2020.09.16 - Schneider, Gerd - 1080p.mp4

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Transkript:

Astrid Kirchhof: Also heute ist der 16. September 2020 und ich bin bei Herrn Gerd Schneider in Gera zum Interview. Guten Tag Herr Schneider. #00:00:25-4#

Gerd Schneider: Hallo. #00:00:25-5#

Astrid Kirchhof: Hallo (lacht). #00:00:27-4#

Gerd Schneider: Glück auf! Wie man bei uns sagt. #00:00:27-4#

Astrid Kirchhof: Glück auf! Genau, richtig. Genau, wir haben ja uns schon bisschen eingesprochen und meine erste Frage an Sie wäre, erzählen Sie uns doch einfach ein bisschen was. Wie Sie zur Wismut gekommen sind und wie Ihr Leben bei der Wismut war. Genau. #00:00:48-4#

Gerd Schneider: Also ich hab 72 die Polytechnische Oberschule abgeschlossen und nun stand an, was möcht ich werden, ne. Und der erste Gedanke war eigentlich Betriebsmesssteuer- und Regeltechniker - das ist ein besserer Elektriker gewesen - bei der Wismut zu lernen. Ich hab mich dann bei der Wismut beworben dazu und hab die Absage gekriegt, dass diese Klassen voll wären und ob ich nicht Hauer werden wollte. Und ein Viertel Jahr später könnte ich eventuell umschulen und diesen anderen Beruf machen. Aber ich glaube das war ein Trick gewesen, um eben Hauerlehrlinge zu gewinnen. #00:01:28-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:01:28-1#

Gerd Schneider: Denn es war ziemlich / also ein Job der ziemlich begehrt war. Also viele wollten, dass eben Hauerlehrlinge rankommen. #00:01:36-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:01:36-5#

Gerd Schneider: Okay, hab ich meinen Lehrvertrag unterschrieben: Hauer ab 1.9.72 [1972]. Vorher mussten wir ne Woche in ein GST-Lager nach Schirgiswalde. Mussten alle Leute von der Wismut, die dort als Lehrling angefangen hatten, mussten dort in das Lager, GST-Lager. Das war aber schon im August bevor die Lehre losging. Am 1.9. ging dann die Lehre los. Ersten Tag hab ich 's verschlafen ... #00:02:04-4#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:02:05-1#

Gerd Schneider: ... den allerersten Lehrtag, wusste ja im Prinzip nicht, wie ich jetzt nach Ronneburg komm, nach Reust direkt. Und mich dann an 'n Straßenrand gestellt, an die Ausfallstraße von Gera, wo es nach Ronneburg ging und bin per Anhalter bis nach Schmirchau gefahren. Da hat mir dann einer erklärt, wie ich nach Reust komme. Das war nicht sehr weit, waren ja Nachbarbetriebe. Bin dann nach Reus gelaufen und war sogar noch pünktlich dort, wo die Lehre losging dort angekommen. Also das war das Erste, was ich bei der Wismut eigentlich sehr schön verlebt hatte, ne. Okay, dann war unsere ganz normale Lehre. Theorie, Praxis, erstes Mal untertage, das war natürlich interessant für uns. Schon das Einfahren, das war ein Erlebnis. Zu vierzehn Mann in so 'ner Schale drin stehen. Drei Etagen waren da immer. #00:02:48-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:02:48-8#

Gerd Schneider: Und da ging es dann abwärts mit glaub ich acht Metern pro Sekunde. Ne, das kribbelt schon ganz schön im Bauch. Und wenn der dann ... #00:02:54-3#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:02:54-3#

Gerd Schneider: ... bremst. Und die Fördermaschinisten, die haben sich einen Spaß draus gemacht, wie ich heute weiß. Wenn die Lehrlinge das erste Mal eingefahren sind, sind die immer bisschen schneller gefahren. Also da haben die den Fahrstuhl manchmal bisschen schneller schön durchsacken lassen ... #00:03:07-5#

Astrid Kirchhof: ach so (lacht) #00:03:07-5#

Gerd Schneider: ... dass es schon mal kribbelt im Bauch. Und dann bissl schärfer gebremst, ne. Hab ich dann später erfahren, dass sie das gerne bei Neulingen so gemacht haben. Gut, die Eindrücke am Anfang waren (...) überwältigend, okay. (unv., #00:03:23-8#) man konnte noch nicht einschätzen (unv., #00:03:25-3#) von dem Füllort und in den Hauptstrecken, wie das in Wirklichkeit dort zugeht. Ich hab dann meine Lehre dort mit guten Ergebnissen abgeschlossen. Habe vorzeitig ausgelernt. Ich hab schon drei Monate vorher ausgelernt. Ich hab da hier 'ne Urkunde dazu, dass ich wegen guten Leistungen eben vorzeitig auslernen durfte. Die Lehre selber war ziemlich interessant gewesen. Was ich noch gut fand damals oder wie viele gut fanden, als Lehrling, Hauerlehrlinge gab es Schokoladenmarken. Da haben wir für acht Mark Schokoladenmarken bekommen. Da konnte man in 'n Laden gehen und hat die Marke hin gegeben und hat für acht Mark Schokolade gekriegt. Kostenlos. An Schokolade hatten wir aber kein Interesse. Wir wollten lieber den Fusel, wie die alten Hauer hatten. Wismut-Schnaps. Und da haben wir manchmal mit den Hauern getauscht, haben Schokoladenmarken gegeben für acht Mark. Und dann dafür zwei Flaschen Schnaps gekriegt. #00:04:19-5#

Astrid Kirchhof: (lacht) Okay. #00:04:20-9#

Gerd Schneider: Da waren auch schon so Sachen, die damals schon waren, ja. Wir haben uns natürlich auch gefühlt! Untertage Essenmarken. Wenn wir da essen gegangen sind, ja wir waren was, ne! Und es hieß ja eigentlich, wer ist Bergmann? Ich bin Bergmann, wer ist mehr? Da hatten wir doppelte Portion Fleisch gekriegt. Grade als junge Männer. War ja ganz toll gewesen, ne. Ich hab dann meine Lehre abgeschlossen, hatte aber Probleme mit dem Magen. #00:04:49-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:04:49-8#

Gerd Schneider: Ich hatte Magengeschwüre, war mehrmals im Krankenhaus gewesen. Und der Arzt hat mir verboten drei Schichten zu arbeiten und ständig untertage zu sein. Also war die Hauerlehre für mich, von der Sache her, erst mal umsonst. Ich bin dann umgesetzt worden in die Vermessung, in die Markscheiderei in Reust als Bergvermesser. Also eigentlich als Vermessungsgehilfe, denn ich war ja noch kein Bergvermesser. Bin dort angekommen in so 'n Bereich in der Vermessung. Das war ein Kollege, dem ich da unterstellt wurde, der hieß Andraschko Josef. Alter Bergmann, ein Ingenieur, Vermessungsingenieur. Hat mich begrüßt. Okay, sagt er, Gerd setz dich hier hin. Schreib mal deinen Namen auf. Ich meinen Namen auf 'n Zettel geschrieben. Da hab ich den ersten Anschiss gekriegt, was das für ein Geschmiere ist, was ich hier mach. Ich hab den angeguckt, ich sage, das Geschmiere ist meine Schrift, ich schreib so. Also das geht als Vermesser gar nicht. Jetzt lernen wir erst mal schreiben. Da hat er einen Block raus geholt, da waren Zeilen drauf, 78 Grad Winkel Normschrift in einer bestimmten Größe. Vorne stand ein A gedruckt. Dann paar Zeilen später das B. Und dann hab ich dort den ganzen Tag gesessen und habe As und Bs geschrieben. Nächsten Tag war C, D und so ging das ganze Alphabet durch. Und das ging die ganze / ein zwei Wochen so lang. Da hab nur da gesessen, hab die Buchstaben geschrieben. Wie der Winkel ist, genau da rein ne, dass ich Normschrift lerne. Wo ich die Normschrift hatte, hat er mir 'ne Feder in die Hand gedrückt. Sollte ich mit der Feder schreiben. Tja, das ist gar nicht so einfach, mit der Feder schreiben (unv., #00:06:35-4#) Und in der Markscheiderei ist sehr viel Wert drauf gelegt worden auf eine ordentliche Schrift. #00:06:39-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:06:39-2#

Gerd Schneider: Weil man ja auch Risswerke und sowas beschriftet hat, ne. Das musste eben stimmen. Hab ich dann gelernt, wie man mit der Feder ne acht schreibt. Mit vier Bögen. Also nicht so einfach, sondern eins, zwei, gab es direkte Vorschriften, wie man die Feder zu halten hat. Das war eigentlich mein Anfang in der Markscheiderei. Dann bin ich dort mit eingefahren und hab erst mal mitgekriegt, was die so machen. Also die haben die ganzen Abbaublöcke vermessen. Dann im Streckenvortrieb den Vortrieb gemessen. Also Abbaublock muss man sich so vorstellen, jede Brigade hatte einen bestimmten Erzkörper, den er abbauen musste. Und dadurch dass die Hauerbrigaden ja bezahlt worden sind nach Leistung, da hieß es Länge mal Höhe mal Breite, das musste genau ausgemessen werden. Das war ja nicht alles so grade wie 'ne Wand. Da hab ich erst mal gelernt, wie man sowas misst im Berg untertage, wie das funktioniert. Und wie man so aufnimmt als Skizze und dann auch übertage in den Karten einzeichnen kann. #00:07:41-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:07:41-7#

Gerd Schneider: Mit Maßstab. Da musste ja alles irgendwie stimmen. Und das war eigentlich das, was ich alles in der Markscheide am Anfang gelernt habe. Mein großer Chef, das war eben der Herr Lange Rudi, das war der Hauptmarkscheider von Reust, mit dem hab ich heut noch Kontakt, der ist 90 Jahre alt. Das ist ein ganz großer Spezialist gewesen, mit Schreiben und sowas. Kann ich Ihnen nach her mal zeigen, was ich von dem da hab. Und mit dem hatte ich einen sehr guten Draht gehabt und wahrscheinlich hat er festgestellt, dass ich nicht grade der Dümmste bin oder ich habe mich nicht dumm angestellt, sagen wir mal so rum. #00:08:15-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) hm (bejahend) #00:08:15-7#

Gerd Schneider: Und hab dann die Möglichkeit gekriegt, den zweiten Facharbeiter zu machen. Und hab dann auf der Abendschule den zweiten Arbeiterbrief angefangen. #00:08:25-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:08:25-3#

Gerd Schneider: Und hab dann Bergvermesser gelernt. Hab natürlich auch mit sehr guten Ergebnissen abgeschlossen, Bergvermesser. War auch ganz interessant gewesen. Am besten hat mir gefallen, das Rechnen, das lag mir absolut, ne. Also wie man Berechnungen durchführt, wie man das alles (unv., #00:08:46-1#) sinus, cosinus, die ganzen Winkelfunktionen und so. Das war meine Welt gewesen. Und der Lange Rudi hatte die Idee gehabt, und zwar im Streckenvortrieb untertage (...) muss man 'ne Richtung festlegen. Die Strecke muss ja irgendwo raus kommen. #00:09:04-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:09:04-6#

Gerd Schneider: Das geht ja nicht irgendwie, dass man die Strecke irgendwo hin fährt. (unv., #00:09:06-2#) der Erzkörper liegt dort und dort. Untertage muss die Strecke dort hin geführt werden. Und das war ziemlich kompliziert. In der Vermessung muss (unv., #00:09:13-5#) über komplizierte Geräte wurden da so genannte Stunden hieß das, wurden da gelegt. #00:09:20-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:09:19-9#

Gerd Schneider: Das waren im Prinzip drei Drähte, die der Markscheider in die Strecke gehängt hat. Und der Hauer musste dann über die drei Drähte gucken. Wenn die in einer Linie waren, musste der vorne an der Ortsbrust, also an der Scheibe, wo das zu Ende war, dieser Vortrieb erst mal, ne, wurde ein Strich gemacht. Und da hieß es eben, der Strich muss ein Meter von rechts von der Seite sein. Also sind die im Prinzip immer diesen drei Pendeln hinter her gefahren. Wenn die dann zu weit weg waren, mussten wir die wieder mit unseren Messgeräten verlängern. Also das war ziemlich anfällig diese Drähte. Wenn da mal beim Schießen einer verrutscht ist, sind die in die falsche Richtung gefahren. Und der ist auf die Idee gekommen, wir können doch ein Laserstrahl benutzen. Also wir nehmen einen Laserstrahl (unv., #00:10:07-9#) den Laserstrahl in der Strecke hängen. Und mit dem Laserstrahl habe ich einen Punkt. Und nach dem Punkt kann ich die Steigung eingeben und die Richtung. Aber den gab es aber nicht in der DDR, den Laserstrahl. Und da haben wir einen Trick angewendet. Und da wurde damals in Markersbach ein Pumpspeicherwerk gebaut. Das gibt es heute noch. Und da haben, glaube Schweizer Firma war 's, die haben das gebaut und die hatten einen Laserstrahl im Einsatz. Und wir haben gesagt, okay wir machen mal eine Befahrung dort, gucken uns das an. Unsere Aufgabe war eigentlich diesen Laserstrahl auszuspionieren. Also zu gucken, was machen die dort und wie funktioniert das. Und da bin ich und ein Kollege von mir, der Wolf Ulli, und der Markscheider der Wismut, der hieß Doktor Leonard. #00:10:58-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:10:58-1#

Gerd Schneider: Also Markscheider muss man dazu sagen, Markscheider ist im Prinzip ein promovierter Bergvermesser, Vermessungsingenieur, nicht Bergvermesser, Entschuldigung. Vermessungsingenieur. Das andere sind alles Vermessungsingenieure, nennen sich zwar Markscheider im Bergbau, aber ein richtiger Markscheider, der hat promoviert, der hat im Prinzip 'nen Doktor. Und da gab es ganz wenig in der DDR. Uns wurde damals erzählt, es gibt, es gäbe bloße zwei. Und der Doktor Leonard war einer der beiden. Da sind wir dort hin gefahren, haben uns das angeguckt, sind wieder zurück. Dann hat Jena von uns einen Auftrag bekommen einen Laser zu entwickeln, der, wenn man reinguckt kalt ist, entschädigt, denn das war immerhin 1974/ 75 [1975]. Und der auch nicht so weit streut, wenn er dann vielleicht 300 Meter weg ist. Nicht dass dann so ein Punkt vorne ist, ne. #00:11:43-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:11:43-5#

Gerd Schneider: Und das war ein Projekt, das hab ich mit dem Wolf Ulli zusammen gemacht. Wir haben da im Prinzip das neu erfunden für die Wismut. Das hat auch geklappt, hat auch funktioniert. Wird heut noch angewendet. In vielen Bergbauen, nicht bloß bei der Wismut, wird das angewendet. Und auf Grund dieser Arbeit, weil wir auch KSW entwickelt haben, also die DIN-Norm, wie es sich heute nennt. Kombinatsstandard hieß das früher, haben wir einen Studienplatz bekommen an der TU Dresden. Und da haben wir ein Studium angefangen, Fernstudium für Geodäsie und Kartografie. Ich wurde aber wieder krank während dem Studium. Ich hab im September dort angefangen zu studieren. Dann - das war 1976 im September - der Wolf Ulli auch mit, und hab dann durch meine Operation wieder, die ich hatte und Krankenhausaufenthalte, habe ich mein Studium geschmissen. Er wollte mich zwar überzeugen, weiter zu machen, hat gesagt, das wird schon und wenn du dann wieder einsteigst, ne. Es gab nicht sehr viele, die Geodäsie und Kartografie studiert haben. Wir waren glaub ich acht oder neun Mann bloß in der ganzen Klasse. Die haben dann Jahre gebraucht, um die Leute mal zusammen zu bekommen, die das studieren. #00:12:55-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:12:55-7#

Gerd Schneider: Ich hab dann mein Studium geschmissen. Ich muss noch dazu sagen, bevor ich in die Vermessung ging, als Hauer aufgehört hatte, hatte ich schon ein Studienangebot. Ich sollte nach Senftenberg gehen und Bergbau studieren. Das hab ich aber auch nicht gemacht. Das hat mit meiner Frau zu tun. Wir hatten eine Fernbeziehung. Gera Berlin. Und das wäre wieder 'ne Fernbeziehung gewesen, weil wir nach Gera gezogen sind, von Gera nach Senftenberg. Und das wollt ich nicht, eigentlich. Okay, ich hab mein Studium damals geschmissen, hab mich exen lassen. Exmatrikuliert und bin dann wieder im Betrieb innerbetrieblich umgesetzt worden als Gewerkschaftsvorsitzender von einem Grubenbereich. Also so ein Schacht hat ja aus mehreren Grubenbereichen bestanden, Abbaubereich, Vortriebsbereich, Vorbereich, hatte aus mehreren Bereichen bestanden. Und ich war in so einem Abbaubereich Gewerkschaftsvorsitzender geworden. Das war ungefähr 300 Mann. Jeder Bereich hatte so einen AGL-Vorsitzenden, nannten sich das. Ich war ja BGL-Mitglied schon seit 1975 und wurde da im Prinzip in diese Funktion, sagen wir mal, wurde ich reingeleitet. Für war das ausschlaggebend, weil ich da bedeutend mehr Geld verdient hab, als in der Vermessung. Erst mal. Und ich hab ja gleich einen Sprung gemacht von 400 Mark damals. Jung verheiratet, das Geld hat man gebraucht. Okay, hab ich das gemacht. Diese AGL-Vorsitzenden, die es in jedem Bereich gab und auch BGL-Mitglieder, das waren alles im Prinzip hauptamtlich, aber mit einem Arbeitsvertrag als Arbeiter. Also ich hatte einen Arbeitsvertrag, den hab ich noch hier, als Zimmerling, Grubenzimmerling, ja. Einen Einzigen in unserem Betrieb gab es, der war hauptamtlich direkt, weil der Mitglied des Bundesvorstandes war, das war der BGL-Vorsitzende. Das war aber ganz selten. Und der Kirchner Helmut, hieß der. Der war der Vorsitzende, der war hauptamtlich direkt, der wurde direkt vom Staat bezahlt. #00:15:09-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:15:11-6#

Gerd Schneider: Der Job hat mir eigentlich auch ganz gut gefallen. Hat auch Spaß gemacht und ich hatte damals eine große Feier für den ganzen Bereich organisiert. Ich hatte Umgang mit Geldern. Von denen hatte ich damals eigentlich geträumt bis dahin, was mir da zur Verfügung stand, was mir zur Verfügung gestellt worden ist. Ich hab dann manchmal gesagt zu meinem Kollegen - der der Parteivorsitzende war von dem Bereich, der saß mir gegenüber - ob er nicht mal meine Kasse mal unterschreiben will, weil mir das manchmal bißchen schon / nee, nee sagt er, ich hab schon Vertrauen zu dir, das machst du schon. Ja gut, 'ne Riesenfeier organisiert in Berga damals. Auch ganz kurios. Wir wollten ja auch für die Hauer und für die Leute bißchen was bieten. Tja, aber es war manches nicht so einfach. Haben wir Tauschgeschäfte gemacht. Sind nach Langenberg gefahren, haben Porzellan gekauft. Das Porzellan haben wir wieder nach Altenburg in die Likörfabrik geschafft, einen Teil des Porzellans behalten, denen das Porzellan gegeben und dort Likör geholt. #00:16:10-5#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:16:10-5#

Gerd Schneider: Und so weiter. Das hat eigentlich Spaß gemacht, sowas dann mal selbständig zu machen. Ich hab dann den Job gemacht, bin operiert worden und ich sollte Funktionär werden. Also hauptamtlicher, größerer Funktionär. Man hat mich dann auf eine Spezielschule des FDGB geschickt nach Dresden-Radebeul. Da waren aus der ganzen DDR, waren welche, Jugendliche. Also was heißt Jugendliche, wir waren alle so im Alter um die 20 schon, die irgendwo mal Funktionäre werden sollten. Entweder gewerkschaftlich oder politisch. #00:16:49-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:16:49-3#

Gerd Schneider: Also in der Parteiebene, ne. Hab dort drei Monate diesen Unterricht gemacht, hab den auch mit Sehr Gut abgeschlossen und hab 'ne Empfehlung gekriegt, dass ich Funktionär werden kann. Zurück im Betrieb, hab ich mich eigentlich so gefühlt, dass ich dachte, ich könnte eventuell mal mit dem Arzt reden, ob ich wieder Hauer machen könnte. Aber wie alt war ich, ich war auch nicht mehr krank gewesen von der Sache her. Bin ich zum Arzt gegangen, habe mit dem geredet, ob ich eine Untersuchung machen kann, wieder untertage tauglich bin. Und er hat mich untertage tauglich geschrieben. Und mit dem Ergebnis bin ich dann in die Kaderabteilung, hab gesagt, ich möchte wieder Hauer machen. Natürlich musste ich erst mit dem FDGB-Chef sprechen, weil ich ja freigestelltes Gewerkschaftsmitglied war, die da diese AGL gemacht hat. Der war natürlich stinksauer, dass ich das nicht gemacht hätte. Die hatten nämlich vor, mich kurz danach nach Berlin an die Jugend-Hochschule zu schicken für ein Jahr. Ich hab aber gesagt, nein, ich möchte wieder in die Grube, Hauer machen. Hier ist, dass ich tauglich bin. Haben sie auch zugestimmt. Und da war ich aus dem Job raus. Hab ich einen Monat Probe gearbeitet als Zimmerling untertage. Und dann hab ich meinen Vertrag gekriegt, wieder als Hauer. #00:18:07-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:18:08-7#

Gerd Schneider: Ich hatte ja ursprünglich gelernt, Streckenvortrieb. Also Horizontalvortrieb. Das war das, was ich vorhin erzählt hatte, mit dieser, mit diesem Laser und so. Der Job hat mir aber, diese Technologie hat mir nicht so gefallen. Und ich bin dann in den Abbau gekommen, also direkt in den Uranabbau, in eine Abbaubrigade. Die hieß damals Pschiebel. Hab ich mich auch sehr wohl gefühlt, hab auch viel gelernt, war auch ziemlich schnell als Hauer angesehen oder integriert, sagen wir mal, ne. Ich war aber, dann kam die Armee. Ich war nämlich plötzlich auch armeetauglich. Und da bin im Herbst 77 [1977] mit 22 Jahren noch eingezogen worden. Ich kam zu den Grenztruppen nach Berlin, hatte eine Grundausbildung (unv., #00:19:06-2#) kurz vor Erkner war das, der Ort. Da war 'ne riesengroße Kaserne, da waren nur welche im ersten Diensthalbjahr. Hatten wir unsere Grundausbildung und sind dann verteilt worden nach dem ersten Diensthalbjahr an die einzelnen Grenzposten. Und da ich verheiratet war und ein Kind hatte, bin ich natürlich an eine brisante Stelle gekommen, und zwar nach Dreilinden. An die Grenzübergangsstelle. Da sind nur welche hin gekommen, wo sie genau wussten, aha, die verschwinden nicht. Denn bei uns war keine Mauer mehr davor. Nichts. Bloß ein Strich auf der Straße und eine Schranke. Wir waren im Prinzip die letzten, die dort waren. Und man hat mir auch klar und unmissverständlich erklärt, dass wenn ich die Idee haben sollte zu verschwinden, meine Familie drunter leiden wird. Hat man eiskalt gesagt, ne. Das war so. Okay, ich hatte dann meinen Dienst dort begonnen. Ausgang hatte wir ab und zu. Urlaub nach einem halben Jahr das erste Mal. Also es war ganz, ganz streng in der Truppe. Also es waren nicht sehr viele Leute, die dort waren. Aber ich hab das dort abgesessen, mehr oder weniger gut. Bin degradiert worden, weil ich einen Grenzdurchbruch hatte. Da war der Schilderstecken abgerissen. Degradiert als Soldat und bin auch als Soldat entlassen worden. In den Grenztruppen war das nicht so das Problem. #00:20:35-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:20:35-5#

Gerd Schneider: Wieder zurück bei der Wismut als Hauer, solte ich in den Horizontalvortrieb, vom Horizontalvortrieb in den Vertikalvortrieb wieder. Und das ist die dritte Technologie, die es gab, und zwar fährt man da von unten nach oben. #00:20:50-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:20:50-9#

Gerd Schneider: Eigentlich das Komplizierteste mit, was es gab. Weil dort hieß es, der Brigadier, der ist schon älter. Hahn Gerd hieß der, der wird eventuell bald aufhören. Und wir suchen jemand, der dann die Brigade übernimmt. Ja, aber in so 'ne Brigade frisch rein kommen und dann als Brigadier, war nämlich gar nicht so einfach. Ne, die Leute sind ja misstrauisch, die schon länger da sind und alles, ne. Und der Job hat mir auch nicht gefallen. Hat mir nicht gelegen. Ich hab es zwar gemacht, auch ordentlich gemacht, hab ich damals mit dem Hahn Gerd 'ne Absprache gemacht, hab ich gesagt: Pass auf, am Montagfrüh komm ich auf Arbeit. Dort haben im Prinzip haben immer zwei Mann gearbeitet an so 'nem Ort. Und der hat mich bestellt, wir waren zu dritt. Und zu dritt geht nicht. Da sitzt einer bloß rum und da verdient man kein Geld, ne. Da hat er den Revierleiter angerufen, den Bereichsleiter, hat gesagt: Pass auf, ich hab einen Mann zuviel da. Aber das hatten wir so abgesprochen, dass das so wird. Hast du für den für diese Woche mal 'ne Arbeit woanders. Ja, schick den mal dort und dort hin. Okay, hat er gesagt, gehst du mal dort und dort hin. Da ist ein Brigadier, der heißt Nebe, stellst dich vor und sagst, du sollst mal eine Woche hier arbeiten. #00:22:01-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:22:01-0#

Gerd Schneider: Bin ich dort hin gegangen, hab den gesucht. Der hat grade auf den Knien gelegen, hat ein Loch gebuddelt. #00:22:07-0#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:22:07-0#

Gerd Schneider: Ne. Hab den angestibst, pass auf ich bin der und der, ich soll diese Woche mal bei dir arbeiten, weil bei uns in der Brigade bin ich zuviel. Ja, komm mit. So der Jargon, der war aus dem Voigtland war der. Komm mit Gung, hier. Der hat ein riesengroßen Arbeitsort gehabt, ne. Hier hast du 'ne Scheibe, hier ist ein Bohrwagen, bohr die Scheibe ab! Meldest dich, wenn du fertig bist. Okay, war ein Bohrwagen mit zwei Armen. Den kannt ich zum Glück wieder aus dem Streckenvortrieb, weil wir da auch zweiarmige Bohrwagen hatten. #00:22:37-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:22:38-5#

Gerd Schneider: Hab ich den Bohrwagen genommen, hab die ganze Scheibe, so nennt sich das, abgebohrt. Kommt es drauf an, auf die Härte, wie das Gebirge liegt und dann gibt es bestimmte Schemen, wie man das bohren muss. Hab die abgebohrt. Nach anderthalb Stunden war ich fertig. Bin ich hin zu dem, hab gesagt: Pass auf, ich bin fertig. Du kannst doch nicht fertig sein! Du verarschst mich, sagt er. Ich sach nö, ich sage, ich bin fertig. Na, das möcht ich sehen! #00:22:59-6#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:22:59-6#

Gerd Schneider: Hat er geguckt (unv., #00:23:03-1#) das sieht ja ordentlich aus, ne. Na gut, nach dem zweiten Tag hat er gesagt: Pass auf, ich mach dir einen Vorschlag. Kannst bei uns bleiben. Da war das gegessen. Da brauchte ich nicht wieder zurück. Tja, aber da hat ich noch nicht die Rechnung mit dem Abteilungssteiger gemacht. Der Abteilungssteiger kam vor Ort, ich hab mich ihm unterhalten. Ich sage: Pass auf, der will mich behalten. Bist du damit einverstanden, dass ich hier bleibe. Nee, du gehst zurück! Ich sage nee, ich geh nicht zurück. Ich sage, ich bleib im Abbau und wenn dir das nicht gefällt, geh ich auf einen anderen Schacht. Dann hör ich hier auf, ich will nicht mehr in diesen Vortrieb gehen. Na, dann kriegst du von mir 'ne Beurteilung, damit dich keener nimmt! Hat er mir geantwortet. Der Mann hieß Jung Joachim. Mit dem sollte ich dann bis weit in die Zweitausendzehner noch immer wieder angeeckt sein und komischerweise immer mit dem immer zu tun gehabt haben. Ja gut, hat sich dann breit schlagen lassen. Ich konnte in der Brigade bleiben. Die hieß Nebe eben, ne. Hab da meine Arbeit gemacht, wahrscheinlich auch sehr gut. Es hat nicht lange gedauert, beim ersten Brigadeabend, den ich mit gemacht habe, haben sie mich zum Aktivist gemacht der Sozialistischen Arbeit. Na gut (unv., #00:24:18-4#) weiter gemacht. Auf einmal war ich stellvertretender Brigadier. Ja, hab ich mich schon ein bißchen gefühlt, ist ja was Besonderes stellvertretender Brigadier. Stellvertretender Brigadier gewesen. Dann hatten wir mal eine Ausfahrt nach Magdeburg, drei Tage. Da war ich das erste Mal als stellvertretender Brigadier mit. Der Brigadier sollte ja bißchen Ordnung halten bei seiner Truppe. Ist ja kein Geheimnis, dass bei den Hauern der Alkohol ziemlich locker saß, in Strömen geflossen ist, sagt man manchmal, ne. Dann der Freitag zum Sonntag dort eine Feier gehabt und die Feier am Sonnabend ist bißchen aus dem Ruder gelaufen. Wir sind da in eine Feier geraten, da haben daneben welche Hochzeit gemacht. Die Musik, die war grottenschlecht. Die Hauer hatten schon einen getrunken. Habe sie angefangen die Kapelle mit Bierdeckeln und Papier zu beschmeißen. Jedenfalls haben die eingepackt um 10 und sind gegangen (lacht). Um 10 ging ja eigentlich erst des Feiern los. Da hab ich gesagt, mit ein paar Kollegen, kommt ich hab gestern hier 'ne Bar ausfindig gemacht. Da hab ich gestern schon gesagt, dass ich heute noch mal vorbei komme. Wir gehen in die Bar. Als stellvertretender Brigadier hatte ich ja bißchen Geld gehabt, vom Alten bekommen. Brigadier hat sich immer der Alte genannt. Das hat nüscht mit dem Alter zu tun, sondern war eine Anerkennung. Alter ist derjenige, der am meisten kann. Also wenn jemand gesagt hat, der Alte kommt, war das eigentlich ein Lob für denjenigen. #00:25:49-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:25:50-9#

Gerd Schneider: Sind wir in die Bar gegangen, haben ganz schön einen gebrannt in der Bar. Erst mal beim Reinkommen. Ihr könnt hier nicht ohne Weiteres reinkommen. Die Leute haben geschimpft, ne. Dem am Einlass gesagt, ich war gestern schon mal hier. 100 Mark. Rein. Haben wir dort unsere Feier gemacht. Wie wir zurück kamen, stand vor unserem Hotel Polizei. Ich erzähl das deswegen, weil das einen großen Einfluss auf mein späteres Leben hatte. #00:26:19-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:26:20-3#

Gerd Schneider: Und auf meine Führung als Brigadier dann. Bin rein gekommen. Polizei, Krankenwagen, alles. Und da war einer aus dem Fenster gesprungen. Betrunken. Und in dem Zimmer hat einer gelegen, der war grad aus dem Gefängnis gekommen. Der hatte einen schweren Autounfall in Gera gehabt mit einem Toten. (unv., #00:26:39-6#) im Gefängnis gewesen. Der war dann in unsere Brigade gekommen. Und der aus dem Fenster gesprungen war das war eigentlich einer nicht von unserer Brigade, sonder einer, der uns immer mal geholfen hat, während der Arbeit. Und sowas haben wir immer gemacht. Wir haben Leute mitgenommen, die uns auch geholfen haben auf Arbeit. (unv., #00:26:59-4#) bei der Feier unser Betriebsdirektor dabei. Roger Dieter war damals Betriebsdirektor von Reust. Der war auch mit in der Feier dabei. Wir sind zurück gekommen. Prokop hat mich erstmal empfangen: Du als stellvertretender Brigadier, du kümmerst dich um nichts. Gehst hier trinken mit deinen Leuten und hier springt einer aus dem Fenster. Das interessiert dich gar nicht. Ich sag nee, entschuldige, aber wenn die hier um 10 Uhr Schluss machen, ich hab hier Feierabend im Prinzip. Also ich kann ja machen was ich will. Da sind wir feiern gegangen. Wir durften Magdeburg nicht verlassen bis der Mensch vernehmungsfähig war. Der war querschnittsgelähmt. Natürlich haben unsere Hauer, der harte Kern, schön früh Sonntagfrüh wieder Sekt getrunken. Waren schon wieder besoffen. Da ist der Betriebsdirektor ausgerastet und hat gesagt: Jetzt fehlt nur noch, dass ihr singt, heut ist der schönste Tag in unserem Leben! Das hat die gar nicht gejuckt, die da saßen (lacht). Und die Polizei ist dann gekommen, hat gesagt: Okay, wir konnten den vernehmen. Der hat gesagt, er ist selber gesprungen. Der wollte sich umbringen. Der da mit im Zimmer lag, der konnte nichts dafür. Da konnten wir die Heimfahrt antreten. Da war das erstmal gegessen. #00:28:06-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:28:06-8#

Gerd Schneider: Nächsten Tag musste ich antanzen, was mir einfällt, da den Brigadeabend zu verlassen! Denn wenn sowas passiert - ich meine, ich kann ja nicht voraussehen, dass sowas passiert - hatte ich 'ne blöde Auseinandersetzung auch mit dem Betriebsdirektor, mit der Parteileitung natürlich auch. Wie ich als Vorbild da verschwinden kann. Aber es hat sich dann, die Wogen haben sich dann geglättet und na gut. Am ersten (...) am 1.1. glaub ich war 's, muss ich nachgucken, 1983 bin ich dann Brigadier selber geworden, weil dieser Nebe aufgehört hat. #00:28:47-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:28:47-0#

Gerd Schneider: Da hatten wir aber die Brigade geteilt. Hatten einen Teil einem anderen Menschen übergeben, also ein anderer Hauer. Und ich hab einen anderen Teil gekriegt, meistens junge Leute. Meistens sehr junge Leute. Und wir wurden dann die Jugendbrigade Schneider #00:29:01-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:29:01-2#

Gerd Schneider: Und ich war dann Hauerbrigadier. Ich hab die Brigade zusammen genommen, hab meine Antrittsrede gehalten, hab gesagt: Passt auf, ich habe eigentlich nicht das Interesse, selber irgendwie was Besonderes zu sein. Weil, wenn man mal die Unterlagen anguckt, die meisten Staatsauszeichnung oder sowas haben meistens immer die Hauerbrigadiere bekommen. #00:29:24-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:29:24-6#

Gerd Schneider: Ich gebe Ihnen nachher Unterlagen mit, da steht das drinne. Da kann man das schön mal nach vollziehen, wer eigentlich solche Staatsauszeichnung meistens immer bekommen hat. Ich hab gesagt, ich hab kein Interesse dran. Ich will, dass wir als Brigade was Besonderes werden. Ich verlange aber von euch, dass ihr das macht, was ich sage. Auch wenn es gegen viel Arbeits(unv., #00:29:50-7#)bestimmung ist oder sowas. Wenn jemand bestraft wird mit Geld, kriegt er es wieder aus der Kasse, Brigadekasse. Wenn der Steiger eben sagt, so und so wird es gemacht, ist es okay. Aber ansonsten zählt das Wort des Brigadiers. Gut. Brigade hat auf mich gehört, wir haben auch ganz gut gearbeitet am Anfang. Dann wurde es bißchen schwächer, weil die jungen Leute das doch bißchen / es hat die Erfahrung zwischen alt und jung gefehlt. Aber ansonsten waren wir eigentlich eine ziemlich erfolgreiche Brigade. Das lag auch da dran, weil wir gesellschaftlich sehr viel aktiv waren. Das hat eine sehr große Rolle gespielt. Eine sehr, sehr große Rolle. Aber bring mal einen Hauer dazu, dass er regelmäßig sein DSF-Beitrag bezahlt oder FDJ-Beitrag. Das war gar nicht so einfach. Also die hatten gar kein Interesse an DSF oder sowas. Da hab ich einfach so gemacht, ich hab die ganzen DSF-Marken für die ganze Brigade aus der Kaff / aus der Kaffeekasse, aus der Brigadekasse bezahlt. Und damit waren wir immer bei 100 Prozent. Der Vorteil war, du standest gesellschaftlich spitzenmäßig da und hast wieder aus einem anderen Topf Geld gekriegt. #00:30:55-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:30:55-7#

Gerd Schneider: Das war eigentlich verrückt bisschen ja. Tja was soll ich viel erzählen. Wir haben unsere Arbeit gemacht. Ich hab hier meine Brigadebücher noch da. Da kann man genau nachlesen vom ersten Monat bis zum letzten Monat, wo ich Hauerbrigadier war, was wir jeden Monat verdient haben. Hab ich ganz genau aufgeführt. Was wir geleistet haben jeden Monat. Und so sind wir eben durch unser gesellschaftliches Engagement und auch durch teilweise guten Leistungen, sind wir vorgeschlagen worden Banner der Arbeit zu bekommen. Also mir ist das gesagt worden, Banner der Arbeit, wenn ihr jetzt noch ein Jahr unfallfrei abeitet. Das war eigentlich immer das Wichtigste, das unfallfreie Arbeiten in den Betrieben. Dann steht dem nichts im Wege. Unfallfrei waren wir nicht. Jedenfalls offiziell ja, aber inoffiziell nicht. #00:31:49-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:31:49-4#

Gerd Schneider: Wir haben da Sachen abezogen, also das ist heute undenkbar. Zum Beispiel hat sich ein Hauer / ist untertage durch ein Gesteinsfall das ganze Knie aufgeschnitten. Den hat der Kollege in der Nachtschicht raus geschafft nach übertage. Wir hatten zum Glück so einen Schacht, der hieß drei fünfundsiebzig. Der war bissl abseits von unserem Hauptschacht. Da konnte man ausfahren und einfahren. Auch mal zwischen drin. Hat den raus geschafft, hat gesagt: Pass auf, du tust auf der Heimfahrt mit deinem Moped hinfallen. Hat er auch gemacht. Da ist aus einem Betriebsunfall im Prinzip ein Wegeunfall geworden. Der wurde er nicht der Brigade zuge (unv., #00:32:27-7#). Das sind eigentlich viele Sachen in dem Jahr was gewesen ist, so Kleinigkeiten sind da eben unter 'n Tisch gefallen. Was noch war bei uns als Hauer, wenn wir einen Unfall hatten, wir hatten ja auch Finger halb abgeschnitten und wenn (unv., #00:32:47-6#) noch viele Narben. Da wurde eben gesagt: Du machst Schonplatz. Also ein Unfall hat erst gezählt, wenn er länger als wie drei Tage krank war und da gab es bei uns Schonplatzarbeit. Da musstest du eben die Kaue sauber machen, also den Umkleideraum, die Kaue sauber machen. Oder andere Tätigkeiten. Irgendwas machen. Aber du warst eben auf Arbeit und dadurch hat das nicht als Arbeitsunfall gezählt. Das ging sogar manchmal soweit, dass man gesagt hat man gesagt hat: Okay, du bleibst 'ne Woche zu Hause und schreibst dir die Schichten weiter. Nach der Woche musst du aber wieder da sein. Also sowas, solche Sachen gab es auch, ne. Wir haben dann unseren Banner der Arbeit gekriegt 1985 als Brigade mit jede Menge Geld. Geld hatten wir so schon genug in der Brigadekasse. Wir haben jedes Jahr üppige Riesenfeiern gemacht. #00:33:28-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:33:29-0#

Gerd Schneider: Und jetzt kommt das wieder von Magdeburg. Ich habe mir vorgenommen damals, dass ich 'ne Brigadefeier nie über zwei Tage mach. #00:33:35-4#

Astrid Kirchhof: Okay. #00:33:35-4#

Gerd Schneider: Damit sowas nicht passiert. Ich hab gesagt, ich mach das einen Tag, also mal sonnabends, abends. Und jeder Hauer kriegt von mir 50 Mark und lässt sich von jemandem Verwandten abholen oder fährt mit dem Taxi nach Hause. #00:33:48-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:33:48-6#

Gerd Schneider: Damit ich sicher bin, wenn die Einen gesoffen haben, dass die auch zu Hause ankommen. Das hat auch einigermaßen funktioniert. Getrunken wurde genug, wie immer bei den Hauern. Ich hab damals, wenn ich meine Feiern gemacht hatte, Vorabsprachen mit den Wirten gemacht, gesagt: Pass auf, neben meinem Tisch möchte ich unten einen Kasten Bier haben, aber vom Feinsten. Na wir bringen doch Bier! Ich sag: Naja aber, wenn das mal bissl länger dauert mit dem Ausschenken und die haben Durst, kann es passieren, dass manche böse werden. Das war wirklich so. Das waren nicht immer die Intelligentesten auch die da waren. So, dann kann ich den mit Bier füllen und dann ist erst mal wieder Ruhe. Schnaps kommen die Flaschen hier auf den Tisch. Nicht hier Ausschank (unv., #00:34:33-0#) nicht betrügen. Und dann abends eben Taxi oder abholen lassen und da war für mich im Prinzip Ruhe. Da hatte ich nie dieses Problem mit Übernachten, dass irgendwas passiert, auf die Leute aufpassen, also das war eigentlich damals das Voraus / also das Ausschlaggebende für meine Feiern, die ich gemacht hatte. #00:34:50-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:34:50-8#

Gerd Schneider: Ich hab dann / bin ich bester Neuerer der Wismut geworden. Mit einem Eintrag ins goldene Buch der Wismut. Und zwar lief das damals so: Wir haben Neuerervorschläge gemacht, wie man zum Beispiel schneller oder einfacher das Erz abbauen kann. Und zwar gab es einen Plan, der mir ungefähr gezeigt hat, wie ich meinen Abbau zu tätigen habe. Hatten wir unsere Pläne und alles, die Sprengung, wie das zu folgen hatte und alles. Und wenn ich da eine Idee hatte, okay das könnte man so machen, hat der Technologe, der eigentlich den Plan schon gemacht hatte, hat gesagt: Schneider, wenn du das so und so machst, das ist schneller und billiger. Normalerweise hätte der das selber machen können. Aber das hätte er nicht bezahlt gekriegt. So lief das manchmal. Und da hab ich einen Neuerervorschlag gemacht. Da ging es aber auch noch um die Beteiligung, dass soviel wie möglich Leute dran beteiligt sind, hast du noch zwei, drei Mann aufgeschrieben, dass die beteiligt sind. Haben wir eine Prämie gekriegt. Die Prämie, da war ausschlaggebend wieder, ist dieser Nutzen über 10.000 Mark oder unter 10.000 Mark. Wenn er über 10.000 Mark ist, müsste der von der Generaldirektion genehmigt werden. Wenn er unter 10.000 war, durfte das der Betrieb machen. Das war wieder wichtig, weil wir nämlich gesagt haben, unter 10.000, haben wir einfach so gerechnet, dass es unter 10.000 sind. Der Betrieb hat sofort zugestimmt und dann ist Geld geflossen. #00:36:27-8#

Astrid Kirchhof: Ja. #00:36:27-8#

Gerd Schneider: Ohne Probleme. Auch wenn da vielleicht viel mehr war. Hatten wir aber gar kein Interesse dran. #00:36:41-4#

Unterbrechung der Aufnahme.

Gerd Schneider: // So, und von dem Geld, was wir bekommen hatten, hat dann der Ökonom was bekommen. Der Ökonom war derjenige, der den Nutzen ausgerechnet hat. Der war ja wieder abhängig davon, dass er unter den Tausend bleibt. Da hat man dem Mann einen Umschlag gegeben mit einem Hunderter. Und dem Technologen, dem hat man auch einen Hunderter gegeben, dass er mal den nächsten Tipp gibt. Und so bin ich eigentlich bester Neuerer der Wismut mit geworden. (unv., #00:36:58-5#) War im Prinzip nicht ganz fair. Mit dem Geldaufteilen das ging solange gut, bis ein Kollege mal gesagt hat, wo ich / das Geld hab ich immer eingesammelt und das kam in die Brigadekasse. Wir sind auch viele Wettbewerbssieger geworden im Bereich und alles. Also wir hatten eine Brigadekasse - 10.000 Mark waren da nichts. Und der hat auf einmal gesagt, der eine Kollege, der Keskel: Nö, sagt er, das Geld kriegste nicht, ich hab ja dafür unterschrieben, das behalt ich. Machst du das im Ernst? Ja. Hab ich meine Leute zusammen genommen, hab die informiert da drüber, dass der das und das gemacht hat. Hab gesagt, der kommt natürlich nie wieder da drauf. Und es kommen nur noch Leute auf die Liste, die das Geld auch für die Brigade abliefern. Und ich hab es aber auch abgegeben, mein Geld immer, was ich bekommen habe. #00:37:42-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:37:42-6#

Gerd Schneider: Da gab es bisschen Ärger und ist dann so gelaufen im Prinzip, dass nur zwei, drei Mann immer da waren, die das Geld gegeben haben in die Kasse. Wo wir Banner der Arbeit bekommen haben, haben wir auch etliche Tausend bekommen. Die Brigadekasse ist über geflossen, trotz unseren üppigen Feiern. Und in den Feiern haben wir gefragt, was die Frauen gerne möchten. Da bin ich dann durch die Republik gereist, habe Brotmaschinen gekauft, alles was es nicht gab (unv., #00:38:12-3#) Porzellan, Kristall, ne. #00:38:15-6#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:38:15-6#

Gerd Schneider: Zur Begrüßung hat jede Frau Geschenke bekommen. Wir haben Feiern gemacht. Schade, dass die Bücher nicht mehr da sind. #00:38:23-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:38:23-8#

Gerd Schneider: Da sind die ganzen Teile drinne. Ne, die waren dermaßen riesig und üppig, ne. Die haben Geld gekostet ohne Ende. Und wenn man den Banner der Arbeit gekriegt hat, wir hatten soviel Geld, mussten wir am 1. Mai mit marschieren im Ehrenkleid, also Uniform, Wismut-Ehrenkleid. Und da hat meine Frau 12.000 Mark sich eingesteckt, haben wir uns vor der Kaufhalle getroffen, wo wir marschieren mussten. Ich hab gesagt, ihr bringt alle eure Frauen mit, weil wir nach der Demo - ich habe euch einen Tisch bestellt - gehen wir Einen brennen. War schon alles klar gewesen. Da hat meine Frau vor der Kaufhalle gestanden, wo wir uns getroffen haben, hat das Bündel Geld raus gegeben - das war nämlich mit Absicht - und hat jeder Frau 1000 Mark gegeben. Wenn wir das den Hauern vielleicht gegeben hätten, wer weiß, ob die damit abends heim gekommen wären. Waren ja auch manche Ledige dabei, aber naja. #00:39:12-8#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:39:12-8#

Gerd Schneider: Und hat die jedem 1000 Mark gegeben, wir haben dann Einen getrunken und die Frauen mussten uns dann nach Hause bringen nach der Feier. Solche Sachen waren eben klasse gewesen. Und die Brigade hat hundert Prozent, hundert Prozent hinter mir gestanden. Weil ich auch eine Sache gemacht habe, die viele Brigadiere nicht gemacht haben. Wir haben doch diese berühmte Jahresendprämie bekommen. #00:39:33-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:39:31-5#

Gerd Schneider: Die Jahresendprämie hat im Prinzip der Brigadier, hat fest gelegt, wer was bekommt, wieviel. Und das habe ich gemacht mit allen zusammen. Wir haben uns zusammen gesetzt. Ich hab gesagt: Pass auf, du kriegst bloß - ich sag jetzt mal 'ne Summe - 800 Mark. Und du kriegst dafür 1.200 Mark. Wenn der dann gesagt hat, warum krieg ich bloß 800, hab ich den Nächsten aufgefordert: Erklär du ihm, warum er bloß 800 kriegt! So hab ich im Prinzip Auseinandersetzungen mit mir, dass sie sagen, der Alte ist ja der Böse, bin ich da umgangen. So, die haben sich wirklich untereinander schön dann auseinander gesetzt und haben es auch verstanden. Es hat auch gut geklappt. #00:40:11-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:40:11-4#

Gerd Schneider: Hab ich eigentlich gestaunt, das System hat einwandfrei geklappt. Das haben viele Brigdiere nicht gemacht. Dann hatten wir aber noch die Möglichkeit Nasengeld zu geben. #00:40:19-4#

Astrid Kirchhof: Nasengeld? #00:40:19-8#

Gerd Schneider: So haben wir das genannt. Nasengeld. Jeder Brigadier hatte einen bestimmten Fond jeden Monat zur Verfügung. Da konnte ich außer dem Schichtlohn, den wir bekommen haben, konnte ich jedem nach seiner Leistung, konnte ich dem Geld geben. Aus diesem Fond, den ich hatte, aus diesem Topf. Da konnte ich eben sagen, du kriegst 300 Mark und du kriegst 100. Wenn da einer Urlaub hatte, kriegt er eben gar nichts. Und das hat sich Nasengeld genannt. (unv., #00:40:48-4#) du konntest dann noch mal die Hauer anspitzen, dass sie gute Leistungen bringen. #00:40:52-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:40:52-7#

Gerd Schneider: Wir haben ja alle für ein Geld gearbeitet, ne. Also jeder in der Brigade hat das gleiche Geld verdient, egal ob er faul war, was konnte oder nicht. #00:41:00-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:41:00-0#

Gerd Schneider: Also mussten die Leute sich auch untereinander ganz schön auseinander setzen, gab es auch oft Streit, wenn mal einer Mist gebaut hat untertage. (unv., #00:41:16-6#) vielleicht nichts vedient wurde, warum das so gewesen ist. Also von der Arbeit her war es hart, aber es hat Spaß gemacht und es war richtig schön kumpelhaft gewesen. Das war eigentlich eine schöne Sache. Jetzt hab ich was vergessen, was ich sagen wollte. Sprenghauer hab ich auch gemacht 1983 meine Sprengbericht (unv., #00:41:30-1#) mit der Note 1 als Sprengberechtigter. Wollte ich noch was, das ist jetzt weg (lacht). #00:41:39-7#

Astrid Kirchhof: Hat das mit dem Hauer, mit Ihrer Tätigkeit zu tun? #00:41:49-9#

Gerd Schneider: Mit dem Geld war das noch was. #00:41:49-1#

Astrid Kirchhof: Wie man es verteilt hat, wie Sie sich geeinigt haben. Vielleicht wieviel Geld überhaupt weggegeben / ich hab gar keine Ahnung, wieviel Geld da / wie war das monatlich, hatten Sie gesagt. #00:42:06-5#

Gerd Schneider: Monatlich. #00:42:05-6#

Astrid Kirchhof: Wieviel hatte man da zur freien Verfügung, was man aufteilen ... #00:42:09-8#

Gerd Schneider: Das waren glaub ich 200 oder 300 Mark pro Hauer, die man verteilen konnte plus minus, denen geben konnte. #00:42:14-9#

Astrid Kirchhof: Und wenn einer jetzt nicht so gut gearbeitet hat, dann hat er halt einfach weniger gekriegt. #00:42:21-5#

Gerd Schneider: Weniger gekriegt oder wenn er Urlaub hatte oder krank war, dann natürlich auch dementsprechend weniger bekommen. Also es wurde keine Gleichmacherei gemacht, aber beim Schichtlohn war alles, alles das Gleiche. Wir haben alle das Gleiche verdient. Wir wurden abgerechnet nach unserer Leistung und egal, wie er jetzt gewesen ist. Trotzdem ist das weg, was ich sagen wollte. #00:42:42-9#

Astrid Kirchhof: Vielleicht kommt es ja nach her noch. Also was ich noch wissen wollte: Haben Sie die Arbeit gemacht bis 89 [1989]/ 90 [1990] oder? #00:42:51-6#

Gerd Schneider: Ja, ich habe bis 89 [1989]/ 90 [1990] als Hauer gearbeitet. Das war dann folgendermaßen: Wir haben ja auch noch als Lohn, haben wir auch noch Schnapsmarken gekriegt. Wir haben ja noch sechs Liter Schnaps gekriegt jeden Monat, wenn der Plan erfüllt worden ist. Das hieß also akzisefreien Schnaps, da hat eine Flasche Schnaps eine Mark und 12 gekostet. Gab es die Schnapsmarken. Da hab ich als Brigadier jedem immer was abgezogen von dem Schnaps. Das war wieder dafür, diese Schnapsmarken waren sehr begehrt bei welchen, die nicht soviel wie die Hauer bekommen haben, wie Lokfahrer und sowas. Das war im Prinzip Bestechungs-, Bestechungsschnaps. Wenn du da gesagt hast, ich brauch das und das, die so uns so viele Hunte und der ging nicht. Du sagst: Komm, mache mal! Wenn du keine Hunte hattest, konntest du manchmal die Rolle nicht leer fördern, ging es nicht weiter. Mache mal, kriegst 700 Gramm. Oder helf mir mal bei der Arbeit, kriegst 700 Gramm. Das war im Prinzip so eine Neben währung gewesen, eine kleine, ne. Treueprämie haben wir auch gekriegt. Weiß nicht, ob Sie da schon mal gehört haben davon? Und zwar jedes, für jedes Jahr, was du voll bei der Wismut gearbeitet hast ... #00:43:55-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:43:55-3#

Gerd Schneider: ... hast du 20 Prozent deines Jahreslohnes als Treueprämie bekommen. Also das war richtig üppig. Das waren im Schnitt so 4.000 bis 5.000 Euro die du zusätzlich - im September, wo ich angefangen hatte, habe ich das ausgezahlt bekommen zu meinem Lohn. Also es gab in der DDR bloß Hundertmarkscheine. Das war dann schon ein ganz schöner Bündel, mit was die Leute dann heim gegangen sind. Ins Portemonaie hat es nicht mehr gepasst. Wir hatten ja auch im Betrieb einen Wismut-Handel, wo wir bevorzugt Waren bekommen haben. #00:44:30-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:44:30-1#

Gerd Schneider: Wir haben bevorzugt Autos bekommen. Wir mussten nicht so lange warten, wie Normale. Ich hatte mir einen Trabi bestellt, hab allerdings vor dem Trabi einen Wartburg gefahren. Hatte nie im Trabi gesessen, hab den in Rudolstadt abgeholt, zu meiner Frau gesagt, sie soll sich mal auf ihre Seite setzen, wo ich schalten wollte. Den Trabi hab ich nicht lange gehabt, hab ich dann ganz schnell wieder weg gegeben und hab mir, hab den getauscht gegen einen Viertackter (unv., #00:45:00-0#) Skoda. Das war ja damals schon was Besseres. Dann habe ich den Skoda mir gekauft. Wie gesagt, Wismut-Handel sind wir auch bevorzugt behandelt worden. In der Kantine gab es bevorzugt zu Weihnachten eben mal Orangen, Bananen und sowas. Was es normalerweise nicht gab. Als Hauerbrigade hatten wir eine Badenbrigade in einer Schule. Da hab ich die genommen von meiner Tochter und da haben wir die Wandertage ausgerüstet, hab ich mal so eine Essenskarte genommen, hab mir für die Kinder Schokolade und Essen fertig machen lassen in so Verpflegungsbeutel, die wir für untertage bekommen haben. Hab die machen lassen. Also wir waren schon ganz schön aktiv gewesen. #00:45:40-6#

Astrid Kirchhof: Bei dieser Treueprämie, haben das nur Hauer und ... #00:45:44-7#

Gerd Schneider: Das haben alle bekommen. Alle untertage. #00:45:45-9#

Astrid Kirchhof: Untertage. Okay. #00:45:46-8

Gerd Schneider: Und also übertage, die haben glaub ich 10 Prozent ihres Lohnes bekommen und wir untertage haben 20 Prozent bekommen. Ein Jahreslohn so zirka war das. Das war schon ganz schön viel. Als Hauerbrigadier musste man auch manchmal ganz schön hart, hart sein zu seinen Leuten. #00:46:08-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:46:09-6#

Gerd Schneider: Also die mussten vor allem Respekt haben. Wenn man das / wenn die das nicht hatten oder man ist weich geworden, hatte man verloren. Wenn ich sage, das waren nicht immer die Intelligentesten, ich hatte mal ausgerechnet wieviel Hauer in den sieben Jahren, knapp sieben Jahren, wo ich Hauerbrigadier war, meine Brigade durch flossen haben, es waren 38. #00:46:26-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:46:26-0#

Gerd Schneider: Also ein Hauerbrigadier, der war ein kleiner Personalchef. Wenn einer nicht gespurt hat oder das nicht geschafft hat, wenn wir einen Neuen gehabt hatten, der hat das nicht so geschafft, da hatten wir die Möglichkeit, mit Absprache mit dem Bereichsleiter, den raus zu schmeißen. Bist dann hingegangen und hast gesagt: Pass auf, der kann das nicht, den kann ich nicht gebrauchen. Der fliegt bei mir raus. Da hat er, wenn er Glück hatte, noch manchmal eine andere Brigade gekriegt. Hätte ja sein können, dass es zwischen uns nicht stimmt. #00:46:55-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:46:59-3#

Gerd Schneider: Dass er wo anders gearbeitet hat als Hauer. Wenn das auch nicht war, ist er raus geflogen. Ne, also hat er dann eine andere Arbeit gemacht. Zimmerling oder was und da hat er 5, 600 Euro / Mark weniger verdient. #00:47:09-6#

Astrid Kirchhof: Das wollte ich vorher schon fragen: Was ist ein Zimmerling eigentlich? #00:47:11-7#

Gerd Schneider: Das ist im Prinzip der, der den Ausbau untertage erneuert. Wenn der Ausbau kaputt gegangen ist .. #00:47:18-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:47:18-1#

Gerd Schneider: ... und Strecken. Wenn der alt ist, kann es passieren, der fällt mal zusammen, geht kaputt. Ne, die das wieder auf bewältigen, also einen neuen Ausbau, das sind Zimmerlinge. Also Zimmerleute. Im Prinzip die, die Holzarbeit machen. #00:47:27-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) Okay. #00:47:27-6#

Gerd Schneider: Solche Leute sind das. Ist schon was / ich war einmal im Urlaub gewesen, vier Wochen. Da hatten wir uns vorhin drüber unterhalten. Wo ich nach Bulgarien gefahren bin. #00:47:39-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:47:39-3#

Gerd Schneider: Mein stellvertretender Brigadier, das war übrigens der, der damals aus dem Gefängnis kam. #00:47:45-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:47:47-7#

Gerd Schneider: Ne, der in dem Zimmer war. Der war mein stellvertretender Brigadier, der war auch nicht da. Da haben sie stellvertretend einen eingesetzt, da war der Plan, mich abzulösen. Weil wenn ich wieder komm, sollte der Brigadier sein. Also so war es geplant. Bloß wo ich wieder kam, hab ich mich im Betrieb gemeldet. Aber ein Tag bevor ich wieder arbeiten musste, da haben sie die Hände über 'm Kopf zusammen geschlagen, ich soll doch sofort meine Truppe zusammen nehmen und die wieder auf Vordermann bringen, es liegt alles am Boden. Und da hat dieser Mensch, der Brigadier werden sollte, der hat das geschafft innerhalb von den vier Wochen den tiefsten Schichtlohn ran zu schaffen, den wir hier hatten. So wenig haben wir noch nie verdient. Das war grade mal der Grundlohn. Das waren im Schnitt 6, 700 Eu / Mark weniger als wie normal. In der Truppe ging es drunter und drüber und er selber war krank. Der hat dann bei mir an der Wohnungstür gestanden, wo er wieder gesund geschrieben war, hat gefragt, was er für Schicht hat. Also die haben den nicht als Brigadier (unv., #00:48:42-3#) du hast bei mir gar keine Schicht mehr, du brauchst zu mir nicht mehr kommen. Kannst dich beim Bereichsleiter melden. Bereichsleiter hat da zufällig bei mir im Haus gewohnt. Und da war der raus als Hauer. Was haben sie dann gemacht? Haben sie als Parteigruppen /also als Parteiorganisator von so einem Bereich eingesetzt. Also frei gestellt als Zimmerling, haben ihn freigesetzt. Der war total am Boden der Kerl. Da ging nüscht mehr. #00:49:07-0#

Astrid Kirchhof: War das so schlimm, weil man dadurch weniger verdient hat oder weil der Ruf geschädigt war? #00:49:13-6#

Gerd Schneider: Der hat es nicht geschafft die Brigade zusammen zu halten. Der hat nicht / Brigadier das war ein kleiner Betriebsleiter von der Truppe. Der musste sich drum kümmern, der musste wissen: Aha, auf dem Arbeitsort brauche ich das und das Holz von der Größe und der Länge und die Menge. Musste der sich drum kümmern. #00:49:33-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:49:33-5#

Gerd Schneider: Der musste sich drum kümmern, dass die Sprengmittel bereit stehen. Dass erstmal in jeder Schicht auch ein Sprenghauer ist. War ja nicht jeder Sprenghauer, ne. Hat nicht jeder Sprengberechtigung gehabt. Dass in jeder Schicht ein Sprenghauer ist und dass auch die Sprengmittel, die Kisten da sind, dass die die Schlüssel haben für die Kisten. Die waren ja mehrfach verschlossen die Kisten. Da durfte ja nicht jeder ran. #00:49:51-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:49:51-7#

Gerd Schneider: Das war ja / mit dem Sprengstoff ging es ja ganz, ganz streng zu. Aber dafür war er verantwortlich. Der war dafür verantwortlich, dass die Maschinen da sind, dass die Ersatzteile da sind, dass Bohrstahl, Bohrgeräte. Der musste sich um alles kümmern, vom Öl angefangen bis zum winzigen Schlauchring. Musste sich um alles kümmern, dass das da ist. #00:50:13-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:50:13-6#

Gerd Schneider: Wenn du da den Überblick verloren hast, hast das nicht gekonnt, ist die Brigade gefallen. Oder klar, wenn die / kein Arbeitsmaterial da ist, können sie nicht arbeiten. Es war ja sogar soweit, wir haben zum Glück ganz am Ende vom Schachtgebäude, sag ich mal, gearbeitet. Also mussten wir bei vielen anderen Brigaden vorbei laufen, hat ja jeder sein Gebiet gehabt. Und da habe ich meinen Leuten eingeschärft: Wenn ihr dort vorbei lauft und seht eine Bohrstange stehen, die wir gebrauchen können, geht ihr ihn (unv., #00:50:41-0#) auf die Schulter nehmen, mitnehmen. Klauen, ne. Das war aber gang und gäbe bei Hauerbrigaden untertage, dass sich gegenseitig manchmal das Gezähe, also Arbeitsmaterial geklaut haben. Der eine Brigadier hat zu mir gesagt: Mein Herr Schneider, keine Angst, sagt er, ich mach mal 'ne Nachtschicht, wenn du nicht da bist. Da fahr ich mal ganz hinter, wo du arbeitest und da räum ich dir die Bude aus, ne (lacht). Und das hat er auch gemacht mal. #00:51:04-2#

Astrid Kirchhof: Hat er gemacht? #00:51:04-6#

Gerd Schneider: Ja. Wir haben da uns kleine Buden gebaut, wo wir das Gezähe rein hatten und das manchmal mit Seilen und allem, Maschendraht gesichert, und Schlössern, ne. Die haben es trotzdem geschafft, das auf zu machen und aus zu räumen dann. #00:51:16-4#

Astrid Kirchhof: Und was ist dann passiert? #00:51:16-2#

Gerd Schneider: Nüscht. Hat Spaß gemacht (lacht), sagt er, letztlich. #00:51:21-3#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:51:21-3#

Gerd Schneider: Musst ich eben Neues ranschaffen und das nächste Mal haben wir wieder bei ihm geklaut und so. War eben so, ne. Hat Spaß gemacht. War schon nicht, nicht ganz ohne. #00:51:33-1#

Astrid Kirchhof: Und nach / also Sie waren ja ungefähr bisschen über 40 als die Mauer fiel oder? #00:51:39-5#

Gerd Schneider: Ja. #00:51:39-5#

Astrid Kirchhof: 44 oder was. #00:51:43-5#

Gerd Schneider: Ich wollte nur noch sagen, wie die Brigade dann / es gibt noch soviel zu erzählen, was man untertage erlebt hat und was man gemacht hat. #00:51:42-8#

Astrid Kirchhof: Ja. #00:51:43-8#

Gerd Schneider: Also das würde auch glaub ich den Rahmen / also würde den bei Weitem sprengen. #00:51:51-8#

Astrid Kirchhof: Okay. #00:51:51-8#

Gerd Schneider: Das würde zu weit führen, was da alles gewesen ist. Ich hab dann am 7. Oktober 89 [1989] hatte ich einen Brigadeabend im Haus der Kultur und die Brigade begrüßt und habe gesagt: Pass auf, ich begrüße euch zu unserem wahrscheinlich letzten Brigadeabend. Da haben sie mich erstmal alle groß angeguckt. Die Wende war ja schon im Gange. An dem 7. Oktober sollten wir eigentlich als Jugendbrigade nach Berlin. #00:52:18-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:52:18-8#

Gerd Schneider: Zu der Demo. Bloß die ganzen Jugendbrigaden haben sich geweigert. Die haben gesagt, wir machen das nicht. Ich hatte sowieso eine Ausrede. Ich habe gesagt, ich hab am 7. Oktober meine Brigadefeier. Was haben sie dann gemacht? Haben alle Funktionäre und sonst was in FDJ-Hemden gesteckt und haben die nach Berlin geschafft, ne. Weil von uns hatte keiner Interesse mehr von den Hauern, das überhaupt zu machen. Mich haben sie groß angeguckt, weil ich gesagt habe, das ist der letzte, ich bin sicher, dass unsere Brigade bald aufgelöst wird und ich selber möchte auch kein Hauerbrigadier mehr machen. Hier mein Stellvertreter hat die Aufgabe, die Brigadekasse aufzulösen. Ihr kriegt das Geld alle ausgezahlt anteilmäßig. Und das war es dann. Wir haben dann zwar trotzdem schöne gefeiert, aber wir waren alle bissl enttäuscht. War nun mal so. War auch abzusehen, dass es nicht mehr lange geht. Als Brigade auch nicht. Und dann hat es glaub ich noch bis November gedauert. Sehen wir nachher in den Büchern. Und da hab ich mich als Hauer mitten in der Woche mal mich abgesetzt, also mir selber gesagt, wird nichts mehr. Ich bin dann als Hauer in eine andere Brigade gekommen, Brigade Neubert. Meine Brigade hat einer von meinen Kollegen noch kurzzeitig geführt. Nicht mein Stellvertreter, sondern ein anderer nochmal. #00:53:31-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:53:31-4#

Gerd Schneider: Die sind aber ganz aufgelöst worden. Die haben die Leute in alle möglichen Brigaden gesteckt. Ich bin auch in einer Brigade gelandet, Brigade Neubert hieß die. Hab dort ein Monat, zwei Monate als normaler Hauer gearbeitet. Hab dann erstmal mit gekriegt was wieder in der Nachtschicht und der Mittelschicht so läuft untertage, wenn der Brigadier nicht da ist. Dass da eben nicht so gefackelt wird, wie das verlangt wird. Was war die Folge aber von der ganzen (unv., #00:54:00-4#)? Nach zwei Monaten war ich wieder stellvertretender Brigadier von der neuen Brigade, ne. Ja gut, hab ich dann auch gemacht. Was ich vorhin sagen wollte: Hauerbrigadier muss hart sein. Untertage durfte / also ich habe es nicht gemocht, wenn untertage gegessen worden ist. Wir haben zwar alle so ein Paket gekriegt übertage. (unv., #00:54:30-9#) Erst mal die Hände und alles dreckig. Heute weiß ich Ingäsion, was das heißt, wenn man mit den dreckigen Händen das isst, Uran. #00:54:32-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:54:32-9#

Gerd Schneider: Mit dem Staub haben wir es auch nicht so ernst genommen. Obwohl jeder gesagt hat: Pass auf, Staub ne. Muss ich auch nicht alles erklären. Das wird zuviel, wie wir da das umgangen sind, was wir alles gemacht haben. Damit wir unsere Leistung bringen und dabei aber nicht erwischt werden, dass wir eigentlich den Arbeitsschutz verletzen. Heute weiß ich es anders mit dem Staub. Würde ich auch vieles anders machen. #00:54:50-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:54:50-2#

Gerd Schneider: Aber so richtig erklärt hat man es uns nicht. Man hat nur gesagt, der Staub ist gefährlich. Wenn ich einen erwischt habe untertage beim Essen und es war nicht grade der Steiger da. Wenn der Steiger da war, war eine kurze Pause, weil man mit dem den Arbeitsablauf weiter abgesprochen hat. Da konnten sie essen. Oder wenn wir gesprengt haben, mussten ja die Rauchgase abziehen. Konnten sie essen. Wenn ich einen erwischt habe beim Essen, der vorne saß ohne Grund, habe ich das Essen weg genommen und habe es zertreten. Gesagt: Pass auf, zack! Kennst du das Sprichwort vom Hauer? Ich weiß nicht, ob ich das jetzt sagen darf: Ein Hauer hat vollgefressen und ausgeschissen zur Arbeit zu kommen. #00:55:29-3#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:55:29-3#

Gerd Schneider: Ne. So hieß das wirklich. Wir haben ja da keine Zeit, erst mal auf Toilette gehen untertage war kompliziert. Das ging nicht so ohne Weiteres. #00:55:37-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:55:37-4#

Gerd Schneider: Ne. Also vollgefressen und ausgeschissen hast du auf Arbeit zu kommen. Mach dich vor an deinen (unv., #00:55:43-5#) sonst kriegst du diesen Monat Geld abgezogen. #00:55:45-6#

Astrid Kirchhof: Wie lang ging eine Schicht? #00:55:46-2#

Gerd Schneider: Wir sind Frühschicht zum Beispiel halb sechs, zwischen halb und um sechs eingefahren. Das war immer / kam drauf an, welche Sohle man war. Die kann ja nicht alles so in der gleichen Zeit bedienen. Da hieß es zum Beispiel jetzt 240 Meter Sohle geht es jetzt von halb bis zehn nach halb. Aber man musste dann da sein, sonst ist man nicht mehr auf die Sohle gekommen. #00:56:06-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:56:06-6#

Gerd Schneider: Da hieß es dann entweder steigen, dort aussteigen und als aus dem (unv., #00:56:11-7#) förderkorb raus und dann über die Leitern am Schacht auf die Sohle steigen, wo man hin muss. Da gab es dann das nächste Problem, weil man mit dem Zug oft fahren mussten, weil wir viele Kilometer entfernt vom Hauptschacht waren. Ich hab meistens in Lichtenberg gearbeitet. Betriebsteil Lichtenberg. Das war weit weg von uns. Wir sind sogar mit dem Bus rüber gefahren worden auf diesen Schachtteil. Da hast du Pech gehabt. Also die Seilfahrt ging so ungefähr von halb sechs bis um sechs. Und Seilfahrt raus halb zwei, um zwei. Aber in dieser Zeit sollte man eigentlich im Abbau, hat sich so genannt, einen Zyklus schaffen. Weil du bist vor Ort gekommen, der Vorgänger hatte gesprengt. Man musste dann Kopf absichern, also Firste absichern, wenn es notwendig war, das Haufwerk abfördern, dann wieder neu bohren und neu sprengen. Dass die nächste Schicht wieder den Haufen Masse dort liegen hat. Das hieß dann ein Zyklus. Also einmal alles durchlaufen. Die Besonderheit war ja bei uns Hauern, wir haben ja alles selber gemacht. Wir haben gesprengt, wir haben gebaut, wir haben gefördert und gebohrt. Wir haben alles selber gemacht. Und das gibt es in vielen Bergbauen gibt es das nicht. Wo ich dann später in der Kohle war, die haben gestaunt. Wo die dann mal bei uns waren, was wir alles können und was wir alles machen. Das gibt es bei denen nicht sowas. #00:57:27-5#

Astrid Kirchhof: Was ist Kuhle? #00:57:30-6#

Gerd Schneider: Kohle. In der Kohle. #00:57:30-7#

Astrid Kirchhof: Ach, in der Kohle. #00:57:29-9#

Gerd Schneider: In der Kohle, wo wir da waren. Erzähl ich später mal, weil die waren ja dann bei uns zu Gast. #00:57:36-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:57:37-4#

Gerd Schneider: Jedenfalls Brigade war aufgelöst. Ich war dann stellvertretender Brigadier dort wieder gewesen. Aber es hat sich ja abgezeichnet durch die Wende und alles, dass der Erzbergbau war klar, wird eingestellt. #00:57:49-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:57:49-4#

Gerd Schneider: Das war eigentlich schon vor der Wende klar, dass der ganz stark zurück gefahren wird. #00:57:52-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:57:52-5#

Gerd Schneider: Wird eingestellt. Da standen Betriebsratswahlen an, die ersten. Da kam mein Bereichsleiter zu mir und sagt: Pass auf Gerd, du bist einer von denen, der sehr bekannt ist in unserem Betrieb. Und weil wir Reust, wir waren in Reust gewesen und der größere Betrieb war Schmirchau. Wir waren zusammen gelegt mit den zwei. Und wir haben aber eine Betriebsratswahl gemacht die beiden. Und dadurch, dass der Schmirchauer Betrieb bedeutend größer war, hatten die Angst gehabt. (unv., #00:58:22-8#) die oben saßen, dass zu wenig Leute von Reust in diesen Betriebsrat reinkommen und die Interessen von Reust mit zu vertreten. Und da haben die Leute gesucht, die sehr bekannt sind. Und die auch bissl angesehen sind. Anführungsstriche sag ich mal. Ich will jetzt nicht auf die Kacke hauen, aber die viele kannten. Und da war ich gewesen und Klemm Hans, der war auch noch sehr bekannt. Auch ein Hauerbrigadier. Haben uns dann breit schlagen lassen. Okay, macht was ihr wollt, ich wollte eigentlich von Politik und sowas nichts mehr wissen. Wie alle damals, weil alle gesagt haben: Schnauze voll! Mach das, von mir aus setz mich auf die Liste drauf. Ich hab dann meine Arbeit gemacht. Ich glaube am 29. Juni war das dann. Mal freitags hab ich gearbeitet untertage. Frühschicht. War wieder stellvertretender Brigadier, ich glaube ich müsste damals sogar dann den Brigadier mal kurzzeitig wieder machen. Kam der Steiger und sagt: Schneider, du musst um zwölfe ausfahren! Ich sage: Warum denn das? Ja, sagt er, du bist hier in den Betriebsrat mit reingewählt worden. Heute war die Auszählung. Ihr habt nachher konstituierende Sitzung. Na, bin ich um zwölf raus gefahren, ich mir meine letzte Schicht eigentlich anders vorgestellt untertage, weil ich mir gesagt hab hier, in der letzten Schicht nimmst du eine Flasche mit runter. War so üblich eigentlich, dass du in der letzten Schicht mal noch jedem mal einen Hieb gegeben hast. Ausgefahren, konstituierende Sitzung gehabt, wurde ausgewertet das, das, das. Schneider viertmeiste Stimmen. Ich glaube ich hatte die viertmeisten. Dieser Klemm Hans die drittmeisten. #00:59:56-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #00:59:57-3#

Gerd Schneider: Ein Schmirchauer Hauberbrigadier, da hat man wieder gesehen, dass die Hauerbrigadiere angesehen waren und auch bekannt waren. Und der hatte die meisten Stimmen (unv., #01:00:06-5#). Gensch hieß der. Gut, konstituierende Sitzung erst mal gehabt. Ihr seid gewählt und so. Am Montag trefft ihr euch zu eurer ersten Betriebsratssitzung. Weil er dann, er muss ja dann die Freigestellten, gibt es einfach freigestellte Betriebsräte. Gibt es einen Schlüssel wieviele Betriebsratsmitglieder die großen Betriebe haben. Wir waren ja glaube über 4000 Beschäftigte immer insgesamt. Und da gibt es eben einen Schlüssel wieviele Betriebsratsmitglieder da sein dürfen und wieviele davon freigestellt. Und der Schlüssel (unv., #01:00:38-2#) bei uns waren es sechs Freigestellte. 23 Betriebsratsmitglieder und sechs Freigestellte. Haben dann unsere Betriebsratssitzung gemacht. Da gab es ein bisschen Theater, weil dort gesessen hat mit der ehemalige FDGB-Chef von der Schmirchau und noch ein paar ehemalige Funktionäre, die haben dort mit gesessen. Und ich hatte über das Wochenende schon mal in das Betriebsverfassungsgesetz reingeguckt, wie die Sitzung, die erste zu erfolgen hat. Und da kannst du eben solche Leute ausschließen auf Antrag. Das wollte ich auch machen, aber das haben die anderen nicht mit gemacht. Die haben gesagt, nee lass die mal hier. Die sind sowieso nicht gewählt, aber (...) unerfahren, dass wir erst mal noch ein bisschen die Leute da haben, #01:01:21-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:01:21-6#

Gerd Schneider: die ehemals Gewerkschaftschefs gewesen sind und sowas. Da haben wir unsere erste Sitzung gemacht und es ist ja so üblich, dass derjenige, der die meisten Stimmen hat, Betriebsratsvorsitzender wird. Das war auch hier so. Dieser Gensch, dieser Hauerbrigadier war nicht die hellste Kerze, der wurde Betriebsratschef und dann ging es eben nach den Stimmen. Klemm, Schneider die viertmeisten. Die Leute haben abgestimmt: Du bist freigestellt, du bist freigestellt, du bist freigestellt. Seid ihr damit einverstanden? Ja. Klar. Für mich war es erst mal gut. Ich war als Hauer raus, weil ja sowieso (...) da war ja so gut wie alles tot. Ging ja nichts mehr, hat sich ja abgezeichnet, dass die ganze Hauertätigkeit zu Ende geht. Und was wichtig war oder wo viele dran gedacht haben, wenn du da bist, bist du erst mal vier Jahre im Betriebsrat, bist du unkündbar und ein Jahr. #01:02:16-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:02:16-2#

Gerd Schneider: Sind ja trotzdem auch Gedanken, die einen trotzdem, trotz dass man die Arbeit macht, durch den Kopf gehen. Du bist erst mal fünf Jahre abgesichert. Und das bei deinem letzten Durchschnittslohn. Das ist ja im Betriebsverfassungsgesetz so geregelt, dass du wenn du ausscheidest, deinen Lohn für die Zeit behälst. Du darfst keine Vorteile und keine Nachteile haben eigentlich. Und um keine Nachteile zu haben, musst du deinen Lohn weiter bekommen. Und der war ja nicht schlecht als Hauer. Gut, sind gewählt worden. Ich war verantwortlich für Arbeitsschutz, Arbeitssicherheit in der Hauptsache. Betriebsratsarbeit allgemein, aber besonders Arbeitsschutz. Habe ich ein Büro bekommen. Das hat mal dem gehört, der die Ferienplätze vergeben hat und sowas. #01:02:58-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:02:58-9#

Gerd Schneider: Das ist bei der Wismut auch ein Kapitel für sich gewesen mit den Ferienplätzen. Und ich habe mein / und auch mit den Wohnungen, mit der Wohnungsvergabe. Ich habe meine Wohnung gekriegt, erst wenn ich heirate. Angucken durfte ich sie mir. Gekriegt habe ich sie erst, wenn ich geheiratet habe. Also ich habe sie im April mir angeguckt, im Mai habe ich geheiratet. Dann hab ich erst den Schlüssel bekommen. #01:03:19-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:03:19-7#

Gerd Schneider: Wo ich hier die größere Wohnung wollte, wo die Tochter geboren worden ist. Ja, kriegst ne größere Wohnung, aber erst mal muss das Kind geboren werden. Ich sage, meine Frau ist schwanger. Also was soll denn da noch sein? Ja sagt er zu mir, ganz eiskalt: Es kann ja ein Eimerkind werden. So eiskalt. So trocken ging es manchmal bei der Wismut zu. Ja, es kann doch ein Eimerkind werden. #01:03:41-4#

Astrid Kirchhof: Heißt es Totgeburt? #01:03:44-1#

Gerd Schneider: Ja oder irgendwie. 75 [1975] war es noch nicht so wie heute, dass man wahrscheinlich alles groß gezogen hat. Als es dann geboren war, dann habe ich den Schlüssel gekriegt. Also das war schon manchmal ganz schön happig (lacht) gewesen, was man sich da gefallen lassen musste. Auf alle Fälle habe ich mein Büro gehabt. Tja, was mich jetzt hier? Habe ich das Betriebsverfassungsgesetz genommen und habe das gelesen. Was hat der Betriebsrat für Aufgaben? Okay, der hat die Aufgabe zwischen der Leitung und den Arbeitnehmern Mittelding zu sein. Also du musst, du hast nicht nur die Arbeitnehmer zu vertreten, sondern du hast ein Mittelding zu machen. #01:04:29-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:04:29-0#

Gerd Schneider: Das war das Erste. Dann was noch? Mitspracherecht und das alles. Okay, gelesen. Dann habe ich mich mit anderen Leuten getroffen, haben überlegt, wie es weiter geht. Wer was genau macht. Wie das abläuft. Und bei mir hat sich dann ergeben, dass ich allerdings ne Woche später Urlaub hatte. Ich war dann erst mal drei Wochen weg. Wo ich wieder zurück kam, hat sich viel getan. In den drei Wochen, in dem ganzen Juli waren meine Kollegen, die waren schon in Dinslaken im Lohberg und haben in der Steinkohle mit dem Betriebsrat dort zusammen gearbeitet. Und haben mal geguckt, was machen die. Was haben die denn alles für Aufgaben und wie verteilen die sich? #01:05:08-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:05:09-0#

Gerd Schneider: Die hatten im Prinzip einen Vorteil mir gegenüber wo ich zurück kam. Dann haben wir im August unsere Arbeit gemacht und da ging es langsam mit der ganzen Sache Rationalisierung. Also es wurde eine Brigade nach der anderen aufgelöst untertage. Der Abbau wurde, kann man sagen, im Prinzip eingestellt. Vortrieb und alles. Also es wurde fast nichts mehr abgebaut. Eine Brigade hat noch gearbeitet. Das war die, die kurz vorher verlassen hatte, weil die noch Lehrlinge ausgebildet haben. #01:05:41-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:05:41-1#

Gerd Schneider: Die haben bloß noch so lange gearbeitet bis die Lehrlinge ausgebildet worden sind. Zum Glück hatten wir ein Rationalisierungsabkommen. Das wurde schon zu DDR-Zeiten abgeschlossen. Jeder, der die Wismut verlassen wollte, konnte das ohne Weiteres und hat seinen Lohn zwischen Alt und Neu ausgeglichen gekriegt für 36 Monate. Also wenn einer vorher 2000 verdient hat und jetzt nur noch 1000 verdient, wurde das mal 36 genommen und dann hat er diese 36000 Mark als Abfindung bekommen und hat dann auch seine neue Tätikeit gemacht. #01:06:10-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:06:10-7#

Gerd Schneider: Das haben natürlich viele Angestellte, die clever waren, ausgenutzt. Nicht wir Hauer oder die Arbeiter nicht. Die Angestellten haben es ausgenutzt. Dann sind eben manche vom Bereichsleiter zurück gestuft worden, haben diese Abfindung gekriegt. Dann waren aber nach der Wende immer der Personalleiter. Da sind natürlich die Leute auf die Barrikaden gegangen. Die mussten sie dann raus schmeißen, weil es da zuviel Zoff gab und es gab viele solche Sachen, die dann eigentlich nicht richtig aufgedeckt worden sind. Aber welche Abfindung gekriegt haben und trotzdem später dann kurz danach trotzdem keine Lohneinbußen mehr hatten. Ich selber hatte allerdings auch das Glück - aber nicht wegen Betrug, sondern weil ich Glück hatte. Erklär ich auch dann mal gleich. Jedenfalls die Leute, die sind zu uns gekommen: Wie geht es denn weiter? Was soll werden aus uns? Was machen wir denn? Das hat sich immer mehr zugespitzt. Die sind auch aggressiv geworden teilweise bei uns. #01:07:10-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:07:10-5#

Gerd Schneider: Wir hatten ganz schön zu tun, die Leute zu beruhigen. Dann mit den Direktoren zu reden. Wie läuft das weiter? Wie geht das weiter? Das ging bis zu einem gewissen Punkt, wo wir gesagt haben: Also pass auf, das geht nicht. Wir müssen was unternehmen, auf uns aufmerksam machen. Wir streiken! #01:07:26-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:07:26-5#

Gerd Schneider: Da haben wir innerhalb von einer Woche im Prinzip - das war nicht mal ganz ne Woche, das waren vier Tage, fünf Tage - haben wir entschieden, wir streiken. Was machen wir dann alles. Oder wie machen wir das? Von einer Urabstimmung, wie es das heute gibt, haben wir damals noch gar nichts gewusst. #01:07:39-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:07:39-9#

Gerd Schneider: Und zum Glück die Gegenseite auch nicht. #01:07:43-0#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:07:43-0#

Gerd Schneider: Das war ja das Gute. Wir haben nicht Bescheid gewusst, wie man sowas macht, aber die haben auch nicht gewusst, wie man reagiert. Das war ein kleiner Vorteil für uns gewesen. Wir machen das so, sagt der Gensch, der Vorsitzende, wir fahren ans Hermsdorfer Kreuz, blockieren das mit LKWs und schütten an die Zufahrten von der Autobahn hier in Ronneburg mal ein paar Kipper Erz hin, also Gestein. Da hat der eine Kollege gesagt, der Wenn Dieter - das war eigentlich einer, der immer sehr ruhig war, das war ein ehemaliger Angestellter, auch mal Hauer gewesen - der hat gesagt: Das geht nicht, das können wir so nicht machen. Wir haben sowieso keinen guten Stand mehr bei der Bevölkerung. Die Wismut war bisschen durch, durch die Abfindugnsmaßnahmen. Wir waren ein Staat im Staat. #01:08:26-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:08:26-5#

Gerd Schneider: Die Wismut war ja ein eigener Staat. Das können wir nicht machen, wir haben die Bevölkerung sowieso schon gegen uns. Wir machen das anders: Wir tun die Nachtschicht untertage lassen. Die fahren nicht mehr aus vom Freitag zum Sonnabend. Damit tun wir erst mal die Produktion nicht behindern, weil am Sonnabend gibt es keine Produktion. Freitag tun die arbeiten, treffen sich unten, fahren nicht mehr aus und wir tun alle Leute, die verfügbar sind auf den Schacht holen. Gut, machen wir so. Hatte ich die Idee, wir bauen aus Styropor einen schwarzen Sarg bauen lassen. Groß hin gestellt. Dann alles abgesprochen, Küche musste ja öffnen. Müssen ja die Leute verpflegen, die müssen ja essen. #01:09:05-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:09:05-1#

Gerd Schneider: Untertage die müssen ja auch was kriegen. Wir wussten ja nicht, wie lange das dauert. Dann haben wir eine Ordnungsgruppe aufgestellt. Wegen Alkohol. Dass die unterbinden, wenn die Leute da sind, dass die Alkohol trinken. Oder vielleicht besoffen irgendwelchen Mist machen, der nicht dort hin gehört. Wenn die gemerkt haben, es hat einer was getrunken - ich mein das war ja trotzdem haben es welche geschafft, Alkohol mit zu bringen - haben die den aus dem Rennen genommen. Haben wir direkt eine Ordnungsgruppe gehabt. Hat der Schröder Gerd - auch ein Kollege von mir gewesen, ein Hauerbrigadier - die haben Binden gekriegt und die haben aufgepasst, dass alles glatt läuft. Dann musste ja auch, wenn was passiert, mussten ja auch Sani da sein. #01:09:44-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:09:44-9#

Gerd Schneider: Haben wir zum Glück die Grubenwehr gehabt. Die haben sich bereit erklärt: Wir kommen auch. Hatten ja auch Interesse dran, dass unser Betrieb weiter geht. Also wir mussten alles absichern. Das Wichtigste war, dass der Direktor mit macht. Der Betriebsdirektor. Wir haben den informiert, was wir vor haben. Es musste ja, der Strom musste ja untertage bleiben und das Wichtigste: Belüftung. Der hätte ja sagen können - weil ja sonnabends oft die Belüftung ausgestellt worden ist, der Hauptlüfter - wir stellen die Belüftung ab. Geht ja nicht. Der hat uns eigentlich unterstützt bei der Sache, der Herr Rabroke (?) und dann ist das Ding gestartet Sonnabend. Wir haben die Leute aufgerufen: Kommt her! Die Nachtschicht ist unten geblieben, da waren wir selber überrascht. Der, der / es war voll der Vorplatz. Da waren, ich schätze bestimmt Tausend waren da gekommen. Auf den anderen Schächten in Aue und überall sind auch die Leute auf die Schächte gekommen, haben die Schächte, haben ihre Demos gemacht. Und aber Schmirchau war der Hauptort. #01:10:47-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:10:47-2#

Gerd Schneider: Wo wir gewesen sind. Gut. (unv., #01:10:56-3#) mehr eingefahren. Leitungspersonal ist mit eingefahren. Kießling Hartmut, das ist eine Gestalt gewesen, der war mein Revierleiter. Der war bei jedem Brigadeabend bei mir dabei. Der ist auf vielen Fotos mit zu sehen nachher, wenn ich die Ihnen mal zeige. Und der war nach der Wende der Leiter im Bergamt Gera und war sogar dann der Direktor vom / das wurde dann umbenannt in Landesamt für Bergbau, Geologie, Umwelt in Gera. #01:11:23-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:11:23-9#

Gerd Schneider: Der war da der große Chef gewesen. Hat es also ziemlich weit gebracht, der war auch sehr intelligent. Ein ruhiger, besonnener Mensch. Der war mit untertage, um da / dass das auch ordentlich abläuft. Nicht dass da irgendwie was ist. Musst ja irgendwo Leute haben, die trotzdem bisschen aufpassen auf das Geschehen. Hatten ein Mikrofon aufgebaut auf der Bühne, dann hat sich eingefunden, die PDS kam. Reden geschwungen, ne. Wie gut sie es mit uns meinen und alles. CDU, also von jeder Partei waren die Leute da, haben uns erzählt, wie gut sie es mit uns meinen, was sie alles mit uns machen würden, wenn sie das wären und so weiter. PDS ist ausgepfiffen worden. Können Sie nachher auf einem Video mal sehen, wie sie die ausgepfiffen haben. Jedenfalls haben wir verlangt, dass jemand von der Regierung kommt. Dann haben viele Hauer das Wort ergriffen. Auch einer von mir, von den ehemaligen Hauern. Der hat auch das Wort ergriffen und hat da seine Ängste / der hat fast bissl geheult auf der Bühne. Der war halt / war bissl aufgeregt, ne. Wie es mit ihm weiter geht, er wollte hier noch lange arbeiten untertage. Und was soll nun aus ihm werden. Er hat eine Familie. So ging es eigentlich vielen Leuten. Mit den Familien - was wird? Wir wussten nicht mehr was 1991 wird. #01:12:38-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:12:38-8#

Gerd Schneider: Bis 1990 war für uns Fakt. Hab leider die Unterlagen Wismut-Intern was ich hatte, hab ich leider auch verloren. Also von meinem Rechner sind die auch weg. Das waren die vier ersten Hefte, da steht nämlich drinne, wie die Generaldirektion eigentlich schon beschlossen oder geredet hat über uns, was mal werden sollte. Aber so richtig öffentlich wurde das gar nicht, ne. So, wie geht es weiter? Jedenfalls kamen die ersten Leute von der Regierung. Weiß ich jetze, ob der vom Wirtschaftsministerium oder von welchem Ministerium der war. Pfennig hieß der komischerweise auch noch mit Namen, glaub ich. Der hat nun geredet, versprochen wir machen das, das, das. Und wir haben aber verlangt: Wirtschaftsförderung (unv., #01:13:32-0#) für die Region. Was wird mit den Leuten, die nicht mehr gebraucht werden? Dass keiner ins Bergfreie fällt. So nennt sich das beim Bergbau. Wenn jemand entlassen wird und keine Arbeit mehr hat, fällt er ins Bergfreie. Bei Bergleuten ist ja oft das Problem, die sind spezialisiert auf irgendwas und werden durch ihre Krankheit oder durch irgendwas nicht mehr gebraucht. Dann sind sie eben bergfrei. Also was wird aus denen. Wir haben dann Verhandlungen geführt. Der eine Wend Dieter, der (unv., #01:13:53-3#) der die, wo ich mal sage, die Übersicht behalten hat, hat gesagt: Das mit den Kippern das geht nicht. Der von Schmirchau. Dann waren noch von anderen Schächten Vertreter da. Die haben dann mit diesem Ministerium Verhandlungen geführt. Die Leute haben ausgeharrt weiter. In der Zwischenzeit ist RTL gekommen. Die haben angefangen zu filmen. Das hat schon ganz schöne Wellen geschlagen. Die haben die ersten Ergbenisse vorgelegt und sind von den Leuten gnadenlos ausgepfiffen worden. Das sieht man auf dem Video wunderschön. Die sind ausgepfiffen worden, ausgebuht worden und alles, ne. Da haben sie gesagt: Okay, wir ziehen uns jetzt zum Abendessen zurück nach Gera und wir kommen nach her wieder und verhandeln weiter. #01:14:36-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:14:38-0#

Gerd Schneider: (unv., #01:14:39-9#) ihr fahrt hier nicht weg! Bevor hier keine Ergebnisse auf dem Tisch liegen, bleibt ihr hier! Und wenn ihr nach untertage müsst mit. Davor hatten sie Angst. #01:14:50-2#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:14:50-5#

Gerd Schneider: In ihrem Anzug hier hatten sie Angst. Untertage war für die irgendwie Uranbergbau, war für viele irgendwie rotes Tuch, ne. Um Gottes Willen! Da verstrahl ich mich, da sterb ich, wenn ich da unten bin! #01:14:57-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:14:58-3#

Gerd Schneider: Wenn ihr essen möchtet, unsere Küche hat auf. Da gibt es Wahlessen. Gab es ja. Ihr könnt essen was ihr möchtet und soviel wie ihr möchtet. Ja, mussten sie wieder zurück kommen und die Verhandlungen gingen dann weiter. Die waren natürlich hinter verschlossenen Türen. Ich hab zwar viel gefilmt. Zu dem Filmen bin ich so gekommen übrigens, die Kamera, die hab ich - im Stahlschrank lag die - ich hatte ja nie ne Kamera in der Hand, die hab früh die Kamera genommen. Da war nämlich der Akku nicht geladen. Ne Kassette glaub ich war gar nicht da oder bloß eine. Bin ich schnell noch nach Gera gefahren früh morgens, also kurz vor um neun. Hab noch ne Kassette geholt, noch einen zweiten Akku. Den anderen hab ich in der Zwischenzeit, wo ich unterwegs war, geladen. Da hab ich immer einen Akku geladen und wenn der leer war, habe ich den schnell wieder gewechselt. Dass ich wenigstens zwei Akkus hatte, dass ich / mit Film, ich hab ja noch nie gefilmt. Das sieht man, die Aufnahmen sind verwackelt teilweise. #01:16:00-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:16:00-1#

Gerd Schneider: Viel zu schnell gezoomt. Viel zu schnell bewegt. Aber zum ersten Mal so eine Kamera in der Hand gehabt. Aber es ist ein Zeitzeugnis geworden, das ist schön. Wurde sogar schon in der Steinkohle vorgeführt der Film. Als Lehrbeispiel für einen Streik. #01:16:16-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:16:16-7#

Gerd Schneider: Jedenfalls ging es in eine weitere Runde bis dann endlich - wo die dann raus kamen, war es dann schon dunkel - und haben das Ergebnis Wirtschaftsregion ab 91 [1991] eine Arbeits / also so eine Auffanggesellschaft. AföG, Arbeitsfördergesellschaft gegründet. Wer gehen will mit Abfindung - das war es ja sowieso - kann gehen. Und lauter solche Punkte. Also wo erst mal gesichert war, dass es weiter geht. #01:16:43-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:16:43-0#

Gerd Schneider: Und wie die Sanierung eventuell, dass die die Wismut machen kann. #01:16:45-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:16:46-4#

Gerd Schneider: Das war ja sehr wichtig, ne. Wo die Ergebnisse auf dem Tisch lagen haben die Leute applaudiert. War alles ordentlich, war dann spät abends, konnten nach Hause gehen. Die anderen sind ausgefahren. Das war ähm ziemlich emotional, wo die ausgefahren sind. #01:17:01-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:17:02-0#

Gerd Schneider: Die Leute haben geklatscht und (unv., #01:17:05-0#) das war - die ich heute noch manchmal hab. #01:17:07-2#

Astrid Kirchhof: Das ist dann so ne Ära, die dann zu Ende geht sozusagen. #01:17:14-2#

Gerd Schneider: Das sieht man dann nochmal auf dem Video, wie die Leute da gejubelt haben. Das war spitzenmäßig gewesen. Okay, ich bin dann nach dem Streik hab ich mich drum gekümmert, auch mal eine Woche in die Steinkohle zu gehen. Hab ich mit einem Arbeitskollegen, weil ich nicht alleine - die anderen waren ja schon alle dort - hab ich noch einen Arbeitskollegen aus dem Betriebsrat gefragt, ob er mit kommen würde. Haben wir dann organisiert, sind wir dann nach Dinslaken, nach Lohberg gefahren. Und wollten mal gucken, also ich wollte mal gucken, was dort der Mensch für Arbeitssicherheit, was der da für Aufgaben hat und was er da macht. Ja, wir sind nach Lohberg gefahren. Ersten Tag Dinslaken. Haben uns mit dem Betriebsrat am Tag getroffen. Haben wir erst mal rein geschnuppert, was die im Büro sind, wie viel Leute das waren. Abends haben sie uns in unserer Unterkunft - auch spitzenmäßig gewesen - ein Kollege, der da mit war (...) kam einer, hat gesagt: Hier meine Herren, hier ist Ihr Kühlschrank. Das sind Getränke drin. Da waren verschiedene Büchsen Bier, kleine Flaschen Schnaps. Trinken, Essen, alles vom Feinsten. Sagt mein Kollege: Ist wohl Kasse des Vertrauens? Das Wort hat der noch nie gehört, der Mensch dort. #01:18:23-1#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:18:23-1#

Gerd Schneider: Was für Zeug? Kasse des Vertrauens. Ich sage, nee, sag ich zu ihm, wir können uns nehmen, was wir wollen. Das kostet nichts. Ach so, sagt er. Nee, sagt er, wenn ich merk, Ihnen schmeckt etwas besonders gut und das wird alle, füll ich es wieder auf. Der hat gar nicht gewusst, was wir ... #01:18:39-8#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:18:39-8#

Gerd Schneider: Nächsten Tag sind wir los gefahren auf den Schacht. Wir wollten uns auf dem Schacht Lohberg treffen. Ich mit meinem Skoda, hatte ich da noch, auf die Schachtanlage gefahren. Ich war immer der Erste früh auf Arbeit. Auch in Reust. Ich war, wenn die Küch aufgemacht hat dreiviertel fünf, war ich schon auf Arbeit. Also mit meinem Bereichsleiter, wir sind zusammen gefahren. Ich war immer der Erste. Ich war beim Betriebsrat der Erste und ich war auch jetzt im Umweltschutz auf Arbeit immer der Erste. Ne, das war so drinne. Ich bin um viere spätestens aufgestanden und halb fünf los gefahren. Lohberg genauso. Natürlich hatten wir kein Frühstück weiter. Wir hatten zwar im Kühlschrank bisschen was. Haben uns was mit genommen und nach Lohberg gefahren. Auf den Parkplatz, ein schöner Parkplatz gewesen. Am Haupttor meinen Skoda hin gestellt, rein, keiner da gewesen. Und da haben wir gewartet. Ach das gibt es doch gar nicht. Es ist schon viertel sechs, die müssen doch mal langsam kommen. Da kam ein Türke, der hat sich gewundert, dass wir schon da sind. Das war derjenige, der war auch vom Betriebsrat, der war verantwortlich für den Kaffee kochen für die anderen, wenn die kurz vor sechs kommen, ne. Die haben sich gewundert, dass wir so zeitig sind. Hab gesagt: Ja, wir sind das so gewöhnt bei uns bei der Wismut, dass halb sechse geht es los. Um fünfe ungefähr müssen wir auf Arbeit sein. #01:19:57-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:19:57-9#

Gerd Schneider: Haben wir unseren ersten Tag dort gemacht. Haben sie uns gezeigt, dass sie früh alle zusammen sitzen. Beraten, was jeder gemacht hat, was am Tag anliegt, ne. Und wir sind dann mit dem Sicherheitssteiger eingefahren in die Grube. Das war natürlich interessant. Steinkohle, was die machen. #01:20:15-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:20:15-0#

Gerd Schneider: Hat man dann so gesehen, wie der Sicherheitssteiger da vor Ort kontrolliert hat. Und der vom Betriebsrat mit den Leuten geredet über die Sicherheit, was sie für Bedürfnisse haben, was sie für Probleme haben und alles. Wir sind wieder ausgefahren. Ich wollte mit meinem Skoda wegfahren. Kam einer mit einem Schlips von der Wache: Ist das Ihr Auto? Ich sage ja. Ist es möglich, dass Sie sich morgen wo anders hinstellen? Ich sage, na ich war heute früh der Erste, war schön frei. Ja, das ist der Platz vom Schachtleiter (lacht). Aber ich sage, das habe ich natürlich nicht gewusst, stand ja nicht da. Aber jeder hat gewusst, dass das der Platz vom Schachtleiter war. Nummer Eins gleich am Tor. #01:20:53-0#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:20:53-0#

Gerd Schneider: Dass sich da keiner hin stellen darf, das war ein lustiges, lustiges Erlebnis mit dem Schachtleiter. Wir haben dann die Woche dort gearbeitet. Es ist dann auch erzählt worden, dass auch Direktoren von der Wismut dort waren, also Leitungsleute. Und dass er den Kühlschrank öfter voll machen musste. Hat er uns unter der Hand erzählt, dass das Benehmen nicht so war, wie er gedacht hatte. Da seid ihr ja ganz anders! Ich mein, ich bin ja nicht dort hin gekommen, um den Schnaps da leer zu trinken und den Dings, ne. #01:21:24-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:21:24-2#

Gerd Schneider: Aber es war ganz angenehm. Die von Lohberg waren dann später sogar bei uns. Sind mal in den Uranbergbau eingefahren und haben die eben gestaunt - was ich vorhin gesagt habe - dass wir alles machen. Bei denen hat eben einer den Ausbau gemacht, einer der hat gebohrt und gesprengt, wenn sprengen erlaubt war. #01:21:40-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:21:40-2#

Gerd Schneider: Ist ja bei denen bisschen anders, ne. Der nächste der hat / da hat jeder bloß eine Tätigkeit gemacht. Dass wir bei uns bohren, sprengen, fördern und alles, das war für die neu. Das konnten die gar nicht begreifen. Die haben gesagt: Ihr seid ja wirklich hoch qualifizierte Leute. Und das war auch so gewesen. Und die Leute, die alle von meiner Brigade und so dann später die Wismut verlassen haben und irgendwo in anderen Betrieben - meistens war das im Tunnelbau und sowas - angefangen haben, die waren hoch spezielisiert. Und die waren auch sehr, sehr gefragt. Ich muss mir mal meine Nase putzen. #01:22:12-2#

Astrid Kirchhof: Ich würde ganz gerne hier mal einen Cut machen. #01:22:15-0#
-------------------- Unterbrechung der Aufnahme -------------------------- #01:22:17-8#

Astrid Kirchhof: Wir waren bei den Steinkohlekollegen. #01:22:19-5#

Gerd Schneider: Ja, die Kollegen waren eben erstaunt, was wir alles können und was wir alles machen. Mit denen hatte ich dann auch noch lange Kontakt gehabt mit den Arbeitern. Also mit den Betriebsratsmitgliedern. Das war eigentlich auch nicht schlecht. War ich dann in Oberhausen zu Besuch und sowas. Mit Familie. #01:22:30-7#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:22:30-7#

Gerd Schneider: Haben lange Kontakt gehalten. Na jedenfalls unsere Betriebsratsarbeit 1991 ging dann weiter. Unsere Hauptaufgabe war gewesen, diese ganzen Leute, die nicht mehr gebraucht worden sind - und das war der überwiegende Teil - in diese Arbeitsfördergesellschaft zu lenken. #01:22:50-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:22:51-2#

Gerd Schneider: Und da hatten wir uns aufgeteilt in Gruppen. War immer ein Betriebsratsmitglied - um die Interessen des Arbeitnehmers zu bewahren - und jemand von der Betriebsleitung. Da wurden die Leute eingeladen. Da lag dann denen ihre Arbeitsakte mit auf dem Tisch, was sie können, was sie gelernt haben. Und wir haben dann versucht, die Leute entweder in einen neuen Job, in eine Umschulung oder in diese Arbeitsfördergesellschaft zu vermitteln. Arbeitsfördergesellschaft hieß, das war so eine Auffanggesellschaft, das hatten / da sind die in Nullkurzarbeit gegangen und waren in Nullkurzarbeit, mussten nicht arbeiten. Und haben aber ihren Lohn weiter gekriegt, so wie man es in der Kurzarbeit bekommt, diese Prozente. #01:23:33-0#

Astrid Kirchhof: Das versteh ich nicht. #01:23:33-0#

Gerd Schneider: Die waren/ also wenn man in Kurzarbeit geht, kriegt man doch Geld vom Staat. #01:23:38-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:23:38-0#

Gerd Schneider: Also 63 Prozent glaub ich für Ledige und ohne Kinder. Und 68 Prozent, wenn du verheiratet und ein Kind hast. #01:23:47-9#

Astrid Kirchhof: Ja. #01:23:47-9#

Gerd Schneider: Und diese Arbeitsfördergesellschaft hat nur die Aufgabe gehabt, alle Leute, die nicht vermittelbar waren, erst mal aufzufangen. In Nullkurzarbeit waren die. Also die haben Geld gekriegt vom Staat. Nullkurzarbeit von ihrem letzten Lohn. Mussten natürlich nicht arbeiten. #01:24:07-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:24:07-9#

Gerd Schneider: Es ist aber versucht worden über die Arbeitsfördergesellschaft die zu vermitteln. In Umschulungen oder in andere Berufe, was gesucht wurde. Das war der Arbeitsfördergesellschaft ihre Aufgabe. Diese Leitung, die das dort gemacht hat. Und wir hatten die Aufgabe, die Leute entweder in eine Umschulung, in einen anderen Job oder in die Arbeitsfördergesellschaft. Da hast du eben deinem ehemaligen Kollegen gegenüber gesessen, hast erst mal gesehen, was der gearbeitet / also was der konnte. Was der für eine Ausbildung hatte. Dann musste den dann fragen, ob er denn bereit wäre, auch außerhalb von 200 Kilometer Umkreis zum Beispiel zu arbeiten. Nur erst mal die Bereitschaft zu erfassen. Was möchtest du machen. Was würdest du machen. Und das ist mir sehr nahe gegangen damals. Weil meine eigenen Hauer dort saßen. #01:24:54-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:24:54-8#

Gerd Schneider: Teilweise. Die saßen dort, hatten keinen Job mehr. Die hatten noch bei der Wismut ihre Arbeit. Okay, aber waren ja Nullkurzarbeit. Und jetzt hatte ich versucht raus zu kriegen, was möchtest du denn machen. Was willst du, was kannst du. Würdest du eine Umschulung machen? Das alles zu erfassen, da hast du dir dann eben gesagt, dass damit erst mal im Betrieb dein letzter Arbeitstag war. Und das war eben ziemlich / das ging mir bissl an die Nieren. Wenn deine eigenen Leute dort sitzen und du musst denen erzählen, dass es Aus erst mal ist. Der ist ja nicht in das Bergfreie gefallen. #01:25:31-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:25:31-7#

Gerd Schneider: Weil die hatten ja alle noch, die waren ja alle noch Wismutangehörige. Die haben auch jede Vergünstigung gekriegt. Auch Lohnerhöhung haben die trotzdem weiter gekriegt. Weil wenn es eine Lohnerhöhung gab, haben die die auch gekriegt, angerechnet auf ihre Prozente, die sie bekommen haben. Und das war eben ziemlich hart. Da haben Leute da gesessen, die hast du gekannt. Da waren welche dabei, die konnten nicht mal schreiben. Da hast du gedacht: Mensch Gottes Willen, wie ist denn der bis jetzt durchs Leben gegangen? #01:25:55-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:25:55-1#

Gerd Schneider: Den hast du doch gekannt. Der eine Kollege, der hat geheult. Das war einer, der stand im Prinzip paar Jahre vor der Rente. Der wurde nicht mehr gebraucht. Der hat da gesessen und geheult. Und wir hatten die Möglichkeit eventuell einen oder anderen im Betrieb zu behalten. Ne, da hab ich dann zu ihm gesagt: Pass auf, kommst nach her zu mir. Ich rede mit dem und dem. Der hat gedroht, sich auf zu hängen. #01:26:20-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:26:20-6#

Gerd Schneider: Der hat gesagt: Wenn ich keine Arbeit mehr hab, ich habe es nicht mehr lange bis zur Rente. Ich geh nach Hause und häng mich auf. Der hat geheult wie ein Schlosshund. Na, kommst nach her zu mir. Wir gehen zum Personalchef. Mal sehen, was wir machen können. #01:26:33-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:26:33-9#

Gerd Schneider: Der ist dann als Wachmann eingestellt worden. Da waren wir heilfroh, der hat sich bedankt. Und den haben wir dann erst mal als Wachmann behalten. #01:26:41-1#
#01:26:47-2#

Astrid Kirchhof: Wieviel von denen, die / also wieviel kamen
-------------------------- Unterbrechung der Aufnahme ----------------------------------

Gerd Schneider: Ein großer Teil oder ein Teil, die sind in die / gleich als Sanierungsarbeiter eingestellt worden. Also untertage geblieben, um die Sanierung anzufangen. #01:26:55-9#

#01:26:55-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:26:55-8#

Gerd Schneider: Verfüllung und alles. Aber der überwiegende Teil ist in die AföG gekommen. #01:27:01-4#

#01:27:01-4#

Astrid Kirchhof: In die / wohin? #01:27:01-4#

Gerd Schneider: AföG. Arbeitsfördergesellschaft. #01:27:05-3#

#01:27:05-3#

Astrid Kirchhof: Ach so. #01:27:05-3#

Gerd Schneider: Das ist diese Gesellschaft. Sind dort rein gekommen. Von dort gelenkt worden. Und sind dann in Ausbildungsberufe vermittelt worden. Da hat auch teilweise sogar die Wismut mit drin gehangen in den Ausbildungsberufen. Denn ich bin als Betriebsratsmitglied dann in die Schulen gegangen, wo die Ausbildung hatten. #01:27:25-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:27:25-2#

Gerd Schneider: Und hab dann immer mal eine Unterrichtsstunde gehalten und hab über Arbeitsrecht und sowas - nicht referiert, würd ich nicht sagen, ich bin ja kein Lehrer - sondern hab da drüber erzählt und hab auch Fragen beantwortet, wenn einer wechseln will. Wie das läuft mit der Abfindung und lauter solche Fragen. Bin ich durch die Schulen mit gegangen und hab da immer mal eine Stunde gehalten. #01:27:45-5#

Astrid Kirchhof: In den 90er Jahren? #01:27:45-2#

Gerd Schneider: Ja. 91 [1991]. #01:27:47-3#

Astrid Kirchhof: Aber das versteh ich nicht. Von den Schülern ist doch keiner mehr zur Wismut gegangen. #01:27:51-6#

Gerd Schneider: Die waren noch bei der Wismut. #01:27:52-4#

Astrid Kirchhof: Die Schüler? #01:27:53-7#

Gerd Schneider: Ja, die waren noch bei der Wismut und haben eine Ausbildung, also parallel ne Ausbildung in einem anderen Beruf gemacht. Und erst wenn der abgeschlossen war, sind sie aus der Wismut ausgeschieden. #01:28:04-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) Wie alt waren die? #01:28:06-0#

Gerd Schneider: Das war diese Arbeitsfördergesellschaft. Das hing alles mit dieser Arbeitsfördergesellschaft zusammen. #01:28:11-0#

Astrid Kirchhof: Ach so. Ach so. #01:28:11-0#

Gerd Schneider: Von denen wird das gesteuert. Später war dann natürlich die Ausbildung abgekoppelt von der Wismut. Für die Erwachsenen aber eben ist das noch so gelaufen, wie ich mich erinnern kann. #01:28:21-0#

Astrid Kirchhof: Und würden Sie sagen, dass schon // #01:28:22-7#

Gerd Schneider: // das war ja von der Betriebsschule bei uns von der Wismut und alles. Ver- und Entsorger und sowas, was da alles gelehrt worden ist. #01:28:29-1#

Astrid Kirchhof: Und da haben / sind sehr viele arbeitslos geworden oder sind dann doch viele aufgefangen worden? #01:28:36-0#

Gerd Schneider: Erst mal sind viele aufgefangen worden. Viele haben Umschulung gemacht. Das ging bis zum Banker, sind manche geworden. Ver- und Entsorger sind viele geworden. Dann wurde ja neu aufgebaut dieser im Tagebau, diese ganze Übertageflotte. Wurden ja viele Leute gebraucht. Sind viele rein gekommen wieder. Also das war im Prinzip ein Pool, wo auch wir wieder zugreifen / die haben halt zur Wismut gehört. Wo wir zugreifen konnten. Aha, wir brauchen Leute. Die sind dann wieder zurück gekommen und haben Arbeit bekommen. Aber erst mal war eben der Stress, die alle dort rein zu schicken. #01:29:07-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:29:08-0#

Gerd Schneider: Das war es eben. Ich habe dann / wir sind dann wieder mit dem Betrieb zusammen worden. Und wenn der Betrieb zusammen gelegt worden war, waren neue Betriebsratswahlen notwendig. Und da habe ich gesagt, dass ich bei den neuen Betriebsratswahlen - ich stell mich zwar als Betriebsrat zur Verfügung, aber wenn ich wieder gewählt werden sollte, ja dann will ich nicht mehr frei gestellt bleiben. Also ich will aus der Freistellung raus. Erstens war das / hat mir auch nicht so gelegen die ganze Sache. Und wie ich gesagt habe mit den (unv., #01:29:37-3#) Leuten und so, ne. Das war nicht so mein Ding. Und dann habe ich mir überlegt, wenn ich jetzt ein paar Jahre Betriebsrat bin, verdien ich zwar schönes Geld. Okay, ich muss ja als Hauer bezahlt werden. Aber du verlierst ja den Anschluss an die anderen Leute, die sich weiter bilden oder die was Neues machen. Grade bei dem Umschwung. Und dann habe ich mich entschlossen, okay, geh raus. Habe ich auch meinem Betriebsdirektor und dem Betriebsrat mit geteilt, dass ich nicht zur Verfügung stehe als Freigestellter, aber als Betriebsrat. Okay, alles geklappt. Betriebsratswahlen waren, ich bin wieder gewählt worden. Aber die wussten ja, dass ich raus will. Gab es noch einen Haken. Dieser Rationalisierungsschutz, da gab es immer so eine magische Grenze. 30. Juni. Ab 30. Juni wieder was Neues. Da habe ich mich ent / gesagt, dass ich bitte ab 29.6. umgesetzt werden möchte. #01:30:33-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:30:33-5#

Gerd Schneider: In eine andere Tätigkeit. Egal was. Ich war ja wieder gewählt. War ich mir absolut sicher. Konnten mit mir nichts anfangen. Ich hatte aber vorsichtshalber schon ein Schreiben an den Rechtsanwalt von der / an den Rechtsverantwortlichen von der Wismut hatte ich schon geschrieben. Weil ich wusste, da läuft irgendwas schief. Hundertprozentig. Ne, das war auch so gewesen. Hab den Brief vorbereitet, bin dann an dem 29. wo die dann die Wahl als (unv., #01:30:57-4#) war, zum Personalchef. Und da hat man mir gesagt, dass man für mich keine Arbeit hat. Da habe ich gesagt, naja so geht es nicht. Es gibt ein Gesetz hier, wo steht, dass ich mindestens ein Jahr noch zu beschäftigen bin. Mindestens nach der Betriebsratswahl. Und dadurch, dass ich weiter Betriebsratsmitglied bin, bin ich ja noch vier Jahre zu beschäftigen plus das Jahr. Ja, aber steht da drin Gleichbehandlungsgrundsatz. Da musst du so behandelt werden, wie die anderen Hauer auch. Also die AföG. Da habe ich gesagt, das geht auch nicht, weil ich ja Betriebsratsmitglied von dem Betrieb bin. In der AföG gab es keinen Betriebsrat. Das geht nicht. Ja, da musst du eine Ausbildung machen wie die anderen, haben die gesagt. Ja, sage ich, das mach ich. Dann müsst ihr Paragraph so und so durch lesen vom Betriebsverfassungsgesetz, dass ich in der Ausbildung meinen Lohn weiter haben muss, weil ich ja Betriebsratsglied bin, den ich vorher hatte. Und die Kosten für die Ausbildung sogar der Betrieb trägt dann. Die vollen Kosten. Nicht irgendwie die AföG oder Staat, sondern (unv., #01:31:58-4#) ihr dann bezahlen. Na, da haben sie mich raus geschickt. Ich hab gesagt, wenn heute was schief läuft, ich habe hier einen Brief, den geb ich / den hatte ich denen schon gegeben. Den habe ich unten schon abgegeben. Wenn ich nach her hingehe und der wird geöffnet, kriegt ihr eine Anzeige wegen Verletzung. Haben sie in Chemnitz angerufen. Der Herr Jung wieder. #01:32:20-3#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:32:20-3#

Gerd Schneider: Der war grad in Chemnitz. Aber (unv., #01:32:20-8#) stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Weil der Angestellter sei, der musste immer, durfte immer vor seinen Stellvertreter stellen. #01:32:28-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:32:28-3#

Gerd Schneider: Weil die Hauptgruppe Arbeiter und Vorsitzenden Angestellten dürfen dann nicht Stellvertreter. Das war er dann. Und da ging es hin und her, bis sie mir gesagt haben: Okay, du bist ab Montag wieder in der Markscheiderei als Vermessung / du bist ja Bergvermesser, als Vermessungsmitarbeiter. Okay, einverstanden. Und du kriegst hier deinen Lohn ausgeglichen. Also zwischen Hauer, was ich hatte, nach übertage Vermesser. #01:32:54-2#

Astrid Kirchhof: Das ist aber in der Sanierung dann. #01:32:57-2#

Gerd Schneider: In der Sanierung ja. Vermessung in der Sanierung. Also fest. Ganz normal im Betrieb weiter, bloß eben in der Markscheiderei. So nennt sich das ja, ne. Da haben sie meine Abfindung ausgerechnet, haben sie erst mal geschwitzt. Und dieser Klemm Hans, der mit mir war, der hat es vorher, schon kurz vorher gemacht so. Und dieser Gensch, der Vorsitzender war, der ist mit mir ausgeschieden. Zur gleichen Zeit. Aber der war ja nicht der Hellste, der hat sich einfach an mich ran gehängt. Hat gesagt: So wie der Schneider das, will ich das auch haben. #01:33:29-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:33:29-9#

Gerd Schneider: Haben sie dann eine Abfindung, die war - also wenn ich sage hier, dass mein Verlust pro Monat über 1000 Mark war. Mal 36, also hat sich gelohnt. Die Abfindung wurde immer in zwei Raten ausgezahlt. Die erste sofort. Die zweite ein Jahr später. #01:33:48-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:33:48-1#

Gerd Schneider: Auch steuerfrei. Diese Abfindungen waren nicht mal versteuert. War alles neu damals. Deswegen ging es da teilweise drunter und drüber. #01:33:58-2#

Astrid Kirchhof: Und eine Rate war wie hoch? #01:33:59-9#

Gerd Schneider: Meine Rate? Also ich hatte - weiß nicht, ob ich das sagen darf - 40000, über 40000 Mark war meine Abfindung. Und die erste Rate 20000 noch was und die zweite sollte wieder 20000 sein. #01:34:08-8#

Astrid Kirchhof: Aha. #01:34:10-4#

Gerd Schneider: Steuerfreies Geld. #01:34:17-7#

Astrid Kirchhof: Aber wieso eine Abfindung, wenn Sie Markscheider werden? #01:34:14-9#

Gerd Schneider: Ich hatte ja Lohneinbuße. #01:34:23-6#

Astrid Kirchhof: Ach das kam noch dazu. #01:34:23-6#

Gerd Schneider: Das was ich vorhin erzählt hatte, wenn jemand einen neuen Job hat und die Differenz von alt zu neu, die kriegt er ausgeglichen. Egal wer bei der Wismut irgendwo hin gegangen ist. #01:34:29-7#

Astrid Kirchhof: Okay. #01:34:29-7#

Gerd Schneider: Ob er ins / irgendwo als Tischler gegangen wäre pder was. Vom Hauer zum Tischler, was weiß ich. Wenn er da diese Differenz / der musste die Lohnbescheinigung bringen. Da wurde das ausgerechnet, die Differenz. Hat er für 36 Monate gekriegt, wenn er die Wismut verlässt. #01:34:43-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:34:43-0#

Gerd Schneider: Ich hatte ja innerbetrieblich zwar, aber ich hatte die Lohneinbuße von untertage Hauer. Ich war ja noch Hauer - obwohl es fast keiner mehr war - zu dem neuen Job. #01:34:56-9#

Astrid Kirchhof: Okay. #01:34:58-5#

Gerd Schneider: Da hat das Betriebsverfassungsgesetz geholfen, weil ich ja nicht raus durfte aus diesem Beruf. Ich durfte erst mal keine Nachteile haben. #01:35:04-9#

Astrid Kirchhof: Okay. #01:35:06-7#

Gerd Schneider: Da war ich dann in der Vermessung, sollte ich gehen. Habe mich dann ganz locker am Montag bei dem Vermessungschef gemeldet. Der war allerdings im Urlaub. Der Stellvertreter war da. Der Herr Grimmer. Der Chef, das war Herr Grund hieß der. Das war der Chef und der war nicht da. Der war im Urlaub. Und der Grimmer, der hat immer bissl eine rote Nase gehabt, wenn Sie wissen, was ich meine? #01:35:31-8#

Astrid Kirchhof: Ja (lacht). #01:35:31-8#

Gerd Schneider: Habe mich bei dem gemeldet. Ich sage: Hier, ich bin ab heute / Ich brauch niemand! Ich sage, das ist aber mit dem Personalchef abgesprochen. Nee, mit mir nicht. Ich weiß von nichts. Der Chef war in Urlaub und der wusste von nichts. Ich brauch niemand von der Vermessung. Wenn du / kannst gleich wieder gehen! Na von mir aus, gehe ich wieder! Bin ich zum Personalchef gegangen, hab gesagt: Hier, der will mich nicht haben. Was denn nun? Ach, gehst du mal in den Umweltschutz hoch und meldest dich dort. Gut, in den Umweltschutz hoch, gesagt: Hier, ich soll bei euch arbeiten (lacht). #01:36:06-7#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:36:06-7#

Gerd Schneider: Woher kommst denn du? Ich sage, ich sollte eigentlich in die Vermessung. Aber ich soll bei dir arbeiten. Wir haben uns da geduzt. Und der der Chef war dort, den kannte ich gut. Ja, sagt er, ist gut. Du hast doch Vermessung gelernt. Ich sage ja. Weisst du was du machst? Wir suchen jemand für das Umweltkataster der Wismut, der das zeichnet. Ich sage gut. Wusste ja nicht, was das ist so richtig, ne. Gehst du mal dort und dort. Da ist ein Vorarbeiter, der zeigt dir das. Der hat mir immer Karten gezeigt. Und da wurde damals - die Wismut als Ganzes - da wurde laut / mit dem Koordinatensystem Gauß-Krüger, mit einem ganz normalen Koordinatensystem wurde auf die Flächen wurde ein Raster gelegt. 20 mal 20 Meter. Also immer, also Vierecke, immer alle 20 Meter ein Punkt und dann quer hoch und das waren dann Vierecke. Und auf jedem Punkt, wo sich das kreuzt, ne, da die Koordinaten, wurde die Ortsdosisleistung gemessen. Also dass in einem Meter Höhe, was da an Radium im Boden ist. #01:37:19-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) Okay. #01:37:22-6#

Gerd Schneider: Wurde festgestellt, ist da der Boden kontaminiert oder nicht. Das war wichtig für die spätere Sanierung. Und wie hoch ist es kontaminiert. Und da hatten wir einen großen Trupp Arbeiter, die haben den ganzen Tag nichts anderes gemacht, als wie diese Flächen abgelaufen. Die hatten dann Karten und haben Flächen abgelaufen, immer alle 20 Meter. 20 Meter so, 20 Meter rüber. (unv., #01:37:44-2#) gegangen und haben das gemessen und haben das aufgezeichnet und uns dann übergeben. Und wir haben das / die Karten mit Hand gezeichnet teilweise. Mit einem Rechner war noch nichts 91 [1991]. Mit der Dimension von der Sache her, ne. Und sowas habe ich dann gemacht. Ich habe dann diese ganzen Daten mit erfasst, diese Karten erstellt, gezeichnet. Das war eigentlich eine interessante Arbeit. Das erste was mir der Vorarbeiter gezeigt hatte, das war wo sie eine Straße gemessen hatten. Und da war die Straße, da war ja das Blatt zu Ende. Hier ging das Blatt weiter, auf einem neuen Blatt die Straße. Und da hat er hier gemessen Punkt Nummer 98. Und auf dem nächsten Blatt ging es weiter: 98. Ich sage: Warum hast du hier zwei mal die gleiche Zahl? Ach, sagt, bist eine halbe Stunde hier und da siehst du das schon, dass wir das / dass ich hier einen Fehler drin habe. Das gefällt mir nun gar nicht (lacht). #01:38:35-6#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:38:34-5#

Gerd Schneider: Hat er einen Fehler drin gehabt. Zwei mal das Gleiche, musste das ganze andere Blatt ändern. Mit dem habe ich dann gearbeitet. Lüring Reiner. Und da haben sie mir gesagt, dass ich mich einfitzen soll bei ihm. Weil der hat Krebs gehabt. Da haben sie gedacht, dass vielleicht irgendwann mal der länger krank ist und so. Und da habe ich dem seine Arbeit gemacht, war dann im Umweltschutz. Habe auch meinen Vertrag gekriegt als Arbeiter Umweltschutz. In einer ziemlich niedrigen Lohnstufe, sonst wäre die hohe Abfindung nicht raus gekommen. Habe das mit denen gemacht. Das hat aber nicht lange gedauert, bis das ganze Lohngefüge umgewälzt wurde wieder nach einem Jahr. #01:39:15-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:39:15-5#

Gerd Schneider: Wurden wieder aus den Lohngruppen, die wir in DDR-Zeiten / wurde alles neu gemacht. So, sind wir eingestuft worden nach ihrer Qualifikation und alles. Und da ich Meister war und alles, habe ich natürlich dann wieder eine Lohnstufe gekriegt ... #01:39:28-4#

Astrid Kirchhof: ... die höher war. #01:39:28-4#

Gerd Schneider: ... die in den neuen, in das neue System gepasst hat. #01:39:30-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:39:31-1#

Gerd Schneider: Da hatte im Prinzip schon wieder gut gemacht, ne. Bin auch Vorarbeiter sofort geworden. Dann habe ich Aufgaben gekriegt, bestimmte Messungen zu machen mit Radon und Radonfolgeprodukten und sowas. Also nicht mehr bloß diese Karten in OTL. Haben sie mich mit einem los geschickt. Das war auch ein Vorarbeiter. Messgerät, haben wir gemessen. Ich sage: Und was ist denn das jetzt hier? Der hat das zwanzig Jahre schon gemacht schon zu DDR-Zeiten. Weiß ich nicht. Ich sage, du musst doch wissen, was das hier bedeutet. Was das ist, wieviel das ist. Was hast du denn früher gemacht? Ja früher, wir mussten dann melden, wieviel Impulse da sind. Wir wussten, bei so und so viel Impulsen, müssen wir den Arbeitsort sperren. Untertage haben die das gemacht, ne. Und das haben wir immer dem Chef gegeben und der hat das dann ausgerechnet. #01:40:23-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:40:23-7#

Gerd Schneider: Da habe ich gesagt, das kann doch nicht sein. Ihr müsst doch wissen, was ihr da messt hier. Habe ich Fachlteratur gewälzt selber, habe mir so ein Blatt gemacht, habe dann drauf geschrieben: MEV das bedeuted das und das. Radon das und das. Die Werte dürfen das und das nicht übersteigen, ne. Das habe ich dem dann gegeben. Ich sage: Hier kannst du mal gucken, was du hier misst. Damit du Bescheid weißt. Hat ihn aber nicht so richtig interessiert. Der Chef hat das mitgekriegt, dass hier irgend jemand ist, der sich ein bissl mehr kümmert. Und mein Leiter, der hieß Bahn Eckart. Der sagte dann: Gerd, komm mal her! Pass auf, es wird die erste Halde abgetragen. Vorher wurde die / eine Halde wurde ja noch nicht abgetragen. Aber es gab in Gessen da gab es eine Halde, die wurde angefangen zur Verlängerung vom Tagebau und von dieser Trasse hier. Da sollte eine Trasse gekippt werden, das ist der Tagebau, da sollte eine Straße gekippt werden, die bis ins Tagebautiefste geht. Und davon hat man Material genommen von einer Halde. Das war eine Halde, die war mit Säure wurde die gelaugt übertage. Das kann man jetzt nicht so ohne / mit drei Worten erklären. #01:41:39-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:41:39-1#

Gerd Schneider: Und von der Halde hat man Material genommen und hat mit den 55 Tonner Kippern diese Straße gekippt. Die sollte dann hier so rum und bis runter gehen. #01:41:46-9#

Astrid Kirchhof: Okay. #01:41:46-9#

Gerd Schneider: Das hat das Bergamt spitz gekriegt. Und haben gesagt, das geht nicht mit dem Haldenmaterial. Das sind Haldenabtrag ist das. Kann man nicht machen. Und haben das gestoppt. Und die Wismut hat eigentlich gesagt: Nee, das ist kein Haldenabtrag, das ist ein Trassenbau. Haben sich auch nicht darauf eingelassen. Die Autos wurden - 55 Tonner großen LKWs, die wir hier auf dem Bild haben - die wurden abgestellt mit Ladegräten und allem. Und die Leute wurden in Kurzarbeit geschickt. Und mein Chef ist dann auf die Idee gekommen - wo die wirklich die erste Halde die Genehmigung war abzutragen - Gerd du überwachst die mal, was da alles so passiert jeden Tag. Jeden Tag. #01:42:26-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:42:26-0#

Gerd Schneider: Da kriegst du ein Auto, hier hast du ein Auto. Kriegst einen Mann dazu, das war der Vorarbeiter. In der Zwischenzeit war ich ja selber auch der Vorarbeiter, ne. Und ihr zusammen tut mal die Halde überwachen. Und zwar ist das, wenn man von der Autobahn kommt, nach Ronneburg rein - seid ihr da gefahren? Autobahn Ronneburg? #01:42:45-2#

Astrid Kirchhof: Ronneburg Autobahn? Nee, wir sind anders gekommen. #01:42:53-9#

Gerd Schneider: Wenn ihr in Ronneburg seid, da gibt es ein Autohaus. Honda-Autohaus. Das ist, wenn man aus Ronneburg raus fährt zur Autobahn, am Ende von Ronneburg die Straße. Also das ist fast das Ende, das riesengroße Honda-Autohaus. Dann geht es weiter zur Autobahn, Kreisverkehr. Das Honda-Autohaus, das kann man eigentlich nicht übersehen. Das Gelände nennt sich Fuchsschwanz und da war eine Halde drauf. Die war nicht riesig, aber das war die erste, die abgetragen worden ist. Direkt an der Straße, ne. #01:43:17-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:43:17-5#

Gerd Schneider: Das Honda-Autohaus gab es nicht, das war alles Halde. Und da hat er mir die Aufgabe gegeben, überwach das mal. Tust du aber so überwachen, dass du den Abtrag überwachst. Also das heißt Emission, was an Dreck entsteht. Aber auch die Leute, die dort wohnen, immer derjenige, der am nächsten vom Haus / dem sein Haus am nächsten von der Halde ist, was Immission, was der abkriegt. Ob der Staub abkriegt, ob der Radon abkriegt. Lass dir mal was einfallen! Habe ich Messtechnik freie Hand gehabt, was ich nehmen wollte. Da gab es damals ein amerikanisches System, das war ganz neu. Und habe Auto gekriegt und habe angefangen zu messen dort. Und habe jeden Tag dokumentiert. Und da dachte ich mir, naja, du kannst ja mal Fotos machen, wie das so vorwärts geht, wie die Autos sind. Habe ich dort Staub gemessen, Windrichtungen, Wetter fest gehalten. Jeden Tag gemacht. Radon gemessen und so weiter. Bis die Halde abgetragen war. Hatte ich paar Erlebnisse dabei, aber das würde den Rahmen jetzt auch wieder sprengen, was da alles passiert ist. Halde war weg, dann wurde auf der Halde wieder so ein Raster gelegt. Aber nicht 20 Meter. 10 mal 10 Meter. Alles was eine bestimmte Höhe hatte, wenn du 20 Meter hast du was (unv., #01:44:26-8#) eine bestimmte Höhe erreicht hat, zu hoch war von den Werten her, wurde verkleinert auf 10 Meter. Wurde dann noch mal dazwischen 10 Meter, also Wahnsinnsaufwand. Sind weiß nicht wieviel Messpunkte in der Wismut - Millionen, die da erfasst worden sind. Das wurde dann auf der Halde auch gemacht. Nochmal gemessen. Dann wurde, wo das in Ordnung war, (unv., #01:44:45-9#) da wurde der aufgefüllt. Und dann wurde die übergeben. Und ich hatte meine Unterlagen alles fertig, mit Fotos. Das waren dann zwei solche Ordner gewesen. Mit dem Förderweg, was die / wieviele Kipper so ungefähr gefahren sind. Das Zeug will der Betriebsdirektor mal sehen, was du hier gemacht hast. Das habe ich eigentlich für mich alles gemacht. Ich konnte aber nichts verkehrt machen, weil ja noch keiner was, noch niemand eine Halde abgetragen hat. Da hat erst mal der Hoffmann, der Betriebsdirektor hier, bemängelt, die Fotos sind schlecht. Das waren Polaroids. Ich sage: Naja, ich hatte keinen anderen Apparat. Ich hab das bloß mit Polaroid gemacht von mir aus. Hätte aber bissl besser sein können. Und da kam mein anderer Chef und sagte: Hier pass auf, deine Arbeit, die wird als Grundlage genommen für alle Haldenabträge, die bisher oder die in Zukunft gemacht werden müssen. (unv., #01:45:38-1#) so muss es ungefähr sein, dass man die Halde betrachtet und dann die Leute, die drum rum wohnen, was die als Immission abkriegen. Die können sich ja beschweren. Ich habe Staub, ich habe das abgekriegt, ne. Das nennt sich SSA, Strahlenschutzanweisung. Die wurden im Prinzip für jedes Projekt wurde so eine Strahlenschutzanweisung gemacht im Bergbau bei uns im Uranbergbau. Und da ist das Grundlage, also steht da jetzt zum Beispiel drin, dass dort, dort, dort in Windrichtung ein Messpunkt aufzubauen ist. Und dort, dort, dort an dem Haus, wo Leute wohnen, ebenfalls zu messen ist. Und was alles zu messen ist. Das war eigentlich das, was ich angefangen hatte. Und da war ich im Prinzip groß raus. Hatte wieder was gemacht, was noch niemand gemacht hatte. Das hat mir eigentlich meine ganze Zeit dann weiter auch immer wieder geholfen. Der Bahn Eckart, der musste Berichte dann schreiben, wo dann Haldenabträge los gingen, musste der Berichte schreiben ans Ministerium alles. Wenn der krank war, habe ich mir das angeguckt, habe ich die selber gemacht. Habe sie ihm dann vorgelegt. Bis er dann gesagt hat: Naja, wenn du das auch kannst, muss ich es ja nicht mehr machen. Da machst du das. Ich hatte dann mein eigenes Büro für mich alleine, mein Computer für mich. Habe meine Arbeit gemacht, ne. Der hat sich dann nur noch das angeguckt, ob das auch richtig gewesen ist. Und dann habe ich angefangen die Berichte zu machen und so weiter. Das hat richtig Spaß gemacht mir dann, diese Arbeit, ne. Das war richtig toll gewesen. Ja, dann 96 [1996] meine Tochter, die hatte (...) das Abi versaut. Hat mir nicht gefallen, was die im Abi für eine Note hatte. Und da hab ich zu ihr gesagt, ich nehm dich raus von der Schule. Da war sie natürlich nicht begeistert. Ich sage, na mit so einer schlechten Note hier, da brauchst du dich mit einem schlechten Abi nirgends bewerben. Da kannst du, da kannst du dich auch mit deiner 10. Klasse, mit deiner Eins bewerben. Du fängst bei der Wismut an! Das hat ihr nun gar nicht gefallen. Habe sie aber gezwungen im Prinzip dazu, ne. Hat sie dann zähneknirschend gemacht. Den ersten Tag, wo sie bei der Wismut anfangen sollte, ist sie zu ihrer Mutter gekommen. Also einen Tag vorher. Arm verbinden. Sagt meine Frau: Was hast denn du? Sehnenscheidentzündung, ich bin krank geschrieben. Na, sagt sie, das brauchst du mir nicht erzählen, das kannst du deinem Vater erzählen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder du zerreißt deinen Krankenschein selber oder der zerreißt ihn (lacht). Nächsten Tag war sie natürlich, wo sie auf Arbeit sollte, ihren ersten Lehrtag, war sie auf Arbeit. Zähneknirschend zwar (unv., #01:48:12-5#) wenn du bei mir ins Büro kommst, hast du anzuklopfen, wie jeder andere. Nur dass du Bescheid weißt! Nicht weil du meine Tochter bist. Du wirst sehen, ich mach doch mein Abitur! Ich sage, schön, kannst du ja machen. Hat dann auch ihre Lehre gemacht bei uns. Jetzt bin ich ein bissl abgeschwiffen von vorher, geht aber ganz kurz. Hat auch die Lehre gemacht bei uns, hat sie auch mit sehr gut abgeschlossen. Hat ein Studienplatz gekriegt ab September. Da hat die Wismut einen Fehler gemacht wieder. Die haben die / weil die war in der Jugendvertretung und die Jugendvertreter müssen übernommen werden. Die wussten aber genau, dass sie nach zwei Monaten studiert. Und da hat der Personalchef der Wismut, der kaufmännische Direktor der Wismut und der Personaldirektor der Wismut, die haben Anzeige gegen meine Tochter erstattet, dass sie sie nicht übernehmen brauchen. Ging direkt vor Gericht. Also die haben gesagt, hier so und so, wir übernehmen die nicht. Die hat ja nur den Antrag gestellt, die zwei Monate zu arbeiten. Du musst ja als Lehrling dann einen Antrag stellen, dass du arbeiten möchtest. Die zwei Monate, das wussten die ganz genau. Da haben die dagegen geklagt, dass sie die nicht einstellen wollen. Und die war ja in der Jugendvertretung. Da bin ich dann zum Betriebsratschef hoch. Ich war ja nicht mehr frei gestellt. Ich sage, was soll denn das und so. Die wollen, dass die hier nicht übernommen wird. Ich sage: So ein Quatsch, hier die will doch sowieso studieren. Ja, das ist aber jetzt vor Gericht mit / gibt es einen Gerichtsentscheid. Ich sage, ja von mir aus. Ich sage, ich nehme mir einen Rechtsanwalt und gut. Ja, wenn du zuviel Geld hast! Das war nämlich dieser Herr Jung wieder. #01:49:42-7#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:49:42-7#

Gerd Schneider: Wenn du zuviel Geld hast, musst du es machen! Ich sage, naja gut. Habe ich Betriebsverfassungsgesetz genommen, zum Rechtsanwalt gegangen, habe denen alles erklärt. Na gut, wieder zurück. Ich sage, wer wird denn übernommen? Das will ich mal wissen. Das weiß ich selber nicht, sagt er, wer übernommen wird. In den Rechner geguckt, Wismut eingegeben und so Zeug, ne. Da war ein Bild drin, wer alles übernommen wird. Da waren drei dabei, die haben gar nicht zur Jugendvertretung gehört. Aber es waren die Kinder von Personalleitern. #01:50:11-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:50:12-3#

Gerd Schneider: Da habe ich gesagt: Hier, damit du auch mal weißt, wer übernommen wird. Ich habe das mal ausgedruckt mit Bild. Da ist ihm fast das Gesicht eingeschlafen, ne. Kam dann zur Gerichtsverhandlung. Da hat die Richterin gesagt, die Kinder - also die, das waren zwei Mädels sind das - die Mädels sind zu übernehmen von der Wismut. Weil die in der Jugendvertretung waren. Die müssen übernommen werden, weil die / die haben den Fehler gemacht, weil sie eine einzige übernommen haben, die das nicht war. Wenn die gar niemanden übernommen hätten von denen, wäre das gar nicht passiert. Aber wenn du einen einzigen übernimmst, der nicht drin war, sind die anderen auch zu übernehmen. Entweder gar keiner oder die von der Jugendvertretung. Da haben die noch gesagt, ja die kriegen 9999 Mark Abfindung. 10000 wegen / wenn es auf 10000 geht ist der Streitwert wieder anders. #01:51:01-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:51:01-2#

Gerd Schneider: Da musst du wieder mehr bezahlen. Die sind von der Arbeit frei zu stellen bis das alles gültig ist, kriegen aber ihren vollen Lohn und kriegen die letzeten zwei Monate bezahlt. Na denen ist fast das Gesicht eingeschlafen da. Der Betriebsratsvorsitzende, der Jung, der hat mich fast nicht mehr gegrüßt. Da haben dann die Rechtsverdreher, die Rechtsanwälte von der Wismut gesagt: Naja, dagegen können wir ja noch Protest einlegen. Das können Sie ruhig machen, sagt die Richterin. Erst holen wir uns eine neue Richterin! Ja, das können Sie auch machen, sagt sie. Aber für W wie Wismut bin ich verantwortlich. Und das wird nicht besser, das wird höchstens noch schlimmer. #01:51:30-4#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:51:30-4#

Gerd Schneider: Da haben die Mädels nicht mehr gearbeitet, haben ihr Geld gekriegt zwei Monate, haben die Abfindung gekriegt und haben ab September studiert. Also das war Irrsinn, was die gemacht haben. Hätten sie einfach die zwei Monate gelassen, dann naja. Das war bloß neben bei. #01:51:44-3#

Astrid Kirchhof: Also hat die Wismut geklagt, dass sie die Tochter nicht übernimmt. #01:51:50-1#

Gerd Schneider: Nichtübernahme. #01:51:50-1#

Astrid Kirchhof: Weil sie Ihnen nicht geglaubt hat, dass sie studiert oder? #01:51:54-4#

Gerd Schneider: Ja doch, die haben das gewusst. Aber die wollten diese zwei Monate nicht nehmen hier. #01:51:58-3#

Astrid Kirchhof: Für die zwei Monate? #01:51:59-2#

Gerd Schneider: Oder die haben Angst gehabt, dass sie vielleicht das Studium nicht machen, ich weiß es nicht. #01:52:02-0#

Astrid Kirchhof: Ach so, dass #01:52:04-4#

Gerd Schneider: Dass sie vielleicht bleiben oder wenn was ist, dass sie dann bei der Wismut bleiben wollen. #01:52:07-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:52:08-2#

Gerd Schneider: Tja, war mir damals auch ein Rätsel. #01:52:09-7#

Astrid Kirchhof: Was hat dann die Tochter, muss ich noch mal kurz fragen, studiert? Hat das was mit der // #01:52:16-6#

Gerd Schneider: // die hat dann BWL studiert. Als erstes. War das erste Studium dann. Hat sie BWL gemacht. Ja, die hat ja noch das Abi nach gemacht sofort auf einer Schule. Und dann BWL studiert. Weil, die hat es mir bewiesen, dass sie es doch macht. #01:52:29-3#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:52:29-3#

Gerd Schneider: Aber das war eben der Druck. Bei der Wismut waren sie eben bloß erstaunt, dass die mit / dass die sich mit einem Zeugnis, 10-Klassenzeugnis von Eins Komma Null, bei der Wismut bewirbt, ne. Und da hat sie der Kommission geantwortet - hätten sie mir zwar nicht sagen dürfen - und zwar die hat geantwortet: Ja, weil mein Vater das will! Die war richtig sauer gewesen. Aber naja. Hat es trotzdem geschafft. Na jedenfalls habe ich dann damals diese, diese SSA wurde dann gemacht. Ich hatte mein Büro, habe diese Berichte geschrieben und so hat sich das immer weiter entwickelt. Diese Kipper, die standen immer noch im Tagebau, sind immer noch nicht gefahren. Da hatte die Wismut dann sich an die Öffentlichkeit gewendet. Das waren ja Steuergelder, wenn die Kipper dort stehen ohne zu fahren. Das war das mit der Gessenhalde. Wollten die Gessenhalde abtragen. Hatten die die OTZ eingeladen nächsten / einen Tag. Dass die darüber berichtet, wie die Steuergelder da verschwendet werden, dass die Autos dort stehen. Die OTZ hatte sich auch angemeldet an einem bestimmten Tag und da bin ich zum Direktor bestellt worden und zu meinem Umweltschutzleiter Hinke. Gerd, wir haben ein Problem! Ich sage, was denn? Der Direktor: Wir haben heute einen Termin mit der OTZ wegen diesem / weil die Kipper dort stehen. Wir haben aber auch jetzt die Nachricht gekriegt, dass Ende der Woche die Genehmigung für den Abtrag kommt, also die Kipper wieder gehen. Und da tun wir jetzt, wenn wir das jetzt so machen mit der OTZ, das ist ja dann ein Eigentor, ne und so. Wir wollen ja nicht das Bergamt weiter verärgern und so. Du tust den von der OTZ begleiten. Lass dir mal was einfallen! (lacht) Ist kein Witz, ne #01:54:06-5#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:54:05-1#

Gerd Schneider: Ich sage, und die Kipper? Die Kipper sind weg! Na ich bin mit den OTZ gefahren an den Platz, wo die Kipper stehen. Na, sind wir dort hin gefahren und ich sage: Und hier standen eigentlich die Kipper, die für den Haldenabtrag gedacht waren. Ja, sagt der, aber die stehen doch nicht da. Ich wollte doch ein Foto machen. Ich sage, die stehen ja nicht da. Warum stehen die nicht da? Ich sage, na wir können die Kipper nicht einfach stehen lassen. Die haben wir nicht für den Haldenabrag benutzt, die haben wir dafür benutzt um Sand zu fahren oder anderes Material zu bewegen. Aber nicht für den Haldenabtrag. Aber sonst sind die immer im Einsatz. Na so ein Quatsch! Da brauch ich doch auch nicht drüber berichten, wenn ihr die trotzdem benutzt! Ich sage, nee eigentlich nicht. Da sind sie wieder weg gefahren und mein Chef sagt: Hast du prima hingekriegt (lacht)! #01:54:50-0#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:54:50-6#

Gerd Schneider: Die wollten gar nicht sich da mit reinziehen lassen. Ja dann wurde die erste Halde abgetragen und da habe ich das angefangen zu überwachen. Messnetz aufgebaut und das hat sich dann immer mehr ausgebreitet. Und das ganze Gebiet Wismut. Ich hatte dann Messpunkte zu betreuen in Unmengen. Ich hatte dann mehrere Leute, fünf bis sechs Mann, die die Messungen gemacht haben. Und ich habe im Prinzip in meinem Büro kontrolliert, ob die Messgeräte richtig stehen, wo sie stehen. Dann die Daten erfasst, bearbeitet, Qualität gesichert. Die müssen ja gesichert werden. Manchmal hat man ja Werte, die nicht stimmen, nicht sein können. #01:55:28-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:55:28-1#

Gerd Schneider: Und lauter solche Sachen habe ich dann gemacht. Also Büroarbeit überwiegend. Und habe das erfasst und Berichte gemacht da drüber. Monatlichen Bericht, wöchentlichen Bericht an den Betrieb. Und monatlichen Bericht. Und dann wurde das ein Jahresbericht und bis an die Behörden. An das Bergamt und im Ministerien, wurde das auch jedem geschickt. Die haben dann wieder Leute geschickt, die haben uns kontrolliert. Die haben parallel Messpunkte aufgestellt und haben geguckt, ob das auch sein kann. Das war eigentlich ein schöner interessanter Job, hat viel Spaß gemacht. #01:55:59-1#

Astrid Kirchhof: Kam dann irgendwann auch Computerarbeitsplätze? #01:56:04-3#

Gerd Schneider: Ja, ich habe dann ab / also im Prinzip ab 95 [1995] habe ich Computer gehabt, 96 [1996] habe ich mein eigenes Büro gehabt. Habe ich dann Bilder davon. Habe dann selbständig im Prinzip in meinem Büro gearbeitet. #01:56:17-9#

Astrid Kirchhof: Wann / bis wann eigentlich? Bis zu welchem Jahr? #01:56:17-9#

Gerd Schneider: Bis wann? #01:56:21-8#

Astrid Kirchhof: Bis wann haben Sie da // #01:56:23-4#

Gerd Schneider: // bis zur Rente. #01:56:23-4#

Astrid Kirchhof: Ja, wann war die (lacht)? #01:56:24-6#

Gerd Schneider: (lacht) Das war, ich habe 2018 noch einen Unfall gehabt. Im August. Habe ich mir hier alle Sehnen zerrissen, die es gibt im Arm. Da habe ich noch kurzzeitig ein bisschen gearbeitet. Trotz, dass die gerissen war, weil das ewig gedauert hat, eh die (...) mir zugesagt hatten wegen der OP. Habe dann / war dann im Prinzip krank fast zur Rente. Das war am 1.März jetzt. #01:56:55-6#

Astrid Kirchhof: Ach so bis jetzt. Aha. Okay. #01:56:52-3#

Gerd Schneider: Das habe ich mir auch anders vorgestellt meinen Abgang. Habe ich denen auch gesagt, aber ging ja nicht anders. Bin am 1.11. dann operiert worden und da / wenn die Sehnen alle kaputt sind und die zusammen / da sind ungefähr drei Monate bis vier Monate eh man die wieder bewegen kann. #01:57:12-4#

Astrid Kirchhof: Ist jetzt besser? #01:57:13-7#

Gerd Schneider: Na ich kann ihn heben, aber nicht ganz. #01:57:15-4#

Astrid Kirchhof: Okay. #01:57:17-5#

Gerd Schneider: Im Sessel schlafen. Drei Wochen nur im Sitzen. Nicht liegen. Ne, das war schon hart. In der Zeit im Umweltschutz habe ich mich immer weiter entwickelt. Also ich habe im Prinzip jeden, jeden Lehrgang, den es gab und wo ich die Möglichkeit für Computer alles gemacht. Ich habe Unmengen Computerlehrgänge gemacht. Excel, Word, Tabellenkalkulation. #01:57:38-3#

Astrid Kirchhof: Echt? #01:57:38-6#

Gerd Schneider: Weil ich auch Tabellen gemacht habe und solche Sachen. Ich habe dann Lehrgänge gemacht im Lärmwissen. Wo ich den Lärmlehrgang hatte, habe ich dann Vertreter gemacht für den Beauftragten für technische Arbeitshygiene. Das ist im Prinzip ein höherer Job als wie Arbeiter, und zwar hat der kontrolliert auf Arbeit Licht, dann Staub. Das war sowieso mein Fach radioaktiv. Staub. Und dann Vibration. Vibrationsschäden. Dann Lärm an Arbeitsplätzen. Wir haben ja viele Arbeitsplätze eben in Werkstätten und so was mit Lärm. Das wurde jedes Jahr alles erfasst. In der Wäscherei - nur so ein paar Punkte. Der hat so einen Job gehabt. Und dann hat er gehabt bei der Bevölkerung um die Halden herum, wo die Leute wohnen. Was da für eine Lärmemission ist, also was dort ankommt. #01:58:33-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #01:58:33-1#

Gerd Schneider: Das war eigentlich mit der Hauptjob. Gab es auf jeder Halde gab es so ein Messnetz, wo die Leute, immer die Leute, die am nächsten von den Halden wohnen, wurde jede Woche einmal gemessen. Und in manchen Punkten einmal im Monat. Das wurde erfasst in Tabellen. Nicht dass sich mal jemand beschwert hat, die Wismut hat ein Haufen Krach gemacht. Und da bin ich dann auch sehr, sehr viel rum gekommen. Ich habe dann den Verantwortlichen gemacht, erst mal in Zwickau an der Halde für das Messnetz. Weil die Leute dort in Rente gegangen sind. Da habe ich also in Grossen, in Zwickau die ganze Ecke mit gehabt. Radioaktiv. Ich hatte meine Fachkunde in Strahlenschutz gemacht. So eine staatliche Anerkennung ist das. Da kann man Strahlenschutzbeauftragten machen. Habe ich das alles mit gemacht. Dann parallel dazu noch ganz Ronneburg. Beerwalde, Drosen, die ganzen Schächte habe ich alles mit gemessen und meine Messpunkte aufgestellt. So wie es in der SSA steht. Kontrolliert wenn die Leute dort - viele kuriose, sehr viele kuriose Sachen erlebt in der Zeit - also das war manchmal unglaublich. Einmal haben sie von meinem Auto das Nummernschild gefunden, von meinem Dienstwagen. Das in der Mittelschicht einer benutzt hat. Das war dieser (unv., #01:59:51-2#) der gesagt hat, hier - der hat zwei Feinde - sagt er: Hier ich habe noch was für dich. #02:00:00-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:00:02-7#

Gerd Schneider: Dein Nummernschild. Na wo hast du denn das gefunden? Na dort und dort. Was hat denn dein Mann dort zu suchen? Ich sage, ich weiß ja auch nicht was. Sagt er, fahr mal hin! Bin ich dort hin gefahren an die Stelle - ich dachte, mich trifft der Schlag - wo der das Nummernschild verloren hat. Da lagen vielleicht hundert, hundertzwanzig Büchsen Bier. Leere. Der in der Mittelschicht (lacht) immer dort hin gefahren, hat eine Büchse Bier getrunken und hat die raus geschmissen und ist weg gefahren. #02:00:23-8#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:00:23-8#

Gerd Schneider: Ich glaub (unv., #02:00:25-6#) bei hundertzwanzig haben wir aufgehört zu zählen. Haben wir gesagt, wie kannst du so sein immer an der selben Stelle? Und da hat er das Nummernschild verloren. Von meinem Dienstwagen in der Mittelschicht. #02:00:35-5#

Astrid Kirchhof: Das war aber schon dann in der Sanierungszeit die Mittelschicht. #02:00:41-1#

Gerd Schneider: In der Sanierungszeit war das. Ein anderes Mal, da sind wir auf der Halde gewesen. Wir haben da Messpunkte gehabt. Da war an einer Absetzerhalde, da war zum Wohngebiet war eine Messeinrichtung mit einer Rundumleuchte oben drauf. Und da drin war ein Messgerät, das hat den Staub gemessen kontinuierlich. Und wenn die Rundumleuchte anging durften die nicht mehr kippen. Weil dann der Staub da runter gezogen ist. #02:01:01-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:01:01-7#

Gerd Schneider: Das haben die nicht gemacht. Das habe ich mir mit meinem Arbeitskollegen ein ganzes Stück angeguckt. Habe den Feierer gerufen. Ich sage: Guck mal, die Leuchte brennt. Die grad erst angegangen! Die ist nicht angegangen, ich stehe schon eine halbe Stunde hier. Da siehst du mal, wieviel Zeit ihr habt! #02:01:16-6#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:01:16-6#

Gerd Schneider: Na, wir haben auf dich gewartet, dass du mal hier langsam unterbrichst deine Arbeit. Die Leute da unten, die kriegen den ganzen Staub ab. Die ist trotzdem grad erst angegangen. Kannst du mir nicht erzählen! Ich sage, komm mit! Rechner angeschlossen. Zack. Hier, da konntest du genau sehen, Uhrzeit, wann sie angeht oder wie hoch die Staubkonzentration ist. Hat nämlich einen Grund gehabt. Wir haben mal im Winter an der Stelle Abtrag gemacht. Und da ist eine Staubwolke im Winter ist dort über den Hang gezogen über eine Wiese und auf ein Grundstück zu. #02:01:43-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:01:43-7#

Gerd Schneider: Und der da unten hat grad ein Schwein geschlachtet gehabt und das Schwein das hing im Garten bei dem. Und der Staub ist da drüber gezogen und dadurch dass Schnee war hat man den grauen Staub überall gesehen. Das war natürlich für den gefundenes Fressen gegen die Wismut. Hat er Ärger gemacht. #02:01:59-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:01:59-5#

Gerd Schneider: Und wollte das Schwein bezahlt haben von der Wismut. Unsere Leute mussten dann hin. Das war auch kurios. Wir haben dann diese Wiese mit Schubkarren und Schneeschiebern haben wir den Schnee weg geschafft. Weil da Staub drauf war, radioaktiv, also kontaminierter leichter. Dann das Schwein. Da haben wir gewaschen die Hälften. Und haben gesagt, er soll die Wurst machen und die Wurst soll er uns dann geben von jedem Ring. Also von jeder Wurst ein Ring. Das hat er auch gemacht. Und dann haben wir die ans Bundesamt für Strahlenschutz, die Wurst geschickt. #02:02:32-8#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:02:32-8#

Gerd Schneider: Nach Berlin. Und die haben das dann getestet, ob da was / Rückstände sind. Und das ging eben da drum, dem die Sau zu bezahlen, ne. Die haben dann geschrieben, dass nichts ist. Aber wenn wir mal wieder mal so eine schöne duftende Wurst, dann können wir sie ruhig schicken (lacht). #02:02:46-5#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:02:52-3#

Gerd Schneider: So ungefähr (lacht). Das waren so ein paar kuriose Sachen, die wir da erlebt haben. Also mit der Wurst. Wir haben auch Leute gehabt - und das steht auch viel in der Literatur drin, dass die Pilze sehr schädlich sind. #02:03:01-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:03:01-1#

Gerd Schneider: Durch Tschernobyl, weiß man ja, ne. Schwermetall, da wachsen Pilze. Bei uns auf der Halde sind wunderbare Rotkappen gewachsen. Unmengen. Und wenn wir da Pause hatten oder hatten dort zu tun, haben wir einen Eimer genommen. Und da hattest du in zehn Minuten einen Eimer voll Rotkappen. Da haben sie aber gesagt viele, die sind giftig, die sind Schwermetall, die haben viel. Da haben wir dann Pilze gesammelt. Die haben wir dann auch ans Bundesamt geschickt. Nicht wegen uns jetzt, sondern wegen der Bevölkerung, weil die gesagt haben, die sind stark kontaminiert. Stimmt ja, Pilze tun Schwermetall aufnehmen und wachsen dann besonders gut. Und da haben die gesagt, aber nicht im Jahr hundert Kilo oder fünfzig Kilo war es, ist - ich glaub fünfzig Kilo war es - das ist total ungefährlich. Fünfzig Kilo Pilze tut kein Mensch im Jahr essen. Das gibt es nicht. Also es ist im Prinzip auch unbedenklich. Die haben einen Nachweis okay, aber da könnte man noch viel erzählen, was man so erlebt hat. Einmal hatte ich was mit meinem Arbeitskollegen. Da sind wir auf Kontrollfahrt gewesen und wir hatten eine Aussichtsplattform, da konnte man schön in den Tagebau rein gucken. Da haben wir gesagt, komm wir gucken mal, was sich unten tut. Sind auf die Aussichtsplattform ganz normal mit unseren Warnwesten. Haben auf der Aussichtsplattform gestanden. Es war gar nicht viel los unten. Einmal ist Wasserparken gekommen, Kipper gekommen, geladen. Und die haben gearbeitet wie verrückt. Und dieser Feierer kam wieder. Dieser Chef. Und der hat einen Stress gemacht. Was macht denn ihr hier? Wir gucken mal, was ihr macht hier. Mensch sagt er, da wollen / kommen welche vom Ministerium oder sonst woher. Nu, ich habe extra alles zurück gehalten. Die sollen mal hier rein fahren mit Wasserwagen und so, um denen das mal zu zeigen, wie das so abläuft. Jetzt haben die euch gesehen, dann sind die alle los gefahren. Die haben gedacht, das sind die schon! #02:04:40-8#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:04:40-8#

Gerd Schneider: (lacht) Hat er über Funk gerufen, dass alle wieder zurück sollen auf ihre Ausgangspositionen. Wir sind weg gefahren. Und wie wir dann noch mal dort ran gefahren, haben wir gesehen, wie er im Gebüsch gehangen hat mit seinem Mikro und alles. Und da hat er gedroht hier. #02:04:52-0#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:04:55-0#

Gerd Schneider: Das waren paar lustige Sachen. (...) Dann habe ich nebenbei eben neben dem Haldenabtrag hier diese Vertretung gemacht habe für den von der technischen Arbeitshygiene, der ist dann länger krank geworden und ganz ausgefallen, wegen einer Krebserkrankung. #02:05:14-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:05:14-9#

Gerd Schneider: Und es hatte nun keiner weiter die Qualifikation gehabt, die ich so nebenbei schon immer gemacht hatte. #02:05:31-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:05:31-3#

Gerd Schneider: Also Lärm, ich hab es gar nicht gebraucht bis dahin. Ich habe gedacht, ach ich mach das mit. Bebra einwandfrei eine Woche. War interessant, ne. Habe ich dann dem sein Job automatisch mit übernommen. Und das ist ziemlich gut gelaufen. Es hieß dann, ich soll in die Personalabteilung gehen, meinen neuen Arbeitsvertrag unterschreiben. Und da war ich dann ab 19 hundert, glaub ich 83 [1983] oder 82 [1982], 92 [1992], 93 [1993] war ich dann technischer Angestellter. Also das was ich eigentlich vorher im Ingenieur gemacht hatte. #02:05:51-7#

Astrid Kirchhof: Ach so. #02:05:51-7#

Gerd Schneider: Weil das auch mehrere Leute gemacht haben, habe ich dann alleine gemacht. #02:05:53-2#

Astrid Kirchhof: Ich habe gar nicht mehr so im Kopf, hatten Sie / Sie haben nicht zu Ende studiert, ne? #02:06:00-8#

Gerd Schneider: Ich habe nicht zu Ende studiert, aber ich habe einen Meister gemacht gehabt. #02:06:00-8#

Astrid Kirchhof: Einen Meister. Okay. #02:06:04-4#

Gerd Schneider: Wo ich studieren sollte, als Hauer wieder, habe ich mich auch wieder geweigert zu studieren. Habe gesagt, wenn ihr wollt, dass ich Steiger mache, dann mache ich das als (unv., #02:06:13-5#) steiger hat sich das genannt. Da wurde wurde man als Steiger eingesetzt ohne die Qualifikation zu haben und hat seinen Hauerlohn weiter gekriegt. Das haben sie oft gemacht mit welchen erfahrenen Hauern, die kurz vor der Rente standen oder sowas. (unv., #02:06:27-1#) haben sie dort eingesetzt und die haben ihren Hauerlohn weiter gekriegt. Und das wollten sie bei mir nicht. Und da habe ich gesagt, na dann mache ich es nicht. #02:06:31-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:06:31-0#

Gerd Schneider: Denn als Steiger, das war ja das immer, du hast studiert und hast 950 Mark verdient, ne. Und der Hauer, der hat 1600, 1800 verdient. Das war ja diese Diskrepanz in der DDR damals. Wenn du studiert hast, hast du weniger verdient, als wie als Arbeiter. Hat mir ja mein Betriebsdirektor mir mal vorgehalten, kurz bevor er in Rente ist: Du brauchst dir um deine Rente keine Gedanken machen. Ich habe weniger als Direktor verdient, wie du. Sage ich, naja kann ich ja nichts dafür, wenn das so ist. Ja, da habe ich dann bis zum Schluss eben diesen Job als technischer Arbeitshygieniker gemacht. Dadurch, dass ich auch Licht messen sollte und sowas, keine Ahnung davon gehabt, habe ich mich an die BG gewandt. Ich habe gesagt, ich möchte mal hier wissen, wie das funktioniert. Ich tu hier Sachen messen, wo ich gar nicht qualifiziert bin dafür. Ich kann ja gar kein Gutachten schreiben oder sowas. Und da habe ich dann in Dresden hier die Befähigung gemacht, das ist wieder so ein Fachnachweis mit Brief und allem. Also nicht bloß ein Zertifikat, wo man das in jedem Betrieb machen darf. Wie man Licht misst, wie man das beurteilt, wie die Arbeitsplätze zu beurteilen sind, was zu machen ist. Ich habe eigentlich alles mit genommen was ging. #02:07:42-9#

Astrid Kirchhof: Wer hat denn diese Umschulungen oder Weiterbildungen gezahlt? #02:07:45-6#

Gerd Schneider: Die hat die Wismut gezahlt. #02:07:46-7#

Astrid Kirchhof: Okay. #02:07:49-1#

Gerd Schneider: Das ging eigentlich, das war immer spitzenmäßig. Weiterbildung auch mit Computer und sowas, wenn es neue Programme gab, sofort Lehrgang. Ob das in Chemnitz war, in Gera oder sonst wo. Also da ist die Wismut Spitze gewesen, absolut. #02:08:07-0#

Astrid Kirchhof: Wenn Sie sagen, Sie haben auch / Sie wollten auch Hauer sein, weil man einfach mehr verdient hat. Hat man das denn so ausgeben können? #02:08:17-1#

Gerd Schneider: Ist schon alle geworden. #02:08:18-0#

Astrid Kirchhof: Ja? (lacht) #02:08:21-0#

Gerd Schneider: Wir sind ja jedes Jahr ins Auslang gefahren. Fast jedes Jahr wenn es ging nach Bulgarien und so. Das hat schon mal viel gekostet. Das Auto. Man konnte sich eben auch Sachen leisten, wo man sich keine Gedanken drüber gemacht hat. Man ist eben damals in den so genannten Ex-Laden und hat sich Klamotten gekauft, ne. #02:08:42-7#

Astrid Kirchhof: Was heißt Ex? #02:08:42-5#

Gerd Schneider: Exquisit hieß das. #02:08:42-5#

Astrid Kirchhof: Ach so. #02:08:45-9#

Gerd Schneider: Waren so Läden, wo es bissl teurer war. #02:08:47-9#

Astrid Kirchhof: Ah ja. #02:08:50-6#

Gerd Schneider: Das war kein Problem. Gab es ja früher in der DDR überall. #02:09:12-5#

Astrid Kirchhof: Ah ja hm (bejahend). ------- Sie hatten ein paar Abkürzungen benutzt, die ich noch mal nachfragen wollte. Ganz am Anfang haben Sie vom GSD-Lager geredet. #02:09:10-0#

Gerd Schneider: Gesellschaft für Sport und Technik. #02:09:12-7#

Astrid Kirchhof: Und da waren // #02:09:16-9#

Gerd Schneider: Das ist so eine vormilitärische Ausbildung ist das. #02:09:17-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) Gesellschaft für Sport und Technik. GST-Lager und da waren Sie Mitglied? #02:09:24-6#

Gerd Schneider: Da war man automatisch bei der Wismut. Wir hatten in der Lehre GST-Ausbildung jeden Monat, immer sonnabends. Musster wir so / hatten wir eine GST-Uniform mit Schießen und allem Drum und Dran. Also Kleinkaliberschießen und also wie bei der Armee im Prinzip war das. #02:09:48-3#

Astrid Kirchhof: Ah okay. #02:09:48-7#

Gerd Schneider: Da habe ich mal Scheiße gebaut kurzzeitig. Aber das brauch ich hier nicht erzählen. Hat sich die Stasi dann um mich gekümmert. Da bin ich dann früh vom Schacht abgeholt worden. Das hat mit der GST was zu tun gehabt. #02:09:59-9#

Astrid Kirchhof: Okay. #02:10:01-1#

Gerd Schneider: Heute würde man für die selbe Sache wahrscheinlich Bewährung kriegen. Damals haben sie es noch ziemlich gut abgetan. Haben sie mich früh vom Schacht abgeholt am Montagfrüh. War schon umgezogen, musste ich mir wieder / meine Lampe war gesperrt. Ohne Lampe kann man nicht einfahren. Na, du sollst mal dort und dort hinkommen. Da standen wirklich zwei Männer im Mantel. Habe ich mich wieder umgezogen. Musste ich meine ganzen Ausweise, die ich besitze, abgeben. Und dann haben sie mich zum Verhör gefahren. Bin ich mal den ganzen Montag verhört worden. In der Zwischenzeit - ich war am Wochenende bei meiner Freundin in Berlin (unv., #02:10:39-4#). Wo ich Montag wieder kam, haben die genau gewusst was ich in meinem Zimmer auf dem Tonband habe, was ich für Musik höre. Ich habe neben einer Gaststätte gewohnt. Wie oft ich in der Gaststätte gehe, mit wem ich da Verkehr habe, haben die alles gewusst am Montag. #02:10:54-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) Durften die sie so, ja in Ihre Wohnung gehen, das war ... #02:10:55-6# #02:11:02-2#

Gerd Schneider: Unter einem Vorwand. Meine Eltern waren schon älter. Mein Vater ist 1901 geboren. #02:11:02-8#

Astrid Kirchhof: Ach so. #02:11:01-7#

Gerd Schneider: Der war schon ziemlich alt. Meine Mutter war auch schon bissl älter. Die haben einen Vorwand gefunden und haben da sogar hier was / die Musik, die ich hatte, kopiert in der Zeit und alles. Die Stasi war clever. Schon damals. #02:11:17-0#

Astrid Kirchhof: Aber das war nur ein, nur ein ... #02:11:19-1#

Gerd Schneider: Ein Mal. #02:11:17-5#

Astrid Kirchhof: Ein Tag und okay. #02:11:21-5#

Gerd Schneider: (unv., #02:11:21-7#) an die Schule gekommen. Betriebsschule. Waren da mehrere von der Klasse, die da / von unserer Berufsschulklasse. Und die waren alle zur gleichen Zeit waren wir bei der Stasi. Und haben uns aber nie gesehen. #02:11:33-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) (lacht) #02:11:35-9#

Gerd Schneider: Ach das muss man nicht erklären, was da alles passiert war. #02:11:36-5#

Astrid Kirchhof: Dann / ach so, das wollte ich noch wissen. Mit der Bezahlung. Also trotz / das ist doch eine unheimlich schwere Arbeit Hauer zu sein. Aber das war es wert, sag ich mal. #02:11:46-4#

Gerd Schneider: Wenn man einmal Hauer gewesen ist und hat bestimmte Zeit durch gehalten, ist man es auch geblieben. Es gab ganz viele, die waren zwar solche Schränke, ne. Wenn ich denen gesagt habe, hier nehm mal die Bohrmaschine, schlepp die mal dort hin. Dann sind die dreimal hin gefallen mit dem Ding. Weil es zu schwer war. #02:12:02-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:12:02-3#

Gerd Schneider: Hab ich sie genommen. Na, das kann ich auch. Ich sage, ich habe dir ja gesagt, du sollst immer nur mit den Augen gucken. Immer gucken, was macht denn der Alte oder was macht denn dein Drittelführer, ne. Nur so lernst du. Da sind ganz viele, die haben versagt. Mich hat mal einer fast erschlagen. Da wollten wir Holz von oben nach unten hängen. Da ist das auf gegangen, wo der da angehängt hatte. Ich hatte unten fast keinen Platz. Und da sind so drei Hölzer von vier Meter fünfzig Länge Baumstämme runter geknallt gekommen und ich wusste gar nicht wo die ankommen jeden Moment. Und da habe ich mich in die Ecke gesetzt. Habe ich natürlich unten gebrüllt, wie ein Kaputter. Und habe den beschimpft von oben bis unten. Und da kam gar kein Holz mehr. Na, der war noch nicht lange bei uns. Dachte ich, was ist denn jetzt los. Bin ich hoch, habe geguckt. War er nicht mehr da. Nu, hat er gesagt, mit dem Rindvieh arbeite ich nicht mehr. Der hat mich beleidigt und angebrüllt, ne. Ist der zum Schacht gegangen und ist ausgestiegen. Und ist zum Bereichsleiter gegangen (lacht). #02:13:03-6#

Astrid Kirchhof: Und dann... #02:13:04-9#

Gerd Schneider: Ich habe gesagt, was soll das heißen mit dem Rindvieh. Wenn er das nicht ab kann, der Ton ist mal hart untertage, ne. Wenn man übertage ist, ist man wieder Freunde. Da ist alles wieder vergessen. Und ich kann doch nicht davon absehen, wenn der mich fast erschlägt, dass ich da noch sage: Hast du fein gemacht! #02:13:17-2#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:13:18-3#

Gerd Schneider: Der wäre nie Hauer geworden. Hat dann geschmissen. Es gab viele, die haben, haben es geschmissen. #02:13:24-6#

Astrid Kirchhof: Heißt das, die sind schon in der Wismut geblieben, aber wo anders? #02:13:28-6#

Gerd Schneider: Oder haben ganz aufgehört. Manche haben einen Zimmerling oder Lokfahrer oder irgendwas gemacht. Aber die meisten haben ganz aufgehört. #02:13:35-5#

Astrid Kirchhof: Ach so. Das war denen nix. #02:13:35-5#

Gerd Schneider: Ja, wenn man das vielleicht, sagen wir mal, ein Jahr gewesen ist als Hauer, da hat man das überwunden gehabt. Ich habe Leute, mein Stellvertreter, der im Gefängnis war, die sind eingeschlagen. Selbst nach der Wende. Die haben so viel gekonnt und soviel gemacht. Also spitzenmäßig. Der eine hier, der hat auch hier drüben mit gewohnt, wo ich gewohnt habe. Der war dünne, wie verrückt. Der hat aber Holz geschleppt und gemacht wie / konnte alleine, ne. Das war Wahnsinn. (unv., #02:14:10-7#) Bauchef (unv., #02:14:12-5#) Vom Hauer zum Bauleiter. #02:14:16-9#

Astrid Kirchhof: Okay. Wir hatten / da haben über Sie über die Gewerkschaft geredet. Und da haben Sie BGL und AGL gesagt. #02:14:24-8#

Gerd Schneider: AGL heißt Abteilungsgewerkschaftsleiter und BGL Betriebsgewerkschaftsleiter. Ich war von 75 [1975] bis zum Schluss in der BGL. #02:14:39-2#

Astrid Kirchhof: Ach so, bis jetzt oder was? #02:14:39-2#

Gerd Schneider: Nee, bis 1990. Also // #02:14:41-2#

Astrid Kirchhof: Bis 1990. #02:14:41-2#

Gerd Schneider: // da wurde ja dann / die BGL gab es dann ja nicht mehr. Dann kamen ja // #02:14:44-3#

Astrid Kirchhof: Ah ja, das kommen ja dann die ... #02:14:50-3#

Gerd Schneider: Im Prinzip trotzdem weiter Gewerkschaftsmitglied. #02:14:50-8#

Astrid Kirchhof: Okay, verstehe. #02:14:50-8#

Gerd Schneider: Ab 19hundert / nee 2001, 2011 war ich Mitglied dann der Tarifberatungskommission der Wismut. Also das sind die Leute, die die Lohntarife, den neuen jedes Jahr aushandeln. Wie es jedem Betrieb gibt. Bei der Bahn, egal wo, wird ja aus den Betrieben waren ja die Leute gewählt, die da hin (unv., #02:15:19-2#) gibt es Verhandlungsleiter und die anderen sind im Prinzip die Beratenden. Wenn so eine Verhandlung ist, gehen die alle dort hin. Weil wir viele Betriebe sind, haben wir uns alle getroffen dort in Chemnitz. Muss ja an einem neutralen Ort sein. Darf ja nicht irgendwo in einem Betrieb sein oder in der Direktion, sondern in einem Hotel, in einer Gaststätte in Chemnitz getroffen. #02:15:40-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:15:40-5#

Gerd Schneider: Haben uns überein gekommen, die ganzen Betriebe, wieviel Geld, was wollen wir, Urlaub, haben wir ja genug, aber. Also was wollen wir jetzt dieses Jahr erreichen. Abgestimmt. Diese Verhandlungsführerin oder Verhandlungsführer saßen (unv., #02:15:57-7#) dort und die sind dann in die Verhandlungen gegangen mit der Unternehmensleitung. #02:15:59-0#

Astrid Kirchhof: Ist die Gewerkschaft, die es dann so nicht mehr gab, was wäre das heute - IG Metall? #02:16:08-2#

Gerd Schneider: IGBCE ja. #02:16:10-1#

Astrid Kirchhof: IGBCE. Was heißt das? #02:16:12-1#

Gerd Schneider: Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und Chemie. #02:16:16-8#

Astrid Kirchhof: Ah. IGBCE, okay. Ich wollte noch mal wissen: Banner der Arbeit ist doch eine sehr hohe Auszeichnung. Ist das das Höchste? #02:16:30-8#

Gerd Schneider: Nee, nee, nee. Das ist nicht das Höchste. Das Höchste wäre Karl-Marx-Orden oder sowas. Aber für eine Brigade, für ein Kollektiv ist Banner der Arbeit schon fast das Höchste mit. Wir haben Stufe 2 gehabt. #02:16:44-7#

Astrid Kirchhof: Okay. Wenn man dann noch mehr produziert hat, dann hat // #02:16:51-2#

Gerd Schneider: Ja, das Gesellschaftliche muss stimmen. Und das, was ich vorher gesagt hatte. Die Arbeit muss stimmen und das Gesellschaftliche. #02:16:55-0#

Astrid Kirchhof: Gesellschaftlich // #02:16:55-0#

Gerd Schneider: Also musstest du dich gesellschaftlich dich schon ein bisschen engagieren. Wir haben bei jedem Sportfest vom Betrieb fett mit gemacht. Ist uns leicht gefallen. Ich hatte paar Athleten dabei, die haben immer den ersten, zweiten Platz belegt. Ich war ja schon ein bisschen älter dann. Ich bin ja dann von der FDJ als Freund der Jugend habe ich die Artur-Becker-Medaille, das ist fast die höchste Auszeichnung, die die FDJ hat, bekommen. Habe ich gar nicht gewusst. Ich saß da abends da, hatten eine Feier gehabt, Betriebsfeier, ne. Auf einmal sagt einer, du hast doch gar kein FDJ-Hemd. Hast du eins mit? Ich sage, ich habe kein FDJ-Hemd mit. War ja kein FDJler mehr im Prinzip in der Sache. Du kriegst nämlich nach her eine hohe Auszeichnung. Ich sage, was? Sollte ich mir eins borgen von jemanden. #02:17:34-1#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:17:34-5#

Gerd Schneider: Ich bin bissl (unv., #02:17:35-2#) veranlagt. Da hatte ich Schweißflecken hier unten drunter gehabt. Habe ich die angezogen, habe das gespürt, habe ich mich erst mal (unv., #02:17:41-9#) habe gesagt, das kann ich nicht. (unv., #02:17:44-1#) (lacht) #02:17:44-1#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:17:45-1#

Gerd Schneider: Da bin ich dann mit normalen Sachen, haben sie dann akzeptiert. Habe ich die Artur-Becker-Medaille gekriegt, eine Prämie gekriegt. Meine Truppe saß ja mit am Tisch. Na, habe ich das Geld genommen, habe es auf den Tisch gelegt und gesagt: Hier könnt ihr versaufen. Und da gab es dann / wir haben immer am meisten / gab es Helios. Da hat eine Flasche 50 Mark gekostet. #02:18:06-6#

Astrid Kirchhof: Gab es durch das Trinken / Alkohol, also echte Alkoholprobleme? #02:18:11-0#

Gerd Schneider: Viele. Sehr, sehr viele. #02:18:12-4#

Astrid Kirchhof: Wie geht man damit um? #02:18:15-7#

Gerd Schneider: Mein einer Brigadier, der aus dem Fenster gesprungen war, der hatte eine Devise gehabt. Der hat gesagt, meine Hauer, die müssen saufen und rum huren. Hat er wirklich gesagt. Da brauchen sie viel Geld und da arbeiten sie wie die Verrückten. Und die Theorie ist nicht auf gegangen. Das hatten wir dann ja gesehen, wo der aus dem Fenster gesprungen ist. Und wo das Theater war. Ja, ist nicht auf gegangen. Wir hatten ja auch Unmengen von Feiern gehabt. Dadurch das ich in der BGL war, war jedes Jahr eine BGL-Feier. Dann war ich in der Jugendbrigade. Da hatten wir bei der Jugendbrigaden. Ja, dann haben wir unsere eigene Feier gehabt. Dann hatten wir eine Feier gehabt in dem / Abteilungsgewerkschaft. Also außer vom Betrieb. Dann hatten wir eine Feier gehabt von allen Betrieben, wo die besten waren. Also wir haben ja sechs, sieben Feiern gehabt. Dann hatten wir Jahresende eine Planübergabe, wo alle Brigadiere sich in der Gaststätte getroffen haben. Wo dann der Plan für das nächste Jahr - was da abgelaufen ist manchmal - meine Frau hat gedacht manchmal, um Gottes Willen! #02:19:20-7#

Astrid Kirchhof: Das wollte ich jetzt grade fragen. Hat das zu Eheproblemen / also das muss nicht bei Ihnen sein, sondern auch bei Kollegen. #02:19:27-3#

Gerd Schneider: Ja, bei vielen. #02:19:28-6#

Astrid Kirchhof: Hat schon zu Problemen geführt, dass die Frauen gesagt haben, so geht es nicht. #02:19:30-4#

Gerd Schneider: Was eben tabu war, das war eben untertage sich voll laufen zu lassen. Es wurde Schnaps mit runter genommen. Okay, ne. Aber nicht in der Menge so. Es wurde schon mal, ab und zu mal bei manchen Schnaps getrunken. Wo ich in der (unv., #02:19:44-4#) Brigade, wo ich nach der Armee, wo ich da drin war, das war die schlimmste Brigade, die es gab. Die haben sehr viel getrunken. Mit dem ich zusammen gearbeitet habe, das war ein absoluter Alkoholiker in der Mittelschicht. Meine Frau hat es nicht gemocht, wenn ich heim kam mit dem gearbeitet. Das war nicht schön. #02:20:07-0#

Astrid Kirchhof: Weil man dann mit getrunken hat. So sich anstecken hat lassen. #02:20:12-4#

Gerd Schneider: Gruppenzwang. So ungefähr. Also das hat manchmal überhand genommen. #02:20:17-0#

Astrid Kirchhof: Und ist dadurch das Unfallrisiko nicht wahnsinnig gestiegen? #02:20:20-2#

Gerd Schneider: Das war ja nach der Schicht. #02:20:20-9#

Astrid Kirchhof: Ach nach der Schicht. #02:20:22-2#

Gerd Schneider: Während der Schicht weniger. Und in der Truppe, wo ich war, die haben natürlich auch während der Schicht getrunken. Na dann haben die eben nicht gearbeitet. #02:20:28-1#

Astrid Kirchhof: Das heißt, die - sag ich mal - die Bergmänner haben ihre Schicht gemacht und sind danach nicht heim gegangen, sondern #02:20:36-6#

Gerd Schneider: Die sind heim gefahren und wenn du in Gera im Südbahnhof ankamst, da war ein großer Kaufmarkt in der Nähe, der hat um sieben aufgemacht. Da haben sie das erste Bier getrunken. Und dann sind sie von dort wieder zum Bahnhof zurück, zum Südbahnhof, weil eine Gaststätte aufgemacht hat. Manche haben dann wieder zur Mittelschicht / zur Nachtschicht haben ihren Bus genommen. Sind mit dem Bus zum ersten Zug gefahren, so hieß das. Sind mit dem ersten Zug nach Ronneburg gefahren, sind in Ronneburg ins Bergarbeiter Glück Auf. Die Kellnerin hat das gewusst. Ah, jetzt kommen die Wismuter. Da hat die schon das Tablett voll Bier gehabt. Haste du das Geld drauf geschmissen, hast zwei, drei Bier getrunken. Und dann bist du mit dem Bus zur Schicht gefahren. Im ersten Zug. Es gab immer zwei Züge sind gefahren. Mit dem ersten Zug, damit man noch eine Viertelstunde mehr Zeit hat. Noch schnell zwei Bier getrunken und dann zur Schicht gefahren. #02:21:35-0#

Astrid Kirchhof: Hat das die Arbeit leichter gemacht? #02:21:36-7#

Gerd Schneider: Nee. #02:21:40-1#

Astrid Kirchhof: Eigentlich nicht. Haben viele auch geraucht? #02:21:41-1#

Gerd Schneider: Auch ja. Viele. Mein stellvertretender Brigadier damals, der ist an Lungenkrebs gestorben vor zwei Monaten / vor zwei Jahren. #02:21:51-7#

Astrid Kirchhof: Aber Sie haben nicht // #02:21:54-8#

Gerd Schneider: Aber ob es da dran lag, weiß ich nicht. Der hat 1990 eigentlich schon untertage aufgehört. Hat dieses Rationalisierung gemacht. Weil die Frau hat nicht mehr angerufen, was er da machen kann. Die wollte irgendwie Geld von der Wismut oder was, aber da hat sie keine Chance, wenn du so lange raus bist. Es gibt genau Expositionen und so weiter. Das ist ja gerade die Arbeit, was ich ja auch gemacht habe. Sowas alles. Der hat ja auch geraucht viel. Bei Berufskrankheiten, wenn manche hier Lärmschäden, das war das meiste, was sich gemeldet haben. Habe ich ja für die Berufsgenossenschaft hier die Exposition gemacht. Also es wurde von jedem Arbeitnehmer, von jedem wurde genau erfasst wieviel Staub, wieviel radioaktive Strahlung, wieviel Lärm in Dezibel, was er abgekriegt hat. Und und und wurde alles jedes Jahr schon im Prinzip seit den 60er Jahren oder noch eher, gibt es für jeden Arbeiter, gibt es da eine Akte. Die hatte ich / hatte ich Zugriff drauf. #02:22:49-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:22:49-0#

Gerd Schneider: Wenn da sowas kam, hat einer Rente beantragt wegen Lärm. Da kamen die bei mir auf den Tisch, wenn sie in meinem Umfeld / Bereich gepasst hat, Wismut. Und da habe ich dann nachgeguckt. Dann Exposition geschrieben. Lärm, wieviel er abgekriegt hat. Das wurde dann wieder zurück gegeben. Die entscheiden ja dann, die BG das, ob er es kriegt oder nicht. #02:23:11-7#

Astrid Kirchhof: Also Lärm war mehr als Krebs, Leute mit Krebs oder anderen Krankheiten. #02:23:20-9#

Gerd Schneider: Ja Lungenkrebs. #02:23:18-7#

Astrid Kirchhof: Das auch. #02:23:18-7#

Gerd Schneider: Das ist eben später. In den Anfangsjahren war es schlimm. Die Schneeberger Krankheit haben da viele gehabt, weil da trocken gebohrt worden ist. Aber dann später wurde mit Wasser gebohrt. Da wurde das immer weniger. #02:23:31-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:23:32-2#

Gerd Schneider: Dann die Gelenkschäden wurden auch weniger, weil die Maschinen sich immer mehr verbessert hatten. Aber das war dann schwer ein Lungenkarzinom zu kriegen. Weil dann immer da stand: Wasser. Und genauso ist es mit dem Lärm gewesen. Weil wenn einer - 85 Dezibel ist die Grenze - wenn da steht 105 Dezibel, aber steht unten drunter dann ein Satz: In der Wismut wurde ab dann und dann Gehörschutz vorgeschrieben. Drückst du dann auf den Knopf am Computer Gehörschutz und dann werden die Werte schon korrigiert, was unter dem Gehörschutz noch ankommt, ne. Beschwerlich alles. Weil es nämlich unter diesen 80 ist die erste Grenze, 85 Dezibel ist die oberste Grenze. #02:24:16-3#

Astrid Kirchhof: Das heißt Ihre Tätigkeit hat ja gar nicht nur Umweltschutz betroffen, sondern auch Gesundheit. #02:24:22-7#

Gerd Schneider: Zum Schluss dann ja. Die letzten acht Jahre. #02:24:24-3#

Astrid Kirchhof: Ja okay. #02:24:24-3#

Gerd Schneider: Da habe ich dann nur noch sowas gemacht. #02:24:24-7#

Astrid Kirchhof: Ah okay. #02:24:27-8#

Gerd Schneider: Ich habe das andere, Strahlenschutz überhaupt nicht mehr gemacht. Ich habe dann nur noch Lärm gemacht, solche Sachen gemacht. Licht gemessen in Büros von Ronneburg bis nach Königstein habe ich das alles mit gemacht und gesehen. #02:24:41-7#

Astrid Kirchhof: Ich habe irgendwie in unseren Aufzeichnungen gelesen, dass Sie wollten, dass Ihre Brigade umbenannt wird. Das fand ich ganz interessant. Sagen Sie mir noch mal // #02:24:55-9#

Gerd Schneider: Die haben mich am Anfang gefragt, wie die Brigade heißen soll. Und da habe ich gedacht, hier na Egon Krenz, wenn der hier irgend wann mal // #02:25:02-3#

Astrid Kirchhof: Ja hier, Egon Krenz. #02:25:03-7#

Gerd Schneider: Der wird doch irgend wann mal der Staatsratsvorsitzende. Das hat sich ja abgezeichnet damals. War ja FDJ-Chef. Habe ich gesagt, hier sollen den Namen Egon Krenz geben, der wird mal der Chef von der DDR nach dem Honecker. Wäre er ja auch geworden. Wenn die Wende nicht gekommen wäre. Haben sie gesagt Nein, es gehen nur Tote, haben sie gesagt Wilhelm Pieck. #02:25:21-8#

Astrid Kirchhof: (lacht) Es gehen nur Tote. Wilhelm Pieck. Ich dachte, ich habe, jetzt fällt // #02:25:23-6#

Gerd Schneider: Also was ich hier erlebt habe so alles, das würde wirklich den Rahmen sprengen. Ich muss // #02:25:38-7#

Astrid Kirchhof: Naja gut, okay. Ich hatte noch eine Frage, aber die ist mir jetzt auch grade entfallen. Warum machen wir jetzt nicht / ich würde gerne jetzt dann zu den Fragen über gehen. Können wir hier einen ganz kurzen Cut machen?
-------- Unterbrechung der Aufnahme ---------------

Gerd Schneider: Wir haben so einen Nachfrageteil. Den frage ich alle. Damit wir so eine Art Vergleichbarkeit haben. Und zwar geht es jetzt mal um Zäsuren. Also gut 53 [1953], 61 [1961] war bei Ihnen noch keine weitere / also jetzt Mauerbau und 53 [1953] 17. Juni war / Sie waren ja später bei der Wismut. Aber gab es denn / ich hätte gerne noch mal gewusst zu 89 [1989], wie sich das angekündigt hat. Also wie Sie das selbst empfunden haben, wie der Mauerfall sich angekündigt hat in der Wismut. Wurde das besprochen oder war das ein Thema, war da die Atmosphäre
schlecht oder traurig oder frustig oder gut? #02:26:33-6#

Gerd Schneider: Na schlecht nicht. Wir haben unsere Arbeit gemacht. In so Versammlungen und so wurde zwar / war das schon Thema, dass mit der DDR und der Unmut. Und es sind auch sehr viele aus der Partei ausgetreten. Also massenhaft. Die haben alle ihre Parteibücher hingeschmissen. #02:26:51-5#

Astrid Kirchhof: Was war die Hauptkritik? Also was // #02:26:56-3#

Gerd Schneider: Allgemein. Der ganze Staat, die Unzufriedenheit. Wir haben wie gesagt einen Haufen Geld gehabt. Ich habe mal in einer Versammlung gesagt, dass ich gerne einen Videorekorder haben möchte. Wie Videorekorder? Ich sage, na es gibt Videorekorder. Der kostet 8000 Mark hat der damals gekostet. Ich sage, ich habe hier das Geld. 8000 Mark. Ich will einen Videorekorder. Warum kriege ich den nicht? Ja, du als Genosse, wie kannst du denn sowas / haben sie mich danach hin bestellt. Haben sie mich hingestellt. Also wie ich sowas sagen kann in der Versammlung. Ich sage, na das ist so. Ich habe das Geld und es gibt die Dinger aber nicht, wir können es nicht kaufen. Oder mit dem Auto oder sonst was. Wir waren ja schon besser gestellt mit einem Skoda auch. #02:27:39-5#

Astrid Kirchhof: Aber was würden Sie denn sagen? Dass man keine Auto / oder dass man lange auf ein Auto warten musste. Das war ja nicht erst in den 80er Jahren so. Das war ja früher auch schon so. Aber Sie würden sagen, der Unmut ist einfach gestiegen? #02:27:54-7#

Gerd Schneider: Allgemein. Alles. Das mit dem Reisen ging nicht. Also da waren wir ja schon privelegiert, dass wir nach Bulgarien konnten. Vom Geld her. Das hat ja viel Geld gekostet so eine Reise. Das konnte sich ein Normaler gar nicht leisten. Und dann konntest du nicht kaufen, was du wolltest und reisen war ja sowieso beschränkt. Ich bin da sogar mit meiner Frau und der Tochter an dem Tag hier, da war die größte Demo in Gera, waren wir mit unterwegs gewesen mit zu der Demo. #02:28:22-1#

Astrid Kirchhof: Ach da sind Sie mit gegangen. Das wollte ich / #02:28:26-3#

Gerd Schneider: // War ich mit gegangen. Aber nicht so wie mit Mir-Geht-Es-Wohl-Nur-Mit-Kohl-Geschreie oder sowas // #02:28:30-0#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:28:30-0#

Gerd Schneider: sondern nur um zu zeigen, okay ich will auch dass es anders wird. Da gab es viele, die waren dabei, die kenne ich heute noch. Die haben auch bei mir im Haus gewohnt, die haben da / Schreihälse gewesen. Habe ich gesagt: Ihr werdet euch umgucken in der Marktwirtschaft, wenn du nichts weiter gelernt hast oder nichts kannst. Ist ja auch so gekommen. Die sind ja alle durch gefallen. Dann aber groß rum gebrüllt. Und dann haben wir vor der Polizei gestanden in Gera, vorm Polizeikreisamt. Es war ja dunkel, da haben sie alle mit Kerzen voll gemacht. Und da kam auf einmal einer und hat immer gerufen: Helga, Helga hol die Ausweise, die Mauer ist auf! Und da haben wir uns alle angeguckt, ich sage: Hä? Spinnt der jetzt oder was? Dem hat ja gar keiner geglaubt. Und der immer wieder: Wo bist du? Hol die Ausweise, wir müssen nach Berlin! Und dann haben wir es mit gekriegt langsam. Aber die Demos sind gut abgelaufen hier auch in Gera. Da gab es direkt auch Ordnungsgruppen. Also die haben aufgepasst. Nicht dass einer irgendwo einen Pflasterstein raus nimmt. #02:29:32-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:29:32-9#

Gerd Schneider: Es gab Leute, die wollten provozieren irgendwas. Das hattest du gemerkt. Und die sind gleich weg genommen worden. Entweder waren die sogar von der Stasi oder was, dass die das wollten, dass es // #02:29:44-4#

Astrid Kirchhof: // eskaliert // #02:29:44-4#

Gerd Schneider: // aus dem Ruder läuft. #02:29:44-5#

Astrid Kirchhof: Aber Sie haben jetzt auf Arbeit keinen Ärger gekriegt, weil Sie auf der Demo mit gegangen sind. #02:29:49-5#

Gerd Schneider: Nee, überhaupt nicht. Gut, wo dann die Mauer gefallen ist, haben den nächsten Tag ein Haufen Leute gefehlt. #02:29:55-2#

Astrid Kirchhof: Aber für Sie war das // #02:29:56-7#

Gerd Schneider: // Die wollten denen F-Schichten geben und sowas, aber das konnten sie nicht - also eine Fehlschicht #02:30:01-1#

Astrid Kirchhof: Ach so. #02:30:01-1#

Gerd Schneider: (unv., #02:30:03-3#) von der Prämie ein Teil weg. Aber sind sie nicht durch gekommen damit. #02:30:07-5#

Astrid Kirchhof: Aber Sie wollten nicht mit Ihrer Frau - das war kein Thema. #02:30:12-3#

Gerd Schneider: Das einzige, wo ich eigentlich Ruhe hatte, die wollten ja bis zum Schluss, dass ich - das ging ja noch 88 [1988], 89 [1989] - noch studiere. Das ging ja immer wieder um das Studium. #02:30:22-4#

Astrid Kirchhof: Aber warum wollten die das unbedingt, dass Sie studieren? #02:30:24-5#

Gerd Schneider: Keine Ahnung. Entweder haben die mich für so intelligent eingeschätzt oder was. Die wollten immer, dass ich studiere. Ständig. #02:30:31-1#

Astrid Kirchhof: War der Druck groß? Also haben Sie den als stark empfunden? #02:30:41-3#

Gerd Schneider: (unv., #02:30:37-1#) die haben mich ja nicht einfahren lassen. Die Lampe weg genommen, eingesperrt. Da musste ich erst mal manchmal früh um sechs in die Kaderabteilung, wieder so ein Gespräch. Dann durfte ich um acht einfahren. Um acht Uhr (unv., #02:30:50-0#) immer Seilfahrt. Bei uns gab es so ein System bei der Wismut, hätte ich vorhin mal mit erwähnen können, dass wenn du 11 Tage untertage warst, bekommst du den ganzen Monat als untertage geschrieben. Das ist wichtig für die Rente. #02:31:04-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:31:05-5#

Gerd Schneider: Wenn du nämlich 15 Jahre untertage gewesen bist - die Monate wurden zusammen gezählt, die du untertage warst, aber du musstest mindestens 11 Schichten untertage sein. Wenn du 10 warst, hat der Monat nicht gezählt. Wenn du 15 Jahre zusammen hattest, hast du die Berechtigung gehabt mit 50 in Rente zu gehen. Also Bergmannsrente. Die Bergmannsrente. Da warst du aber nicht / kein Vollrentner, hast weiter gearbeitet. Also du musstest 15 Jahre untertage und 10 Jahre übertage. Wenn du das hattest, konntest du mit 50 in Rente gehen. Bergmannsrente. Und wenn du 60 warst Bergmannsvollrente. Warst du Vollrentner. #02:31:42-0#

Astrid Kirchhof: Okay. #02:31:42-0#

Gerd Schneider: Konntest du aufhören mit arbeiten. Das ist mit der Vereinigung weg gefallen. Habe ich damals noch mit dem Wirtschaftsministerium, wo ich Betriebsrat war, habe ich mich sehr da rein gekniet, um diesen Paragraphen, den es da gab, durchzusetzen. Dass er noch bestehen bleibt. Und der wurde gestrichen. Die haben zwar alle gesagt: Uranbergbau ist gefährlich. Aber dann bei der Rente war er nicht so gefährlich wie die Kohle. In der Kohle, die waren besser gestellt dann, wie wir. #02:32:11-7#

Astrid Kirchhof: Also die haben das dann einfach gestrichen. #02:32:11-8#

Gerd Schneider: Haben es gestrichen. Und da wie ich das dann angefangen hatte mit dem Wirtschaftsministerium zu schreiben. Habe auch Antworten gekriegt. Da gab es noch so einen Paragraphen i, nennt sich das. Das war also bergmännisch i, haben sie das genannt. Das war so ein Paragraph in dieser Rente, der Absatz i. Das hieß, dass hier welche in der Aufbereitung sind (unv., #02:32:32-5#) die sind dann gleich gestellt untertage. Und die kriegen auch vorzeitig Rente. Und das hat dann mein Nachfolger - wo ich dann aufgehört habe - hat das weiter geführt und die haben das sogar geschafft, also wo ich angefangen hatte, dass es eine Übergangszeit gab. Und da gab es eine bestimmte Zeit, Stichtag bis dahin, die haben es dann noch gekriegt und dann war es gestrichen. #02:32:54-2#

Astrid Kirchhof: Und sind Sie trotzdem, also kommen Sie mit Ihrer Rente zurecht? Sind Sie damit zufrieden? #02:33:00-4#

Gerd Schneider: Voll zufrieden. #02:33:02-3#

Astrid Kirchhof: Die ist in Ordnung. #02:33:03-9#

Gerd Schneider: Ich liege weit im obersten Drittel. #02:33:06-8#

Astrid Kirchhof: Okay. #02:33:11-8#

Gerd Schneider: Ich kann es Ihnen ja sagen. Ich kriege 2500 Euro Rente. #02:33:15-1#

Astrid Kirchhof: Das ist schon ziemlich gut. Würde ich auch sagen. Hat Ihre Frau auch gearbeitet? #02:33:20-0#

Gerd Schneider: Die hat auch gearbeitet. #02:33:20-0#

Astrid Kirchhof: Aber nicht bei der Wismut. #02:33:22-5#

Gerd Schneider: (unv., #02:33:22-5#) bis zum Schluss. #02:33:22-5#

Astrid Kirchhof: Bis zum Schluss. #02:33:26-4#

Gerd Schneider: Die war bei einer Krankenkasse, der ging es auch nicht ganz schlecht. #02:33:28-8#

Astrid Kirchhof: (lacht) Und als dann die / wie war denn das als dann die Wende da war? Das war eine - würden Sie sagen - chaotische Zeit oder haben Sie sich da gefreut oder // #02:33:41-5#

Gerd Schneider: Erst mal gar nicht eigentlich. Es war eben so. Wir konnten endlich mal in den Westen fahren. Haben wir auch gemacht. Sind wir nach Nürnberg gefahren. Nee, nach Hof zuerst. Aber nichts gekauft. Nur mal geguckt. Das Begrüßungsgeld, ich glaube nicht mal das haben wir uns beim ersten Mal geholt #02:34:01-8#

Astrid Kirchhof: 100 Mark. #02:34:01-8#

Gerd Schneider: Wir hatten, wir hatten noch, ich hatte dadurch, dass man viel verdient hat, hatten wir immer schwarz getauscht. Also wir hatten schon ein bisschen Geld. Konnten auch ab und zu mal in den Intershop mal einkaufen gehen und sowas, also. Weil Sie vorhin gefragt haben, wo das Geld hin ist. Also wir haben es schon (unv., #02:34:14-5#) gemacht, also da gab es kein Problem. #02:34:19-3#

Astrid Kirchhof: Und insgesamt? Würden Sie sagen, Sie haben sich gefreut, dass es eine Wiedervereinigung gab? #02:34:24-7#

Gerd Schneider: Ich ja, auf jeden Fall. Für mich war es ein Glücksfall von der Sache her. #02:34:31-6#

Astrid Kirchhof: Warum? #02:34:32-2#

Gerd Schneider: Na mit den Hauertätigkeiten, wer weiß, wie lange das noch gegangen wär? Also es war ja beschlossen, dass zurück gefahren wird, dass die Sowjetunion langsam aussteigt. War ja alles schon fertig. War ja alles schon beschlossen. #02:34:44-3#

Astrid Kirchhof: Und woher wusste das die Belegschaft? War das kein geheimes Wissen, dass man aussteigt aus der Wismut? #02:34:50-6#

Gerd Schneider: Nee, das war kein Geheimnis. #02:34:52-4#

Astrid Kirchhof: Das war kein Geheimnis. #02:34:52-9#

Gerd Schneider: Das hat sich schon angedeutet. Dadurch dass die Betriebe zusammen geführt worden sind. Ich hatte dann, mein Bereichsleiter wurde ersetzt, weil der angeblich nicht mehr so gut war. Der hat / mit dem habe ich auch hier drüben zusammen gewohnt im Haus. Und da kam ein neuer Bereichsleiter, der hat sich bei mir hin gesetzt. Da hatte ich grade gesprengt gehabt. Ach, sagt er, klopft mir auf die Schulter, wir reißen den Karren jetzt aus dem Dreck! Jetzt wird alles besser von der Arbeit her. Ja es wurde aber nicht besser. Der hat dann auch aufgehört, hat eine fette Abfindung gekriegt, die habe ich zufällig gesehen. Und dann hatte ich mal einen Auftrag in Jena. Das gibt es in den Felsen von den Nazis noch Tunnel. Ja die sind wahnsinnig geschützt. Dann später war mal Obst und sowas drin gelagert zu DDR-Zeiten. Dann später wieder die Armee. Und die haben da Waffen drin gehabt und alles. Das ist ein riesiges Tunnelsystem. Und da hat die Wismut teilweise so Zugänge und Lüftungsgänge zu gemacht. Und da hatte ich die Aufgabe da drin Radon zu messen. (unv., #02:35:59-3#) und da kam einer vom - ich glaub, der war sogar vom Bergamt, der sollte / Hohlraumbeauftragter für Thüringen hat der sich genannt - der kam mit mir dort hin. Und da war das der, der mir auf die Schulter geklopft hat. Ich sage: Na, kennst du mich noch? Ich sage, du hast mir einmal auf die Schulter geklopft, hast gesagt, wir holen den Karren aus dem Dreck und nach her hast du dich nie wieder sehen lassen. #02:36:19-0#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:36:19-0#

Gerd Schneider: Und jetzt treffen wir uns wieder. Das hat dem nicht so gefallen. Mussten wir dann durch mehrere Schleusen, dass wir da rein kommen, Ausweis abgeben und so was. Das Ding war voll mit Waffen gefüllt, der Bunker. #02:36:31-8#

Astrid Kirchhof: Okay. #02:36:31-8#

Gerd Schneider: War von der Bundeswehr bewacht. Und die haben die Waffen raus, haben die in Waggons rein und weg gefahren. Da hatten wir noch eine Belehrung, wehe wenn du da in einer bestimmten Zeit, wenn dann Alarmsignal erönt und du bist noch nicht raus, ist das so verschlossen. Das geht erst den nächsten Tag wieder auf (lacht). Gar nicht gewusst, dass es sowas gibt in Jena. #02:36:51-9#

Astrid Kirchhof: Sie haben ja grad gesagt, für Sie war es eigentlich ein Glücksfall. Weil, wer weiß wie weit das gegangen wäre, mit dem Uranbergbau. Von all den vielen Tätigkeiten, die Sie hatten, was würden Sie sagen war die beste, die schönste oder kann man das so sagen? #02:37:07-0#

Gerd Schneider: Hauer. Bergmann war das Schönste. #02:37:11-3#

Astrid Kirchhof: Auch wegen dem Zusammenhalt. #02:37:13-4#

Gerd Schneider: Alles. Spitzenmäßig. #02:37:16-7#

Astrid Kirchhof: Ist das zerbro / #02:37:19-3#

Gerd Schneider: In meiner Betriebsratstäigkeit wurde mal ein Film gedreht über einen Hauer. Da habe ich das Filmteam, das musste ich betreuen. Und habe denen auch einiges gezeigt im Umfeld. Die wollten dann die Halde mit der Kirche vorne im Vordergrund. Haben wir dann gefunden. Und dann haben wir abends eine Zusammenkunft gehabt und alles. Und untertage sollte einer mit der Hand bohren, um den der Film ging. Handbohren, das ist eine Handbohrmaschine und ich habe damit bis zum Schluss im Betrieb gebohrt. Und (unv., #02:37:52-8#) Hauerbrigadier der konnte das nicht. Der ist immer umgefallen mit dem Ding. Bis meinem Bereichsleiter der Hut geplatzt ist und hat gesagt: Los Schneider, nimm dem die Bohrmaschine von der Hand und bohr du. Der Film ist sowieso bloß von hinten und da sehen die den nicht, ne. Und da habe ich dann mit dem Ding gebohrt und die haben von hinten gefilmt, ne. Als ob der das wäre. Der hat das nicht auf die Reihe gekriegt. #02:38:13-2#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:38:13-2#

Gerd Schneider: Weil der schon so mit der neuen Technik alles, mit Bohrwagen und so, der hat das nicht mehr geschafft, da vernünftig ein Loch rein zu bohren in die Wand. #02:38:22-7#

Astrid Kirchhof: Haben Sie heute noch Kontakt zu ehemaligen Kumpel, Kollegen? #02:38:25-2#

Gerd Schneider: Wenig. Ganz wenig. #02:38:25-9#

Astrid Kirchhof: Woran liegt das? #02:38:28-2#

Gerd Schneider: Alle zu alt, gestorben. #02:38:31-4#

Astrid Kirchhof: Waren viele davon auch krank? #02:38:34-2#

Gerd Schneider: Ja, Gelenkschäden hatten viele und Gehörschäden. Das war bei uns die Hauptsache, was ich so noch kenne. Lungenkarzinome hat es weniger (unv., #02:38:43-1#). Also das hat man nicht so mitgekriegt. Tödliche Unfälle hatten wir auch genug. Ich hatte selber da, wo ich Stellvertreter war, einen tödlichen Unfall. Sogar auf dem Arbeitsort, wo ich vorher gearbeitet habe, ist da einer tödlich verunglückt (unv., #02:38:59-1#) Es gab schon immer ein paar. Das war bissl traurig. #02:39:04-4#

Astrid Kirchhof: Also und wenn man Sie fragen würde, was Sie in Ihrem Leben beruflich gemacht haben, würden Sie sagen: Ich war Bergmann? Oder würden Sie sagen: Nein, ich war / #02:39:14-5#

Gerd Schneider: Nee, Bergmann. #02:39:15-5#

Astrid Kirchhof: Das ist auch so Ihre Identität. #02:39:15-9#

Gerd Schneider: Ich war Bergmann. Ich bin Bergmann, wer ist mehr? #02:39:18-5#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:39:22-3#

Gerd Schneider: Das ist ein Sprichwort. #02:39:22-3#

Astrid Kirchhof: Ja. Sie haben vorher gesagt, die Wismut war ja ein Staat im Staat. Woran hat man das / also klar, bei den Läden hat man das gesehen. #02:39:36-2#

Gerd Schneider: Eigenes Gesundheitswesen hatten wir. Also wenn ich ins Krankenhaus kam, das modernste Krankenhaus was es gab hier in der Umgebung. Mit kleinen Zimmern. Also maximal drei Mann. Mit Wahlessen schon und sowas zu DDR-Zeiten. Dann hatten wir einen eigenen Transportbetrieb, Busse. War der zweitgrößte Transportbetrieb in der DDR nach den volkseigenen Transportbetrieben. Das ist, war gigantisch. Wenn bei uns der Schichtwechsel gewesen ist in Schmirchau und die Busse sind weg gefahren, da wurde vorne teilweise die Straße gesperrt. Damit die Busse erst mal alle raus können. Das waren hunderte von Bussen, die da weg gefahren sind. In alle Richtungen. Ja, das Verkehrsnetz hat uns selber gehört. Das Eisenbahnnetz. Wir hatten eine eigene Eisenbahn. Sogar noch bis vor sieben, acht Jahren. Dann ist das erst weg gekommen. Wir hatten ein eigenes Eisenbahnnetz. Schienennetz, alles unser Eigentum. Die Läden ja sowieso. Einen eigenen Feriendienst. #02:40:41-6#

Astrid Kirchhof: Was heißt das konkret, eigenen Feriendienst? #02:40:44-3#

Gerd Schneider: Wir hatten Ferienplätze, die wurden nicht vom FDGB vergeben, sondern vom Betrieb, vom Beauftragten der Gewerkschaft im Betrieb. Wir hatten ja unsere eigenen Ferienheime. Das Glückauf in Zinnowitz, dann das was jetzt das Maritim glaub ich heißt das. War früher der Rote Oktober. Ganz modern. Riesengroß. Dann in Oberwiesental. Wir hatten ja überall Feriendienste. #02:41:10-9#

Astrid Kirchhof: Sind Sie da auch hin gefahren? #02:41:08-2#

Gerd Schneider: Ja, ja. Zinnowitz waren wir regelmäßig. Fast jedes Jahr. Und dann eben den einmaligen Austausch. Da hat ein Bergmann von Polen mein Ferienplatz bekommen in Zinnowitz und ich bin dafür in die (unv., #02:41:26-6#) Platz bekommen in Polen. War mal ganz interessant. War auch nicht schlecht gewesen. #02:41:35-3#

Astrid Kirchhof: Gab es da viel Neid in der Gesellschaft? #02:41:35-3#

Gerd Schneider: Eigentlich nicht. #02:41:39-6#

Astrid Kirchhof: Also ich meinte jetzt, dass die Wismut bevorzugt wird oder so. #02:41:43-9#

Gerd Schneider: Außerhalb der Wismut, ja. #02:41:44-1#

Astrid Kirchhof: Das meine ich. Ob es da Neid gab? #02:41:47-5#

Gerd Schneider: Ja, da gab es das schon. #02:41:48-2#

Astrid Kirchhof: Haben Sie // #02:41:51-8#

Gerd Schneider: Da musste man dann schon hören: Ja ihr von der Wismut, ihr kriegt da alles, ne. Deswegen war auch zur Wende das so bissl heikel (unv., #02:41:58-5#) hier da gegen die Bevölkerung was machen, wie das Hermsdorfer Kreuz sperren und sowas. Das ist nicht so. Ich bin sogar von Wismutern manchmal angefeindet worden. Wo ich in Zwickau gemessen habe an der Straße, musste ich da messen. Da sind welche gekommen: Du bist doch noch bei der Wismut. Mich haben sie raus geschmissen. Oder fangen sie gleich an dort: Ich bin Rentner jetzt. Ich krieg nicht so viel Geld wie ihr. Ich sage, ja kann ich auch nichts dafür. #02:42:21-1#

Astrid Kirchhof: Ich meine, man hätte ja zur Wismut gehen können, wenn man hätte wollen, ne also? #02:42:28-2#

Gerd Schneider: Weil ich vorhin von den Feiern geredet habe, die so jedes Jahr waren. Ich wurde einmal, das war Anfang der 70er, also 75 [1975] muss das gewesen sein oder 76 [1976], haben sie mich einmal mit einem Wolga, habe ich gestaunt, haben sie mich mit einem Wolga mit noch einem Kollegen nach Chemnitz gekarrt. Da hat die Wismut den Karl-Marx-Orden gekriegt. Da brauchten sie ein paar Arbeiter mit, die da mit auftreten bei der Feier. Sowas habe ich in meinem Leben noch nie gesehen gehabt bis dahin. Was da aufgefahren worden ist und so, ne. Und sowas ähnliches habe ich dann noch einmal mit gemacht, wo ich als Hauer gewesen bin. Da wurden verdienstvolle Werktätige mit ihren Familien nach Oberwiesental in das Ferienlager, in das Ferienheim der Wismut geschickt. Da gibt es, da war ein Schwimmbad drin, aber alles vom Feinsten, ne. Und da haben sie uns abgeholt, haben sie meine Frau, meine Tochter, haben sie uns nach Oberwiesental gefahren. Und da waren noch ein paar Hauer dabei. Also das war eine handverlesene Gruppe, Truppe. Und haben wir unsere Zimmer bezogen, waren wir freitags. Dann abends schön gefeiert und Sonnabend dann richtig gefeiert. Den ganzen Tag. Also da gab nichts, was es nicht gab. Du konntest an die Bar gehen, konntest sagen, ich will das, ich will das. Da gab es nicht irgendwie einfaches Bier oder was, ne. Dann haben wir Sportfest gemacht in der Halle und alles. Und da waren lauter Größen von dem Zentralvorstand und alles dabei. Der Wismut, also von Gewerkschaft und alles. Die ganze großen Leute. Und später hat sich raus gestellt (unv., #02:44:01-3#) das haben die, die haben eigentlich die Feier für sich gemacht. Aber die können ja / die Obrigkeit damals konnte ja keine Feier einfach machen und Geld raus. Und da haben die gesagt, dass ist eine Feier für die verdienstvollen Werktätigen und wir sind da bloß als Betreuung sozusagen dabei. #02:44:16-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) (lacht) #02:44:16-9#

Gerd Schneider: Ist einem dann später erst mal bewusst geworden. Denn da waren ja nur Größen dort, ne, die da waren. Die haben als Alibi wahrscheinlich eine Gruppe Arbeiter dort hin mit gekarrt. #02:44:29-6#

Astrid Kirchhof: Okay. #02:44:31-8#

Gerd Schneider: Auszeichnung und also. Also es war Abendprogramm mit Affen, mit allem drum und dran. Für die Kinder ein Extrabuffet, dass die nicht mit den Erwachsenen essen. Haben die dort alles für die Kinder extra gemacht. Die haben sie dann abends ins Bett geschafft. Früh ging das weiter mit Frühschoppen. Das ist irre gewesen. #02:44:46-0#

Astrid Kirchhof: War da, also waren da die Frauen auch mit dabei? #02:44:48-5#

Gerd Schneider: Auch mit dabei. #02:44:49-5#

Astrid Kirchhof: Und ja ihr habt alle zusammen gefeiert und (...) #02:44:56-0#

Gerd Schneider: Sowas habe ich auch mit gemacht. So ein Zeug. #02:44:59-0#

Astrid Kirchhof: Okay. Ich wollte noch mal was fragen. Also zum Film kommen wir jetzt dann gleich, aber / ach so ja genau: (...) Und zwar mit den Krankheiten. Also finden Sie, dass die Wismut da unzureichend aufgeklärt hat, welche Krankheiten man haben kann. Oder das war halt so, weil man hat darüber nicht so viel gesprochen // #02:45:32-4#

Gerd Schneider: Man hat es verdrängt. Es ging ja auch um's Geld. Dass das nicht gesund ist, das wusste jeder. #02:45:36-0#

Astrid Kirchhof: Woher wusste man das? #02:45:36-0#

Gerd Schneider: Na Staub, Dreck, dann die Vibration, der Lärm. Dass es radioaktiv ist haben wir auch gewusst. Sogar richtig im Abbau, richtig radioaktiv. Aber eben man hat vieles außer Acht gelassen vom Arbeitsschutz, um das schneller zu machen, um mehr Geld zu verdienen. Wenn ich nur mal erzählen soll, wenn ich jetzt ein / muss man sich vorstellen, Sie haben ein Haufen Dreck, // #02:46:05-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:46:05-0#

Gerd Schneider: // groben. So Kies. #02:46:07-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:46:07-2#

Gerd Schneider: Kiesel. #02:46:06-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:46:06-3#

Gerd Schneider: Und den sollen Sie mit der Schaufel schaufeln. Das geht fast nicht. Weil man ja gar nicht rein kommt in das, das geht schwer. #02:46:15-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:46:15-7#

Gerd Schneider: Dann hat man zwar so ein Teil, wo man so kratzen kann, ne. Das ist meistens so eine Arbeit, wenn man noch keine Großgeräte hat. Also Aufbruch hat sich das genannt, ne. Wenn es ziemlich eng ist, da konnte man nicht mit Geräten arbeiten, die das Zeug weg schaffen. Und da haben wir einfach die Druckluft genommen. Wir haben die Schläuche aufgemacht, einer hat die Druckluft richtig aufgedreht und der andere hat mit Druckluft - das sind ja immerhin, das is ja unwahrscheinlich, also man musste schon festhalten, sonst schmeißt es einen durch die Gegend. Und mit der Druckluft konnte man das Gestein blasen. Dahin wo man es hin haben wollte. #02:46:54-2#

Astrid Kirchhof: Ach so. #02:46:54-6#

Gerd Schneider: Und was da für ein Staub entsteht, das brauche ich nicht zu erzählen, ne. Und das war streng verboten. Sowas war zum Beispiel gang und gäbe, ne. #02:47:04-8#

Astrid Kirchhof: Und das hat man gemacht, damit man das Soll über erfüllt oder? #02:47:08-8#

Gerd Schneider: Damit man es schafft, damit man bissl, bisschen schneller ist. #02:47:12-6#

Astrid Kirchhof: Das heißt, man hat sich eigentlich so halt entschieden oder ja, dafür entschieden, dass man // #02:47:18-5#

Gerd Schneider: Das haben sie nicht ernst genommen. Es hieß zwar immer, Staubbekämpfung ist das A und O. Das war ja auch dann in der Sanierung. Tagebau das A und O ist immer die Staubbekämpfung. Ja, aber so ernst genommen hat es keiner. #02:47:31-5#

Astrid Kirchhof: Und es hatte auch keiner wirklich Angst? #02:47:33-2#

Gerd Schneider: Hat man ja nicht gesehen. Strahlung sieht man nicht. #02:47:40-3#

Astrid Kirchhof: Ich seh schon, dass Ihre Frau dahinten steht und / #02:47:46-2#

Gerd Schneider: / der wird es langweilig da drüben. #02:47:47-2#

Astrid Kirchhof: Der wird es langweilig. Ich wollte noch mal ganz kurz fragen. Also Sie waren ja in verschiedenen Organisationen. SED, na SED / doch waren Sie in der SED? #02:47:57-3#

Gerd Schneider: Doch, musste ich ja. Sonst hätte ich nicht studieren dürfen. #02:48:01-6#

Astrid Kirchhof: Ah, genau. #02:47:59-7#

Gerd Schneider: Da hätte ich den Platz nicht ohne Weiteres gekriegt. Auch die Wohnung nicht. #02:48:05-8#

Astrid Kirchhof: Aber was heißt das genau: Man ist dann in der Partei, aber weitere Verpflichtungen hatten Sie sonst nicht. #02:48:11-3#

Gerd Schneider: Nö, hatte ich nicht. Bezahlen. #02:48:15-2#

Astrid Kirchhof: Und so war es auch bei anderen. Waren Sie in der FDJ? Ja klar, haben Sie ja gesagt // #02:48:16-4#

Gerd Schneider: // erst FDJ und dann Freund der Jugend. #02:48:18-5#

Astrid Kirchhof: Wie heißt das dann? #02:48:20-6#

Gerd Schneider: Freund der Jugend. #02:48:20-6#

Astrid Kirchhof: Freund der Jugend. Weil meine // #02:48:22-9#

Gerd Schneider: // Wenn man über 26 ist. #02:48:24-2#

Astrid Kirchhof: Ach über 26. Nicht über 18. Aber das war eigentlich zahlendes Mitglied und wenn / Sie haben ja vorher gesagt, man musste sich schon gewerkschaftlich, gesellschaftlich aktivieren. #02:48:34-6#

Gerd Schneider: Ja, ja. #02:48:35-3#

Astrid Kirchhof: Und was war da Ihr Engagement? Was haben Sie dann hauptsächlich gemacht? #02:48:39-9#

Gerd Schneider: Ja wir haben in der GST mit gemacht. Also Sport und Technik. Da gab es zum Beispiel, da wurde am Schacht Schießen veranstaltet. #02:48:49-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:48:50-1#

Gerd Schneider: Da musstest du die Karte kaufen. 50 Pfennig. #02:48:52-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:48:52-4#

Gerd Schneider: Das kam wieder der GST oder der DSF oder irgend jemandem zugute. Und jeder, der dort eine Scheibe geschossen hatte / du konntest auch was gewinnen. Eine Kleinigkeit. Nur musstest du zum Beispiel 50 Pfennig bezahlen. Und da habe ich in die Brigadekasse gegriffen, habe ich 50 Euro raus genommen und da wurde einer abgestellt und der hat den ganzen Tag dort für die 50 Euro geschossen (lacht). Es ging da drum, dass eben das Geld, hast eine Spende wieder gemacht. #02:49:21-1#

Astrid Kirchhof: Ach so. Okay. #02:49:22-1#

Gerd Schneider: Die DSF-Marken und das, was es alles gab, die habe ich ja / schade, dass ich die Brigadebücher nicht habe. Da sind die ganzen Blöcke drin. Ich habe die ja Blockweise bezahlt für die ganze Truppe, damit die keinen Stress haben. Oder Ärger kriegen, dass sie DSF nicht bezahlen oder ihr habt das nicht bezahlt. Und da habe ich das Geld aus der Kasse genommen, das hin gelegt. (unv., #02:49:41-1#) ein Wettbewerb wieder irgendwann. Da haben sie gesagt, naja die sind zwar bloß zweiter, aber gesellschafltich und so, da hast du das drei und vierfach wieder gekriegt. Wir haben zum Jahrestag, 40. Jahrestag der Befreiung, das war 1985, ne. Da habe ich zu meinem / das Bild habe ich leider auch nicht gefunden, habe ich gesucht. Habe ich gesagt: Wisst ihr was, wir machen einen Kranz. Da drauf schreiben wir Brigade Wilhelm Pieck zu Ehren der gefallenen Helden der Sowjetunion und der 40. Jahrestag war nämlich ein Feiertag zufällig. Sonst war der nicht mehr. Aber den haben sie jetzt zum vierzigsten zum Feiertag gemacht. Und die Wismut hat gesagt, wir machen da mit bei einer großen Demonstration am Ehrenhain. Wir haben so einen Ehrenhain auch in Leumitz. #02:50:20-6#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:50:20-6#

Gerd Schneider: Da haben wir gesagt, wir machen da auch mit. Wir ziehen unsere Uniform an und legen den Kranz nieder als Brigade. Das haben wir auch gemacht. Haben sie alle fotografiert und das ging dann sonst wohin. Brigade Wilhelm Pieck, Vorzeigebrigade hier. Beim nächsten Wettbewerb hast du 500 Mark wieder gekriegt. #02:50:39-6#

Astrid Kirchhof: Ach so. #02:50:39-6#

Gerd Schneider: Ja du musstest gesellschaftlich und betrieblich musste das schon stimmen. #02:50:46-5#

Astrid Kirchhof: Aber das ist Ihnen nicht schwer gefallen, sich da einzubringen oder (...) #02:50:48-5#

Gerd Schneider: Clever im Prinzip. #02:50:50-2#

Astrid Kirchhof: Okay. Aber Sie hätten jetzt auch keinen Ärger gekriegt, wenn Sie es nicht gemacht hätten. #02:50:53-7#

Gerd Schneider: Nee. Nee. Aber hätte viele Nachteile gehabt. #02:50:57-0#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:50:57-9#

Gerd Schneider: Oder einige Nachteile, sagen wir mal so. #02:51:02-5#

Astrid Kirchhof: Okay. Können Sie noch mal was sagen zum / also Sie haben ja schon viel zum viel zum Umweltschutz gesagt, aber finden Sie, dass das gut gemacht wurde mit / wie die Sanierung jetzt seit den letzten 30 Jahren // #02:51:14-9#

Gerd Schneider: Sehr gut. #02:51:17-0#

Astrid Kirchhof: Woher kommt // #02:51:17-8#

Gerd Schneider: Das ist weltweit mit das Beste. Das (unv., #02:51:22-2#) was wir haben, das wurde ja sogar im Ausland jetzt schon verkauft. Also nicht verkauft. Fahren viele Leute von uns ins Ausland und tun das zeigen, was man machen kann. Es gibt ja in Kanada, überall gibt es ja auch Uranabbau. Aber eben nicht so problematisch wie bei uns, dass da rings rum gleich Leute wohnen. Wie bei dem Tagebau, da haben 200 Meter entfernt haben die ersten Leute gewohnt. Das ist ja bei denen nicht so. Nicht ganz so. Und grade mit diesen, mit diesen industriellen Absatzanlagen, die es da gibt. Das ist da wo die / das Erz wird da gemahlen. Dann gibt es einen Prozess, wo das Uran raus, mit Säure raus geholt wird. Es wird da bloß dieses Yellow Cake, das sogenannte, das wird da bloß weg geschickt. Die Reste, die sind ja hier geblieben. Das sind lauter so feine Splitsteine. #02:52:10-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:52:10-5#

Gerd Schneider: Die wurden teilweise dann sogar zum Straßenbau genommen, weil die sehr schön klein und fest sind. Die haben eine hohe radioaktive Gammastrahlung. Und die wurden eingespült in den ehemaligen Tagebau. Da war, weiß nicht wie tief, 60, 70, 80 Meter. Und da wurden diese Abfälle wurden da mit Wasser eingespült. Die sieht man dann ja auch auf so Teichen. #02:52:35-8#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:52:35-8#

Gerd Schneider: Und das wieder trocken zu legen, das war unwahrscheinlich problematisch. Das hat noch niemand auf der Welt gemacht. Sie müssen sich mal vorstellen, Kaffeesatz, wenn man da drauf drückt, kommt immer wieder Wasser. #02:52:41-7#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:52:43-1#

Gerd Schneider: So ist das hier gewesen. Wir haben eine Methode entwickelt, wie man das sanieren kann. Das Wasser, dass das Wasser raus gezogen wird, kompliziert ist das. Da kommen Matten, Stoff, dann kommen riesengroße Dochte rein. Alle paar Meter ein Docht. #02:53:04-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:53:04-9#

Gerd Schneider: Quer rüber. Und die Dochte werden oben hin gelegt. Die Sonne, das Wasser macht den Docht hoch. Die Sonne trocknet den aus. So wird das Wasser / dann später kann der dann mal abgedeckt werden und alles. Bloß bauen kann man da drauf nicht. Aber man kann // #02:53:19-0#

Astrid Kirchhof: // Weil das nachgibt oder was? #02:53:19-8#

Gerd Schneider: Ja, nee, das ist auch wegen Untergrund. Wenn man da Häuser baut. Wegen Radon und allem. #02:53:25-9#

Astrid Kirchhof: Ach so. Ach so. Also was / #02:53:27-9#

Gerd Schneider: Es gibt Land, das ist nicht geeignet dann zum bauen oder was. Das wird dann als Wiesenfläche und sowas / also Kühe können dann drauf weiden später. #02:53:33-2#

Astrid Kirchhof: Das schon. #02:53:35-5#

Gerd Schneider: Also kein Problem. #02:53:35-6#

Astrid Kirchhof: Und woher hatte die Wismut oder die Mitarbeiter das Wissen, wie man sowas saniert? #02:53:41-1#

Gerd Schneider: Teilweise am Anfang Erfahrungsaustausch mit eben Kanada und sowas, wie ich mal mitgekriegt habe. Und vieles haben wir selber entwickelt. #02:53:50-0#

Astrid Kirchhof: Okay. Einfach, man schaut sich an, was das Problem ist und überlegt sich, wie kann man das / #02:53:56-4#

Gerd Schneider: Wir haben ja Fachleute. Sind ja nicht dumm die Leute. #02:53:58-8#

Astrid Kirchhof: Ja und die Regierung hat Sie quasi unterstützt, indem sie gut Geld gegeben hat für die Sanierung. #02:54:02-4#

Gerd Schneider: Das wurde damals ausgehandelt eine bestimmte Summe. Das waren 13 Milliarden Mark für einen bestimmten Zeitraum, also wie es gehen sollte. Damals hieß es ja eigentlich 2020 ist Schluss. #02:54:14-9#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:54:14-9#

Gerd Schneider: Aber es geht immer noch. Und es geht jetzt noch immer noch 20, 30 Jahre. #02:54:19-4#

Astrid Kirchhof: Noch 20, 30? Das wusste // #02:54:22-2#

Gerd Schneider: Also die Wasser / Wassermanagemente, das ist, das kommt jetzt immer mehr in den Vordergrund. Grundwasser, was da alles ist. Das wird da hoch gepumpt, aufbereitet. Und das dauert noch ewig. #02:54:32-2#

Astrid Kirchhof: Kann man das dann noch mal benutzen? #02:54:29-6#

Gerd Schneider: Das kommt wieder in die Flüsse. #02:54:36-1#

Astrid Kirchhof: Das kommt wieder in die Flüsse. Und / #02:54:39-8#

Gerd Schneider: Also wenn es aufbereitet ist. #02:54:39-8#

Astrid Kirchhof: Und von diesen 13 Milliarden sind doch ungefähr die Hälfte jetzt verbraucht oder? #02:54:43-6#

Gerd Schneider: Nee, das ist bedeutend mehr. Soviel wie ich weiß, sind 6 Milliarden weg. Also 6 Milliarden Euro jetzt / #02:54:48-8#

Astrid Kirchhof: Ja, das meinte ich. #02:54:49-8#

Gerd Schneider: 6,5 Milliarden. #02:54:52-2#

Astrid Kirchhof: Und haben Sie nicht gesagt, 13 Milliarden? #02:54:54-5#

Gerd Schneider: Mark waren das. #02:54:55-5#

Astrid Kirchhof: Ach so. Und jetzt sind wir bei Euro, ach so. Okay. Aber die Bundesregierung zahlt trotzdem das weiter. #02:55:03-9#

Gerd Schneider: In Thüringen ist bloß / die Altlasten, es gibt Altlasten. Das ist alles das, was vor 1962 von der Wismut abgeben worden ist wieder an die Kommunen und so weiter. Das sind Altlasten. Die werden nicht mit saniert von der Wismut in Thüringen. In Sachsen ist es anders. In Sachsen tut sich das Land Sachsen dran beteiligen an der Sanierung. #02:55:27-8#

Astrid Kirchhof: Okay. #02:55:27-8#

Gerd Schneider: Und tut sich mit Geld beteiligen. Und dadurch auch der Bund. Die machen dort auch Altlasten mit. Die machen da halbe halbe. Und die Wismut tut im Prinzip auch dort - nicht nur die Wismut, auch andere Betriebe - (unv., #02:55:40-7#) tun auch die Altlasten dort, die von 1962 sind. Dann gibt es noch das Problem Königstein. Da wurde ja alles gelaugt. Da wurde ja kein Erz hoch geschafft. Da wurden Räume geschaffen. Königsteiner Sandsteine, da kam eben Säure drauf. Säure wurde unten abgefangen und bis die gesättigt waren mit dem Uran, dann wurden sie aufbereitet. Bloß die Säure muss nun langsam raus aus dem Berg. #02:56:04-4#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:56:04-4#

Gerd Schneider: Das dauert eben immer. Deswegen wird dort auch das Wasser aufgefangen, aufbereitet. Und es fällt sogar noch bisschen Uran an. Das wird verkauft. #02:56:08-9#

Astrid Kirchhof: Verkauft. #02:56:08-9#

Gerd Schneider: hm (bejahend) #02:56:10-1#

Astrid Kirchhof: Ach so, weil für Länder mit Atomkraftwerken, die können das benutzen oder so. #02:56:15-4#

Gerd Schneider: Kostet ja nicht mehr viel so. #02:56:17-4#

Astrid Kirchhof: Und was macht Thüringen mit den Altlasten? #02:56:20-1#

Gerd Schneider: Keine Ahnung, was da (...) meistens sind die Halden begrünt und alles. Wenn man zur Autobahn fährt von Ronneburg, da sind soviel Halden ringsrum (...) die sind schön bewaldet und / #02:56:34-3#

Astrid Kirchhof: Und würden Sie sagen, das ist gefährlich jetzt hier in der Gegend zu wohnen? #02:56:36-9#

Gerd Schneider: nee #02:56:39-0#

Astrid Kirchhof: Oder da strahlt noch was oder? Aber das liegt schon an der Sanierung, dass / #02:56:44-7#

Gerd Schneider: Radon ist gesund. #02:56:45-0#

Astrid Kirchhof: Deswegen Bad // #02:56:46-7#

Gerd Schneider: Bis zu einer bestimmten Höhe ist Radon gesund, ne. Deswegen war ja in Ronneburg und Schlema und so gab es ja das radonhaltige Wasser. Das hilft gegen Rheuma und alles. Oder wenn man sich dort aufhält. Das ist erwiesen, dass es anregend ist. Bis zu einer gewissen Höhe. Aber wann diese Grenze ist, wo das gefährlich wird oder tödlich wird, die ist (...) also kann keiner sagen: Du stirbst jetzt bei so und soviel Radon oder Gammadosisleistung stirbst du, ne. Die wissen, dass es, wenn es eine bestimmte Höhe ist, dass man auf jeden Fall stirbt. Aber wann die Grenze ist - deswegen gibt es keine richtigen Grenzwerte (...) bei vielen Sachen. Es gibt keine Grenzwerte, das sind alles zum Teil Richtwerte. #02:57:34-5#

Astrid Kirchhof: Aber warum weiß man das nicht, was / weil es schwer ist raus zu finden, woran jemand wirklich / #02:57:40-4#

Gerd Schneider: Der Übergang, wo der Übergang ist. Kommt ja auf jeden Menschen selber an. #02:57:43-5#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:57:43-5#

Gerd Schneider: Also ich will keinen Mist erzählen, aber auf jeden Fall ist es kompliziert zu sagen, jetzt bei so und so viel Becquerel stirbst du. Die wissen, okay, wenn das ganz hoch ist, auf jeden Fall. Gammadosisleistung ist eine Röntgenstrahlung. Das ist Radon. Das ist das, was wir gemessen haben in ein Meter Höhe. Das ist immer diese Werte, wo sie schreiben Nanocred, das ist Nanosievert. #02:58:07-3#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:58:07-3#

Gerd Schneider: Das ist fast die selbe Einheit. Die ist dann bloß modernisiert worden. Und da gibt es eine Höhe, die Wismut muss alles übergeben mit unter 200 Nanocret. Empfehlung war 300, die Wismut hat gesagt, wir machen 200. Das ist im Prinzip wie eine Röntgenstrahlung. #02:58:20-4#

Astrid Kirchhof: Okay. #02:58:26-3#

Gerd Schneider: Die durchdringt den Körper. Je stärker die ist, je gefährlicher ist es. Ist logisch. Je weiter ich davon weg bin, je geringer ist es. Strahlenschutz ist kompliziert, das kann man nicht in drei Worten erklären. Das habe ich / ich habe immer ein Tag der offenen Tür so ein Gerät ausgestellt und habe das versucht den Leuten zu erklären, wenn die Fragen hatten. Die Frauen waren besonders aggressiv, viele. Ach komm her, haben sie zu ihrem Mann gesagt, hier kannst du mal fragen, wie sie dich verseucht haben. Wenn Bergleute kamen, ne. Wenn du dann versucht hast, denen zu erklären. Nach 20 Minuten, wenn du zum Kern kommen wolltest, musst du erst mal erklären, was ist denn das Strahlung? Was ist denn die einzelnen Sorten. Das ist ja wie Obst. Es gibt Äppel, Birnen, das. So ist es dort auch. Aber jetzt haben wir aber keine Zeit mehr. Jetzt komm, habe ich erlebt, ne. #02:59:08-3#

Astrid Kirchhof: Was würden Sie sagen, warum sind Frauen da eher aggressiver oder sensi / #02:59:14-1#

Gerd Schneider: keine Ahnung, keine Ahnung. #02:59:14-1#

Astrid Kirchhof: und Männer nicht so #02:59:14-6#

Gerd Schneider: (unv., #02:59:15-9#) die da gearbeitet haben. #02:59:20-1#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) Also / #02:59:23-8#

Gerd Schneider: Wir hatten ja auch in Ronneburg einen Stützpunkt gehabt. Infostützpunkt. Das sind wir dann immer nachmittags hin. Da sind Schulklassen gekommen und so. Und da haben wir mal gezeigt, Strahlenarten. Was wir haben, was man machen kann. Wie man das misst. Zum Beispiel Alphastrahlung. Alphastrahlung ist für die Lunge gefährlich. Da sind doppelt geladene Heliumkerne, die hängen sich an Staub oder Aerosole und da kann man sie einatmen. Ansonsten liegen die rum. Wenn ich die nass mach, können die nicht fliegen. Aber wenn Aerosole da sind, Staub oder sowas, können die sich ran hängen und dann kann ich sie einatmen. #02:59:50-2#

Astrid Kirchhof: hm (bejahend) #02:59:54-8#

Gerd Schneider: Und die sind so fein, die können in die Lunge gehen. Sind (unv., #02:59:59-0#) sagt man. Und dadurch richten sie Schaden an. Wenn du allerdings ein Alphastrahler hier habt, der ist ziemlich (unv., #03:00:04-8#) und leg Papier drauf, kann ich nicht mehr messen. Der schafft das nicht dadurch. Der hat bloß eine ganz geringe Höhe von Strahlung, aber so aggressiv, wenn du ihn einatmest, ich hab / in der Lunge habe ich kein Papier. #03:00:15-4#

Astrid Kirchhof: Okay. #03:00:16-6#

Gerd Schneider: Und hat eine hohe Zerfalls / also lange Halbwertszeit und das ist eigentlich die Ursache dafür, die Staublunge, dass man Lungenkarzinom dann gekriegt hat, mit. #03:00:28-5#

Astrid Kirchhof: Also da gab es Alphastrahlung. #03:00:28-5#

Gerd Schneider: Das ist ja ein Folgeprodukt von radioaktiven Zerfall des Radons. Das ist kompliziert, das kann man nicht, da können wir uns morgen den ganzen Tag noch mal hinsetzen. #03:00:39-6#

Astrid Kirchhof: Okay, verstehe. #03:00:41-0#

Gerd Schneider: Das ist in der Zerfallsreihe vom Uran zu Blei. Blei ist das Endprodukt. #03:00:48-2#

Astrid Kirchhof: Pleie? #03:00:48-2#

Gerd Schneider: Blei. #03:00:50-9#

Astrid Kirchhof: Und gab es da noch andere Strahen oder nur Alpha? #03:00:55-6#

Gerd Schneider: Nee, es gibt Gamma, Alpha // #03:00:55-6#

Astrid Kirchhof: // auch auf dem Berg, also #03:00:59-0#

Gerd Schneider: Ja, das ist das was wir gemessen haben übertage. Erst kommt Gamma, ne und die Alphastrahlung, das ist Uran. Das hat eigenlich Alphastrahlung, aber in der Zerfallsreihe kommt das eben vor vom Uran zum Blei gibt es ganz viele Zerfallsreihen. Unter anderem ist da das Gas dabei, Radon, das dann wieder zerfällt in die Folgeprodukte und wird wieder zu was Festem komischer weise. Also kompliziert. #03:01:22-8#

Astrid Kirchhof: Okay. Bevor wir jetzt zu Ihren Gegenständen kommen, würde ich ganz jetzt zum Abschluss noch den Filmausschnitt sehen. #03:01:36-5#