, die man dann auch mit der Wende... also, wobei das ja jetzt, es war ja nicht bekannt, dass eine Wende kommen wird. Also man sagt immer, naja, dann kam ja die Wende und so. Nee, das wusste man ja nicht. Aber ich hatte dann wirklich das Glück, dass ich halt in dieser, gegen Ende der 80er [1980er] Jahre gegründete Abteilung Umweltschutz einen Arbeitsvertrag hatte. Weil genau die wurden gebraucht. Genau die sind nicht in Kurzarbeit geschickt worden. Wir haben eigentlich nahtlos unser Aufgabenfeld extrem erweitern können. #00:30:19-6#

Astrid Kirchhof: Das heißt, die Wismut hat also zu dem Zeitpunkt Leute für den Umweltschutz schon eingestellt. #00:30:25-9#

Kerstin Nindel: Ja. #00:30:26-5#

Astrid Kirchhof: Und gab... also machen Geologen, oder wurden auch Leute gesucht, dass man geologisch untersucht, was man statt Uranbergbau noch machen könnte? #00:30:37-1#

Kerstin Nindel: Also die Leute gab's schon. Weil natürlich jetzt... also zum Beispiel in Pöhla oben gab's in den 80er [1980er] Jahren dann schon in der Wismut das Zinn-Erkundungsprogramm. Also es wurden durchaus auch diese Vergleichs... oder, oder andere Metallvorkommen dann mit betrachtet. Da wurden auch Abbau, Versuchsabbaue gemacht. Die Aufbereitung war dann ein bisschen schwierig. Silber ist mit untersucht worden. Wobei Silber war das Problem, DDR hat ja auch Silber gebraucht. Die Aufbereitung war nicht so sauber, dass jedwedes Uranatom dann nicht mehr in dem Endprodukt drin war. Und wenn aus diesem Silber dann zum Beispiel in der Fotoindustrie Filme hergestellt worden sind, haben die sich selber belichtet. Also das Silber war dann dafür (lacht) nicht verwendbar. Also es war sauber, aber es hat eben nicht ausgereicht, also vom Aufbereitungsprozess dort wirklich jedwedes Uranisotop rauszufiltern. #00:31:41-0#

Astrid Kirchhof: Gerade fiel noch mal das Wort Projektierung. Was heißt das? #00:31:45-1#

Kerstin Nindel: Also es gab in der, in der Wismut ja verschiedene Betriebe. Gesundheitswesen, Kfz-Bau. Und einer dieser vielen Betriebe war der Projektierungsbetrieb. Der war dafür zuständig, die Projekte zu erstellen, die für, für den Abbau notwendig waren. Die für die Halden notwendig waren. Also quasi, ja, jetzt keine Hochhäuser, das weiß ich nicht. Aber, ob die vielleicht auch Häuser projektiert haben, durchaus möglich. Also alles, wo ein, ein technisches Projekt erstellt werden musste, das ist im sogenannten Projektierungsbetrieb erfolgt. #00:32:26-3#

Astrid Kirchhof: Sie haben vorher gesagt, und ich habe es auch gelesen in Ihrem Lebenslauf, dass Sie mit einem Kind eine... drei Jahre promoviert haben und dann die Promotion abgeschlossen. Wie geht das? #00:32:41-6#

Kerstin Nindel: Das ging relativ gut. Also ich meine, ich habe meine Diplomarbeit gemacht, da war ich schwanger mit dem ersten Kind. Nachdem ich die verteidigt habe, kam das dann zur Welt. Dann habe ich ein Jahr Babypause gemacht. Also wirklich, sagen wir mal, mich dadrauf konzentriert, diese neue Funktion (lacht) Mutter auszufüllen, zu lernen. Und habe dann aber relativ schnell, so nach ein paar Wochen eigentlich, gemerkt, das kriegst du ganz gut hin. Habe dann auch mit, mit dem Bereich, wo ich dann quasi meine Promotion gemacht habe, das war in der Sektion, oder Wissenschaftsbereich Physik, die eng mit der Hydrogeologie zusammengearbeitet hat. Wo auch ein Labor mit dran war. Also habe ich dann ganz engen Kontakt gehalten. Und habe die Zeit genutzt, dieses eine Jahr quasi Pause, was mir ja nicht mit angerechnet worden ist, wo ich weiter Stipendium bekommen habe, um meine marxistische-leninistische Arbeit, die man zu dem damaligen Zeitpunkt mit erstellen musste. Also das war ein Punkt, um promovieren zu können, dass da also auch auf diesem Gebiet tätig bist. Da konnte man sich das Thema selber raussuchen. Das hatte ich in sozialistische Betriebswirtschaft dann gemacht. Also das ging. Musste jetzt nicht unbedingt das M-L sein. Und habe quasi die Zeit genutzt, dort halt diese Teilarbeit mit zu erledigen. Und dann ging mein Kind ja in den Kindergarten. Das habe ich halb sieben in den Kindergarten geschafft. Oder in die Kinderkrippe damals. Bin dann normal in, ins Labor, in den Bereich gefahren. Hatte dort auch Kollegen, mit denen man sich gut austauschen konnte. Hatte das Glück, dass mein Kind nur selten krank war. Und, ja, hab dort meine, meine Laborarbeiten, Untersuchungen gemacht. Und wenn ich mal auswärts wo hingefahren bin, habe ich ja noch einen Mann gehabt, der ja das Kind auch betreuen konnte. Also der war Assistent in Freiberg und insofern war das jetzt weder... also ich habe das nicht als Belastung oder so wahrgenommen. Sondern ich habe auch mit einem Kollegen zusammengearbeitet, der hat programmiert, Programmierung gemacht. Der kam immer so gegen Mittag. Das war so ein typischer Spätaufsteher. Und wir haben uns dann in der Mittagszeit immer so zwei, drei Stunden im Institut getroffen, ausgetauscht. Er hat dann dort weitergemacht, wo ich ihm übergeben hab. Oder hat, ja, oder er hat dann irgendwas mir hinterlassen, und, und die meisten Leute haben ja auch in der Arbeit, in der Arbeitszeit gearbeitet, wie ich. Also, und da ich ja keine Lehre mit hatte, sondern Forschungsstudent war, war das eigentlich überhaupt kein Problem zur damaligen Zeit. #00:35:24-0#

Astrid Kirchhof: Sie haben so ein bisschen, ich weiß nicht, ob mit Verwunderung oder... / Dr. Kerstin Nindel hm (bejahend) / Dr. Astrid Kirchhof ...mit Kuriosität erzählt, dass Sie nicht unter Tage gelassen werden sollen, weil es ja in der DDR verboten war. #00:35:37-1#

Kerstin Nindel: Ja. #00:35:37-4#

Astrid Kirchhof: Seit 73 [1973] glaube ich. #00:35:39-9#

Kerstin Nindel: Genau, genau. #00:35:41-2#

Astrid Kirchhof: Ja. Hat, haben Sie sich da gewundert, dass es sowas in der DDR gab? Und hat das so nicht gepasst zu Ihrem Bild von Emanzipation in der DDR für Frauen? #00:35:52-7#

Kerstin Nindel: Also, ich wusste ja, dass das so ist. Also weil dann im Studium ja auch ständig damit konfrontiert worden ist. #00:36:00-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:36:01-0#

Kerstin Nindel: Also wir, wir sind im Studium einmal in Ehrenfriedersdorf eingefahren. Also haben dort die Grube besichtigt. Das war eine absolute Ausnahmegenehmigung. Weil dort gab's noch eine Grubengeologin mit einer Ausnahmegenehmigung. Weil es wäre ja sonst... also die war Hauptgeologin dort. Ich war in Russland zum, zur Exkursion vier Wochen im Studium. Dort war das selbstverständlich, dass die Frauen dort mit eingefahren sind. Also dort haben wir uns auch unter Tage Gruben angesehen. Wir hatten im Geologiestudium auch ein Fach, was quasi Bergbautechnologie war. Da konnte ich mir immer überhaupt gar nichts vorstellen. Also wenn du das nicht mal gesehen hast und der Dozent erzählt das vorne, also das war sowas für, hmm, keine Ahnung. Und wenn wir Praktika hatten, dann sind wir als Studentinnen immer in den Tagebau gegangen. Weil über Tage ging ja Bergbau. Und die unter-Tage-Sachen haben unsere Jungs gemacht. Also die hatten dann Praktika eben in den unter-Tage-Sachen. Also insofern, ja, es, es hat mich schon auch zu DDR-Zeiten immer so ein bisschen gewundert, da hast du gesagt, dass, na, ich, ich bin, ich arbeite dort doch nicht mit, mit der Hacke oder mit irgendwas. Und, aber es war halt so. Also dann hat es auch keinen Sinn, sich dagegen aufzulehnen. Das Einzige, was mich gewundert hatte war eben dieses, also, dass die Stelle, die dort in der Wismut besetzt werden sollte, eben sich auch auf unter Tage mit erstreckt, war mir so nicht klar. Und insofern war das dann schon ein bisschen verwunderlich, wo dann der Abteilungsleiter sagte, ja, genauso jemanden brauchen wir, aber keine Frau. Was sich dann eben aufgeklärt hatte, weil wir brauchen eigentlich auch jemanden, der mit unter Tage darf. #00:37:46-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:37:47-2#

Kerstin Nindel: Aber um, das ist dann eigentlich auch innerhalb dieses Kadergesprächs dann schon durch den Abteilungsleiter oder so, ja, aber, hmm. Gibt genug Möglichkeiten, wir können auch über Tage einsetzen. #00:37:58-3#

Astrid Kirchhof: Und war, also, wenn Sie sagen, in Russland sind Frauen unter Tage eingefahren, finden Sie das dann eigentlich besser? Oder fanden Sie es richtiger, wie die DDR damit umgegangen ist? #00:38:10-0#

Kerstin Nindel: Also in Russland sind die Frauen ganz normal, haben die auch unter Tage gearbeitet. Genauso wie in Russland die Frauen ganz normal auch Straßenbau gemacht haben, wenn die Männer an der Maschine gesessen haben und die Frauen mit dem, mit der Schaufel dastanden. Das ist auch ein bisschen, muss man sagen, Russland ist ein anderes Land. Also das, da kann man jetzt auch nicht sagen, die sind dort anders unterdrückt. Das ist einfach eine andere Situation. Sicherlich ist es jetzt nicht, also so gut. Und eigentlich ist diese Konventio..., diese Konvention ja auch gestartet worden, dass eben wirklich Frauen, junge Frauen, schwangere Frauen, stillende Mütter eben nicht schwer körperlich unter Tage arbeiten sollen. Das, was die DDR gemacht hat, wir verbieten gleich mal allen Frauen und sind da die Allerbesten, das finde ich völlig falsch. Weil ich bin dann auch, nach der Wende war das dann auch so... einfahren, und geht das jetzt? Und... ich hab es dann einfach gemacht. Weil Kollegen in Wismut, ja, dann kommst du mal mit, dann zeige ich dir das. Und wir haben unseren Frauen das auch mal gezeigt, ne. #00:39:12-9#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:39:13-4#

Kerstin Nindel: Ich meine, in jede Höhle, in jedes Besucherbergwerk darfst du auch, ne. #00:39:16-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:39:16-7#

Kerstin Nindel: Und das ist aber ja, es ist ja jetzt nicht, nicht eine Arbeit, also ich würde jetzt vielleicht nicht Steiger sein sollen, wollen. Oder, oder wirklich da an den Bohrmaschinen, was jetzt körperlich extrem schwer ist. #00:39:30-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:39:31-0#

Kerstin Nindel: Aber dieses Generelle, also (betont) gar nicht einfahren. Und als Geologe, selbst wenn ich dort acht Stunden unter Tage durch die Grube laufe, ist das auch für eine Frau machbar. Und wenn man heute sieht, dass wir in den Grubenwehren auch Frauen mit drin haben, ist es eigentlich ein bisschen... ja, da wollte der Staat was ganz Gutes tun und hat aber das dann auch nicht so gut hingekriegt. #00:39:54-7#

Astrid Kirchhof: Sie haben vorher erzählt, dass Sie sich nicht benachteiligt gefühlt haben, weil es selbstverständlich war, dass Männer und Frauen da sich die Arbeit geteilt hat. Ich muss jetzt mal ein bisschen ketzerisch fragen,... / Dr. Kerstin Nindel Ja / Dr. Astrid Kirchhof ... wer hat denn bei Ihnen gekocht, geputzt und eingekauft zu Hause? Haben Sie sich das geteilt? #00:40:14-7#

Kerstin Nindel: Wir haben uns das geteilt. Sicherlich nicht so ideal, wie, wie wenn man eben wirklich beide verantwortlich ist, ne. Also, es kam dann am Anfang auch vor, dass wir zweimal Brot hatten, aber keiner beim Fleischer war. #00:40:33-1#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:40:33-9#

Kerstin Nindel: (lacht) Und man muss dann auch eine Form finden, wer ist für was verantwortlich auch zu Hause. Und natürlich hat mein Mann auch gekocht. Der hat auch super gekocht. Aber an den restlichen Tagen mussten wir auch was essen. Also (lacht) und in der Küche kann nur einer. Und irgendwann, ja, nach der Wende hat mein Mann sich dann selbstständig gemacht. Da war natürlich noch viel weniger Zeit da. Und er hat dann immer, na, ich helfe dir doch! Ich sage, ich will nicht, dass du mir hilfst! Ja, was willst du denn dann? Ich sage, ich will, dass du dich mit verantwortlich fühlst. #00:41:09-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:41:10-4#

Kerstin Nindel: Also das ist für mich immer noch ein ganz großer Unterschied zwischen \"ich helfe mal mit\" #00:41:14-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:41:14-5#

Kerstin Nindel: oder jeder ist für sein Teilgebiet wirklich verantwortlich. Und, ja, aber auch da denke ich, das sind dann auch wieder die Menschen selber. Also das, das liegt jetzt nicht daran an der Zeit oder dass die Gesellschaft das... vielleicht missachtet oder wie auch immer. Das liegt auch immer an den Menschen, die dann miteinander auskommen müssen und die sich dann eben irgendwie das auch teilen oder einteilen. Und wo man das als Frau auch einfordert. Und ich sehe das jetzt bei meinen Enkeln beziehungsweise bei meiner Tochter. Die haben beide ihre Freiräume. Klar kotzt es meine Tochter manchmal an, dass sie jetzt im Augenblick mehr Hausarbeit macht, weil sie zusammen ein Haus bauen. Und... der Bau jetzt, also sie hackt auch mal eine Wand mit ein. Und mein Schwiegersohn macht auch mal mit sauber und kocht. Aber das ist dann vielleicht auch einfach den körperlichen Voraussetzungen ein bisschen geschuldet, wer was macht. #00:42:09-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) Ich wollte mal wissen, Sie sagten, dass die Ost, also die Chefs, die eigentlich die herkömmlichen Chefs aus der DDR waren, die wurden gegangen. #00:42:23-4#

Kerstin Nindel: Nicht alle! Aber es wurde dann... / Dr. Astrid Kirchhof Ja / Dr. Kerstin Nindel ...auch wieder neu besetzt. Eben mit, mit westdeutschen Chefs. Also es sind nicht alle gegangen. #00:42:30-0#

Astrid Kirchhof: Wer hat denn das gemacht? Wer hat denn das veranlasst, dass die gehen müssen und West-Leute kommen? #00:42:34-7#

Kerstin Nindel: Also ich denke nicht, dass die alle gegangen sind. Aber manche waren dann auch im Ruhestand. Beziehungsweise es wurde ja eine völlig neue Leitungsstruktur aufgebaut. Wo sich dann also auch wieder, sagen wir mal, die Mitarbeiter, die bei Wismut noch waren entweder eingebracht haben. Also durchaus. Beziehungsweise eben dann über das, war, ich glaube das war Kienbaum AG, die die quasi, ja diesen ganzen Umstrukturierungsprozess gemacht hat. Und die dann... aber da bin ich zu weit weg gewesen. Also dann eben auch diese, diese höheren Stellen mit ausgewählt, besetzt hat. Und letztlich vom Lebenslauf hat ja niemand in der DDR den Lebenslauf gehabt, dass man sagt, ich habe jetzt schon mal Leitungsfunktionen hier und da gehabt. Also... ja. Und dann wie gesagt. Diese, diese ganzen personellen Dinge, wie die dann im background wirklich gelaufen sind, das kann ich nur erahnen. Ich habe nur das Ergebnis dann gemerkt. #00:43:33-3#

Astrid Kirchhof: Ist, also okay, das habe ich nicht gewusst. Dass das quasi eine Firma von außen war, die die Umstrukturierung vorgenommen hat. #00:43:40-2#

Kerstin Nindel: Das war die Kienbaum AG. Das ist eine sehr, sehr bekannte Unternehmensberatungsfirma. Die auch relativ teuer ist. Und die damals auch wirklich alle Mitarbeiter auch im Detail befragt hat. Und auf der Grundlage dann quasi die Wismut so strukturiert worden ist, als GmbH im, in Gründung. #00:43:59-6#

Astrid Kirchhof: Aber die beraten nur? Die... #00:44:02-7#

Kerstin Nindel: Ja. Aber letztlich beraten... also die legen das Konzept vor, was natürlich dann auch umgesetzt wird. Also dann machst du dir keine neuen Gedanken oder so. Das ist dann das Konzept, was dann... #00:44:13-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:44:14-0#

Kerstin Nindel: Also anders wie heute, wo manchmal teures Geld ausgegeben wird und dann machen wir es trotzdem nicht so. #00:44:19-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend), hm (bejahend), okay. Sie sagten, Sie hatten dann einen West-Chef, mit dem es dann nach ein paar Holpereien am Anfang ganz, doch ganz gut lief. #00:44:29-3#

Kerstin Nindel: Ja, ja. #00:44:29-9#

Astrid Kirchhof: War dieses, sage ich mal, Ost, West, stand das immer irgendwie trotzdem im Raum, dass man sich immer bewusst war, der Mensch kommt irgendwie aus dem Westen? #00:44:39-9#

Kerstin Nindel: Also das stand schon immer im Raum. Also vielleicht muss ich noch mal dazu sagen, der Chef von unserer Abteilung war dann auch Geologe. Und das verbindet schon irgendwo. Weil irgendwie, sagen wir mal, sucht der Beruf auch sich Leute, und nicht nur andersrum, die dazu passen, zu diesem Berufsbild. #00:44:58-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:44:59-2#

Kerstin Nindel: Und das Berufsbild Geologe ist jetzt im Westen nicht anders gewesen wie das Berufsbild Geologe im Osten. Oder das Berufsbild Geologe in Russland. Also wo wir ja auch Praktika hatten. Also das ist schon sehr ähnlich. Insofern hat das dann vielleicht auch so wirklich gut geklappt. Und natürlich steht das immer im Raum. Weil es eine ganz andere Lebensphilosophie aus dem Westen rübergeschwappt kam. Also selbst, wenn du dich mit Leuten super verstanden hast, war das immer, es war... die sind völlig anders sozialisiert worden. Und diese 40 Jahre anders, die haben sich natürlich in unserer Generation dann schon gezeigt. Wobei, ich habe dann auch in den 90er [1990er] Jahren, da haben wir auch Verträge gehabt mit Westfirmen, Ingenieurbüros, die also in unserem Auftrag und mit uns zusammen Untersuchungsarbeiten durchgeführt haben, Sanierungskonzepte, Grundlagen dafür erarbeitet haben. Und die Leute, die in meinem Alter waren, und die (betont) nicht als Wessis nach Ostdeutschland gekommen sind, sondern die wirklich eben als Firma weiter im Westen waren und eben dann Aufträge bekommen haben. So wie das heute auch der Fall ist. Die haben eigentlich so bis in die 70er [1970er] Jahre, also 60er [1960er] Jahre auf alle Fälle bis Anfang der 70er [1970er] Jahre einen sehr ähnlichen Lebenslauf gehabt. #00:46:21-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:46:22-0#

Kerstin Nindel: Also der war gar nicht so verschieden. Und dort hast du das jetzt auch... also mit den Firmen, mit denen man zusammengearbeitet hat, die man sich selber rausgesucht hat, die auf Grundlage von Ausschreibungen dann ausgewählt worden sind, mit denen ist man ganz anders klargekommen wie mit denen, die sich quasi auf Chefposten in den ostdeutschen Betrieben beworben haben. #00:46:42-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) Sie haben vorher die Abkürzung DFA genannt. Was... / Dr. Kerstin Nindel Ja / Dr. Astrid Kirchhof ... ist das? #00:46:50-2#

Kerstin Nindel: Ach, das wollte ich noch mal nachgucken, was das genau heißt. Können wir im Nachgang vielleicht noch mal machen. Müsste ich jetzt raten... also das ist so der Be..., DFA, das war so, ja, der zweite Teil Wismut halt. #00:47:03-7#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:47:04-2#

Kerstin Nindel: Und da, unter dieser DFA (lacht) gab's halt dann auch wieder verschiedene Betriebe. Also davon war Consulting & Engeneering einer. Die DFA gibt's im Prinzip auch heute noch. Können wir mal googlen. Findet man bestimmt. #00:47:15-8#

Astrid Kirchhof: Okay. Und Sie, in Ihrem Lebenslauf habe ich gesehen, Sie haben sehr seit Anfang der 90er [1990er] Jahre immer wieder mal, auch innerhalb der Wismut, die Tätigkeit gewechselt. Und sind auch nach oben gekommen. #00:47:28-3#

Kerstin Nindel: hm (bejahend), ja. #00:47:29-0#

Astrid Kirchhof: Also Leitungspositionen gehabt. Von diesen verschiedenen Tätigkeiten, welche hat Ihnen denn besonders viel Spaß gemacht? #00:47:37-9#

Kerstin Nindel: Eigentlich hat mir die Arbeit vor Ort, wo ich wirklich richtig Hydrogeologie gemacht hab, am meisten gefallen. Aber dann ist es halt mit der Zeit so gekommen, dass man dann immer wieder dieselben Themen hatte. Also da ist nichts, nichts Input-mäßig so richtig dazu gekommen, wo man sich jetzt selber vielleicht auch weiterentwickelt hat. Deswegen habe habe ich dann von mir aus auch gesagt, ach, probierst du mal was anderes. Die Tätigkeit, wo ich dann quasi in der Abteilung, dieser zentralen Abteilung Technik war, war auch sehr interessant für mich. Also, weil das war dann schon ein bisschen übergeordnet. Auch im Controlling mit. Und ich hatte dann das Glück, dass die Stelle, wo ich quasi gewechselt bin, neu besetzt worden bin. Und mit dem Kollegen habe ich heute noch einen super Kontakt. Weil ich konnte den natürlich auch ideal einarbeiten. Und er mit seinen neuen Ideen hat dann auch eine Nase, wo ich gesagt habe, ich komme jetzt hier nicht weiter. Also, das ist immer wieder dasselbe. Hat dann dort neuen Wind reingebracht irgendwo auf seine Art und Weise. Hat also ganz sehr von meinen Erfahrungen mitgenommen, auch gerne mitgenommen. Und Neues dazu getan. Und das nützt mir auch jetzt bei meinen Projekten, Auslandsprojekt, wo ich jetzt integriert bin hier als, wieder als Hydrogeologe, was wirklich Spaß macht (lacht). Ja. Also das sind dann die persönlichen Dinge. Entweder es funktioniert, oder man kommt mit einem Menschen auch nicht klar. Aber wenn der Wille da ist, funktioniert schon viel. #00:49:13-2#

Astrid Kirchhof: Können Sie noch mal, oder nicht noch mal, können Sie ein paar Ihrer Tätigkeiten beschreiben? Oder auch mal einen Tag von früh um sechs / Dr. Kerstin Nindel hm (bejahend) / Dr. Astrid Kirchhof abends um sechs? #00:49:24-9#

Kerstin Nindel: Von welcher Zeit hätten Sie es denn gerne? (Lacht) #00:49:27-1#

Astrid Kirchhof: Ja, dadurch, dass Sie, das sollten Sie auswählen, da ich nicht weiß... das, was Ihnen am ehesten ins, in den Kopf kommt. Wo Sie jetzt gleich sagen, da kann ich gleich was erzählen. #00:49:38-6#

Kerstin Nindel: Ja. Würde ich vielleicht doch noch mal so zu den Anfängen meiner Berufstätigkeit zurückkommen. Weil das heute viel einfacher ist. Heute ist es insofern einfacher, weil man hat ein Auto. Ich bin jetzt in Chemnitz, damals habe ich in Grüna angefangen mit arbeiten. Was inzwischen auch zu Chemnitz gehört. Jetzt habe ich keine kleinen Kinder mehr. Ich kann mir meinen Tag anders einteilen. Wobei ich immer frage, irgendwie hast du trotzdem keine Zeit. Also wie hast du das früher so gemacht? Und... ja. Vielleicht mal so aus... also wo wir nach Chemnitz gezogen sind und ich dann tatsächlich angefangen habe mit den zwei kleinen Kindern. Der Kindergarten war Gottseidank fußläufig nur fünf Minuten entfernt, neben der Bushaltestelle. Das heißt, ich bin um fünf aufgestanden, habe mich angezogen. Hab mein Kind aus dem Bett gehoben, auf die Toilette gesetzt. Das kleine Kind gewickelt. Angezogen. Und dann sind wir in den Kindergarten gelaufen. Da standen wir um sechs da. Da gab's auch keine Zeit für Abschiedsschmerz oder Tränen, weil der Bus ist fünf nach um sechs gefahren. #00:50:45-8#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:50:46-6#

Kerstin Nindel: Wenn man den Bus nicht geschafft hätte bis zum Bahnhof, dann hätte man den Zug nicht geschafft, der dann erst in einer halben Stunde wieder fährt. Das heißt, man wäre zu spät zur Arbeit gekommen. Also sind wir mit dem Bus gefahren. Dann eingestiegen in den Zug. Dort noch mal zehn Minuten gefahren. Dann dort vom Bahnhof zum Betrieb gelaufen, das heißt ich war um sechs los und war dreiviertel sieben im Betrieb. Dann hast du da gearbeitet. Mit ordentlich Mittagspause. Und das, was jetzt innerhalb Wismut dann auch zu erledigen war, da gab's einen Fuhrpark. Da wurde man gefahren. Also das von der Arbeitsorganisation her war spitze. Und dann bin ich nachmittags wieder eingestiegen in den Zug. Bis zu der Haltestelle gefahren, in den Bus eingestiegen. Und dann zum Kindergarten gefahren. Da war ich so dreiviertel fünf da. Also meistens so ziemlich der Letzte. Und dann sagt dein Kind dir, Mutti, ich bin noch nicht fertig mit spielen. #00:51:51-5#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:51:52-5#

Kerstin Nindel: Gut! Setzen wir uns entspannt hin. Warten wir, bis das Kind fertig ist mit spielen. Hatte ja nicht den ganzen Tag Zeit. Wer weiß, was noch war, also (lacht) #00:52:01-0#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:52:01-8#

Kerstin Nindel: Entspannst du dich noch zehn Minuten, wohl wissend, dass die Läden ja um sechs zumachen. Also da war jetzt auch nicht so viel Zeit, aber, hmm. Die Kinder waren beide in derselben Kindereinrichtung. Also die konnte ich dann zusammen abholen. Und ja, dann bist du nach Hause gegangen. Hast die Einkaufstasche geschnappt. Bist in Konsum um die Ecke. Das war eigentlich jeden Tag so, weil es gab ja jeden Tag irgendwas. Aber es gab eben auch um die Ecke Läden. Also das gab einen Bäcker, es gab einen Fleischer, es gab einen Konsum, es gab einen Gemüseladen. Das war nicht der Supermarkt, wo man heute mit dem Auto hinfährt. Sondern man hat jeden Tag... und eine Drogerie gab es auch. Und hat eben jeden Tag das, was man wegtragen konnte, eingekauft. Dann hat man noch ein bisschen mit den Kindern gespielt. Aufräumen haben wir bloß am Wochenende gemacht. Weil wenn die Kinder jetzt bloß dann noch Zeit haben, mal zwei Stunden zu spielen, räumen wir nicht jeden Tag auf. Wir räumen nur auf, wenn wir dann im Kinderzimmer keinen Platz mehr hat und im Flur spielen muss. Oder wenn die (lacht) Mama zum Bett kommen sollte und ich so, ist aber doch gar kein Platz. Und dann ruft's nach drei Minuten, Mutti, du kannst kommen! Ich sage, ist doch nicht etwa aufgeräumt? Nein, es war eine Schneise... / Dr. Astrid Kirchhof (lacht) / Dr. Kerstin Nindel ...wo man zum Bett laufen konnte. Ja, dann hast du, dann hast du deine Hausarbeit noch gemacht. Also irgendwo abends um zehn die Windeln aufgehängt. Weil, wegwerfen gab's nix. War schon ein bisschen ökologisch, ne. #00:53:25-4#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:53:26-0#

Kerstin Nindel: Trockner gab's auch nicht. Also hast du dann irgendwann abends um zehn die Wäsche aufgehängt. Die, die trocken war, mit runtergenommen. Und bist dann irgendwann so halb elf ins Bett gefallen. Und früh um fünf wieder aufgestanden. Also keine Ahnung, wie man das geschafft hat. Heute würde ich das nicht mehr können. Aber das ist vielleicht auch ein bisschen dem Alter geschuldet (lacht) dann. #00:53:46-0#

Astrid Kirchhof: Weil, waren Sie zu dem Zeitpunkt schon geschieden? #00:53:49-4#

Kerstin Nindel: Nee. Ich bin erst relativ spät geschieden worden. Also da waren die Kinder wirklich schon groß. Und wir haben dann schon in den Haus, wo ich jetzt noch wohne, gewohnt. Also zu der Zeit war mein Mann schon noch mit zu Hause. Wobei eben, wie gesagt, er hat ja dann eine eigene Firma gegründet. Und er war früh dann da, das war gut. Aber... ja. Er hat trotzdem, also tagsüber war er nicht. Und dann, so später dann auch, wo die Kinder dann irgendwo groß, wo sie schreiben konnten... es gab ja auch noch keine Handys oder irgendwas, ne. Jetzt kannst du sagen, okay, er hat dann Grundschule, Hort. Hort ist halb vier zuende gewesen. Nach Hause gegangen. Ich sage, naja, du kannst schon zu deinen Freunden mit gehen. Dann kommst du nach Hause, keiner da. Also, dass er da war, sieht man. Weil man fällt über den Ranzen, wenn man nach Hause kommt. Ich sage, weißt du, du kannst ja rausgehen. Aber schreib doch mir bitte auf, wo ich dich finde. Nächsten Tag liegt ein Zettel da: Bin weg! Ich sage, klasse, das habe ich auch so mitgekriegt. #00:54:47-9#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:54:49-2#

Kerstin Nindel: Du solltest mir doch hinschreiben, wo du hingehst! Ja, Mutti, das weiß doch ich nicht wenn ich rausgehe, wo (lacht) ich dann hingehe! Also, hmm (lacht). Gut. Musste man also den Kindern schon ein gewisses Maß an Vertrauen gegenüber bringen. Man kannte auch so ein bisschen die Freunde. Man kannte auch die Eltern der Freunde. Wo man dann zur Not irgendwo das gefunden hat. Und die Kirchturmuhr war ja auch da. Weil Armbanduhren hatten unsere Kinder auch noch nicht so wie heute, Fitnessband oder sowas. #00:55:15-0#

Astrid Kirchhof: Da habe ich jetzt noch zwei Nachfragen. #00:55:17-3#

Kerstin Nindel: hm (bejahend) #00:55:17-7#

Astrid Kirchhof: Und zwar, wenn Sie sagen, Ihr Mann war früh da. Aber Sie stehen um fünf auf? #00:55:22-3#

Kerstin Nindel: Ja, das war dann ein bisschen später. Also, wo die Kinder dann ein kleines bisschen größer waren. Also zu der Zeit haben wir es tatsächlich noch zusammen gemacht. Also sind zusammen auch mit dem Bus gefahren. Zusammen mit dem Zug gefahren. Dann haben wir irgendwann ein Auto bekommen. Und dann hatte ich einen Kollegen, der wohnte dort in der Nähe. Das habe ich dann nach einer Weile mitbekommen. Der hat mich dann früh öfters mit dem Auto mitgenommen. Also, da hatte ich das dann ein bisschen entspannter. Aber wenn der jetzt nicht da war oder Urlaub hatte oder krank war, dann... Bis wir dann wirklich ein eigenes Auto hatten, war das so wirklich am Anfang halt ein bisschen... #00:55:52-5#

Astrid Kirchhof: Und... #00:55:52-9#

Kerstin Nindel: Das hat sich eingeprägt, ne. #00:55:54-4#

Astrid Kirchhof: Wo die Kinder klein waren, sind Sie zusammen zum, mit dem Bus zum Kindergarten? Und dann, weil Ihr Mann auch in die Wismut gefahren ist? #00:56:00-9#

Kerstin Nindel: Genau. Der hatte ja auch bei der Wismut angefangen mit arbeiten. Und ist aber dann nach der Wende oder mit der Wende... also die Abteilung ist 100 Prozent in Kurzarbeit gegangen. Und dann hat er mit der Wende mit Kollegen damals zusammen eine GBA gegründet. Um halt... / Dr. Astrid Kirchhof hm (bejahend) / Dr. Kerstin Nindel ... selbstständig weiterzumachen. Und nicht in der Kurzarbeit dann zu verharren. #00:56:21-6#

Astrid Kirchhof: Ja. Und jetzt haben Sie mir zwar sehr schön, finde ich, sehr gut, den Tag noch mal geschildert. / Dr. Kerstin Nindel hm (bejahend) /Dr. Astrid Kirchhof Sagen Sie doch noch mal was über Ihre eigentlich wissenschaftliche Tätigkeit. Was, was Sie, was, was ich mir noch mal... #00:56:35-1#

Kerstin Nindel: Ja, was wir da gemacht haben, ne. #00:56:37-1#

Astrid Kirchhof: Ja genau, hm (bejahend) #00:56:38-1#

Kerstin Nindel: Also, wir haben damals, also was jetzt konkret dann bei der Wismut Thema war, das war die Gewässerbelastung durch die Einleitung von, von Wasser aus, aus den Bergwerken. Da haben wir Untersuchungen gemacht. Also sprich in Grüna war auch ein Labor. Wo wir uns so eine Art Technikum uns aufgebaut haben dann. Um dort spezielle Untersuchungen machen zu können. Wir sind vor Ort gefahren, haben das Monitoring aufgebaut. Also die Wasserüberwachung an verschiedenen Messstellen. Haben Messnetze quasi konzipiert, aufgebaut. Und in der Anfangszeit war es aber auch so, dass also direkt mit der Wende, wo ja niemand so richtig... gibt's uns noch? Oder, ja, wir haben jetzt diesen Umweltschutzgedanken hier für die Wismut selber. Aber keiner wusste, wie das kommt. Quasi im Umfeld auch nachgeguckt. Also, da waren dann Deponien, die saniert werden mussten. Also so die ersten Anfänge. Wo wir gesagt haben, also, man nimmt jetzt auch von außerhalb Anträge, Aufträge mal mit an. Also war eine Deponie im, im Raum Zwickau. Absetzanlagen von anderen Betrieben, die also auch dann untersucht werden sollten. Also wo wir dann Gutachten gemacht haben dazu. Also so, so völlig ins Wasser geworfen, was du hier ja so bisher eigentlich noch nie gemacht hattest. Und da man aber ja wusste, wo sind Unterlagen, wo bekomme ich Informationen her. Das auch kein Thema war. Wir haben jetzt keine Mittel und keine Möglichkeiten, was zu analysieren. Wir haben jetzt, also, sagen wir mal von, von der Ausstattung her war da Wismut schon so, dass du eben die, diese Dinge alle machen konntest. Und... ja. Also es war dann wirklich praktische Arbeit vor Ort. Proben sammeln, Proben selber nehmen, mit Kollegen zusammen dann bestimmen, Gesteinsproben. Pkw vollgemacht mit Proben. Also das geht heute alles gar nicht mehr. Aber das war so, so man macht einfach. Also viele Dinge, die in den 90er [1990er] Jahren auch gemacht worden sind, die gehen heute so durch verschiedene gesetzliche Rahmen durch. Dadurch, dass die Behörden ganz anders hingucken. Also, auch die Behörden haben damals, die sind ja genauso neu aufgestellt worden. Also das Bergamt war dann, musste plötzlich auch das Bundesberggesetz berücksichtigen. Und trotzdem kannst du dort keinen Knick reinbringen in die Entwicklung. Dahingehend, dass du sagst, na, jetzt warten wir erst mal fünf Jahre. Machen alles zu und dann gucken wir mal, wie es weitergeht. Sondern das war wirklich so, also wir müssen jetzt einen Hauptbetriebsplan machen. Und wir müssen jetzt Untersuchungen anleiern und das muss alles begründet sein. Damit dann Genehmigungen da sind, dass dann die Leute wieder arbeiten können. Und nicht nur die Genehmigung, sondern auch eine Strategie, wie ich das mache. Also das war ja, das war ja überhaupt nicht vorgedacht. Ging ja auch gar nicht. Also es war sozusagen... erste Schritte zur Sicherung. Dass eben die Gruben nicht absaufen. Dass dort noch, dass das geotechnisch alles stabil ist. Und, und diese ganzen Sachen. Das ist alles so parallel gelaufen am Anfang. #00:59:54-1#

Astrid Kirchhof: Sie schreiben glaube ich auch viele Gutachten und werden als Sachverständige... Nee? #00:59:57-9#

Kerstin Nindel: Nee, nee. Nee, Sachverständige nicht. Nee. Also, ja, Gutachten beziehungsweise halt Ergebnisberichte. Ich würde es mal Ergebnisberichte nennen. Weil als Gutachter musst du ja bestellt sein von, von Amts wegen. #01:00:10-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:00:10-9#

Kerstin Nindel: Das bin ich nicht. Aber, ja, Auswerteberichte und so, diese, diese Sachen. Wo dann Empfehlungen drin stehen. #01:00:16-9#

Astrid Kirchhof: Also wenn das für Sie in Ordnung ist, würde ich jetzt gerne zu den Fragen kommen, die ich allen immer gleich stelle. #01:00:24-1#

Kerstin Nindel: (lacht) Ja, gerne. #01:00:25-2#

Astrid Kirchhof: (lacht) Okay. Sie haben noch Kraft, ja? Gut. #01:00:30-5#

Kerstin Nindel: Ein bisschen noch. Ja, ich bin das inzwischen mit diesen Video-Sessions schon ein bisschen gewöhnt (lacht). Es ist schon anstrengender, als wenn man direkt... #01:00:38-5#

Astrid Kirchhof: Ja, finde ich auch. Auf jeden Fall. Also, unsere erste Frage geht immer zu den Zäsuren in der DDR. Dadurch, dass Sie 61 sind, haben Sie zum Mauerbau oder so nicht viel zu sagen, denke ich. Also, dann gehe ich mal zu, gleich zu 88 [1988], 89 [1989]. #01:00:55-0#

Kerstin Nindel: hm (bejahend) #01:00:55-8#

Astrid Kirchhof: Wie haben Sie denn diese gesamte Zeit, also auch mit den Umweltgruppen, mit den Protesten oder einfach auch die Atmosphäre im Betrieb erfahren? Wie war das? Hat man drüber gesprochen? War das für Sie, wow, Aufbruch? Oder, uhh, was kommt jetzt? #01:01:12-5#

Kerstin Nindel: Also ich würde da vielleicht mal einen kleinen Schritt zurückgehen. So 84 [1984] war das. Da war ich ja noch Student. Wo es eigentlich im normalen Laden so fast nichts mehr gab. Also Butter war aus, Brot gab's noch, Käse gab's nicht. Eier gab's nur manchmal. Also diese ganze Versorgungslage für den Normalbürger eigentlich völlig am Boden war. Dann ging's wieder besser. Also man hat dann schon in Zeitungen erfahren, dass der Franz Josef Strauß da ein Abkommen gemacht hat mit der DDR. Dass da ein paar Devisen gerollt sind. Ja. Und dann habe ich bei der Wismut angefangen. Das war für mich natürlich erst mal... also da gab's eigene Läden, da konntest du die Dinge, die du jetzt nicht nachmittags im Konsum mitgenommen hast, kaufen. Also das war, das, du hast jetzt nicht Zeit aufwenden müssen, oder extra Zeit, um die normale Versorgung zu machen. Das war einfach da. Das war schon nicht schlecht. Es gab Ferienplätze, Wismut-eigene. Also bis dahin hatte ich nie, also meine Eltern nicht. Also wir waren nie in einem FDGB-Ferienheim oder irgendwas. Dadurch, dass mein Vater ja in diesem eigenen Betrieb gearbeitet hat. Später dann bei der Stadtverwaltung, die hatten sowas auch nicht. War das schon was, wo man sagt, ja, das ist ganz interessant. Dann gab's Proteste. Die hat man über das Fernsehen mit wahrgenommen. Da war ich ja gerade zu Hause. Ja, das war schon so ein bisschen so Gänse, Gänsehautfeeling irgendwo. Wo du gesagt hast, was, was geht hier ab? Also... wir können jetzt plötzlich irgendwohin verreisen. Das ist ja irre! #01:02:55-3#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:02:56-2#

Kerstin Nindel: Da ist mein Sohn, da habe ich meinen Sohn, der war damals vier geworden, da habe ich einen Pass zur DDR beantragt. Anfang 90 [1990], wo die DDR ja noch da war. Wo ja auch noch niemand wusste, es kommt eine Wiedervereinigung. Das war ja alles so, das wusste man ja nicht. Also man durfte jetzt irgendwo verreisen. Und die Großeltern von meinem Mann, oder die Großmutter, die wohnte in Westberlin. Und meine damaligen Schwiegereltern haben gesagt, ohh, wir würden den Karsten mal mitnehmen, also meinen Sohn. Brauchen wir einen Pass. Da habe ich mich mit dem Kleinen in so einen Automat gesetzt, wo man hier so Passbilder machen kann. Ich sage, guck mal bitte gleich. Also wir, wir haben dann zwei Fotos, die ungefähr ähnlich aussahen. Und er hat jetzt einen Pass der DDR. Und mit dem er am Checkpoint Charlie nach Westberlin gereist ist. Und das war eigentlich auch so, dass so die Stimmung dann, also die Proteste auf der einen Seite, die dann dazu geführt haben, also das ist viel diskutiert worden. Aber da war ich ja noch, da war ich ja mit einem Baby noch zu Hause. Das heißt, ich habe dann angefangen, wo dann Schalck-Golodkowski gesagt hat, ja, Sie können verreisen und auch ab sofort. Wo dann alle Menschen sich die 100 Euro abgeholt haben im Westen. Wo dann Pläne gemacht worden sind unter den Kollegen, was mache ich jetzt mit diesen 100 Euro, 100 Mark war das, 100 DDR-Mark. Habe ich jetzt 400. Und dann kann man noch mal, in Bayern kriegt man noch mal Geld. Da kann man noch mal hinfahren. Gab's noch mal einen extra Bonus. Da könnte man nach Kroatien fahren. Also es hat niemand eigentlich damit gerechnet, dass, dass mit dieser, mit diesen Umstürzen die Wismut eigentlich erst mal einen Produktionsstop haben würde. #01:04:41-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:04:42-3#

Kerstin Nindel: Also das war, das hatte ja niemand auf dem Schirm. Es war eigentlich eher so dieses Positive, ahh, was machen... oder, es hatte jetzt auch keiner den Gedanken, na, dann bleibe ich dann dort. Also das war eigentlich nicht so. Den Leuten ging es jetzt eigentlich nicht so schlecht. Dass die gesagt haben, nee, ich will hier weg oder wir flüchten. Also, natürlich gab's die auch. Aber das war, das war ja in dem Jahr vorher, ehe, ehe es dann zu diesem Umbruch gekommen ist. Aber, wie gesagt, da war ich ja noch an der Hochschule, da gab's eigentlich, also zumindestens da, wo ich war, jetzt noch nicht so, also die Bestrebungen im unmittelbaren Umfeld. #01:05:16-9#

Astrid Kirchhof: Und, und waren Sie... also traurig waren Sie jetzt nicht, dass die DDR, naja gut. Am Anfang dachte man, es ist einfach jetzt ein Zugewinn an Freiheit? #01:05:27-9#

Kerstin Nindel: Also man... also ich war ja damals noch relativ jung. Aber jetzt nicht mehr so klein, dass ich noch Kind war und da eh nichts machen konnte. Es war, es war schon so, dass man, dass man sich gefreut hat, dass man jetzt das, was man im Studium mal gelernt hat, vielleicht auch mal näher sehen kann. Also wie sind die Alpen aufgebaut? Also, du musst nicht in den Kaukasus fahren, um ein Hochgebirge zu erleben. Das geht jetzt vielleicht auch irgendwann mal kürzer. Dass man die D-Mark hatte war schon auch nicht schlecht. Weil, weil es eben, wie gesagt, vieles auch nicht so einfach gab. Was man da zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, also in dieser Erwartung, was jetzt kommt. Wir haben ja erwartet, dass es eine Wiedervereinigung wird. #01:06:16-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:06:17-6#

Kerstin Nindel: Wie es ja nicht gewesen ist. #01:06:19-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:06:19-8#

Kerstin Nindel: Es war ein Beitritt zur Bundesrepublik. Und dass es ein Beitritt war, das hat man dann irgendwann mitbekommen. Also ich soll den Leuten, die diesen Einigungsvertrag in absolut kurzer Zeit erarbeitet haben, immer noch meine Hochachtung, auch wenn Details vergessen worden sind. #01:06:39-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:06:39-3#

Kerstin Nindel: Aber man darf ja nicht, also die haben das in einer absolut kurzen Zeit gemacht. Was heute wahrscheinlich auch schon wieder nicht mehr so geht. #01:06:48-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:06:48-7#

Kerstin Nindel: Und es ist eben durch diese, nicht Wiedervereinigung, sondern Beitritt, so viel Gutes auf der Strecke geblieben. #01:06:56-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:06:57-3#

Kerstin Nindel: Wenn ich hätte können mit meinem sozialen Background, wenn er so gewesen wäre, wie er in der DDR war, also nicht wie er hätte sein können, wie er war, hätte ich mit Sicherheit nicht Geologie studiert. Weil ich einfach nicht das Geld gehabt hätte. Also du musst, wenn du, also du musst dann Exkursionen machen. Ich, ich sehe, oder habe ja gesehen, wie das dann an der Hochschule auch weiterging. Also nicht, dass du nicht studieren konn... kannst heutzutage, aber die Exkursionen müssen finanziert werden. Die haben wir im Studium einfach mit bekommen. Wir haben Stipendium bekommen. Heute kriegst du vielleicht BAföG, das du dann anteilig zurückzahlen musst. Wo ich immer gesagt habe, es ist doch eigentlich viel billiger, als Gesamtgesellschaft jedem Studenten das als Stipendium zu geben. Da habe ich aber noch nicht begriffen gehabt, dass natürlich da wie ganz, ganz viele andere Leute in dieser Dienstleistung BAföG Geld verdienen damit. Die würden plötzlich alle nicht mehr gebraucht werden. Wenn ich jetzt sage, es kriegt jeder ein Stipendium, muss auch nicht zurückgezahlt werden. Brauche ich mit Sicherheit nicht einen Euro mehr wie dieses ganze System BAföG ist. Aber ich habe mehr Leute in Lohn und Brot. #01:08:02-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:08:03-5#

Kerstin Nindel: Die ganze Kinderbetreuung ist eigentlich erst mal den Bach runtergegangen. Also bei uns war noch einiges da. Aber das, was dann so gesagt worden ist... wir hatten dann auch Kontakt mit, mit westdeutschen Studenten. Und dann fragten die uns so, habt ihr keine Frauenbewegung? Frauenbewegung? Also schon, aber nicht, also wir brauchen das nicht, um uns zu emanzipieren. Das ist aber komisch. Also wir kämpfen hier für unsere Rechte. Da habe ich gesagt, naja, wir müssen doch die Männer mitnehmen! Also wir können ja nicht gegen die Männer kämpfen. Es geht ja nur mit den Männern. Und... ja. Das, also insofern ist... also man kann jetzt nicht sagen, es ist gut oder es ist schlecht. Das ist einfach anders gekommen. Und ich möchte eigentlich auch, ich möchte genauso wenig zurück in die DDR wie ich jetzt sage, es ist alles gut, wie es hier läuft. #01:08:58-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend), hm (bejahend). Ja. Einmal in unserem Gespräch ist das Wort sowjetische oder russische Kollegen gefallen. Hatten Sie, hat... hatten, hatten Sie Kollegen aus der Sowjetunion? #01:09:14-5#

Kerstin Nindel: Also wenig Kontakt mit denen, muss ich sagen. Weil das war ja dann quasi schon fast in der Wende-Zeit. Ich hab in, im Bergbaubetrieb Aue, dort habe ich Kontakt gehabt mit denen. Und natürlich jedwede Unterlagen waren ja immer in russisch und in deutsch. Und viele Unterlagen gibt's auch heute bloß noch in russisch. Und, ja, insofern kann ich da jetzt nicht so viel dazu erzählen, was jetzt unsere russischen Kollegen angeht. Da kann ich dann auch bloß das, was ich von meinen Kollegen dann später in den Erzählungen gehört habe, wie da gefeiert worden ist. Aber eigentlich auch bloß auf Arbeit. Weil persönliche Kontakte waren nicht erwünscht. Also in der Wismut nicht wirklich. #01:09:55-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:09:56-6#

Kerstin Nindel: Aber da würde ich nicht so... #01:09:58-3#

Astrid Kirchhof: Waren Sie denn in einer Par..., also in der, was heißt in einer? Waren Sie in der Partei, in der SED oder in irgendwelchen Organisationen in der DDR? #01:10:08-2#

Kerstin Nindel: Nee. Also ich war, also ganz normal wie jeder jugendliche junge Erwachsene, in der FDJ gewesen. Also da gab's eigentlich auch gar keine Frage. Und es gab auch gar keinen Grund zu sagen, nee, das will ich nicht. Weil das war einfach das Jugendleben. Und das war organisiert eben in der FDJ. Und da gab's für meine Begriffe auch viel weniger, viel weniger Einfluss wie auf die Pioniere früher. Also da ist sie dort eher, also ja so die Richtung, und unser großer Freund und unser großer Bruder. Mit den Jugendlichen hat man das dann als, als FDJ eigentlich nicht so gemacht. Und im Nachhinein betrachtet ist das ein Pfadfindertum oder was es sonst noch gibt. Das sind einfach Organisationen. Hier stand der Staat da drüber. Das hast du aber weder gelebt noch wurde dir da irgendwas restriktiert. Partei hatte ich nie, nie die Absicht irgendwie, dort Mitglied zu werden. Mein Vater war in der LDPD. Also in einer sogenannten Blockpartei. Mein Mann war in der SED. Mit dem habe ich dann immer nach seiner Montagsparteiversammlung, war ich dann immer so der kritische Hinterfrager. #01:11:16-7#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:11:17-9#

Kerstin Nindel: (lacht) Aber die Partei wäre für mich nie die Lösung gewesen. Und dieses, also, wenn du was verändern willst, musst du dort Mitglied werden, habe ich nie verstanden. Also deswegen... also ich wurde aber auch nicht, muss ich mal sagen, also man hat mich auch nicht bedrängt, da unbedingt einzutreten. Also das... #01:11:35-9#

Astrid Kirchhof: Ja, das hätte ich jetzt noch gefragt, ob Sie gefragt wurden oder ge... #01:11:39-5#

Kerstin Nindel: Also gefragt worden ja. Aber mit meiner Antwort, nein, das möchte ich nicht, war es dann auch wieder gut. #01:11:44-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend), hm (bejahend). Ich glaube jeder, der in der Wismut gearbeitet hat, war Geheimnisträger, richtig? #01:11:52-9#

Kerstin Nindel: Richtig, ja, hm (bejahend). #01:11:53-9#

Astrid Kirchhof: Haben Sie das auch noch miterlebt, oder war da eigentlich... ja? #01:11:58-8#

Kerstin Nindel: Doch, schon. Wobei, da muss man mal auch wieder dazu sagen, dass du, dass du natürlich Dienstgeheimnisse hast, die du nicht nach außen tragen darfst. Das war viel strenger, als es heute vielleicht ist. Oder zumindestens bei uns. Das war aber auch, ich habe ja während des Studiums in einem geologischen, also, wie nannte sich das, GFE? Geologische Forschung und Erkundung. Kombinat Geologische Forschung und Erkundung oder auch Hydrogeologie Nordhausen gearbeitet. Und dort waren eigentlich diese Verschlusssachen ähnlich hoch. Also das kannte ich schon. Das war jetzt in Wismut jetzt nichts Neues. Was vielleicht noch ein Stückchen verschärfter war, dass dort niemand von Wismut geredet hat. Da hat auch niemand von Uran geredet. Das war immer nur Metall oder Erz. Und insofern ist, ja, also wie gesagt, die ganze, die ganze Geologie in der DDR war Verschlusssache. Und hast du quasi unterschrieben dafür, dass du da nicht drüber berichtest, dass du dort keine Details weiterträgst... dass der Schreibtisch aufgeräumt sein muss, aber, ja. Ist eigentlich verständlich irgendwo. #01:13:15-2#

Astrid Kirchhof: Sind Sie von der Stasi beobachtet worden, wissen Sie das? #01:13:20-2#

Kerstin Nindel: Also ich persönlich weiß nicht, ob ich beobachtet worden bin. Ich habe mich auch nicht darum gekümmert. Ich weiß aber, dass mein Vater sehr genau beobachtet worden ist. Also er hat eine sehr große, sehr lange Akte, und hat die sich auch angeschaut. Aber kei..., keine Ahnung. Es hat mich in meinem Leben jetzt auch nicht irgendwie wissentlich berührt, muss ich mal sagen. #01:13:46-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend), hm (bejahend). Man hört doch immer wieder, dass, ich stelle Ihnen jetzt alle Fragen, die Ihnen der Herr Manthey glaube ich schon gestellt hat, gell? #01:13:54-9#

Kerstin Nindel: Nö, nö, nö, der hat auch andere gestellt. Also, dem hatte ich auch ein paar andere Sachen noch mit erzählt. Aber stellen Sie mal die nächste Frage (lacht) #01:14:00-3#

Astrid Kirchhof: Man sagt doch immer, dass die Wismut so ein Staat im Staate war. #01:14:05-3#

Kerstin Nindel: hm (bejahend) #01:14:06-1#

Astrid Kirchhof: Sie haben es ja eigentlich auch schon ein bisschen angeschnitten. Also würden Sie das quasi bejahen oder ist das ein Mythos? #01:14:12-9#

Kerstin Nindel: Also ich denke schon, dass die Wismut nicht einfach nur eine sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft war. So wie Kombinate in der DDR. Erstens weil, sagen wir mal, vom Empfinden her, für die Mitarbeiter, also es gab schon deutlich höheres Gehalt für dieselbe Arbeit, die ich jetzt in einem anderen Betrieb der DDR hätte machen müssen. Die Versorgungslage war viel besser und, und, und. Und es wurde Leistung gefordert. Das ist vielleicht... also es gab jetzt nicht nur das eine oder andere mehr. Sondern es gab wirklich Prämien. Oder die sind auch gestrichen worden, und das war richtig viel Geld. Wenn man eben eine Leistung nicht gebracht hat. Das war nicht bloß so ein Deckmantel, Kollektiv der Besten oder so, ne. Sondern das wurde wirklich gelebt und praktiziert. Und das war schon anders wie, wie in dem Rest. Und man hat jetzt nicht so mitgenommen, was jetzt die, also die hatten eine eigene Bezirksleitung der Partei. Also nicht jetzt einfach mit so einem, zu Karl-Marx-Stadt gehörig. Sondern das war schon eben wie ein Bezirk. Wie, wie, wie was Extra-es. Und insofern hat man das schon gelebt und auch gewusst, dass das so ist. #01:15:32-7#

Astrid Kirchhof: Ich habe vorher noch vergessen, als wir über die Transformation der Wismut gesprochen haben. Da wollte ich noch fragen, ob... / Dr. Kerstin Nindel hm (bejahend) / Dr. Astrid Kirchhof ... Sie der Meinung sind, dass die Personen, also die, die Anzahl der Personen... / Dr. Kerstin Nindel hm (bejahend) / Dr. Astrid Kirchhof ...gekündigt wurde, ob das gerechtfertigt war? Und sozial vonstattenging? Oder, und ob die gut abgefunden wurden, Ihrer Meinung nach, oder ob das alles nicht gut gelaufen ist? #01:15:58-2#

Kerstin Nindel: Also die Wende hat ja niemand gemacht, weil wir das wollten, sondern man musste darauf reagieren. Also das war ja nichts Vorbereitetes, für niemanden. In der DDR nicht, in der Wismut nicht. Das war damit verbunden, dass die Russen nach Hause gehen mussten, die dort genauso nicht glücklich waren. Die dort versucht haben, soviel wie möglich noch mit nach Hause zu nehmen. Die versucht haben, auf irgendeine Art und Weise Moskwitschs, Ladas, Saporosch, also alles an Autos, Wolgas, noch irgendwie zu kaufen. Um das mit nach Hause zu nehmen. Die viel schlechter gestellt waren wie die DDR-Bürger, die jetzt nun Bundesbürger geworden sind. Die Wismut hat, also hat natürlich auch diese Arbeitsförderungsgesellschaft gegründet. Weil natürlich die Leute ja, also wenn ich nicht mehr produziere, habe ich die übrig. Also die sind jetzt nicht auf den normalen Arbeitsmarkt, in das normale arbeitslos geschickt worden, sondern ganz viele eben wirklich in dieser Afög erst mal aufgefangen worden. Und die haben auch späterhin noch vergleichsweise sehr hohe Abfindungen bekommen. Also ich denke schon, dass das einigermaßen sozialverträglich war. Wobei man natürlich jetzt nicht sagen kann, also pass mal auf, du hast Familie und kleine Kinder, du arbeitest dummerweise unter Tage. Vielleicht kannst du jetzt bei C & E mit anfangen. Also das ging einfach nicht, ne. Aber ich denke schon, dass, sagen wir mal im Vergleich zu dem, wie es in der restlichen DDR gelaufen ist, auch hier die Wismut ein Stück weit sozialer sein konnte, weil sie eben ein Staat im Staat war. #01:17:42-8#

Astrid Kirchhof: Würden Sie sagen, vielleicht auch mit Blick auf die Sanierungsarbeit, dass die Wismut ein moderner oder vorbildlicher Betrieb ist? #01:17:53-1#

Kerstin Nindel: Meinen Sie das, was jetzt aktuell ist, oder was damals war? #01:17:58-6#

Astrid Kirchhof: Ja, Sie können es gerne zuerst von damals reden und dann auch gerne von, von jetzt, hm (bejahend). #01:18:04-6#

Kerstin Nindel: Also ich denke, damals haben Verantwortliche in Wismut festgestellt, dass also auch die Wismut nicht, sagen wir mal, die Umwelt verschmutzt. Auch in Größenordnungen. Nicht an allen Standorten, nicht überall gleich, aber in der Historie bedingt nicht nur die Braunkohle Dreck macht, nicht nur Buna und Leuna Dreck machen, sondern eben auch durch Wismut Umweltverschmutzungen stattfinden. Und das waren so die allerersten Anfänge. Und man braucht jetzt nicht orakeln, was gekommen wäre. Weil... eh hinfällig. Und letztlich war dann der Sanierungsauftrag diese Hinterlassenschaften alle zu sanieren. Und... das war, oder das ist und war das Hauptziel. Also insofern war Wismut dann mit der GmbH von Anfang an ein Umweltsanierer. Und ich denke, diese Aufgabe konnte am Anfang auch nur mit eigenen Leuten und eigenem Know-How bewältigt werden. Ansonsten, wie gesagt, hätte man sagen müssen, wir machen jetzt erst mal zu. Gucken mal, wie wir es machen. Und dann machen wir mal weiter. Das war eigentlich keine Option. Und das haben sowohl der Eigentümer, der nun zufällig dann das Bundeswirtschaftsministerium war, weil in der DDR das Wirtschaftsministerium der... quasi Aktieneigentümer war. Und das ist sehr, sehr schnell allen bewusst gewesen. Und insofern hat die Bundesrepublik ja dann den Vertrag mit, mit Russland gemacht zum Aussteigen. Und war damit dann auch in der Pflicht, das umzusetzen. Und wir haben jetzt den Vorteil, dass damals mehr oder weniger schlaue Leute mal kühn gesagt haben, wir brauchen dafür 13 Milliarden D-Mark. Und wir immer noch ganz gut mit dieser, mit dieser Summe, die jetzt nicht jedes Jahr erst mal eingestellt werden muss. Natürlich gibt's einen Wirtschaftsplan. Natürlich wird das regelmäßig jetzt weniger, was benötigt wird. Aber das war schon mit sehr viel Weitblick A kalkuliert gewesen und B von allen Beteiligten auch gut umgesetzt. Also, dass das Geld wirklich für die Sanierung verwendet wird. Und für die Arbeitsplätze in der Region. Also, dass wir da natürlich auch dann Ausschreibungen gemacht haben, weil eigene Leute, eigenes Know-How oder Technik zum Teil gefehlt haben und nicht alles neu selber eingekauft haben, ist verständlich. Aber den ganz großen Teil sind mit den eigenen Leuten, oder Leuten, die dann auch wieder eingestellt worden sind, ist da bewältigt worden. #01:20:53-3#

Astrid Kirchhof: Wenn Sie jetzt noch mal dran denken, an die Zeit 88 [1988], 89 [1989], als Sie dann angefangen haben,... / Dr. Kerstin Nindel hm (bejahend) / Dr. Astrid Kirchhof ... da haben ja ganz viele Leute angefangen in der DDR, auch am Uranbergbau Kritik zu üben. Wie... war das für Sie irgendwie so eine Situation mit einem Zwiespalt? Oder eigentlich kein Thema? Oder haben Sie sich Gedanken gemacht, wie, was, was die Wismut für ein Arbeitgeber ist? Was sie verseucht zurücklässt? Oder wie war das für Sie? #01:21:24-4#

Kerstin Nindel: Also natürlich hat man dann auch im Privaten mit Leuten diskutiert, die weit weg waren von Wismut. Und das eben gehört haben, zum Teil gewusst haben. Aber ich habe festgestellt, dass die allermeisten Leute, die auch damals so Kritik geübt haben oder gewettert haben, eigentlich wie heute. Das, was in der Zeitung steht, nachgesprochen haben. Also, und wenn man dann ein bisschen naturwissenschaftlich nachfragt, und sagt, also in der Wismut gab's aber schon seit Anfang der 60er [1960er] Jahre einen Strahlenschutz. Einen aktiven Strahlenschutz. Der also sowohl geguckt hat, dass die Menschen geschützt werden, soweit das möglich ist. Dass dort die Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Auch, dass nicht zuviel in die Umwelt geht. Also auch das war von Anfang an Thema. Also in Königstein zum Beispiel gibt's von Anfang an eine wasserrechtliche Nutzungserlaubnis. Also, wo genau geregelt war, du musst dein Wasser vorher behandeln. Weil dort waren die Radiumkonzentrationen extrem... / Dr. Astrid Kirchhof hm (bejahend), hm (bejahend) / Dr. Kerstin Nindel ... hoch. Also, dass viele, ja, das ist ja ganz schlecht, und was da gemacht worden ist, eigentlich nur das nachreden, was in der Zeitung ist, was in den Medien kommt. Und weniger aus eigenem Erleben da rumwettern. Natürlich gibt's immer Dinge, die... sagen wir mal aus heutiger Sicht nicht hätten sein müssen. Auf der anderen Seite ist auch den allerwenigsten bewusst, dass das ja Reparationsleistungen waren. Also dass ja das, was an Geld sozusagen, als Erlös für das Uran, was ja abgebaut worden ist, nicht mal ansatzweise Weltmarktpreise bezahlt worden sind. Geschweige denn die Kosten, die damit verursacht sind, dass also letztendlich das Ende des Zweiten Weltkriegs hier weiter nachgeschwungen hat. Das ist ja für die Allerwenigsten irgendwo bekannt gewesen. Also was natürlich auch mit zu Staat im Staate geführt hat. Und wenn man dann gerade auch den Wessis dann gesagt hat, ich sage, naja, wir haben die Reparationen hier weiterbezahlt in der DDR. Also nicht bloß, dass 45 [1945] die Maschinen abgebaut worden sind in den Betrieben, die hier noch waren. Sondern, dass die Russen gesagt haben, so, das ist jetzt meine. Dass sich das dann, im Laufe der Zeit, geändert hat, dass es dann aus der Sowjetischen Aktiengesellschaft eine deutsch-sowjetische geworden ist, also eine SDAG Wismut, das kann man ja nicht verdrängen. Und dass hier wirklich (PC-Geräusch) eben diktiert worden ist. Auch von, von der Sowjetunion, von Russland, was zu liefern ist, wie zu liefern ist. Und selbst mit den etwas besseren Rahmenbedingungen, materiellen Rahmenbedingungen, konntest du nicht verhindern, dass es auch zu Beeinträchtigungen der Umwelt und Ähnlichem gekommen ist. Und... letztlich hat die DDR das Uran ja nicht abgebaut, weil wir gerne Uranerzbergbau gemacht haben. Und da kannst du eigentlich auch bloß einwirken, indem du dann Kritik annimmst, die dann auch kam. Und das kannst du so nicht machen, das kannst du so nicht machen. Und daraus auch die Sanierungskonzepte entwickelst. Und im, international gesehen war dann in den 90er [1990er] Jahren, ja, guck mal, wie das in Amerika läuft und in Kanada. Dort ist alles super! Nee, die Grenzwerte, die die haben, die hätten wir nie nehmen können. Weil dort kommt mal ein Grizzlybär vorbei. #01:24:54-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:24:55-2#

Kerstin Nindel: Dort wohnt niemand. Da kannst du zumachen und dann ist gut. Also, auch das, was dort so, quasi suggeriert wird, wo, wo anders viel besser ist... in der Bundesrepublik gibt's viel mehr Kernkraftwerke. Hier hatten wir das in Greifswald, was dann auch gleich zurückgebaut worden ist. Und noch einen Versuchsreaktor und das war's. Also die DDR selber hat das Uran nicht gebraucht. #01:25:20-2#

Astrid Kirchhof: Ich, also ich arbeite in meiner Arbeit auch unter anderem zu DDR, eigentlich mehr zum Naturschutz, aber auch zur Umweltbewegung. Und, also es gab schon seit den 80er [1980er] Jahren Umweltgruppen, die jetzt nicht nur Westmedien nachgeplappert haben, sondern schon Kritik geübt haben an der Umweltsituation der DDR. Würden Sie sagen, solche Leute, es war gut, dass es die gab? Oder eher es sind (lacht) Nestbeschmutzer gewesen? Oder wie? #01:25:51-8#

Kerstin Nindel: Nee, Nestbeschmutzer würde ich es nicht nennen. Also es gibt immer Leute, die auch drauf aufmerksam machen, dass irgendwas nicht in Ordnung ist. Die vielleicht auch keine Lösung dafür haben, wie man's, wie man's macht. Ich mag nur solche Menschen nicht, die, die dann vehement irgendwas fordern, was realistisch überhaupt nie realisierbar ist. Also die so in ihrer kleinen Enklave leben, also ich habe nichts gegen Leute, die sagen, das kann doch so nicht sein. Also erst mal drauf aufmerksam machen. Sensibilisieren für irgendwas. Aber wenn sie dann renitent werden und bloß in ihrem kleinen Kästchen denken und nicht... so nach dem Motto, ich will nicht, dass jetzt hier ein Auto vorbeifährt, ist mir doch egal, wenn das woanders fährt, am besten fährt überhaupt niemand mit dem Auto. Und ich möchte auch nicht, dass so viel Strom verbraucht wird, aber ein Handy brauche ich schon! Wir müssen uns ja schon miteinander unterhalten können! Also, die das immer so ausblenden. Und die jetzt so, ach, Bergbau ist was ganz Schlimmes! Ja, was denkst du, was du in deiner Wohnung hättest, wenn es keinen Bergbau gibt. Also sicherlich gibt's Holz und es gibt Wolle. Aber du kannst nicht, wieviel Milliarden Menschen haben wir jetzt auf der Erde? Damit versorgen wollen, also, hmm. #01:27:06-5#

Astrid Kirchhof: Sieben, acht? #01:27:07-5#

Kerstin Nindel: Ja, sieben, acht, ne, vielleicht sind's bald neun. #01:27:10-2#

Astrid Kirchhof: Ja. #01:27:11-1#

Kerstin Nindel: Also, sagen wir mal, drauf aufmerksam machen, auch laut werden, auch Ideen durchaus haben. Aber dann eben auch mit den entsprechenden Verantwortlichen zusammenkommen. Das ist eigentlich das, was wichtig ist. Was heute genau noch so wichtig ist. Also, und nicht... also ich find's auch genauso falsch, wenn, wenn jemand Kritik übt, dann den in irgendeine Ecke zu stellen. So, das ist ein Grüner, das ist dieser, das ist jener. Also wir haben auch, also (betont) viel, die dann eben diese grüne Politik, naja, das möchte ich nicht, und jenes möchte ich nicht. Na, wie? Wie? Das können wir euch nicht sagen. Aber alles, was wir vorschlagen, geht nicht. Das kann es auch nicht sein. So. #01:27:52-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:27:53-8#

Kerstin Nindel: Man muss immer dann bereit sein auch, sagen wir mal, den Willen, was zu verändern, zu akzeptieren. Auch kleine Schritte zu akzeptieren. Und manchmal geht eben was wirklich in, in einer gesellschaftlichen Situation erst mal überhaupt gar nicht. / Dr. Astrid Kirchhof hm (bejahend) / Dr. Kerstin Nindel Ich kann auch sagen, darf kein Auto mehr in der Straße fahren. Bräuchte ich sofort mehr, mehr Nahverkehr. Der ist aber nicht da. / Dr. Astrid Kirchhof hm (bejahend) / Dr. Kerstin Nindel Also... das, das ist, das, diese Prozesse muss man anschieben. #01:28:19-8#

Astrid Kirchhof: Wer... also, Umwelt war, ist eine von unseren Fragen und die andere ist Krankheit. Sind, also haben Sie jemals Angst gehabt, also, manche sagen ja, nicht nur unter-Tage-Arbeit ist gefährlich, sondern überhaupt, wenn man in der Gegend lebt. Und Sie haben ja jetzt Ahnung. Das war auch eine Frage, die ich mir vorgenommen habe und zwar nicht aus Provokation oder sowas, sondern wirklich mehr Ihre Expertise als Geologin, fragen, weil ich mich das selber frage... / Dr. Kerstin Nindel hm (bejahend) / Dr. Astrid Kirchhof ...ist das gefährlich, in so einer Umgebung zu leben? Oder auch nicht gefährlicher als woanders? #01:29:00-1#

Kerstin Nindel: Das ist sicherlich, das ist, das ist schwierig. Weil, das Leben an sich ist ja schon mal gefährlich und endet immer mit dem Tod. #01:29:07-0#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:29:07-8#

Kerstin Nindel: Der eine eher, der andere später. Das wird immer so total ausgeblendet. Das ist wie jetzt mit Corona. Der eine arbeitet mit einem Infizierten zusammen und wird nicht krank. Der andere sieht den von Weitem und hat's auch. Da sind die Menschen sowieso verschieden. Im Bergbau im Erzgebirge sind früher sehr, sehr viele Menschen krank geworden an der sogenannten Schneeberger Krankheit. Da wusste man noch gar nicht, dass es überhaupt das Element Uran gibt. Die Marie Curie, die das Radium untersucht hat, ist quasi gestorben, weil sie sich selber verstrahlt hat mit ihrer Arbeit. Aber durch diese ganzen Arbeiten und Forschungen weiß man oder wusste man auch relativ zeitig um die Gefährlichkeit der nicht sichtbaren Strahlung. #01:29:56-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:29:56-8#

Kerstin Nindel: Und wenn man sich dann an, sagen wir mal so Grundregeln hält, und das ist ja dann auch, sagen wir mal, wissenschaftlich untersetzt, wieviel Dosis, also Strahlendosis ein Mensch quasi verkraftet, ohne krank zu werden. Das ist alles ausrechenbar, ermittelbar. Da gibt's Vorschriften, da gibt's Gesetze dazu. Wenn man das einhält, wird man nicht krank. Und wenn man weiß, dass zum Beispiel, also wenn ich mit dem Flieger fliege, ich dort eine viel höhrere Strahlenintensität erlebe, wie wenn ich nie fliegen würde, kommt niemand auf die Idee, nicht, nicht irgendwo hinzufliegen. Am besten fünf mal im Jahr schön weit weg in den Urlaub, ist ja alles super. Da denkt niemand an Strahlenbelastung. #01:30:43-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:30:44-3#

Kerstin Nindel: Also... unter den normalen, unter der normalen Bevölkerung. Und für die Beschäftigten in den Betrieben, wo es also Uran- oder Radon-Probleme, was dann ein Folgeprodukt ist, gibt, die werden überwacht. Die wurden übrigens auch in der DDR überwacht außerhalb Wismut. Also da gab's ja schon eine Verordnung über Strahlenschutz. Da wurden zum Beispiel alle Wasserwerke mit überwacht. Da wurden die ganzen Menschen überwacht, die in den Radonbädern gearbeitet haben. Also da war die DDR schon meilenweit voraus gegenüber den Westdeutschen, die zwar ein Strahlenschutzgesetz hatten, aber eigentlich nur auf die Nutzung der Kernenergie und nicht auf die natürliche Strahlung abgezeichnet haben. Ich halte es eigentlich auch für übertrieben, was jetzt in dem Baurecht geändert worden ist. Mit dieser maximalen Konzentration an Radon. Also die Menschen sind im Erzgebirge auch zum Teil 100 Jahre geworden und leben dort. Also... insofern ist, ist das schon schwierig zu sagen, wenn du dort arbeitest oder wenn du dort lebst, wirst du eher sterben. Also, weil... Uran gehört einfach trotzdem zu, zu einem natürlichen, also zur natürlichen Umgebung. Wenn jemand früher eben dummerweise auf so einem Erzgang sein Haus gebaut hat, dann sind die Leute wahrscheinlich schon auch eher an der Krankheit gestorben. Und irgendwann hat mal einer gesagt, hier darfst du nicht bauen, hier, das ist mit bösen Omen besetzt oder wie auch immer. Wo man das noch nicht kannte. Ich denke, im, im Umgang mit, mit Radioaktivität, wenn ich den verantwortungsbewusst durchführe, ist nicht schlimmer wie, wenn ich meine Haushaltschemikalien benutze. Da sagt ja auch keiner, um Gottes Willen, Essig ist eine Säure. Natronlauge im Abflussreiniger, um Gottes Willen, das darfst du nicht nehmen. Ja. Also... #01:32:46-9#

Astrid Kirchhof: Und wie sehen Sie das, also das frage ich eher als ich, ja,... / Dr. Kerstin Nindel Ja, ja / Dr. Astrid Kirchhof Wie sehen Sie das mit Atomkraftwerken, ist das besser, wenn die tatsächlich eingestellt werden, wie es jetzt passiert? Aber in anderen Ländern ist ja da der fröhliche Wildwuchs, die sehen das ganz anders und sagen immer, die Deutschen mit ihrer Angst und was soll das. Also... weil Sie sagen, wenn man verantwortlich mit der Strahlung umgeht, das kann man ja bei einer Havarie oder bei einem Super- oder GAU eben nicht voraussagen. Also, wie sehen Sie das bei Kernkraftwerken? #01:33:21-3#

Kerstin Nindel: Also Kernkraft... also Super-GAU, sagen wir mal, man kann es nicht 100 Prozent vorhersehen. Man kann viel tun. Ich weiß auch schon, in Tschernobyl sind viele Sicherheitsprotokolle manuell außer Kraft genommen worden. Wo das dann zu der Katastrophe kam. Oder es stehen auch sehr viele Kernkraftwerke auf geologisch instabilem Untergrund. Und da gehört auch Fukushima mit dazu. Auf der anderen Seite ist der Energiebedarf sehr hoch. Mit Kohle wollen wir ihn auch nicht mehr decken. Die alternativen Energien sind noch nicht so alternativ ausreichend da, dass ich das machen kann. Und alle Welt setzt im Augenblick noch auf die Kernkraft. Weil eine Kernfusion gibt's noch nicht. Also wird vielleicht noch herausgefunden. Was ich falsch halte ist, dass man quasi diese Endlager versucht zu finden. Also wenn, dann müsste ich sagen, ein sehr langes Zwischenlager, weil ich weiß ja gar nicht, was die Menschen in 200 Jahren vielleicht an wissenschaftlichen neuen Erkenntnissen haben mit diesem, für uns heute Abfall, umzugehen. Also sicher verwahren ja, aber nicht so, dass da niemand mehr rankommt. Und ich halte es eigentlich auch für falsch, jetzt für Deutschland zu sagen, wir steigen komplett aus. Weil ringsum sind Kernkraftwerke da. Werden aus meiner... also werden sicherlich auch noch gebraucht. Und es ist völlig falsch zu sagen, du darfst dieses alte Kernkraftwerk noch verlängert jetzt benutzen. Weil die Gefahr, dass, dass dort irgendwas nicht mehr den Regeln der Technik entspricht, ist viel zu groß. Und sicherlich sind auch in der Bundesrepublik Kernkraftwerke auf geologischen Strukturen gebaut worden, also das weiß ich auch, die nicht so stabil sind. Dann wäre es da sozusagen, pass auf, an der Stelle, das alte schaltest du ab. Aber wir brauchen für eine Energieversorgung noch Kernkraftwerke, dann lass uns doch jetzt zwei neue bauen. Also unabhängig davon, dass ich eine langfristige Strategie fahren will aus Kohle, aus Uranenergie auszusteigen. Aber soweit ist die Menschheit noch nicht, den Energiebedarf wirklich decken zu können. Und, und dann werden so Kompromisse gemacht wie eben, naja, du darfst dein Kernkraftwerk noch, noch länger fahren. Und dass wir auch in, in Teilen Europas an so einem Blackout knapp vorbei geschrammt sind, weil nicht genug Energie da war. Das nimmt wieder fast niemand mehr wahr. Das geht so in der Fußzeile verloren. Und was passiert denn, wenn, wenn wirklich die Energieversorgung europaweit ausfällt? Also, die wird nicht nur in der BRD ausfallen, weil durch die Energieverbundnetze das gegenseitig abgefangen wird. Aber die kann schon in großen Teilen Europas gleichzeitig ausfallen. Und vielleicht auch für längere Zeit wie nur zwei, drei, vier, fünf Stunden. Da entsteht ein Schaden, der auch nicht kalkulierbar ist. Und man muss natürlich alles tun, dass es nicht zum Super-GAU kommt. Aber was nützt mir das, wenn's das in der BRD nicht passiert, aber an der Grenze zu Frankreich, an der Grenze zu Polen, zu Tschechien. Und wir sind nun mal nicht so eine Gebirgsrepublik wie Österreich, die ihre Energie wirklich durch Staudämme zu großen Teilen, also durch Wasserkraft, gewinnen können. Und wir sind auch kein Land, wo ich so viele Windräder aufstellen kann, dass es überhaupt keine Umweltbeeinflussung ist. Also auch das ist nicht, das ist keine saubere Energie. Also was ist saubere Energie? #01:37:11-5#

Astrid Kirchhof: Ich habe hier in den Unterlagen von Herrn Manthey und Ihnen gesehen, die Frage hatten wir gar nicht so auf dem Schirm, aber wie stehen Sie denn heute zum Umweltschutz? Hat er Sie scheinbar gefragt / Dr. Kerstin Nindel Heute? / Dr. Astrid Kirchhof Ja, steht hier, Umweltschutz heute (lacht). Also... #01:37:29-6#

Kerstin Nindel: Also ich stehe da nicht anders wie früher dazu, also... #01:37:33-7#

Astrid Kirchhof: Okay. Ach, hier ging's irgendwie um Fridays for Future. #01:37:37-6#

Kerstin Nindel: Achso. Ja, da haben wir uns ein bisschen, ja, genau. Ja, warum können die nicht Freitag einfach, warum müssen die freitags nicht in die Schule gehen. Also, heute vielleicht anders, weil, wenn ich meine Enkel sehe, die gerne endlich mal wieder in die Schule gehen möchten... Damals war es eher so, ich protestiere und ich gehe nicht in die Schule. Finde ich nicht gut. Also (lacht)... / Dr. Astrid Kirchhof (lacht) / Dr. Kerstin Nindel ... vielleicht kann man einmal machen. Man kann auch jeden Sonnabend auf die Straße gehen, aber da hat man ja frei. Da kann man nicht auf die Straße gehen. #01:38:02-8#

Astrid Kirchhof: (lacht) Jetzt kommt doch dann gleich der 8. März. / Dr. Kerstin Nindel hm (bejahend) / Dr. Astrid Kirchhof Wie, wie wurde denn, oder wurde überhaupt der 8. März in der Wismut begangen? / Dr. Kerstin Nindel Ja (unv.) / Dr. Astrid Kirchhof Haben Sie da Erinnerungen dran? Und wie war das? #01:38:17-9#

Kerstin Nindel: Also, jetzt kann man zwar sagen, das wurde dann so ein bisschen reduziert auf am 8. März sind die Frauen mal dran. Was ich aber nicht so unterschreiben würde. Und es wurden von den Männern eigentlich immer initiiert sehr schöne Frauentagsveranstaltungen gemacht. Wo natürlich auch Männer mit eingeladen waren. Denn zum Tanzen braucht man schon noch ein paar Männer. Also die, die tanzen konnten, wurden immer eingeladen (lacht). Und es war einfach eine schöne gemeinsame Feier, die da organisiert worden ist vom Betrieb. Dass man, dass man noch mal so einen Tag hat, wo man extra danke sagt. Was nach, mit der Wende so völlig hinunter gefallen ist. Da wird irgendwie dieser Muttertag gefeiert, den ich, was ich überhaupt nicht gut finde, weil welche Frau will auf Muttersein reduziert werden? Also Frauentag ist irgendwas, für mich auch die Wertschätzung als Person Frau. Also alles, was dazu gehört. Also Arbeit, Kinder, Haushalt und... es wird in der Wismut jetzt, es, seit wenigen Jahren wieder aufgelebt, dass es zumindestens mit Unterstützung und Duldung der Geschäftsführung so eine Mini-Veranstaltung gibt. Dieses Jahr natürlich wieder nicht pandemiebedingt. Wo man einfach mal so innerhalb der Arbeitszeit zwei Stunden zum gemeinsamen Gespräch mit ein bisschen selbst gemachtem Kuchen und Essen. Also, was wir uns dann selber machen. Aber dass, dass das eben wieder durchgeführt wird. So dieses, doch diesen Fokus Frauentag. Also ich hätte auch nichts dagegen, wenn man einen Herrentag einführen würde. Und nicht nur dieses, eben Männertag und wir ziehen los. Also, ich finde den... und die alten Kollegen, die kommen immer noch so zum Frauentag und bringen ein kleines Blümchen mit. Natürlich war in der DDR auch nicht alles gut. Also, da musstest du dir deine Plaste-Blume kaufen. Da wurdest du nicht gefragt, sondern hier, kostet eine Mark. Und die musst du (lacht) nehmen. Aber prinzipiell fand ich das schon auch ein wichtiges Zeichen. Also genauso wichtig, wie ich Kindertag finde. #01:40:25-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:40:25-8#

Kerstin Nindel: Dass man einfach mal so, so einen Tag hat, wo man sagt, ja, es gibt hier eine Gruppe in der Gesamtbevölkerung, da lenken wir mal das Augenmerk... und die feiern das irgendwo, ne. Und das ist auch das, was manchmal ein bisschen verloren geht. Also einen Anlass zu feiern findet sich immer. Aber Frauentag finde ich einen schönen Anlass. #01:40:44-9#

Astrid Kirchhof: Also das ist für Sie kein Deckmäntelchen schon, sondern eine Anerkennung? #01:40:49-6#

Kerstin Nindel: Richtig, ja. Genau. Und wenn man sagt, nee, das machen wir nicht mehr, dann ist das eigentlich, sagen wir mal, eine Geringschätzung. #01:40:56-1#

Astrid Kirchhof: Und in der, das habe ich noch nicht verstanden, in der Wismut wurde irgendwann der Frauentag ausgesetzt? Oder... #01:41:01-8#

Kerstin Nindel: Naja, dann nach der Wende. Da gab's das ja dann nicht mehr. #01:41:04-1#

Astrid Kirchhof: Also Sie machen das bis, seit 30 Jahren oder 20, oder wieviel haben wir, 30 (lacht), gar nicht mehr? #01:41:09-3#

Kerstin Nindel: 30 (lacht) #01:41:10-5#

Astrid Kirchhof: (lacht) Gar nicht mehr? #01:41:11-6#

Kerstin Nindel: Also jetzt (betont) wieder. #01:41:13-1#

Astrid Kirchhof: Ahh, jetzt wieder. #01:41:13-9#

Kerstin Nindel: Und wie gesagt, die, die, sagen wir mal, der Kollegenumkreis, die haben immer, was weiß ich, Kuchen mitgebracht. Oder eine Blume mitgebracht. Oder irgendwas, heute ist Frauentag / Dr. Astrid Kirchhof (unv.) / Dr. Kerstin Nindel Aber dieses Organisierte, von der Betriebsleitung Organisierte, das ist also auch in der Wismut dann nicht mehr gewesen. Und in den Betrieben sowieso nicht mehr. Ja, es ist was, was jetzt so langsam wieder aufwacht. Und das finde ich eigentlich gut. #01:41:41-9#

Astrid Kirchhof: Feiern Sie für sich zu Hause mit Ihrer Familie den Muttertag, oder versuchen Sie das zu umgehen? Nee? #01:41:48-1#

Kerstin Nindel: Ach nee, darum geht es nicht. Und mein Sohn ist, der gratuliert mir immer zum Muttertag. Meinen Geburtstag vergisst er immer. Weil Muttertag kommt im Radio. Das hört man, ahh, da war doch was! Da muss ich mal anrufen! (lacht) Aber zum Geburtstag, das kommt nicht im Radio, ne. Da musst du selber auf den Kalender gucken (lacht). Nee, nicht, dass ich das ausblenden will oder so, das nicht. Aber ich bin ja auch Mutter, inzwischen auch Oma, alles gut. Aber was machen denn die Frauen, die nicht Mutter sind? #01:42:15-8#

Astrid Kirchhof: Ja, ja, ja, ja, ja, ja. Ja. #01:42:18-3#

Kerstin Nindel: Also... #01:42:20-6#

Astrid Kirchhof: Was machen Sie denn, also Sie sind noch wie lange in der Wismut? #01:42:28-7#

Kerstin Nindel: Ja... schätzungsweise sieben Jahre, so die Größenordnung. #01:42:33-4#

Astrid Kirchhof: Schauen Sie mit Freude auf das Rentenalter oder eher nicht? #01:42:40-3#

Kerstin Nindel: Also ich muss mal sagen, man wird älter. Ist dann vielleicht auch eher knülle. Nicht, dass man nicht so viel schafft, aber man braucht mehr Zeit, sich zu regenerieren. Man möchte eigentlich auch ein bisschen mehr Zeit haben für die Enkel, die jetzt klein sind. Gut, wenn man dann in sieben Jahren in Rente geht, brauchen die die Oma nicht mehr (betont) so sehr. #01:42:59-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:43:00-1#

Kerstin Nindel: Also... eigentlich finde ich es schon irgendwie... also ich, ich würde auch, muss ich mal sehen. Vielleicht auch ein bisschen vorzeitig in Rente gehen. Nicht, um dann gar nicht mehr zu arbeiten. Aber eigentlich könnte ich mir vorstellen, wirklich so ein Teilzeitmodell. Dass man sagt, man macht alles Teilzeit. Aber nicht, dass man dann die Hälfte voll arbeitet, die andere Hälfte nicht. Sondern eben dort wirklich reinwächst. Dass man sagt, also man geht eben die Hälfte der Zeit arbeiten. Entweder wochenweiser Wechsel. Oder, oder drei Tage die Woche arbeiten. Drei, zwei zu Hause oder so. Das könnte ich mir echt gut vorstellen. Weil... man hat, also mein Vati, der... um den muss ich jetzt, mich deutlich mehr kümmern. Mit den Enkeln will man sich kümmern, wobei, die wohnen nicht in Chemnitz. Es ist dann schon auch immer ein bisschen schwierig. Also, da kann man nicht mal nachmittags vorbei. So, und dann ist eben da meistens bloß der Urlaub oder das Wochenende. Also insofern kann ich da auch meine Kinder nicht so gut unterstützen. Und... ja. Also, das wird einfach wieder ein neuer Lebensabschnitt. Und das ist auch gut so. Man sucht sich dann andere Aufgaben. Und das heißt ja nicht, dass man aufhören muss mit arbeiten. Nur die bezahlte Arbeit, die endet dann. Dann bezahlen uns unsere Kinder. #01:44:14-6#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:44:16-4#

Kerstin Nindel: (lacht) #01:44:18-0#

Astrid Kirchhof: Können Sie noch mal einen Tag, oder nicht den ganzen Tag, aber ein bisschen von der Tätigkeit, die Sie gerade momentan ausführen,... / Dr. Kerstin Nindel hm (bejahend) / Dr. Astrid Kirchhof ... erzählen? #01:44:26-9#

Kerstin Nindel: Ja. Also, seit einigen Jahren arbeite ich ja jetzt in der Abteilung Genehmigungswesen, Qualitätssicherung. Das heißt, ich bin für den Standort Königstein, Gittersee, also in Sachsen, dafür zuständig, dass Antragsunterlagen für geplante Sanierungsarbeiten ordnungsgemäß zusammengestellt werden. Dass die Anträge gestellt werden. Dass der gesamte Kontakt mit der Behörde zu diesen Themen quasi gemanagt und hergestellt und geführt wird. Das heißt, ich brauche viele Unterlagen von den anderen Bereichen, die ich dann prüfe, zusammenstelle, entsprechende Anträge erstelle. Und brauche auch das Wissen, was passiert wo. Um dann Strategien auch zu entwickeln. Oder Informationen weitergeben zu können, die dann auch richtig sind. Das ist so (Telefongeräusch) die Hauptarbeit, die ich in der Abteilung, wo ich jetzt bin, mache. Die ist eigentlich, sagen wir mal, eine sehr regel... regelstraffe Arbeit. Also das ist anders wie das wissenschaftliche Arbeiten, wo man doch immer ein bisschen rechts und links gucken muss. Und, und weniger an Regeln arbeitet. Aber dadurch, dass in Summe, ja auch bei Wismut, es weniger Mitarbeiter werden, weitet sich automatisch das Aufgabenfeld eben dahin auch mit aus, dass man auch selber wieder mit Inhalten unterstützend eingreift. Auch, wenn das sich jetzt im, in der Stellenbeschreibung, in der Aufgabe, die man hat, nicht unbedingt so niederschlägt. Aber für die, für die Arbeit in Summe für Wismut einfach notwendig ist. Wenn man mal das Wissen hat und das Können da ist, dann bin ich eigentlich nicht so, ähh, das ist jetzt nicht meine Aufgabe. Das müsste ich von dem und dem kriegen. Sondern dann (betont) macht man einfach mit. #01:46:20-9#

Astrid Kirchhof: Wenn da Anträge gestellt werden, ich kann mir das so schwer vorstellen, was für Anträge werden da, oder wer stellt da Anträge? #01:46:28-1#

Kerstin Nindel: Also, es muss immer, in dem Fall die Wismut, wenn, wenn irgendwo haben... also wie beim Bauvorhaben. Ich kann ja auch nicht sagen, so, ich will jetzt ein Haus bauen und da mache ich mal los. Sondern da stellst du einen Bauantrag. Und genauso sind die Gesetzlichkeiten, wenn ich also in die Umwelt eingreife. Auch wenn ich sie saniere, muss ich also Anträge stellen. Das ist in aller Regel ein bergrechtlicher Antrag. Also, weil ja die Betriebe bei uns noch unter Bergrecht stehen, hat mal also einen Betriebsplan, wo drin steht, was ich machen will. Welche Arbeiten ich durchführe mit welchem Ziel. Das Ziel ist immer die Wiedernutzbarmachung der Fläche am Ende. Oder manchmal auch Teilziele, in denen man irgendwas abbricht oder indem man eine Grube flutet oder indem man eine Halde bewirtschaftet. Das muss ich also beim Bergamt stellen. Dann in aller Regel sind das ja radioaktiv kontaminierte Stoffe. Oder es ist gleich Uranerz, mit dem man da umgeht. Heißt also, das Strahlenschutzgesetz gilt für Wismut. Und ich muss also bei der zuständigen Strahlenschutzbehörde einen zweiten Antrag stellen, parallel. Wo dann, ja die Strahlenschutzgenehmigung... bekomme. Also wo dann (betont) die dafür zuständige Behörde sagt, ja, so kannst du es machen. Eigenständig sind auch noch wasserrechtliche Verfahren. Also wenn es jetzt... in der Regel geht's ja damit einher, dass also auch Wasser kontaminiert sein (betont) könnte. Oder irgendwo eingeleitet wird. Oder vielleicht während der Sanierung belastet werden könnte. Also brauchst du eine wasserrechtliche Erlaubnis. Muss also auch noch einen Antrag stellen für die Wasserbehörde. Immer zu demselben Vorhaben, mit anderen Schwerpunkten, mit anderen Gesetzlichkeiten, die dort zu berücksichtigen sind. Da ist genau vorgeschrieben, welche Antragsunterlagen, also noch mit zu erstellen sind. Zur Wasserrahmenrichtlinie muss ein Fachbeitrag gemacht werden. Zum Strahlenschutz brauche ich Umweltbewertungen, radiologische. Den, den Bundesbodenschutz muss ich beachten. Dann gibt's noch privatrechtliche, andere Verfahren. Der Naturschutz ist mittlerweile so, so stark, dass wir manche Häuser, die wir zurückbauen wollen, weil sie kontaminiert sind... da wohnt aber jetzt eine Fledermaus drin. Das heißt, dieses ganze Vorhaben zieht sich jetzt in die Länge dahingehend, dass ja die Fledermäuse erst mal umgesiedelt werden müssen. Da brauche ich also erst mal eine Genehmigung dazu, dass ich das Haus abreißen darf vom Naturschutz. Also, alles das, was ich an Sanierung machen möchte, gibt's verschiedene Gesetze, wonach ich also bei den zuständigen Behörden, und das ist die Landesdirektion in Sachsen oder in Thüringen, die Bergämter, die Strahlenschutzbehörden, die kriegen von uns Unterlagen mit einem formellen Antrag. Und den müssen wir, das müssen wir genehmigt kriegen. Und in den Genehmigungen stehen in der Regel eine ganze Menge Auflagen drin, die zu dem, was wir ohnehin selber machen wollen, was wir eingereicht haben, dann noch mit zu erfüllen sind. Und zu beachten ist. #01:49:34-1#

Astrid Kirchhof: Seit wann merken Sie, dass der Naturschutz immer, ich weiß nicht, stärker wird und eingreift? Seit wann ist welche... (Telefon klingelt) Wie ist die (unv.)...? #01:49:42-8#

Kerstin Nindel: Ja, vielleicht so seit, ich würde mal sagen (Telefon klingelt) so seit drei, vier Jahren ist es wirklich sehr extrem (Telefon klingelt). Ich gehe mal kurz ans Telefon. Das war genau die Frage, die Sie auch hatten, was müssen wir denn da jetzt für Anträge stellen (lacht)? #01:49:57-6#

Astrid Kirchhof: Genau (lacht). Aber das habe ich jetzt besser verstanden. / Dr. Kerstin Nindel Okay / Dr. Astrid Kirchhof Da woll... also, die eine Frage war, seit vier Jahren, sagen Sie, nimmt das mit dem... #01:50:07-1#

Kerstin Nindel: Naturschutz, wirklich, also sehr, also wie gesagt. Naturschutz, das habe ich jetzt der Kollegin auch gerade gesagt, Naturschutz wird bei uns mit gebündelt im bergrechtlichen Verfahren. Das heißt, ich stelle einen Antrag beim Oberbergamt. Das Bergrecht bündelt außer Wasserrecht, wenn ich jetzt direkt eine wasserrechtliche Genehm... Erleb... Erlaubnis brauche. Oder beim Emissionsschutz. Also, wenn ich eine BImSchG-Genehmigung beantragen würde. Oder... unter Strahlenschutz. Strahlenschutz ist immer extra. Alle anderen Belange, die also notwenig sind, wie Naturschutz oder Bundesbodenschutz, auch Arbeitsschutz, das, das ist alles in den Betriebsplanverfahren gebündelt. Das heißt, dass das Bergamt muss unsere Anträge dann den anderen entsprechend zuständigen Behörden, wenn es also diese Belange mit betrifft, mit geben. Zur Stellungnahme abgeben. Oder es auch der Forst- oder Nationalparkverwaltung, das bündelt alles das Bergrecht. Das heißt, ich muss aber in meinem Antrag das alles schon mit drin haben. Dass dann die Behörden sich dann auch weit... wiederfinden. Das macht's natürlich trotzdem einfacher, dass ich nicht alle Behörden separat dort beanstrengen muss. Und das Bundesnaturschutzgesetz ist dahingehend eben jetzt, sagen wir mal, diese Ausnahmetatbestände von, also Verbotsausnahmetatbestände. Also wenn eben da zum Beispiel Fledermäuse wohnen. Oder geschützte Vögelpaare brüten. Da darf ich eigentlich gar nichts machen. Na, da darf auch nicht das Bergamt sagen, ja, das kannst du. Das muss dann wirklich die Naturschutzbehörde in einer Ausnahmegenehmigung zulassen. Und wenn die sagen nö, die Vögel... also der Biologe, mit dem wir jetzt da zutun haben, der sagt, also das Beste wäre, das Haus bleibt stehen. Damit da die Fledermäuse weiter wohnen können. Ja, sagt er, wir haben aber auch eine Verkehrssicherungspflicht. Also, das wird, das ist eine Ruine. Und irgendwann stürzt das ein. Ich kann doch nicht das Haus erhalten, bloß weil da, ne. Doch, eigentlich wäre das schon das Beste. Gut. Also, wir werden Ersatzmaßnahmen schaffen, dass wir dann irgendwann die Zulassung kriegen, das alte Verwaltungsgebäude wegreißen zu können. Und da, da ist der Naturschutz auf so einer hohen Position, wo ich sage, geht eigentlich auch nicht so wirklich. Also an manchen Stellen. Aber das zu, zu urteilen, das steht mir eigentlich nicht zu. Wir müssen es einfach beachten und brauchen dafür dann eben manchmal zwei Jahre länger, bis wir ein Vorhaben genehmigt kriegen. #01:52:43-0#

Astrid Kirchhof: War, was würden Sie sagen, woran liegt es, dass auf einem... ist, ist da der gesellschaftliche Druck größer geworden? Oder ein bestimmtes... (unv.) #01:52:52-7#

Kerstin Nindel: Ja, ich habe mich jetzt nicht so gekümmert. Möglicherweise ist auch das Gesetz verschärft worden. #01:52:58-4#

Astrid Kirchhof: Achso. Aber auch Gesetze verschärfen sich ja manchmal, weil der Druck der Bevölkerung oder bestimmter Lobbygruppen groß... #01:53:07-3#

Kerstin Nindel: Ich denke mal, genau. Also, wenn ich so die Biologen sehe, die das da angucken und die da jede Fledermaus mit Name kennen und streicheln und... nichts gegen Fledermäuse. Wir haben ja auch ganz viele Ersatzquartiere schon geschafft. Wir machen das auch, wenn du keine Auflage hast. Also wir haben Stollen saniert und gesagt, hier lassen wir ein Schlupfloch drin. Also da brauche ich keine Auflage dafür. Das mache ich einfach, ne. Aber wenn dir das dann auch nicht mal gegengerechnet wird. Du hast doch schon! Das interessiert niemanden. Also das ist jetzt auch nicht so richtig Naturschutz dann. Also... / Dr. Astrid Kirchhof Ich... / Dr. Kerstin Nindel ... Naturschutz ist für mich dann, wenn es wirklich, sagen wir mal, um Leib und Leben von Menschen geht, da muss man das auch mal abwiegen dürfen. Und das darf man nicht. #01:53:49-5#

Astrid Kirchhof: Ja, das ist... ich habe Ihnen ja gesagt, ich arbeite zum DDR-Naturschutz... / Dr. Kerstin Nindel hm (bejahend) / Dr. Astrid Kirchhof ... seit 1945. Und das ist eben der Unterschied zum Umweltschutz. Naturschützer schützen (betont) immer die Natur und... / Dr. Kerstin Nindel Ach... / Dr. Astrid Kirchhof ...es geht nie um den Menschen / Dr. Kerstin Nindel (unv.) / Dr. Astrid Kirchhof Das ist der Unterschied zum Umweltschutz. Ja. / Dr. Kerstin Nindel Ja, ja / Dr. Astrid Kirchhof Und Sie glauben gar nicht, wieviele Naturschützer es in der DDR gab / Dr. Kerstin Nindel (unv.) / Dr. Astrid Kirchhof Gleich vor 45 [1945]. Also Sie wissen, dass die... / Dr. Kerstin Nindel Ja, ja / Dr. Astrid Kirchhof ...quasi auch jeden einzelnen Baum versucht haben zu schützen. Also im Westen war es... / Dr. Kerstin Nindel Ja, ja / Dr. Astrid Kirchhof ...genauso, in der Bundesrepublik. #01:54:19-5#

Kerstin Nindel: Ja, ja #01:54:20-1#

Astrid Kirchhof: Wo man sich auch, wo ich mich schon in all den Jahren immer wieder gefragt habe, wie geht es nach dem Zweiten Weltkrieg? Hat man doch andere Sorgen, denkt man sich, aber es war bei denen... #01:54:29-3#

Kerstin Nindel: Nee! Die suchen sich ihre Nische und dann ist das so, ne. #01:54:33-2#

Astrid Kirchhof: Ja. Die eine Frage, die ich noch hatte, habe ich jetzt vergessen. Jetzt, die andere oder letzte wäre noch gewesen, irgendeine hatte ich noch, jetzt habe ich's vergessen... Wenn ich Sie nach Ihrer Identität fragen würde... / Dr. Kerstin Nindel hm (bejahend) / Dr. Astrid Kirchhof ... also, was weiß ich, hier, Chemnitzerin, DDR-Bürgerin, Frau, Europäerin,... / Dr. Kerstin Nindel Ja / Dr. Astrid Kirchhof ... Wismuterin. Wo ist Ihre Identität? #01:54:56-8#

Kerstin Nindel: Gute Frage. Oh, jetzt sehe ich Sie gar nicht mehr. Wo habe ich Sie denn jetzt hingeklickert, hier unten hin. So, jetzt. #01:55:05-3#

Astrid Kirchhof: Ich sehe Sie noch #01:55:05-9#

Kerstin Nindel: Ja. Alles gut (lacht). Meine Identität... Frau (7 Sekunden Stille). Frau, also ja, vielleicht wissenschaftlich arbeitend. #01:55:22-6#

Astrid Kirchhof: Also Wissenschaftlerin. #01:55:24-9#

Kerstin Nindel: Ja. Und Mutter. #01:55:29-8#

Astrid Kirchhof: Sie sind die Erste, die keinen geografischen Bezug herstellt. Das ist sehr interessant. Na, finde ich ja gut, finde ich ja gut. Sie müssen ja nicht genauso antworten wie andere. #01:55:39-0#

Kerstin Nindel: (lacht) / Dr. Astrid Kirchhof Ja, ist sehr gut / Dr. Kerstin Nindel Geografischer Bezug wäre jetzt was? Deutschland? #01:55:43-0#

Astrid Kirchhof: Also manche sagen, ich bin Erzgebirgler. / Dr. Kerstin Nindel Achso / Dr. Astrid Kirchhof Manche der Männer sagen, ich bin in erster Linie... #01:55:48-5#

Kerstin Nindel: Ich bin Geologe. Nee, ich bin Geologin. #01:55:50-3#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:55:51-4#

Kerstin Nindel: Das ist vielleicht wissenschaftlich arbeiten, ja, Geologe, Mutter. Also Frau, Geologin, Mutter. Und dann würde ich sagen deutsch. Und dann europäisch. #01:56:02-8#

Astrid Kirchhof: Ich glaube, wenn man mich fragen würde, ginge das ganz ähn... würde ich's ganz, ganz genauso, fast genauso beantworten, hm (bejahend). Frau, Wissenschaftlerin, Mutter, deutsch und europäisch / Dr. Kerstin Nindel Ja (lacht) / Dr. Astrid Kirchhof Ich würde es auch so sagen. Aber da sind wir beide bisher alleine. / Dr. Kerstin Nindel okay (lacht) / Dr. Astrid Kirchhof Aber ich finde, jeder hat so sein... die eine Frage, das ist die letzte, das war das. Wieso arbeiten Sie jetzt gerade eher nicht mehr wissenschaftlich? Haben... Sie sind da weggegangen? Aber... #01:56:30-0#

Kerstin Nindel: Naja. Ich hatte ja gesagt, dass ich mich dann quasi auf eine andere Stelle intern beworben hatte. Die mich auch ausgefüllt hat. In dem Zentralbereich Technik. Und dann gab's ja wieder eine Umstrukturierung bei Wismut. Und da war dann eigentlich, weil auch ein Kollege dort in der Abteilung Genehmigungswesen dann in den Ruhestand gegangen war. Der also auch dieses Aufgabengebiet Sachsen, Königstein, bearbeitet hat. Und ich ja dort viel, sehr viel gemacht habe, da stand das irgendwie überhaupt nicht zur Disposition. Ich habe mich dann schon zwei-, dreimal intern auch auf eine andere Stelle beworben. Aber das war dann nicht so gewollt, also und dann bin ich halt... Also, und dann gab's eine Stelle, wo ich hingehen sollte. Da wollte (betont) ich nicht hin. Ich sage, ich arbeite in Chemnitz, nicht in Ronneburg. / Dr. Astrid Kirchhof hm (bejahend) / Dr. Kerstin Nindel Und hätte mich interessiert von, vom Arbeitsinhalt auch, was damals auch zur Diskussion stand. Aber ich wollte nicht jeden Tag nach Ronneburg fahren zur Arbeit. Also... #01:57:26-7#

Astrid Kirchhof: Wie, wie weit ist denn das von Chemnitz? #01:57:29-2#

Kerstin Nindel: Ja, schon eine Dreiviertelstunde jeden Tag auf eine Strecke. / Dr. Astrid Kirchhof hm (bejahend) / Dr. Kerstin Nindel Wenn du einen zehn-Minuten-Arbeitsweg hast, tauschst du das nicht mit einer Dreiviertelstunde ein. #01:57:37-1#

Astrid Kirchhof: Und diese Tätigkeit in Ronneburg wäre eher wissenschaftlich ausgerichtet... #01:57:41-1#

Kerstin Nindel: Ja. Ja. Das wäre, sagen wir mal, hydrogeologisch. Also nicht so sehr wissenschaftlich, sondern auch Betriebsabläufe dort organisieren. Monitoring, Wassermonitoring machen, so. Schon ein bisschen mehr andere Basis, also viel mehr wie das, was ich jetzt mache. Aber (unv.) #01:57:59-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:57:59-7#

Kerstin Nindel: Und durch das Angola-Projekt, was ich jetzt seit über einem Jahr mitmache, also ein externes Projekt, habe ich auch wieder genug Geologie und Hydrogeologie in meiner... #01:58:09-1#

Astrid Kirchhof: Och, von dem haben Sie jetzt grade noch gar nicht geredet, oder? #01:58:11-7#

Kerstin Nindel: Nö, nö. Weil das ist ein externes Projekt. Also, da bin ich vor zwei Jahren dazu gekommen. Also da hat die Firma ILV GmbH einen passenden Hydrogeologen gesucht als Nachauftragnehmer für ein Projekt in Angola. Und der hat mich persönlich angesprochen. Kannte mich noch aus dem Studium. Ich musste erst mal wieder recherchieren. Warte mal, wer war das? Dann habe ich so blöd geguckt... #01:58:37-1#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:58:37-6#

Kerstin Nindel: Der kannte so viele Details von mir aus dem Studium, der muss dich kennen. Okay, gut (lacht). An seine Frau konnte ich mich dann besser erinnern. Und ich habe dann aber gesagt, ich mache das nicht persönlich. Also hätte man machen können in Wismut, dass man sagt, ich habe eine Nebentätigkeit. Ich sage, nee, also, wenn, dann mache ich, dann machen wir einen Vertrag mit Wismut. Und ich bin da Projektleiter in Wismut für den Part Hydrogeologie. #01:59:00-0#

Astrid Kirchhof: Und das geht? #01:59:01-6#

Kerstin Nindel: Das geht, ja. #01:59:02-7#

Astrid Kirchhof: Aber was hat denn die Wismut in Angola zu machen, wie geht das zusammen? #01:59:07-0#

Kerstin Nindel: Gar nichts. Also, nee, anders. Die, die Firma ILV zusammen mit MIPRA Consult hat als Konsortium einen Vertrag mit der Diamantgesellschaft in Angola. Da geht's um Tagebau, Entwässerung, Tagebau, Standsicherheit, Tagebau-Führung. Und da hat die Firma ILV Fernerkundungen. Also die sind Spezialisten für... ja, Fernerkundungsdaten. Also mit Flugzeug, mit Drohnen, mit ähnlichen Sachen. Wollte halt ein Nachauftragnehmer einen Partner haben, der den hydrogeologischen Part in diesem Gesamtprojekt macht. Jemand, der zuverlässig ist. Der entsprechend Expertisen hat. Und, ja, er ist auf mich gekommen. Und wir sind jetzt sozusagen im Nachauftrag für diesen kommerziellen Auftrag. Oder diesen kommerziellen Vertrag, den da die ILV mit Angola hat. Und... / Dr. Astrid Kirchhof Fahren sie da auch hin? / Dr. Kerstin Nindel ... ich habe mir da... #02:00:05-1#

Astrid Kirchhof: ...nach Angola? / Dr. Kerstin Nindel Was? #02:00:06-5#

Kerstin Nindel: War ich schon, war ich schon (lacht). Werde ich auch wieder (lacht) #02:00:09-1#

Astrid Kirchhof: Aber sonst können Sie es von Chemnitz aus oder...? #02:00:11-8#

Kerstin Nindel: Ich mache hier ganz viel von Chemnitz aus. Also von dem Konsortium selber sind seit November wieder Leute da unten. Coronabedingt war das natürlich jetzt, und (betont) ist immer noch schwierig. Und sicherlich werde ich da auch das eine oder andere Mal wieder vor Ort mit fliegen. Dort sind die Strukturen auch so ein bisschen ähnlich, wie das bei Wismut war. Das ist ein angolanisch-russisches Kon... also Eigentümer. Also so von der Struktur her ähnlich wie Wismut früher war. Gibt's auch durchaus einige Parallelen. #02:00:44-6#

Astrid Kirchhof: Und das Projekt läuft zwei Jahre, sagten Sie? Oder wie lange? #02:00:48-2#

Kerstin Nindel: Also das läuft jetz seit letztem Jahr, seit Anfang letzten Jahres. Da, davor gab's über ein Jahr Vorbereitungszeit. Wo ich jetzt auch schon zweimal mit in Angola war. Und es soll, also der Vertrag von, von ILV mit, mit Angola soll erweitert werden um noch weitere zwei Jahre. Aber das muss man sehen. #02:01:09-5#

Astrid Kirchhof: Gibt es eigentlich Fotos, die Sie uns... oder Urkunden oder Kleidungsstücke, irgendetwas, was Sie zeigen können oder wollen? #02:01:18-0#

Kerstin Nindel: Also ich habe jetzt nicht rausgesucht oder gefunden oder, also... #02:01:22-6#

Astrid Kirchhof: Okay. #02:01:23-5#

Kerstin Nindel: Weil ich jetzt auch gar nicht so, so weiß, in welche Richtung da... da gedacht worden ist, irgendwas zu zeigen. Also Bergmann... ich bin, ich bin Geologe. Ich bin kein Bergmann. Also ich könnte Ihnen jetzt wunderschöne Steine zeigen. Auch welche, die... also ein Stückchen Bohrkern oder sowas. Aber (lacht) es ist so... das war auch so eine niedliche Geschichte. Dann habe ich halt mal so einen, ein Stück Bohrkern mit nach Hause genommen. Also einen Sandstein, der nicht mehr gebraucht worden ist. Der auch nicht radioaktiv kontaminiert worden ist. Wo auch kein Erz drin ist. Und dann habe ich den so zu meinen anderen Steinen, die ich hab, mit hingelegt. Und dann die Kinder, was ist denn das für ein Stein? Wo gibt's denn sowas? Also so diese, diese Faszination. Was für mich völlig normaler Alltag ist, so Bohrkern, ne. #02:02:08-6#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:02:10-0#

Kerstin Nindel: Dieses Erstaunen von den Kindern (lacht). Wo (unv.) hat und es sich überhaupt nicht erklären können, wie so ein, so ein Zylinder aus Stein. Also wofür das gut ist oder wo das herkommt (lacht). Nee, also habe ich jetzt nichts. #02:02:22-9#

Astrid Kirchhof: Okay. Und gibt es noch irgendeine Sache, die wir nicht besprochen haben, die Sie gerne ansprechen würden? #02:02:29-6#

Kerstin Nindel: Also ich hätte noch eine kleine Episode. Die habe ich Ihrem Kollegen schon erzählt. Das war auch in der Wendezeit. #02:02:35-9#

Astrid Kirchhof: Gern. #02:02:36-8#

Kerstin Nindel: Wie gesagt, ich... die Kinder waren in den Kindertageseinrichtungen untergebracht. Ich habe einen Arbeitsvertrag gehabt. Habe gerade angefangen mit arbeiten. Das war Weihnachten 1990. Mein Mann war in Kurzarbeit. Die hatten gerade diese GBA gegründet mit einem Kollegen zusammen. Waren vier oder fünf Mitarbeiter. Und haben erste Verträge auch gehabt mit westdeutschen Unternehmen. Das eine war speziell zu einer... Statistiksoftware. Und haben natürlich auch im Westen Teile eingekauft. Also Computerteile, also eine Computerfirma, die die da gegründet hatten. Und wir sind nach Weihnachten zu viert, also mein Mann mit dem anderen Geschäftsführer und ich mit seiner Frau nach Frankfurt am Main gefahren. Weil dort Geschäfte gemacht werden sollten. Haben wir gesagt, ahh, könnt ihr doch mal mitkommen. Haben wir ein Mietauto genommen. Einen Uno, also sowas wie, ich weiß gar nicht wie klein, so, so ein (unv.)-Auto, also so Mini-Wagen. Also kleiner wie der Polo. #02:03:45-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:03:46-5#

Kerstin Nindel: War für uns ein riesengroßes Auto. Und dann haben die Männer erst ihre, ihre Teile, ihre Geschäfte gemacht und eingekauft. Ich, wir waren ein bisschen bummeln da in Frankfurt. Ich fand das alles nicht so toll. Ich, ich weiß nicht, ich habe irgendwie den Eindruck so, das, was ich kaufen wollte, gab's da auch nicht. / Dr. Astrid Kirchhof hm (bejahend) / Dr. Kerstin Nindel War nach Weihnachten. Vielleicht alles schon weggekauft oder keine Ahnung. / Dr. Astrid Kirchhof (lacht) / Dr. Kerstin Nindel Und dann sind wir dort zu dem Geschäft von der Firma, die dieses... Statgraphics hie... hieß dieses, diese Software, dort entwickelt und vertrieben hat. So ein Frankfurter Hochhaus. Ein typisches Frankfurter Bürogebäude. Weiß nicht mehr, welcher Stock das war. Ein völlig aufgeräumter Schreibtisch. Also da war gar nichts drauf. Schöner Ledersessel, so typischer Wessi-Chef. Wie man es sich so vorstellt. Und die beiden Männer diskutierten mit ihm dann. In einer relativ entspannten Atmosphäre. Wir würden Ihr Produkt mit vertreiben und wir sind die und die Firma. Und können wir das machen in Lizenz? Und irgendwann sagte der Chef dann, der war so Anfang 40, ja, Sie können doch bei mir einsteigen. Also ich kann Sie auch direkt anstellen. Und das klang natürlich sehr interessant für meinen Mann auch. Und ja, Anfangsgehalt, also wir können mit 4600 D-Mark anfangen. Wir haben zu der Zeit 1000 D-Mark verdient. Also zu zweit 2000. Er hat ein Anfangsgehalt von über 4000 D-Mark und nach einem halben Jahr können wir das auf 6000... also, das ist so uns, das sind so unsere Optionen. Ja, finanziell, hmm, klang wirklich interessant. Und dann europaweiter Einsatz, Schulungen in den USA. Alles super. Ja, können wir machen. Und dann habe ich mich getraut zu fragen, ich sage, hätten Sie denn auch für mich hier eine Arbeit? Ja, was sind Sie von der Ausbildung? Ich sage, ich bin Geologe. Da sieht's in Frankfurt nicht so... aber würde sich was finden. Gut. Ich sage, und wie sieht's mit Kinderbetreuungsmöglichkeiten aus? Wie, Kinder? Ich sage, naja, ich habe zwei Kinder. Wie alt sind die denn? Also ich war ja damals auch noch relativ jung, ne. Ich sage, na, die Kleine ist ein Jahr und der Große ist vier. Das Gesicht werde ich mein Leben nicht vergessen. Das war... also fassungslos irgendwie, geht gar nicht. Und wieso wollen Sie da arbeiten? / Dr. Astrid Kirchhof hm (bejahend) / Dr. Kerstin Nindel Zumal, Ihr Mann verdient doch dann 6000 D-Mark! / Dr. Astrid Kirchhof (lacht) / Dr. Kerstin Nindel Und... und Sie haben doch Kinder! Ich sage, na, horchen Sie mal her. Ich war jetzt nicht acht Jahre an der Hochschule, um dann für den Rest zu Hause zu bleiben! / Dr. Astrid Kirchhof hm (bejahend) / Dr. Kerstin Nindel Also... nee, also das haben wir nicht, da, da, das geht nicht. Da habe ich zu meinem Mann gesagt, wenn du möchtest, kannst du gerne hier anfangen. Ich bleibe in Chemnitz, da habe ich eine Arbeit. Da ist für die Kinder gesorgt, alles chic. Hat mein Mann dann nicht angenommen. Hat er mir dann später vorgeworfen, dass ich ihn sozusagen daran gehindert hätte. Aber in der Situation war das für mich, es, es war keine Option. Also nehmen wir an, wir, wir wären beide, hätten wir sicherlich finanziell sofort viel besser da gestanden. Aber das war nicht mal ansatzweise irgendeine Option. Und das Gesicht von diesem... Chef da. Also dass man überhaupt so eine Frage stellen kann! Also die, diese Fassungslosigkeit (lacht). Die, wo ich genauso fassungslos war... wie, ich soll jetzt zu Hause bleiben? #02:07:26-6#

Astrid Kirchhof: Es ist gut, dass Sie sie gestellt haben. Weil nur, wenn man immer wieder sie stellt und immer wieder... / Dr. Kerstin Nindel Genau / Dr. Astrid Kirchhof ...sie einfordert, kann ein Umdenken passieren. Es ist ja schon schlimm genug, dass es immer noch... #02:07:36-8#

Kerstin Nindel: Richtig, richtig #02:07:38-3#

Astrid Kirchhof: ...immer noch nicht toll ist, also... #02:07:40-1#

Kerstin Nindel: Selbst, selbst unsere Ost-Männer, die, sagen wir mal so, ja, was ist da jetzt? Mutter... Mutterschutz? Ich sage, nein, das heißt jetzt Elternzeit. Also, ne (lacht), so. Der ist (lacht), der ist nicht im Schwangerschaftsurlaub, der hat zwar den Mutterschutz, der ist jetzt in Elternzeit (lacht), ne. Also (lacht) dann sagen die... #02:08:02-2#

Astrid Kirchhof: (lacht) Also, ich meine, wie hätten Sie sich auch anders entscheiden sollen? Sie gehen doch jetzt nicht als Hausfrau nach Frankfurt am Main. Wer macht denn sowas? #02:08:10-6#

Kerstin Nindel: Aber ich hab's eben auch anders kennengelernt. Eben mit... sagen wir mal, Chef von dem Geologie-Ingenieurbüro. Der ist in Bayreuth. Und der hat so zehn, zehn, zwölf Mitarbeiter. Und der hat mir mal gesagt, also mit dem bin ich dann auch eng befreundet, der ist auch Geologe, also wie gesagt, Geologen ticken irgendwie doch schon ähnlich, und der meinte dann so, er stellt viel lieber Frauen und Männer ein, die Familie haben. Und nicht so gerne Singles. #02:08:39-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:08:40-0#

Kerstin Nindel: Weil der sagt, die können sich viel besser organisieren. Weil die müssen, die müssen das alles unter einen Hut bringen. Die müssen auch mal fertig werden. Wären sie ein Single, der immer nur für sich da ist, der wird auch nicht fertig. #02:08:50-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:08:51-5#

Kerstin Nindel: Und dann hat er mir auch so eine Episode erzählt und meinte, ja, er hat einen guten Freund, der ist alleine. Und wollte sich, wir könnten mal was zusammen machen. Und dann sagt er, habe ich mir freigeschaufelt. Also... Chef von so einem Ingenieurbüro. Und Familie, hat selber drei Kinder. Und, und da sagt er, könnten wir Dienstag machen. Und dann sagt der mir, nee, Dienstag geht nicht. Dienstag tu ich immer bügeln. Ich so, hä? Ja, nee, der hat seinen Tagesablauf eingeteilt. Und Dienstag ist Hausarbeit und diesen Dienstag ist bügeln. Und da, also, hmm. Hat er keine Zeit gehabt! #02:09:24-2#

Astrid Kirchhof: (lacht) Und Ihr Ex... #02:09:25-5#

Kerstin Nindel: (lacht) Unsereiner hat immer probiert, warte mal, denke mal nach. Wenn du das mit dem verbindest, dann könntest du, und dann findest du irgendwo einen Weg und ein Zeitfenster. Und wenn's nicht das ist, ein anderes. #02:09:35-6#

Astrid Kirchhof: Und je älter sie werden, desto schwieriger wird... also je länger man allein... / Dr. Kerstin Nindel Ja, ja / Dr. Astrid Kirchhof ...ist. #02:09:40-8#

Kerstin Nindel: Ja, richtig. Ne. #02:09:42-3#

Astrid Kirchhof: Oh Mann! (lacht) #02:09:44-5#

Kerstin Nindel: Aber wie gesagt, das ist auch ein, ein waschechter Wessi, wenn du so willst. Der aber ganz anders getaktet ist. Aber... es sind nicht alle so oder so. (Lacht) Ja. #02:09:57-3#

Astrid Kirchhof: Ja, also (PC-Geräusch) von meiner Seite her hätte ich alle Fragen gestellt. / Dr. Kerstin Nindel Ja, ja / Dr. Astrid Kirchhof Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht? #02:10:04-2#

Kerstin Nindel: Ich denke, ich hab alles. Ich kann noch mal gucken, ob ich irgendwas erzählen wollte. Also was vielleicht früher auch wirklich anders war als heute, ist, dass man nach der Arbeit viel mehr gemeinsam auch gemacht hat. Also auch die Kollegen zusammen. #02:10:21-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:10:22-1#

Kerstin Nindel: Also das ist vielleicht auch der Zeit geschuldet, dass man jetzt viel, viel mehr Möglichkeiten hat, irgendwo hinzufahren. Oder irgendwas zu unternehmen. Da ist jeder mehr auf sich bezogen und hat einen Freundeskreis, der jetzt nicht unbedingt mit dem, mit den Menschen zusammen passt, mit denen man zusammen arbeitet. Wobei, den Freundeskreis hat man früher auch gehabt. Den gab's natürlich trotzdem. Aber man hat eben einfach mal gemeinsam gegrillt. Oder gemeinsam im Grundstück gesessen. Oder gemeinsam einen Wandertag gemacht oder sowas. Also, es war jetzt nicht nur gemeinsam Subbotnik machen. Der dann so ein bisschen angeordnet war. Sondern das immer mit Geselligkeit verbunden. Und diese Geselligkeit, die ist irgendwie, zumindestens im Berufsleben, in der Firma, abhanden gekommen. Also ich kann das jetzt nicht sagen, ob das in anderen Firmen ähnlich ist. Aber zumindest bei Wismut ist das, dieser Geist nicht mehr da. #02:11:23-0#

Astrid Kirchhof: Das heißt, Sie haben schon Geselligkeit mit Freunden privat, aber nicht... / Dr. Kerstin Nindel Ja! / Dr. Astrid Kirchhof ...mehr über, nicht über den Arbeitgeber? #02:11:31-8#

Kerstin Nindel: Über den Arbeitgeber überhaupt nicht. Also es gibt auch keine gemeinsamen Weihnachtsfeierveranstaltungen, wo der Arbeitgeber was dazu gibt oder so. Das gibt's alles überhaupt nicht. Wenn, dann ist das wirklich immer rein privat gewesen. Wir haben auch mit, mit, sagen wir mal so. In der Arbeitsgruppe, wie wir früher eben mal so in, in den 90er [1990er] Jahren waren, uns dann getroffen haben. Aber irgendwie schläft das dann alles ein und findet nicht mehr wirklich statt. Also so, dass über, also wir organisieren uns schon auch noch, dass wir sagen, ja, wir setzen uns zur Weihnachtsfeier mal zusammen hin und machen was. Aber, aber das, wie es eben so in der DDR war, wo Sportfeste gemeinsam gemacht worden sind und so. Ich will das jetzt nicht alles wiederhaben, aber wenigstens ein Stück wäre vielleicht manchmal ganz hilfreich. Weil ja immer Menschen miteinander arbeiten. Und jetzt in Zeiten der Pandemie, wo man sich jetzt quasi bloß noch über den Bildschirm sieht, und wenn ich den zu mache, zack, weg. Und ich bleibe immer weiter hier in meinem Haus, wird's nicht besser. 02:12:32-3

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) 02:12:35-2

Kerstin Nindel: Und das ist eigentlich ein bisschen schade. Und diese gesellschaftliche Entwicklung... ja. Und wenn man jung ist, versuht man noch eher... aber da hat man dann Kinder. Das ist heute, das ist heute auch wieder ein bisschen anders. Man hat viele Bekannte. Ein paar wenige richtig gute Freunde, die man auch früher hatte. Aber eben dieses Kennenlernen des Menschen, mit dem ich zusammen arbeite, ist eigentlich nicht mehr gewünscht. Ist gesellschaftlich von den Betrieben, von den Strukturen her eigentlich so überhaupt nicht mehr gewünscht. Sicherlich, junge, neue Start Ups. Da, da mag das so sein. Aber in diesen alteingesessenen Strukturen der Großbetriebe, wo, wo sich Leute auf persönlicher Ebene treffen, die werden nicht unterstützt. Sie werden jetzt nicht verboten. Aber sie werden auch in keinster Weise irgendwie gefördert oder unterstützt oder, ne. Es ist so bei Schichtarbeitern schwierig. Aber das gab's in der DDR auch alles, Schichtarbeit und so. 02:13:35-1

Astrid Kirchhof: Aber was könnte der Grund sein, dass das nicht gewollt ist? Fällt mir gerade gar nichts ein. 02:13:41-2

Kerstin Nindel: Ja, weil man sich ja dann austauschen könnte über, warte mal, in deiner Abteilung. Du kriegst das und du machst das. / Dr. Astrid Kirchhof Ja, so / Dr. Kerstin Nindel Also, man darf ja schon mal nicht sagen, dass man überhaupt Geld verdient für das, was man macht, ne. 02:13:51-5

Astrid Kirchhof: Ja, ja, das wäre jetzt mir auch eingefallen. Dass man sich austauscht. Und dass es auch eine (unv.) 02:13:56-7

Kerstin Nindel: Genau, richtig. Und da noch mal, wenn irgendwas nicht bisschen aktiv gefördert wird, dann schläft's auch irgendwann ein. Also, es hängt natürlich auch immer wieder an den Menschen, ob man was macht oder nicht. Also, es gibt da auch bei uns im Betrieb durchaus Sportaktivitäten. Aber das ist immer auf Privatinitiative, auch wenn's im Betrieb dann stattfindet. Und, wie gesagt, das... ich will jetzt auch kein Brigadetagebuch mehr führen wollen. Aber es ist eine schöne Sache. Du kannst (lacht) dir das angucken und guckst immer wieder gerne rein. 02:14:27-2

Astrid Kirchhof: Also die, ich meine, die Forschungseinrichtungen, die ich kenne, wie das Deutsche Museum, da habe ich gearbeitet, oder am Zentrum für Zeithistorische Forschung. Die machen schon alle Weihnachtsfeiern und Fahrrad... / Dr. Kerstin Nindel Ja, ja / Dr. Astrid Kirchhof ...ausflüge und sowas. Und das organisiert auch die Leitung mit, eigentlich. 02:14:44-4

Kerstin Nindel: Ja, hm (bejahend) 02:14:45-2

Astrid Kirchhof: Aber kann natürlich trotzdem sein, dass, was Sie sagen, dass es so eine breitere Entwicklung gibt. Und ganz sicher ist es nicht mehr so wie in der DDR. Das kann ich mir schon ganz gut vorstellen. 02:14:54-2

Kerstin Nindel: Und es ist auch ein Unterschied, ob ich jetzt so, sagen wir mal, so ein 15-Mann-Betrieb bin, ne. Wo, wo das auch noch viel wichtiger ist, dass man miteinander arbeitet wie in Großbetriebsstrukturen. 02:15:04-1

Astrid Kirchhof: hm (bejahend), hm (bejahend) 02:15:05-4

Kerstin Nindel: Also es ist jetzt auch nicht nur Wismut, sondern eben, ich würde das schon mal sagen, Großbetriebsstrukturen. 02:15:10-3

Astrid Kirchhof: hm (bejahend), hm (bejahend) Ja, Frau Dr. Nindel. 02:15:16-2

Kerstin Nindel: Die Einverständniserklärung, die schicke ich per Mail noch zu. Das habe ich vergessen auszudrucken. Mache ich morgen. 02:15:25-3

Astrid Kirchhof: Ja, super. 02:15:26-6

Kerstin Nindel: Schicke ich sie per E-Mail. 02:15:27-3

Astrid Kirchhof: Das ist nett. 02:15:29-1

Kerstin Nindel: Ja. 02:15:29-7

Astrid Kirchhof: Okay. 02:15:30-3

Kerstin Nindel: Okay! Gut, dann haben wir's in... 02:15:32-7

Astrid Kirchhof: Genau! (Lacht) 02:15:35-0

Kerstin Nindel: Ja, zwei Stunden geschafft. 02:15:36-8

Astrid Kirchhof: Genau. Zwei Stunden, ja / Dr. Kerstin Nindel (lacht) Okay / Dr. Astrid Kirchhof Ja, dann wünsche ich Ihnen noch eine schöne Zeit / Dr. Kerstin Nindel Ja / Dr. Astrid Kirchhof und bleiben Sie gesund. 02:15:43-8

Kerstin Nindel: Ja. Und wenn Sie, also, wie gesagt, mal eine E-Mail schicken zu irgendwelchem Stand oder so, zu Ihrem Gesamtprojekt. Da wäre ich schon interessiert dran.