2020.09.24 - Jutta Bergholz - 480p.mp4

Lizenz (Kurztitel): CC BY-SA

Transkript:

#00:00:10-1#

Astrid Kirchhof: Also heute ist der 24. September 2020 [24.09.2020]. Wir sind in der Wohnung von Frau Jutta Bergholz in Gera und mein Name ist Astrid Kirchhof und ich begrüße Sie, Frau Bergholz, und danke Ihnen, dass wir zum Interview kommen konnten. #00:00:29-8#

Jutta Bergholz: Ich freue mich auch, dass Sie da sind. #00:00:31-6#

Astrid Kirchhof: Meine erste Frage an Sie wäre, erzählen Sie uns doch mal ein bisschen was von Ihrem Leben in Bezug auf die Wismut, wie kamen Sie dahin? #00:00:42-9#

Jutta Bergholz: Vorher schon erzählen? #00:00:44-4#

Astrid Kirchhof: Gerne vorher schon. #00:00:45-8#

Jutta Bergholz: Ganz kurz. Also ich bin historisch, Jahrgang 27 [1927]. Habe also während der gesamten faschistischen Zeit die Schule besucht. Das war natürlich ein Handicap, aber wir waren damals eben anders erzogen. Und dann war ich 17 Jahre alt zu dieser Zeit und lernte meinen Mann kennen und kam in ein antifaschistisches Elternhaus. Mein Schwiegervater war Reichstagsabgeordneter der SPD gewesen, hatte natürlich alle Höhen und Tiefen dann der schlimmen Zeit, oder die ganze Familie, erlebt. Und ich wurde dort auch liebevoll aufgenommen. Und durch ihr Vorbild, durch ihre ganze Lebensweise haben sie mich von meinem, denn ich war schon verseucht durch die zwölf Jahre, das dürfen Sie glauben, ohne, dass wir es gemerkt haben. Wir waren ja... ich war in einer reinen Mädchenklasse, wir waren alle da auf der Linie. Und dann wurde ich dann anders eingestellt und bin dann als Hausfrau - ich hab dann geheiratet 1950 und mein Sohn, der ist 51 [1951] geboren - und dann zogen wir nach Breitungen an der Werra. Mein Mann hatte inzwischen ein Ingenieurstudium absolviert. Und dann wurde er versetzt nach Breitungen an der Werra in ein Kraftwerk. Er hat Elektroingenieur studiert. Und dort haben wir vier Jahre... vier sehr schön Jahre erlebt. Und dann bin ich auch als Hausfrau in die Partei eingetreten. War so im Dorf ein bisschen absonderlich, aber ich habe das alles mitgemacht. Es war für mich ja auch alles neu. Und dann wurde mein Mann nach Gera versetzt. Und dann zogen wir 1954 nach Gera. Ich wollte auch. Das war ein Dorf und das hatte ich dann satt. So schön das alles war, aber... nun auch die Stadt genießen kann, wenn man durch die Straßen geht, da hat man Geschäfte und dort sind wir dann mit dem Fahrrad zum Konsum gefahren. Das war der Höhepunkt des Tages, ja. War das schon. Und ich war da ja auch noch jung. Ja, und dann war mir das als Hausfrau ein bisschen langweilig. Vorher hatte ich, das hab ich ein bisschen vergessen, hatte ich, als die Schule zu Ende war, hab ich bei der Bank gelernt. Das war ja damals schwierig, diese 5 und... 46 [1946], eine Arbeitsstelle zu finden. Und da hatte ich bei der Commerzbank begonnen. Und hab dann auch die Lehre abgeschlossen. Da hatten wir ja unentwegt Bankenschließungen, weil wir waren ja die Landesbank, die Landeskreditbank, die Stadt- und Kreisbank. Das wurde ja immer verändert. Das Geld wurde ja auch verändert. Mal hatten wir Coupons draufgeklebt, mal gab's anderes Geld. Also es war abwechslungsreich. Und da habe ich bis zu unserem Wechsel nach Breitungen 54 [1954] gearbeitet. Ja, und dort hatte ich dann keine Lust, immer nur zu Hause zu sein. Unsinn. Wir sind weggezogen. Und in Gera hatte ich dann keine Lust mehr. Und mein Sohn kriegte einen Kindergartenplatz. Das war für den... er wollte es zwar nicht, aber er durfte... und da habe ich dann, es war auch reiner Zufall, über einen Kollegen meines Mannes, der hat gesagt: Du gehst zur Wismut. Ich wusste gar nicht, was die Wismut ist. Und dann bin ich dort hin. Es war ein bisschen eigenartig, wie die mich empfingen. Fragte als erstes: Sind Sie in der SED? Ich wusste gar nicht, was sie meint. Es war eine polnische Kollegin, die war dort. Bei der durfte ich anfangen als Buchhalterin. Und dann hat mich... dann hat mir in diesem Haus, das war die sogenannte Verwaltung, jetzt werde ich mal auf das Objekt 90 kommen. #00:04:19-1#

Astrid Kirchhof: Ja, gerne. #00:04:19-5#

Jutta Bergholz: Die Verwaltung des Objektes 90, da war vereinigt alle Bergbaubetriebe und Hilfsbetriebe. So Hilfsbetriebe, als da sind zum Beispiel die Transportbetriebe. Das waren riesen Einrichtungen, die hatten ja tausende Fahrzeuge. Und es waren zwei Betriebe. Oder eine mechanische Werkstatt. Also es gehörten sehr viele dazu. Und die Bergbaubetriebe (unv.) Fenster so laut ist, was so war. Und das war natürlich ein mächtiges Unternehmen. Und da kam ich dann in die Planabteilung. War hochinteressant. Wir waren ja eine SDAG. Und hatten viel sowjetische Kollegen in der Abteilung. Und ich hatte ja kein Russisch in der Schule. Bin ich in die Volkshochschule gegangen und habe mir erst mal die kyrillischen Buchstaben gelernt. Ich konnte doch die Formulare und Journale gar nicht führen ohne, dass ich lesen konnte, was das war. Das ging aber gut. Der war begeistert, mein Abteilungsleiter, dass ich das so schnell gelernt hab. Und mit den sowjetischen Kollegen war es ein sehr schönes Arbeiten. Die zogen sich dann schon langsam zurück. Das waren alles nur noch die Stellvertreter. Leiter waren Deutsche. Und, wie gesagt, mit den Kollegen, wir haben da viel Spaß gehabt. Wir haben auch viel gefeiert, (unv.) war immer dabei. Wir haben zum Beispiel den 40. Jahrestag der Oktoberrevolution, haben wir gemeinsam gefeiert 14 Tage lang. Also das alles in allem. Und wir hatten einen Stellvertreter, das war ein sehr kluger Geologe, bei dem habe ich dann immer die Zuarbeiten gemacht, der stellte dann da die Erzqualitäten, wir mussten doch, wir hatten doch Silikat- und Carbonatprozess, und dann musste das immer die richtige Gewichtung sein, damit die Aufbereitungsbetriebe auch ihre richtigen Erze hatten. Und das war hochinteressant. Und alles... einen roten Strich über das Formular, das bedeutete: geheim. Und wir hatten da so eine Aktentasche, da wurde alles reingepackt und in der Verschlussabteilung abgegeben. Da mussten wir... haben auch mal einen Spaß gehabt, wurde immer kontrolliert. Und da schrieb der Leiter der Verschlussabteilung immer rein: Alles in Ordnung und seinen Namen. Gefiel ihm das nicht, weil es zu viele waren, hat er sich einen Stempel angefertigt, aber, wenn Sie mit den kyrillischen Buchstaben vertraut sind, I und U ist ja... I ist unser U... und er hatte ein U drin, alles Unordnung, kriegten wir alle gestempelt. Da war natürlich ein Hallo im Haus. #00:06:58-0#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:06:59-8#

Jutta Bergholz: Aber, wie gesagt, es war alles sehr harmonisch. Und dann wurden wir, es war 1971, da wurde... das Objekt 9 wurde aufgelöst. Die Aue-Betriebe, Schlema, Aue. Und wir auch. Weil das zu groß und unübersichtlich war, fand man. Und dann wurden wir alle verteilt. Das war ein ziemlicher Aufriss. Sie können sich vorstellen. Wenn eine ganze Verwaltung aufgeteilt wird, wo gehst du hin, wo musst du hin? Wann sehen wir uns denn dann? Und... und dann hatten auch manche Privilegien, die suchten sich dann Leute raus, die sie mitnehmen wollten. Ja, das war jetzt nicht so... Und ich wurde in die Schule delegiert. Ich wusste gar nicht richtig, wo die war. Die Schule war erst eine BS, hieß sie. Betriebsschule. Nein, BBS, Betriebsberufsschule. Und dann wurde es... als ich hinkam, waren wir schon eine BS, eine Betriebsschule, weil sowohl polytechnische Ausbildung als auch Erwachsenenqualifizierung von Weiterbildung, auch Ingenieurausbildung, das war alles, das war ein Schulgebäude. Und ein neues Haus war für die Lehrlinge, für deren theoretischen... Und dann hatten wir das große Internat und alles was dazugehört. Wir hatten eine Schwimmhalle und wir hatten eine Sporthalle. Und dann hatten wir noch so eine alte Baracke ausgebaut wo sie nun... herrschen durften, ihre Disko und sowas. Dann hatten wir auch eine eigene Versorgung. Das heißt, wir haben sie nicht bewirtschaftet, sondern der Wismut-Handel. Aber die mussten ja für die Vollverpflegung der Lehrlinge da sein und es begann ja früh um fünf. Weil die dann weg mussten zur Seilfahrt, die Frühschicht. Es war auch für die Jugendlichen manchmal eine Herausforderung. Die wollten ja auch mal zur Disko und... da war das bei der Frühschicht, war das schon ein bisschen... und alles in allem war es auch, wir hatten ja, eigentlich, wenn man heute bedenkt, wir waren so circa 500 Beschäftigte, das war ja hier ein Großbetrieb. Hatten allein 40 Lehrer und auch so viele Erzieher. Das Internat war ja groß, das haben Sie ja hier am Bild gesehen, sieben Etagen in zwei Häusern, Zwischentrakte dazwischen für kulturelle und andere Arbeit. Und da waren natürlich auch eine Menge Erzieher nötig. Und auch Hilfskräfte. Wir hatten auch sehr viel Frauen, die nun so reinigten. Denn die Lehrlinge machten ja ihre Zimmer nicht sauber. Nur die Gemeinschaftsräume. Haben die Frauen immer... die Lehrlinge mussten zwar Ordnung halten, aber es war dann nach. Und wenn dann mal Höhepunkte waren in der Stadt, meinetwegen Friedensfahrt oder sowas, da mussten wir das Internat zur Verfügung stellen für den (unv.), für so... da hat man natürlich zu tun. Dass man die Zimmer alle so auf Vordermann brachten. Da musste jeder mithelfen (lacht). Das war nicht das Einzige, als Beispiel bloß. Es war ein bewegtes Leben. Unsere Jugendlichen hatten auch noch in Zeulenroda, das ist hier in der Nähe, im Wald, das hat uns Sepp Wenig, wo ich vorhin... die Gestalt, also... die Wismut ohne Sepp Wenig ist... kaum wegzudenken. Und wir hatten ihn sehr massiv am Hals (lacht). #00:10:27-8#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:10:28-6#

Jutta Bergholz: Und der hat uns dann auferlegt, dass wir, das war wirklich sehr heruntergekommen, dass wir das einrichten mussten. Aber die Jugendlichen sind dann gerne hingegangen, das Wochenende oder mal eine Woche, die Kulturgruppen, die einzelnen, die wir hatten. Ob der Singeklub oder Tanzgruppe oder hatten auch so eine... kleidete ein... Orchersterleiter vom Theater, es war... mit denen konnten wir uns hören lassen. Das war so eine Bläsergruppe, die haben das wirklich... und er hatte so arrangiert, dass eben die Instrumente, die da waren, dass das genügt. Es war sehr schön. Ja. Was soll ich jetzt weiter sagen? So, jetzt, das waren die Lehrlinge. Ich war ja nur bedingt aber mit allem verbunden. Das ist klar. Wir wurden ja zur Hälfte aus dem Staatshaushalt finanziert... ne, zur Hälfte nicht. Die Theorie und Wohnheim. Das Andere mussten die... praktische Ausbildung, die fand im Wesentlichen für die Bergleute im Reust, im Lehrrevier, statt. Und dann hatten wir eine Bauausbildung, die waren dann in dem sogenannten BMB 17, das war der Baubetrieb, da waren die Lehrlinge in der Praxis. Und wir hatten auch in den Aufbereitungs... wir hatten die Seelingstädter, das war dann die Chemieausbildung. Da wurden auch Lehrlinge dafür ausgebildet. Und dafür waren natürlich auch entsprechende Lehrmeister da. Und Lehrer auch und... ja. Was soll ich jetzt weiter erzählen? Wenn es jetzt um mich geht. Ich war dann in der Planung, hab im Abendstudium Fachschule, keine Oberschule, aber das reichte dort. Und bin dort gewesen bis 1971. Da wurde dieses Objekt dann aufgelöst. Und die einzelnen Betriebe wurden selbstständig. Das Chaos habe ich vorhin schon mal angedeutet. Brauche ich nicht noch auszuführen. Wir haben uns dann aber alle eingefunden, abgefunden. Und hatten auch immer Verbindung. Und das muss ich auch sagen, wir hatten eine Atmosphäre, eine fast freundschaftliche. Nicht, dass man jeden geliebt hat, aber im Allgemeinen, wenn man sich dann so zusammengefunden hat, auch bei uns in der Abteilung, ich war ja immer erst lange Zeit die einzige Frau, dann kam noch eine Sachbearbeiterin. Das war ein sehr schönes Arbeitsverhältnis. Und auch mit den Frauen. Wir haben uns auch alle gut verstanden. Ich war dann Vorsitzende des Frauenausschusses und Mitglied der Frauenkommission. Der Frauenausschuss war im Betrieb und die Frauenkommission war zentral in Chemnitz und zwar unter Leitung der Gewerkschaft, unseres Zentralvorstandes. Hatten wir auch immer Sitzungen dort, haben uns getroffen. Und die einzelnen... jeder Betrieb hatte da eine Abgesandte. Und wir mussten uns um alles mögliche kümmern. Große Aufgabe war immer das sogenannte... Frauenförderungsplan. Da haben wir uns ein bisschen schwer getan. Da musste die Weiterbildung und auch die kulturelle Beschäftigung und... alles, auch Arbeits- und Lebensbedingungen, das wurde da alles festgehalten. Hatten da immer Schwierigkeiten, was zu finden. Wenn es große Probleme gab, die musste dann ja die Betriebsleitung lösen. Haben auch fast alles, was möglich war, ging dann auch. Haben auch manchmal gekämpft. Sie haben uns nicht immer ernst genommen, ist klar, hätte ich auch nicht. Aber... Sie haben ja vorhin das Bild gesehen, das war so eine Gruppe Frauen in der Verwaltung, jetzt haben wir es vergranscht #00:14:23-7#

Astrid Kirchhof: Ach hier. #00:14:27-5#

Jutta Bergholz: Hier, das war ich vor der Zeit. Und das waren hier Freunde (lacht) #00:14:33-1#

Astrid Kirchhof: War das die Frauenkommission? #00:14:34-7#

Jutta Bergholz: Nein. Das waren unsere Frauen in einer März, 8. März-Veranstaltung. Dies war die Aula. Wir hatten in einem Haus doch... in einer Schule eine Aula. Und da wurde alles sowas. Das war eine kleine Festveranstaltung. Frauenausschuss waren nicht so viele. Die Bilder vom Frauenausschuss, die hab ich alle da drüben, aber das ist nicht so wichtig. #00:14:55-2#

Astrid Kirchhof: Und das sind die Frauen, die bei... #00:14:56-9#

Jutta Bergholz: In der Verwaltung war das damals noch. #00:14:58-8#

Astrid Kirchhof: Der Betriebsschule? #00:14:59-9#

Jutta Bergholz: Nein, das war doch Objekt 90. #00:15:01-6#

Astrid Kirchhof: Ah, okay. #00:15:02-7#

Jutta Bergholz: Die Betriebsschule, da haben wir nicht solche... da war das ein bisschen anders. Da hatten wir dann ja im Wesentlichen auch sehr viele Hilfskräfte. Wir hatten doch mehrere, bevor das große Internat gebaut wurde, hatten wir andere. Und waren ja viele Arbeitskräfte. Die Frauen waren sehr fleißig und wurden ja auch nicht so sehr gut entlohnt. Zu dieser Zeit waren die Löhne nicht sehr hoch. Lebenshaltung war ja auch nicht so, so hoch. Aber wir haben da immer ein bisschen das Auge zugedrückt mit Pausen und so, dass sie nicht unlustig wurden. Denn eine schöne Arbeit ist das nicht unbedingt, wenn man dem Lehrling das immer hinterher räumen muss, ne. Und das waren ja große Objekte, für die sie zuständig waren. So, was soll ich jetzt weiter erzählen? Jetzt war ich in der Schule. Es war nicht so sehr leicht. Denn da fand ich Kollegen vor, die hätten ja diese Funktion gerne ausgeübt. Aber ich wurde dahin gesetzt eben unter der Überschrift Frauen in leitende Funktionen. Und das wurde dann von der Unternehmensleitung gesteuert. Ne, da habe ich mich erstmal ein bisschen einfinden müssen. Sie haben auch nicht immer (lacht) so... naja, nur zum Guten, aber wir sind zurecht gekommen. Und #00:16:28-9#

Astrid Kirchhof: Welches Jahr war das? #00:16:30-5#

Jutta Bergholz: Das war ab 71 [1971]. Bis zum Ende. #00:16:34-1#

Astrid Kirchhof: Und in leitender Funktion in der Betriebsschule? #00:16:37-5#

Jutta Bergholz: Ich war dort, die Funktion hieß, heute würde man es sagen, der Verwaltungsleiter. Es hieß Stellvertreter des Direktors für Ökonomie. Da war die Verwaltung drin und die Wirtschaftsabteilung und alles was so außer der Ausbildung und der Heime... das gehörte dazu. Die ganzen Verwaltungen und #00:16:59-3#

Astrid Kirchhof: In der Betriebsschule? #00:17:00-0#

Jutta Bergholz: In der Betriebsschule, ja. Ich sage ja, wir waren ja 500 Beschäftigte in dieser Einrichtung. Ja, und da haben wir dann mit Höhen und Tiefen gearbeitet. Im Großen und Ganzen hat es viel Spaß gemacht. Wir waren auch viel im Einsatz. Wir hatten einen Acht-Stunden-Tag kaum. Dadurch, dass die Lehrlinge ja immer da waren. Gab's ja auch immer mal Höhepunkte, wo wir gebraucht wurden. Also, wie gesagt, ein Acht-Stunden-Tag, aber das hat uns wirklich nicht gestört. #00:17:33-4#

Astrid Kirchhof: Wissen Sie, warum Sie ausgewählt wurden als Stellvertreterin? #00:17:37-9#

Jutta Bergholz: Ja, das ist schon auch ein bisschen eine persönliche Sache gewesen. Mein Abteilungsleiter, der mich in die Planung geholt hatte, der war dann Stellvertreter des Generaldirektors für Ökonomie. Und der hat das... und auch ein... einer, der für die... Kaderleiter haben wir ja dann immer gesagt, jedenfalls für die Weiterbildung, Ausbildung und so, ja auch den, den kannten wir auch vom (unv.), weil sie mich durch's Objekt kannten. Ob sie sonst auf mich gekommen wären, weiß ich nicht. Ist schon so. Aber es wurden ja Frauen gesucht. Meine Freundin zum Beispiel, die war in der Buchhaltung, die wurde dann auch Hauptbuchhalter in einem Betrieb. Und eine andere, mit der wir auch noch befreundet sind, wurde auch Hauptbuchhalter. Die eine in Reust, die andere in Drosen. Also da wurde schon ein bisschen gesucht. Das waren auch eine leitende Funktion. Das kam denen... das war schwierig. Auch in unserem Frauenförderungsplan, wir Frauen waren meistens gar nicht bereit. Wir hatten dann auch eine Frauenklasse, die hatten Ökonomie-Ingenieursstudium, waren freigestellt, haben bei uns in der Schule. Und die wurden dann auch entsprechend eingesetzt. Aber so in Leitungsfunktionen direkt nicht. Aber nicht nur Sachbearbeiterin. Sie hatten dann schon eine höhrere, sprich besser bezahlte Arbeit. #00:19:04-7#

Astrid Kirchhof: Würden Sie sagen, Frauen waren nicht so bereit, weil sie ja auch nebenbei auch noch den Haushalt und die Kinder hatten? #00:19:09-0#

Jutta Bergholz: Sicherlich. Ja, und sie haben es sich auch manchmal nicht so zugetraut. Ohne, dass es nötig war. Die es sich zutrauten, die konnten's nicht (lacht) und die wir wollten, die trauten sich nicht. Es war immer... aber wir haben es denn meistens... es wurde ja auch geholfen. #00:19:26-1#

Astrid Kirchhof: Erzählen Sie doch nochmal ein bisschen was so von Ihrem Arbeitsalltag in dieser Leitungsfunktion. Wie sah so ein ganzer Tag aus? #00:19:36-6#

Jutta Bergholz: Ja, das war sehr bunt (lacht). Ich machte früh eine Arbeitsberatung mit meinen Mitarbeitern, da war ja die Planung und die Wirtschaftsabteilung war dabei und die Handwerker. Wir hatten ja auch eine ganze Menge Handwerker. Da war mancher Betrieb neidisch, was wir alles hatten. Das waren zum Teil auch ehemalige Bergarbeiter, die dann rehabilitiert wurden. Die waren... die haben natürlich auch großen Einsatz gezeigt. Ich meine, die haben... das waren... Persönlichkeiten. Da konnte man nun nicht so (lacht), aber die waren auch da, wenn sie gebraucht wurden, ne, das war das Wichtige. Das war bei uns eben so. Die hatten mal ihre Freiheit, ich will das gar nicht sagen, was sie da gemacht haben, aber wenn's nötig war, konnten wir die mitten in der Nacht holen. Und das hat sich eben alles so ausgeglichen. Und es war auch alles immer noch diszipliniert. Nicht, dass man sagen könnte, hier... das war gar nicht der Fall. Aber sie hatten eben gewisse Freiheiten, weil sie ja nun auch schon ein großes Arbeitsleben hinter sich hatten zum Teil. Die waren dann eben Umformer oder waren in der Schwimmhalle. Manche wurden Schwimmmeister. Übrigens habe ich meine Frauen auch, da habe ich gemerkt, die konnten nicht schwimmen. Da hab ich, während der Arbeitszeit, da haben wir immer einen Schwimmkurs gemacht. Ich sag, ihr geht ja unter, wenn ihr um die Welt kommt (lacht). Das konnten wir eben als Schule. Da hatten wir eben... wir hatten, wie gesagt, lange Tage, aber wir hatten auch ein bisschen Freizeit dabei und Freiheit. Aber es gab auch wieder Wochenenden, wo wir überhaupt nicht raus kamen. Wo wir immer da sein mussten, ne. Das... und das hat sich so ausgeglichen. #00:21:18-1#

Astrid Kirchhof: Weil? Was war am Wochenende zum Beispiel manchmal? #00:21:21-1#

Jutta Bergholz: Ja, wenn Feierlichkeiten waren. Und Vorbereitungen. War doch immer mal irgendwas. Ob im Objekt oder... und wenn die Jugendlichen, die wurden ja auch gebraucht wenn Auftritte waren. Übrigens hatten wir ja auch im Jugendlager an der Ostsee in Zinnowitz und eins im Erzgebirge. Und dann sind sie zum Beispiel an die Ostsee, haben sie zwölf Eu... Mark bezahlt und da war alles dabei. Die Fahrt zur Ostsee und 14 Tage Aufenthalt. Aber wir hatten das Problem. Es waren alles junge Männer. Und da fehlten uns die Mädchen. Denn das ist ja so ein Lager, wenn sie Disko machen und haben keine Mädchen. Und kurios war's ja, dass die Einheimischen, die Zinnowitzer, die durften ja nicht rein. Ich weiß nicht, warum. Aber wir haben dann die Mädchen vom Krankehaus und vom Wismut-Handel, die wurden dann mit einbezogen. Die kriegten dann dort ihre Zelte und dann war das gelaufen. Dann sind sie... aber es war ja auch so, die Lagerleitung wurde ja alles von Lehrern, Erziehern, jeder... einmal... die Praxis einmal, die Lehre... die Erzieher mussten eine Lagerleitung stellen. Es war auch nicht begeisternd, ne. Hüten Sie mal 14 Tage lang so einen... die nun so ein bisschen ausgelassen waren. Und die Jungs, die wollten ihre Lehrer ja auch nicht in den Ferien sehen. Aber es ging auch immer gut. Gewisse Disziplin war nötig und es war nun nicht so beliebt. #00:22:58-5#

Astrid Kirchhof: Und da sind Sie mitgefahren zu diesen Fahrten? #00:23:01-4#

Jutta Bergholz: Ne, das war... ne, Frauen nicht. Wir hatten nur... das Küchenpersonal, das wurde von anderen gestellt. Es waren nur die Männer. Es waren ja fast nur männliche Lehrlinge dort. Und die vom Handel, die hatten ihre eigenen... ich war auch manchmal oben. Wir mussten es ja auch kontrollieren. Wir mussten ja ein bisschen berichten und so weiter. War dann da mal kurzzeitig... da war ich nicht mit, ne. Niemand von uns. #00:23:28-6#

Astrid Kirchhof: Sie waren ja wahrscheinlich auch verantwortlich, dass es weiter läuft dann in Gera, Ihre, also... #00:23:34-2#

Jutta Bergholz: Ja, das sowieso. Na, das waren ja dann die Lehrer, da waren die Konferenzen, auch wieder Pläne und alles... und dann hatten wir immer, wenn neue Lehrlinge kamen, kommt immer groß Feierlichkeit im Theater. Und dann mussten wir die nun anlernen, wo sie hinzugehen hatten und war ja weitläufig, das ganze Gelände. Es war immer... drum sag ich, da waren wir viel unterwegs, weil wir das immer dann, war ja dann Kleinarbeit. Die ist ja nötig. #00:24:01-4#

Astrid Kirchhof: Aber Sie haben nicht die Lehrlinge angelernt, Sie haben organisiert, dass die angelernt werden? #00:24:06-5#

Jutta Bergholz: Ja, das waren die, die Pädagogen waren die. Da waren zum Beispiel immer ein Lehrer, ein Erzieher und ein Lehrmeister verantwortlich. Und wenn ein Lehrling nicht gut war, dann mussten die sich kümmern. Da wurden die erstmal gefragt, was habt ihr denn getan, dass der besser wird? Es war nicht so, dass er als erster befragt wurde. Manchmal wollten sie auch nicht. Aber sie haben das immer... und nicht etwa, es wurde trotzdem nicht bewertet, Lehrerleistung, Schülerleistung. Das, so war es nicht. Aber sie mussten nachweisen, dass sie was getan haben. Damit der eine ordentliche Ausbildung und Abschluss hat. Sonst... #00:24:50-0#

Astrid Kirchhof: War das so dual? Also die haben eine Lehre gemacht und gleichzeitig Schulunterricht gehabt? Also Unterricht? #00:24:55-3#

Jutta Bergholz: Ja, na das gehörte ja dazu, Praxis und Theorie, in der Berufsausbildung, muss das ja sein. Die hatten eine Woche Schule, manchmal sogar zwei, dann war Praxis. Und in der Praxis, im Bergbau, das war auch nicht ohne. Die waren ja da im Lehrrevier. Wir hatten die großen Bohrmaschinen, das war laut. War ja auch gefährlich, mussten wir immer aufpassen, dass sie auch ihren Gehörschutz tragen. Bei uns eine Gruppe, GAS sagten wir, Gesundheits-Arbeitsschutz. Und die haben so aufgepasst, dass die Lehrlinge einmal nicht trockenbohrten, weil es dann die Silikose gab. Oder... entsprechenden Schutz immer hatten. Weil das manchmal eben leichter war, wenn sie nicht trockenbohren, da tropft dann immer das Wasser. Das war nun nicht so schön. Aber musste sein. Und da hatten... es war ja eine sehr gute Gruppe, muss ich sagen. Die waren sehr... sehr, sehr aufmerksam. Ja, bitte? #00:25:55-8#

Astrid Kirchhof: Welche Lehrberufe gab's denn da? #00:25:57-9#

Jutta Bergholz: Ja, bei uns gab's im Wesentlichen das... es wurde ja zu einer bestimmten Zeit begann das dann erst mit der Werbung. Und das waren Facharbeiter Bergbau. Das war im Wesentlichen. Für den Bau hatten wir nur eine Abiturklasse und dann immer nur noch einen Jahrgang. Und bei Chemie war auch nicht so viel. Da wurden ja nicht so viele gebraucht. Aber im Bergbau war der Nachwuchs ja nötig. Das war das Wesentliche. #00:26:29-4#

Astrid Kirchhof: Also Hauer und Steiger und... #00:26:32-0#

Jutta Bergholz: Ja, Hauer, das ist ja die Ausbildung Facharbeiter Bergbautechnologie, ne. Das ist der Hauer. #00:26:37-9#

Astrid Kirchhof: Aha, okay. #00:26:38-7#

Jutta Bergholz: Hauer hieß das nicht. #00:26:39-9#

Astrid Kirchhof: Okay. #00:26:40-6#

Jutta Bergholz: Und Steiger, das ist ja dann eine Ingenieursstelle. Das ist ja nicht so... früher wurden sie dann nach einer gewissen Zeit ernannt. Aber die mussten dann auch alle in die Bergbauschulen rein, in Eisleben und so, verschiedene, mussten sie alle ein Studium machen, die Lehrmeister. Dass sie diese Funktion ausüben durften. #00:27:02-9#

Astrid Kirchhof: Also hauptsächlich für junge Männer, die dann unter Tage gearbeitet haben? #00:27:07-0#

Jutta Bergholz: Ja. #00:27:07-5#

Astrid Kirchhof: Aber studiert haben sie an der Betriebsschule nicht? #00:27:10-3#

Jutta Bergholz: Studium war bei uns nicht. Aber die Abiturausbildung war und die wurden vorbereitet für das Studium in Freiberg. Wurden (unv.) immer. #00:27:16-9#

Astrid Kirchhof: Ah, okay. #00:27:17-7#

Jutta Bergholz: Ja, es waren die Abiturienten. Es waren immer zwei Klassen #00:27:21-6#

Astrid Kirchhof: Wer wurde denn für ein Abitur vorgesehen? Hat man sich da selbst dafür entschieden, ich möchte Abitur machen? #00:27:27-7#

Jutta Bergholz: Ja, es ist doch in der Schule schon entschieden, was die einzelnen machen, wohin sie gehen, ne. Ist doch heute auch so, dass man sagt, ich gehe... will Abitur machen, kannst du's... Wir haben die Klassen zusammengestellt. Und haben sie eben auch gebraucht. Es war ja kein, will ich jetzt mal sagen, kein Traumberuf, im Allgemeinen. War es nicht. #00:27:53-8#

Astrid Kirchhof: Aber er war gut... #00:27:54-4#

Jutta Bergholz: Im Bau... die waren ja auch eine Klasse Bau. Und die haben das nun schon gerne gemacht. Es waren auch Abiturienten. Die waren in unserem Baubetrieb, der ist ja auch ziemlich groß gewesen. Da war ein Sitz in Ronneburg. #00:28:10-0#

Astrid Kirchhof: Warum haben sich, wenn es kein Traumberuf war, warum hat man sich dafür entschieden vielleicht? #00:28:14-9#

Jutta Bergholz: Man wurde geworben. Und irgendwas musste man ja auch lernen, wenn man... darüber redet, oder die Eltern wollten's oder was, wie es überall ist. Ne, es war keine Ausnahme, das war auch kein Sonderstatus. So ist das nun mal. #00:28:33-1#

Astrid Kirchhof: Und die haben dann da im Internat gewohnt? #00:28:36-4#

Jutta Bergholz: Ja, oder zu Hause, wenn es Geraer waren, gab's ja auch. #00:28:39-3#

Astrid Kirchhof: Achso. #00:28:39-7#

Jutta Bergholz: Und Ronneburger, die fuhren nach Hause. So, es gab... die kurzen Strecken, die fuhren nach Hause. Wir hatten doch einen riesen (unv.). Wir haben doch... Ronneburg war doch immer zum Schichtwechsel zu, da waren die Straßen. Und die Leute, die da wohnten, die waren natürlich... nicht so begeistert, ne. Aber sonst die, wir hatten ja... von der Ostsee, überall, waren ja Lehrlinge hier. Die mussten natürlich die ganze Woche dableiben. Und zum Wochenende fuhren sie meist nach Hause. Es sei denn, es war mal eine Veranstaltung, dann mussten sie bleiben. Das war... wenn der 1. Mai auf einen Freitag fiel, oder auf einen Montag, da war es schon schwierig, die hier zu halten (lacht). Wir konnten sie ja nicht zwingen, aber wir brauchten sie doch, ne. Die Jugend musste doch mitmarschieren, klar (lacht). Die machen doch mehr Eindruck als die älteren Leute, die da laufen. #00:29:41-3#

Astrid Kirchhof: Sie haben vorher erzählt, dass bei diesem Foto hier, dass... #00:29:47-3#

Jutta Bergholz: Das war an der Ostsee! #00:29:48-4#

Astrid Kirchhof: Achso, das war nicht so ein Umzug? #00:29:50-2#

Jutta Bergholz: Nein! Nein, nein. Die haben dort, sind die aufgetreten, haben sie gesungen, es war im Ferienlager. #00:29:59-4#

Astrid Kirchhof: Das wollte ich nur mal fragen, also hier im Internat, die haben Sport machen können, aber auch Musik? #00:30:05-0#

Jutta Bergholz: Ja. Aber begrenzt. Wir wollten auch nicht alle. Wer eine Begabung dafür hatte, konnte sich melden und die haben sich auch sehr bemüht, die Instrumente zu beschaffen. Das war auch nicht so einfach. Aber es war schon wirklich, man konnte sehen, hat man sich nicht blamiert, wenn die auftraten. Es war schön. Und derjenige, der das geleitet hat, vom Theater, der hat sich natürlich auch aufgerieben, er hat die Noten vervielfältigt, das hat der alles selbst gemacht. Es war doch nun nicht so, dass sie jetzt in jeden Laden gehen konnten und hatten dann die Noten für so ein Orchester. Das hat der, hat der gemacht. #00:30:45-4#

Astrid Kirchhof: Jetzt machen wir mal ganz kurz eine Pause (Pause). Ja Frau Bergholz, ich hab nochmal ein paar Nachfragen jetzt zu dem Arbeitsleben. Erzählen Sie mir doch nochmal, also wir haben ja auch gerade in der Pause auch geredet, nochmal, wie... Sie sagten, Sie haben vor allem organisatorische Aufgaben gehabt. Zuerst in der Frühe ein Arbeitstreffen, wie man das ja eigentlich glaube ich ja, so halt macht mit seinem Team, machen wir auch. Und dann waren Sie viel im Gelände unterwegs und haben überall, wo es gebrannt hat, wahrscheinlich auch geguckt und... #00:31:19-5#

Jutta Bergholz: Und die einzelnen Gruppen haben ja dann gearbeitet. Und kamen dann auch... gab's Tagesfragen, die wurden dann geklärt. Während der Zeit der Planung und Abrechnung, da habe ich dann eben bei denen mehr gesessen, das war eine Gruppe so zu vier, fünf. Ein Kollege hat sie geleitet und waren noch vier dabei. Dann hatten wir auch sehr viel zutun mit dem Gesundheitswesen. Wir hatten dann Karteien wie, in welchem Gesundheitszustand die Lehrlinge sind. Und da haben wir auch Kommissionen gehabt, die sogenannte Dreierkommission, wenn jemand länger krank war, was wird hier passieren? Kann es sein, dass er nicht mehr fähig sein wird für die Tätigkeit? Können wir den zur Kur schicken, was können wir machen? Zu der Kommission gehörte der Betriebsarzt, Vertreter der Gewerkschaft und ich. Und da haben wir dann, auch wenn jemand öfter krank war, haben wir dann nachgeforscht, woran könnte das liegen. Also das wurde ganz akribisch auch gemacht. Wir waren zum Teil dann auch beim Betriebsarzt dann in der Polyklinik. Wie gesagt, es waren alles so vielerlei Sachen. Wir hatten auch eine interne Gruppe Gesundheits- und Arbeitsschutz. Da haben wir auch ausgearbeitet... ausgewertet, zum Beispiel, wenn wirklich mal ein Unfall war. Da hatten wir viel zu tun. Das wurde ganz akribisch untersucht. Wurde natürlich auch die Schuldfrage gestellt, für die Jugendlichen war das ja... und wir waren auch, ich hatte das schon erwähnt, sehr aufmerksam diese gesamte Gruppe, dass die Lehrlinge sich auch arbeitsschutzgerecht verhielten. Sowohl die bestimmten Schutzanzüge und alles, was dazugehört, immer trugen und dann das auch richtig nassgebohrt wurde. Und alles, was eben die Vorschriften waren. Und die Lehrmeister waren da, das waren zum Teil auch ehemalige Bergleute, die hatten dann ihren Abschluss noch gemacht, die wussten ja auch, wovon sie sprechen. Also die waren wirklich schon Autoritäten für die Lehrlinge. Aber die hatten auch alle im Durchschnitt ein sehr gutes Verhältnis. Manchmal über die Zeit noch hinaus. Wenn sie dann in der Ausbildung waren oder wenn sie dort gearbeitet haben oder die Abiturienten, wenn sie kamen... wenn Urlaub war, kamen die. Nicht alle, aber es war immerhin schon... und dann hatten wir ja die Lehrer, die hatten ja auch, es ist natürlich kompliziert gewesen durch den Betrieb, waren die Lehrlinge um sieben da. Da begann dann der Unterricht. Naja, und... es ist sehr früh. Waren sie auch nicht immer sehr aufmerksam. Die hatten schon manchmal zu tun. Wenn ich durchs Schulhaus ging, wusste ich genau, welcher Lehrer in welcher Klasse ist. Bei dem einen war Tumult, bei dem anderen Stille (lacht). Es war auch... aber wir hatten sehr gute Lehrer. Und auch die Erzieher, die waren natürlich über die Zeit auch oft mit den Lehrlingen zusammen. Die mussten sich ja auch um die Freizeit kümmern. Das war ja ihre Aufgabe, ne. Also der Aufwand, der insgesamt getrieben wurde, war sehr hoch. Muss ich sagen. Und mit allem... und es war auch im Durchschnitt eine sehr große Begeisterung dafür. Da hat keiner gesagt, jetzt habe ich Feierabend, oder, das mache ich nicht. Wir waren das gewöhnt, dass wir... hatten auch normal Feierabend, nicht dass wir nun irgendwie (unv.), aber wenn was nötig war, waren die Leute da. Auch die Handwerker. Die hatten natürlich viele Freiheiten. Aber sie waren auch da, wenn ich sie mitten in der Nacht brauchte. Da muss man ja auch der anderen Seite auch den verdienten Kollegen, dass sie hier waren, kam ja nun keiner so von der Ausbildung zu uns. Es waren dann alles über die Rehabilitation zum größten Teil, waren das verdiente Hauer und andere. Und die konnten eigentlich auch alles. Habe mich manchmal gewundert. Es war ja nicht alles neu. Wir hatten manchmal auch älteres... (unv.), hatten mit den Aufzügen Schwierigkeiten. Die Lehrlinge, die... Aufzüge waren ja nun noch nicht ganz so stabil wie heute... und wenn die nun mit Anlauf da reinsprangen, dann waren sie wieder ausgehakt. Und da war ein Ehepaar im Haus, die mussten das immer wieder machen, also es ist... solche Dinge, die haben uns manchmal beschäftigt. Denn wenn die zur siebenten Etage, wollten die nicht hochlaufen. Das ist klar. Versteht man ja auch. #00:36:00-4#

Astrid Kirchhof: Wenn wir Zeitzeugen bis jetzt interviewt haben, also wenn es Hauer waren, die haben immer gesagt, dass sie sehr gut entlohnt worden sind, sehr gut bezahlt. Sie müssen jetzt nicht im Detail was dazu sagen, aber wie war denn Ihre Bezahlung als Leitungsfunktion so im Betrieb im Vergleich zu so einem Mann, der unter Tage gearbeitet hat? #00:36:22-1#

Jutta Bergholz: Das können Sie nicht vergleichen. Es gab doch die Tarifverträge und die waren... einmal sogenannte zehnte Abteilung in der Generaldirektion, die arbeiteten das alles aus. Und da war zum Beispiel Planung, Buchhaltung, das war zentral geregelt. Wenn Sie diese Funktion hatten, gab es diese Entlohnung. Und die Hauer, die hatten ja den sogenannten Zuschlag für die unter Tage-Tägigkeit. Aber ich will mal noch ein Beispiel sagen, was ein bisschen schwierig war. Es wurde die FZ, die freiwillige Zusatzversicherung, eingeführt so in den 70er Jahren. Und die Hauer, die verdienten gut, die sagten, das brauchen wir nicht. Und da habe ich gekämpft. Ich habe gesagt, wenn du einmal krank bist über deine sechs Wochen, dann sitzt du mit dem Grundbetrag. Hast du 300 Mark. Kommt nicht vor. Und es ging ganz schnell, wurde er krank. Musste Krankenhaus, Reha, und schon saß er da. Das muss jetzt nicht ins Protokoll, aber das haben wir dann gemacht. Haben wir ihn gesundgeschrieben für ein paar Tage, konnte er eintreten, ging das noch. Allmählich haben sie es dann eingesehen. Es war ja auch so, dieser Zusatz, unter Tage-Zusatz, war weder SV-pflichtig noch sonst wie, der war blank. Aber dann hatten sie auch nichts davon. Sie hatten zwar bares Geld jeden Monat, aber das war alles. War immer nur der Grundlohn, der dann... auch für die Rente vorgesehen war. Wenn Sie mit 50 Jahren dann Rente bekamen, das bekamen mehrere Lehrmeister... ach, unter Tage-Leute, wenn sie ihre Jahre voll hatten... da gab es auch eine Kommission, die das immer ausgerechnet hat, wieviele hat er Schichten, er musste mindestens elf im Monat bringen, aber da waren sie auch geschickt. Da haben sie... vorher, wenn dann vorher oder nachher Krankheit ist, wurde alles gerechnet. Wir waren Künstler (lacht) #00:38:36-7#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:38:38-2#

Jutta Bergholz: sollten sie. Na, aber das war eben dann, solche, wo unentwegt Kommissionen waren. Wo wir immer sitzen mussten. Wie gesagt, Auswertung über alles mögliche. Oder wenn eine neue Verordnung kam, mussten wir ja die einführen, bekamen wir eine neue Urlaubsregelung, mussten wir ja nun auch ausarbeiten für alle, für jeden, mit jedem reden, und da waren sie... waren sehr beschäftigt. #00:39:03-8#

Astrid Kirchhof: Okay, verstehe. #00:39:05-1#

Jutta Bergholz: Ne, und da lag immer irgendwas an. #00:39:07-8#

Astrid Kirchhof: Okay, verstehe. Sie haben erzählt vorher, dass Sie dann auch beauftragt wurden, nach dem Mauerfall die Abwicklung der Betriebsschule vorzunehmen. Davon haben wir jetzt noch gar nicht so geredet. Vielleicht können Sie da nochmal ein bisschen was zu sagen? #00:39:24-1#

Jutta Bergholz: Also das war erstmal eine schlimme Zeit. Das muss man vorausschicken. Und wir hatten dann... habe ich dort liegen... wurde eingerichtet eine AFÖG, das war, wurden alle zusammengefasst, von allen Betrieben, es war eine große Abteilung, da war meine Freundin Martha Prokurist, und die haben dann... wann müssen die weg, wer hat die Zeit und wann ist... wurde ja ganz akribisch festgelegt. Wer wann gehen konnte, durfte. Weil das dann ja mit... sie kriegten ja auch Abfindungen und da, das hatte ich Ihnen schon mal erläutert, da wir mehrere Ministerratsbeschlüsse hatten und die immer dann andere Auswirkungen, war es dann schon kompliziert, das den Leuten immer beizubringen, dass das nicht mehr zutraf. Dafür war es nicht immer zum Besseren. Und ich hatte dann die Aufgabe, die Vollmacht zur Abwicklung der Betriebsschule mit Wirkung vom 1.12.90 [01.12.1990]. Da steht nun alles da. #00:40:33-3#

Astrid Kirchhof: Sie können es da in die Kamera, ah ja, genau da. Wollen Sie das noch mal vorlesen, was da steht, oder...? #00:40:40-9#

Jutta Bergholz: Ja. Stellvertreter des Direktors der Betriebsschule, also Frau Jutta Bergholz, der Betriebsschule Dr. Theodor Neubauer der SDAG Wismut für Ökonomie als Bevollmächtige für die Abwicklung, Auflösung der Betriebsschule Dr. Theodor Neubauer der SDAG Wismut zu den Bedingen des derzeit bestehenden Arbeitsrechts freiheit(unv.) eingesetzt. Die Abwicklung erfolgt bis 30.3.91 [30.09.1991]. Dann war Schluss. Und bis dahin musste alles geregelt werden. Das betraf ja vor allem die Menschen. Wohin sie gingen, ob sie schon so weit waren, dass sie auch Rente kriegen konnten und nicht mehr arbeiten mussten, oder wenn, wo gab's Möglichkeiten, wo konnte man sie einsetzen. Sie konnten ja auch vorübergehend mal aus... es waren viele, viele Möglichkeiten. Und das musste man ja mit jedem Einzelnen absprechen. #00:41:40-3#

Astrid Kirchhof: Wieviele Mitarbeiter, sagen Sie nochmal, gab es in der Betriebsschule, um die Sie sich dann kümmern mussten? Also ich meine jetzt zur Abwicklung. #00:41:50-1#

Jutta Bergholz: Wir waren so ungefähr circa 500. Aber die Lehrer, die Schule blieb ja. Wurde dann ja übernommen. Auch das waren ja alles erst mal Kämpfe, wie werden sie arbeiten. Das Internat blieb ja auch erst mal noch. Aber dann wurden sie auch alle verteilt. Das, das war... jedes Einzelne war ein Schicksal. Das war... #00:42:13-6#

Astrid Kirchhof: Wenn die Schule blieb, was war das dann? Was wurde da ausgebildet in der Schule? #00:42:17-9#

Jutta Bergholz: Ja, die wurden übernommen als Berufsschule. Die besteht eigentlich heute noch. #00:42:22-8#

Astrid Kirchhof: Für welche Berufe? #00:42:25-1#

Jutta Bergholz: Das war dann mehr Elektronik und... da hatte ich ja dann keinen Einfluss mehr und nicht so einen Einblick. Weil ich ja da gar nicht mehr da war. Aber unsere Lehrer waren zum Teil untergebracht, wenn sie nicht aufhören konnten oder wollten. #00:42:41-1#

Astrid Kirchhof: Und wie lang lief dieser Abwicklungsprozess? Wie lang ging das? #00:42:44-7#

Jutta Bergholz: Wie es hier steht. Bis 30.3.91 [30.03.1991]. Da war die Schule abgewickelt. #00:42:50-0#

Astrid Kirchhof: Ah, von 1990 an? #00:42:52-8#

Jutta Bergholz: Vom 1.12.90 [01.12.1990]. #00:42:56-0#

Astrid Kirchhof: Okay, also das dauerte quasi vier Monate. Sehe ich das richtig oder habe ich jetzt...? #00:43:03-5#

Jutta Bergholz: Ja, das war eigentlich viel länger. #00:43:05-6#

Astrid Kirchhof: Das dachte ich mir, das hörte sich auch so an. #00:43:07-8#

Jutta Bergholz: Ja, ja. Ja. Es war nur das Offizielle, ne. #00:43:11-3#

Astrid Kirchhof: Und Sie kümmerten sich... #00:43:12-4#

Jutta Bergholz: ... und wir hatten ja auch, jetzt muss ich mal unterbrechen, einen Teil... es wurde eine Schule gegründet in den Räumen unserer Einrichtung. Und da waren nun auch viele unserer Beschäftigten dann wieder mit ein... unserer ehemalige Abteilungsleiter für die Abteilung Bau, der leitete das. Und der war sehr erfolgreich in den Verhandlungen mit den anderen Leitungen jetzt und diese Schule besteht heute auch noch. Und die sind sehr... die machen Tunnelbau und so Verschiedenes. Er hat immer gesehen, dass er auch wieder Ausbildungsplätze hat. Und da waren auch eine ganze Reihe der Lehrmeister untergebracht. Und Lehrer. #00:43:53-4#

Astrid Kirchhof: Mussten Sie sich dann nach bundesdeutschen Gesetz, wie man sowas abwickelt, eben richten, oder...? #00:43:59-8#

Jutta Bergholz: Ich konnt ja dann immer so Vorschriften, so... #00:44:02-4#

Astrid Kirchhof: Achso. #00:44:03-0#

Jutta Bergholz: Ja. Im Grunde war's ein bisschen chaotisch. Aber... wir mussten ja dann... wir mussten ja alles archivieren und aber auch überlegen, was wird, nicht? Wir hatten ja da noch immer Verbindung mit der Leitung in Chemnitz. Die haben uns ja dann auch immer gesagt wie wir zu verfahren haben. #00:44:23-9#

Astrid Kirchhof: Okay. Hatten Sie Mitarbeiter, die Ihnen geholfen haben? #00:44:26-7#

Jutta Bergholz: Ja. Ja, ja. Aber es war ja auch nebenbei... lief die Schule ja noch in der Zeit zum Teil, ja. #00:44:36-9#

Astrid Kirchhof: Achso. #00:44:37-6#

Jutta Bergholz: Ich war dann und hab das gemacht. Aber die anderen waren auch noch da. #00:44:42-1#

Astrid Kirchhof: So parallel lief das? #00:44:43-1#

Jutta Bergholz: Ja, ja. Weil, wie gesagt, die Schule ja dann auch wieder... es war alles auch ein bisschen kompliziert, dass man gar nicht richtig eine Übersicht hatte manchmal. Dann mussten Sie auch sehen, dass Sie die Tagesaufgaben erfüllten. Da waren Sie oft so beschäftigt (lacht) #00:44:59-4#

Astrid Kirchhof: Das lief noch parallel, dass Sie die Tagesordnung... #00:45:01-1#

Jutta Bergholz: Ja, ja, ja. Wir waren auch noch alle in einem Haus. Ich war dann so geduldet. Und dann waren sie alle weg. Aber die blieben dann auch zum Teil noch... es ist mir auch nicht mehr alles so gegenwärtig, muss ich Ihnen sagen. Wir haben das alles mehr... im Vorbeigehen. Das war dann... es war ja eine schlimme Zeit. Und da hat man eigentlich immer nur von einem Tag zum anderen gearbeitet ohne weise Voraussicht. Wie wir das sonst immer kannten. War auch jeden Tag eine andere Verordnung und dann kam aber immer Hilfe auch von der Zentrale. #00:45:41-3#

Astrid Kirchhof: Okay. Was haben Sie danach gemacht? Ist Ihre Stelle auch dann weggefallen? #00:45:48-2#

Jutta Bergholz: Ja. Ich hatte doch... war doch schon Rentner. 91 [1991]! Bin 27 [1927] geboren. #00:45:54-8#

Astrid Kirchhof: Achso, stimmt. #00:45:57-4#

Jutta Bergholz: Ich war in der Beziehung unbeschadet (lacht). #00:45:59-5#

Astrid Kirchhof: Okay. Okay, verstehe. Also Sie waren dann einfach Rentnerin und haben aber... bis heute sind Sie ja ehrenamtlich mit der Wismut verbunden, ne? #00:46:10-4#

Jutta Bergholz: Nee, wieso? #00:46:12-3#

Astrid Kirchhof: Ich dachte, Sie gehen ehrenamtlich ab und zu einmal die Woche zur Wismut und...? #00:46:18-3#

Jutta Bergholz: Ne, zu den Linken! (lacht) #00:46:20-6#

Astrid Kirchhof: Zu den Linken! (Lacht) das ist ja witzig, das war ein Missverständnis, okay. Also die Wismut, das war dann zu Ende? #00:46:27-4#

Jutta Bergholz: Das ist abgeschlossen. Nur wenn der Professor Freyer kommt oder irgendjemand, dann reden wir und versuchen, was wieder ins Gedächtnis zu rufen und so. Aber das ist alles inoffiziell. #00:46:41-9#

Astrid Kirchhof: Okay. #00:46:42-8#

Jutta Bergholz: Und wie gesagt, wir treffen uns auch nach wie vor. Mit den Frauen sowieso. Wir sind befreundet. Wir waren die ehemaligen Dolmetscherinnen und Hauptbuchhaltung und so. Wir sind oft zusammen. Gewesen! Ist aber schon ein Teil verstorben. #00:46:55-7#

Astrid Kirchhof: Und Sie treffen sich eben so als Freunde, okay. Jetzt habe ich noch ein ganz paar, von Ihrer Erzählung jetzt in der letzten Stunde, noch ein paar Fragen. #00:47:04-3#

Jutta Bergholz: Ich glaub's gerne. #00:47:05-3#

Astrid Kirchhof: Und zwar, Sie haben gesagt, Sie sind dann, ganz am Anfang, 1950 oder wann das war, in die SED eingetreten. War das freiwillig oder war das so, dass jemand gesagt hat, tritt doch mal in die SED ein? #00:47:17-9#

Jutta Bergholz: Ich war Hausfrau zu der Zeit. Wer soll mich da dazu bringen, dass ich das müsste? #00:47:22-8#

Astrid Kirchhof: Ah, okay, also das... #00:47:24-8#

Jutta Bergholz: 53 [1953]. Ich war sogar Kandidat. Man musste sich ja dazu... das begann die Zeit, wo man nicht gleich aufgenommen wurde, sondern auch Kandidat war, das war eine bestimmte Zeit. Ja, und dann bin ich dann 53 [1953] aufgenommen worden. Da weiß ich noch, da hat mich dann der Kreissekretär bestellt. Er kannte meinen Mann, weil der auch... der hatte mir einige Fragen gestellt, die hab ich nun nicht so sehr zu seiner Zufriedenheit beantwortet. Will auch gar nicht sagen, was er mich gefragt hat. Aber ich wurde aufgenommen, meines Mannes wegen schon. Und dann war ich eben, ab 53 [1953] war ich dann... war eine komische Zeit, so. In diesem Dorf lief doch nichts. Als ich ja dann nach Gera kam zur Wismut, allerdings war in dem Objekt 90, als ich dort anfang, gab es einen Genossen außer mir. Und der zweite war der Abteilungsleiter. Und dann ging das erst los. Und dann waren wir eine ordentliche Grundorganisation, wir waren dann viele. Ob die nun... Mitglied sein mussten... es war schon oftmals bei einigen Funktionen erwünscht. Hätten's vielleicht auch nicht bekommen, wenn sie... wir hatten auch viel parteilose Mitarbeiter in leitenden Funktionen. Und richtig gute! Die sowjetischen waren da nicht so kleinlich, als die noch... die waren da nicht unbedingt... war mehr dann von unserer Seite, ne. #00:48:47-5#

Astrid Kirchhof: Aber Sie waren jetzt nicht - oder doch? - aktiv in der SED? #00:48:51-9#

Jutta Bergholz: Na, wir waren die Grundorganisation und wir hatten regelmäßig Versammlungen und Schulungen. Ja, ja, das war schon organisiert! Einmal im Monat Versammlung und Parteilehrjahr, das war alles... und da gab's im Hause dann einzelne Gruppen. Und eine gesamte Organisation, war ein hauptamtlicher Parteisekretär da. #00:49:18-6#

Astrid Kirchhof: Ich frag nur so nach, weil ich mir sonst nicht vorstellen kann... #00:49:21-6#

Jutta Bergholz: Das dürfen Sie gern. Und hauptamtlicher BGL-Vorsitzender war auch da. Die Gewerkschaft hat auch gearbeitet. #00:49:29-9#

Astrid Kirchhof: Und was hat man da genau gelernt dann, oder...? #00:49:32-8#

Jutta Bergholz: Naja. Es war... die Grundsätze. Politische Fragen. Wir haben dann... ökonomische Politik. Hab ich auch noch, solche Bücher. Manchmal guck ich auch noch mal rein, wenn mir was nicht einfällt. Aber stehen weit weg. Ne, wir haben versucht, uns theoretisches Wissen anzueignen, wir hatten doch keins! #00:49:57-3#

Astrid Kirchhof: Also auch Marxismus-Leninismus? #00:49:59-1#

Jutta Bergholz: Ja, sowieso. Und es waren dann auch mal Parteischulen und die dann geschult waren, die haben uns das wieder beigebracht. #00:50:06-4#

Astrid Kirchhof: Ah, verstehe. #00:50:08-0#

Jutta Bergholz: Einer besser, der andere schlechter... wie begabt sie waren, ja. Ne, das war ganz fest organisiert. #00:50:15-6#

Astrid Kirchhof: Und da waren Sie auch drin in der SED natürlich bis zum Schluss, aber Sie waren nicht... oder? #00:50:20-3#

Jutta Bergholz: Doch! Ich bin auch nicht... es ging dann auch bei uns in der... im Hause ging's dann, da gaben sie ihre Dokumente ab und sie traten aus. Und sie hatten Gründe, wo sie lachen konnten. Weil man sich ja genau kannte. Man wusste doch, was gewesen ist. Es war eine schlimme Zeit (lacht). Einmal waren wir mit einer Gruppe noch zusammen, meine Gruppe, und da sagt der eine, ich gebe jetzt eine Runde, weil ich kein Parteibeitrag mehr bezahlen muss. Aber der hatte die Torte im Gesicht von mir! #00:50:54-6#

Astrid Kirchhof: (lacht) #00:50:58-6#

Jutta Bergholz: Die waren dann auch alle weg. Haben das begründet. Sie hatten Angst und so. Nein, es war keine schöne Zeit. Ich hatte auch Angst. Man wusste ja nicht, was passiert. Ich wusste doch nicht, wie reagiert wird, ne. Soviel... aber ich war froh, dass es alles so gelaufen ist. War ja eigentlich egal, was man nun... ich hab zum Beispiel eine Freundin, die stammt von Zeitz. Der hat Zekiwa geleitet, das große Kinderwagen... fabrik. Und als der eine Reportage machen sollte, als alles abgewickelt war, der weinte. Der konnte das nicht. Wie das aussah. Also... waren ja so viele... Varianten. Und viele Leute, ne, die man so alle so kannte und... von manchen war man enttäuscht, bei manchen hat man gestaunt. Und es war keine schöne Zeit. Man muss mit sich selbst ins Reine kommen und dann... (unv.) Einer, der bei uns immer mit der roten Fahne voranging und dann sagte, man kann nur die CDU wählen, die haben das Geld. Ich sag, du bist im Kopf krank, also... (lacht) Als Beispiel! Und es wurden dann immer weniger. Wir haben uns ja noch getroffen. Und dann haben sie immer geguckt, oh, hm-hm. #00:52:17-0#

Astrid Kirchhof: Okay. #00:52:17-7#

Jutta Bergholz: Es war nicht schön. Denn wir waren ja nicht gezwungen. Wir waren ja tatsächlich überzeugt. Auch der Professor Freyer, wenn wir uns treffen, sag ich, Bernd, wir wollten. Na klar, sagt er, wir wollten das (lacht). Wir haben auch gedacht, wir tun was Gutes und es wird gut ausgehen. Dass es schlecht ausging, das... ärgert uns am allermeisten. Wir lesen auch viel, wer da nun seinen Anteil hat und wie sie sich zum Teil benommen haben. Die, die wir ja eigentlich geachtet haben, wo wir dachten... #00:52:48-4#

Astrid Kirchhof: Was bedeutet schlecht ausgehen? Was ist genau schlecht ausgegangen? #00:52:54-1#

Jutta Bergholz: Ja, wenn der Betrieb kaputtgeht, ist es doch nun erst mal schlecht. Und wenn das früher mein Genosse war und der sagt jetzt ganz was anderes, das ist für mich schlecht ausgegangen. Aber meine Freundinnen und so, wir sind alle noch... ich hab doch vorhin das eine Bild gezeigt, was ich gar nicht mehr zeigen will. Jetzt ist er weg. Ach, hier! (Lacht) #00:53:16-9#

Astrid Kirchhof: Ups... #00:53:17-3#

Jutta Bergholz: Ei! #00:53:17-5#

Astrid Kirchhof: Willi Stoph? #00:53:18-7#

Jutta Bergholz: Ist er, ist er gefallen, ja. #00:53:20-0#

Astrid Kirchhof: ...und Frau Bergholz. #00:53:20-9#

Jutta Bergholz: Ja. Aber das müssen wir nicht in die Kamera halten (lacht). Es war... es steht nicht mal ein Datum drauf... wann war das? 77 [1977]. Gut. #00:53:36-0#

Astrid Kirchhof: Und da haben Sie welche Medaille bekommen? #00:53:38-1#

Jutta Bergholz: Clara Zetkin. #00:53:39-1#

Astrid Kirchhof: Wofür? #00:53:42-0#

Jutta Bergholz: Für die gesellschaftliche und... andere Arbeiten. Es ist eine allgemeine Sache. Gab es keine besondere, sondern ich war 50 Jahre alt und es war ein Jubiläum und da wurd dann immer mal... was haben wir denn für Möglichkeiten. Es gehörte so ein bisschen dazu (lacht). #00:54:01-6#

Astrid Kirchhof: War das eine hohe Auszeichnung? #00:54:03-5#

Jutta Bergholz: War die... für die Frauen war es die höchste. Dreieinhalbtausend gab's da. Ist ja auch immer ein Maßstab gewesen, ja. #00:54:12-0#

Astrid Kirchhof: Ich wollte noch wissen, wie Sie das mit der Kindererziehung hingekriegt haben. Ah, achso, 1971 war ja Ihr Sohn auch schon nicht mehr so klein. #00:54:19-1#

Jutta Bergholz: Ja, die anderen... Wir hatten doch Kinderheime. Wir hatten in der Stadt hier Krippen und Kindereinrichtungen. Und die Frauen, die durften so anfangen mit ihrer Arbeit, wie es die Einrichtung erlaubte. Das ging. Und da wurde auch sehr viel Rücksicht genommen. Das war ein Gesetz. Man muss doch mit'm Kind, wenn die arbeitet, also, da... #00:54:41-5#

Astrid Kirchhof: Und was hat man gemacht, wenn das Kind krank war? Dann blieb man zu Hause? #00:54:43-8#

Jutta Bergholz: Dann blieb man zu Hause. #00:54:45-4#

Astrid Kirchhof: Das war okay? #00:54:46-4#

Jutta Bergholz: Ja! Nee, da haben manche sich natürlich auch so hinter versteckt, ne. Wir haben auch... wenn's Kind krank wurde, dann musstest du dich krankschreiben lassen, weil Kind-Krankheit war nur begrenzt bezahlt. Es hatte ja alles Gründe, warum das auch so gemacht wurde, ne. Manche nutzten es ja auch aus. #00:55:08-8#

Astrid Kirchhof: Hat Ihr Sohn auch in der Betriebsschule eigentlich gearbeitet oder... weil der... #00:55:12-9#

Jutta Bergholz: Ja #00:55:13-6#

Astrid Kirchhof: ...ist ja Lehrer geworden, ne? #00:55:14-6#

Jutta Bergholz: Ja, und er hat... war als Erzieher, und... #00:55:17-8#

Astrid Kirchhof: Erzieher? #00:55:18-4#

Jutta Bergholz: Ja, Erzieher, ja. Und da hat er sein Diplom gemacht und in der Zeit... und, wie gesagt, jetzt arbeitet er nach wie vor. #00:55:26-8#

Astrid Kirchhof: Als Erzieher? #00:55:28-1#

Jutta Bergholz: Als Lehrer. #00:55:29-1#

Astrid Kirchhof: Als Lehrer. #00:55:30-0#

Jutta Bergholz: Es sind ja jetzt die Weiterbildungen zum Teil in einzelnen Ein... es geht alles über die Arbeitsämter, über das... ach, alles mögliche. Es ist ganz anders. Der sagt mir jeden Früh, wo er hinfährt. Zum Teil nach Zwickau und in andere Städte. #00:55:46-9#

Astrid Kirchhof: Achso, immer woanders. #00:55:47-8#

Jutta Bergholz: Ja, ja. #00:55:48-5#

Astrid Kirchhof: Achso. #00:55:49-6#

Jutta Bergholz: Wo das nötig ist, was sie gerade so haben. #00:55:52-4#

Astrid Kirchhof: War das schön, mit Ihrem Sohn zusammenzuarbeiten? #00:55:55-4#

Jutta Bergholz: Wir haben uns nicht gesehen. Nein, es war für mich nicht, für ihn auch nicht, die Erzieher haben ja immer ein bisschen gelästert. Die Mama kommt, ne. #00:56:01-8#

Astrid Kirchhof: (Lacht) #00:56:04-6#

Jutta Bergholz: Naja, ich war da auch mit denen immer mal ein bisschen streng, weil die auch immer bisschen so... überheblich taten. Und... musste ich mich mit denen auch... aber die kommen heute noch zu mir, wenn sie irgendwas haben oder... gibt ja auch immer noch mal Verordnungen, wo mancher noch, so Lehrer noch... die Pädagogen überhaupt... wenn Sie nachweisen konnten, dass das Ihre Ausbildung war, dann kommen sie immer noch... kamen! Jetzt nun nicht mehr, aber bis vor fünf, sechs Jahren, dass ich ihnen das bestätige. Und das galt auch, weil meine Unterschrift auch bekannt war, bekamen sie dann... hab ich auch immer gemacht, heute noch. Wir haben ja dann auch Betriebsschule, zehn Jahre Betriebsschule, eine... da musste ich das auch mit leiten. Und da haben sie mich auch... ich hab gesagt, ich komme nicht, da haben sie mit dem Auto vor der Tür gestanden, haben mich geholt. War ja alles privat. Du kommst mit! Als Beispiel. #00:57:06-7#

Astrid Kirchhof: Waren Sie in der Wismut Geheimnisträgerin? #00:57:09-8#

Jutta Bergholz: Ich ja! Ja, wir hatten eine Tasche. Da waren die Unterlagen, sowohl die Notizbücher als auch die Journale, die man geführt hat. Und verschiedene Akten hatte jeder. Die waren da drin und da war ein Verzeichnis und das musste immer, monatlich wurde das kontrolliert, ob alles da ist, auch, dass im Notizbuch keine Seiten fehlten oder was. Das wurde schon gemacht. Das war eine ganze Abteilung, SOG, die das kontrollierte einmal im Monat. #00:57:43-3#

Astrid Kirchhof: Was heißt SOG? #00:57:45-5#

Jutta Bergholz: Sicherheit, Ordnung und Geheimnisschutz. #00:57:50-6#

Astrid Kirchhof: Und da ging es um die, wieviele Mitarbeiter da sind, und, oder, also? #00:57:55-1#

Jutta Bergholz: Nee, das wussten sie doch. Es ging, was die einzelnen... jeder einzelne wurde da kontrolliert, ob er alle Unterlagen noch hatte. #00:58:03-7#

Astrid Kirchhof: Okay. #00:58:04-2#

Jutta Bergholz: Es war ja auch, wir hatten ja auch Mitarbeiter, die waren über Nacht weg, ne. Und das wollten sie ja bisschen vorher wissen, ob, aber das... ja. #00:58:17-2#

Astrid Kirchhof: Sagen Sie doch noch mal zum Schluss, was... Sie haben ein bisschen was von den Frauen in der Betriebsschule erzählt, in welchen Bereichen haben Frauen gearbeitet und nochmal, welche Kommissionen es da gab, Frauenkommissionen. #00:58:30-2#

Jutta Bergholz: Also, fangen wir mal an. In jedem Betrieb gab es einen Frauenausschuss. Kein schöner Ausdruck, aber... der war durch die Gewerkschaft geleitet und die... (unv.) betriebliche Probleme der Frauen. Und aus jedem Betrieb war eine delegiert zum Zentralvorstand, also nach Chemnitz, in die Zentrale Frauenkommission. Und die hatten dann von ihrem Bereich vorzutragen, was... erstmal wurden wir so informiert, was so passiert und dann kam unseres. Naja, es war auch immer interessant von anderen was zu hören, ne. Das war das. Und es wurde auch sehr ernst genommen, doch. Und auch die... Parteileitung sowieso, Parteisekretär und so, die haben uns auch ernst genommen. Nicht gerne, aber sie haben's gemacht, doch. Ja, und was wollten Sie davon noch wissen? Das lief dann alles so, wie gesagt. Wir mussten und kümmern um den Frauenförderungplan, waren wir federführend. Haben sich aber die Abteilungsleiter und auch die BGL-Vorsitzende und so, mit gekümmert. Da waren manche Betriebe vorbildlich. Wir hatten als Verwaltung immer schlechte Karten. Denn wichtig war ja, was weiß ich, auch, als die Frauen in ihrer Arbeit, in der Produktion, vornehmen. Schreiben Sie das mal bei der Vewaltung, ne, da ist das schon ein bisschen schwieriger. Und wieviele wir waren. Im Objekt 90 waren wir so auch ungefähr 500. #01:00:07-6#

Astrid Kirchhof: Frauen? #01:00:08-3#

Jutta Bergholz: Hmm, aber was alles... da gehörten die Hilfsabteilungen, also sowohl die Anschlussbahn wie auch CBK, sag ich mal, das war die Wirtschafts- und (unv.), die Zentrale, die war für alle... hatten auch viele Bergarbeiter-Unterkünfte und... Klubhaus und alles. Die waren alle dabei. Sonst wären es nicht so viele, dort waren ja viele... In den Bergbaubetrieben war nur eine Verwaltung und dann... wir hatten ja unter Tage-Verbot, war ja für Frauen. Durfte niemand einfahren. #01:00:38-8#

Astrid Kirchhof: Aber erst seit den 70er Jahren [1970er]. #01:00:40-8#

Jutta Bergholz: Ja. Ja, ungefähr, denn in Schlema war das noch anders. Aber dann nicht mehr. Und wenn Sie heute immer, es gibt ja auch... muss ich mal einflechten. Wir waren mal zu einer Veranstaltung, die hatten wir erfahren... das war... eine Jenaer hatte ihre Promotion, hatte ihre Doktorarbeit vorgelegt. Und war... hatte nun geschrieben über die Wismut. Weiß gar nicht... aber nur als Betrachter, also sie war keine Mitarbeiterin. Und da hat die Sachen drin gehabt... und wir waren zufällig aus mehreren Betrieben, und wir von der Verwaltung... da haben wir denen aber ganz schön Bescheid gesagt, es war nicht angenehm. Es war in der Einrichtung, wo die Behörde tagt, da hatte die... aber es war ganz schlimm, was die da erzählt hat. #01:01:41-2#

Astrid Kirchhof: Okay, was war da nicht richtig, oder? #01:01:43-4#

Jutta Bergholz: Alles mögliche. Wie es den Frauen gegangen ist, wie sie unterdrückt wurden, und wie sie überhaupt nicht gewürdigt wurden. Was alles nicht stimmte. Wirklich nicht. Es kann Einzelfälle gegeben haben, dass mal ein Hauer nicht so freundlich war mit einer Frau, ne, die waren da doch nicht so zart besaitet. Und manche Frauen waren ja auch entsprechend. Aber grundsätzlich war das ja nicht so. Und das wollten wir dann... da war ganz schön was los. Die wollten uns gar nicht gerne sehen. War ja alles schon bestätigt. Das war auch nur ein Beispiel. #01:02:16-9#

Astrid Kirchhof: Hat diese... was war das, ein Wissenschaftlerin? #01:02:21-1#

Jutta Bergholz: Ja! #01:02:21-6#

Astrid Kirchhof: Hat die ihre Doktorarbeit, hat die das dann korriieren können, wollen, wissen Sie das? #01:02:24-7#

Jutta Bergholz: Wollen ist die große Frage. Das weiß... glaub ich nicht. Ich weiß nicht, ob das überhaupt dann eine Rolle gespielt hat. Denn die das geleitet haben, die waren ja auch uns nicht gut gesinnt. Es war ja alles nach der Wende. #01:02:37-2#

Astrid Kirchhof: Und wie kamen Sie nochmal mit der Frau in Verbindung oder mit dieser Doktorandin? #01:02:40-7#

Jutta Bergholz: Wir hatten... irgendjemand... es war ja ausgeschrieben. Und da hatte uns jemand informiert von unserer... weiß nicht mehr, wer das war. Da könnt ihr mal hingehen, so ungefähr. Und das haben wir gemacht. Das war... wir waren nicht offiziell eingeladen, aber man durfte ja. War ja öffentlich. #01:02:59-7#

Astrid Kirchhof: Achso, und dann hat die was aus ihrer Forschung vorgestellt und danach wurde diskutiert und da haben Sie dann mal gesagt, wie es eigentlich wirklich war. #01:03:07-5#

Jutta Bergholz: Richtig, richtig. Das ist... wenn Sie dann so Schauergeschichten erzählte, unter welchen Bedingungen die Frauen arbeiten mussten, was nicht stimmte. Ne, und das muss man doch korrigieren. #01:03:18-6#

Astrid Kirchhof: Natürlich muss man was dazu sagen, verstehe. Ich habe noch nicht ganz verstanden, bei Objekt 90, was waren das für Berufe, in denen Frauen gearbeitet haben? #01:03:29-8#

Jutta Bergholz: Also, von der Hauptkassiererin über Buchhaltung, der Hauptbuchhalter war allerdings ein Mann, aber in der Buchhaltung waren sogenannte Oberbuchhalterinnen. Eine leitete den Lohn, die andere Materialwirt und so. Das war aufgeteilt. Dann waren in der Planung die Frauen. Dann hatten wir ja schon eine Rechenstation. Da waren sehr viele drin. Es fing dann an mit EDV. Die waren auch alle... die gehörten auch alle dazu. Dann hatten wir natürlich auch das Wirtschaftspersonal, also... die gehörten ja zu uns mit. Wir hatten innerhalb Geras viele Bergarbeiterunterkünfte und andere Einrichtungen, wo Frauen gearbeitet haben. Hm, das war's, da waren das die. #01:04:24-1#

Astrid Kirchhof: Was war Planung? Was macht man bei der Planung? #01:04:27-9#

Jutta Bergholz: Jetzt hätte ich beinahe gesagt planen, ja. Da wurde richtig der Plan aufgestellt. Der Plan war doch ein Gesetz. Wir hatten doch Vorgaben. #01:04:34-9#

Astrid Kirchhof: Fünfjahresplan. #01:04:36-2#

Jutta Bergholz: Ja, naja, Jahrespläne. Fünfjahresplan gab's auch, aber die Hauptarbeit... und dann war monatliche Abrechnung. #01:04:45-0#

Astrid Kirchhof: Okay. #01:04:45-5#

Jutta Bergholz: Die Pläne standen fest. Zum Beispiel da gab's Vortrieb und im Abbau und das Erz und welche Qualität... das wurde alles... der Dispatcher hat das gesammelt und wir haben das geholt und haben's verarbeitet dann. #01:04:58-4#

Astrid Kirchhof: Okay, verstehe. #01:04:59-7#

Jutta Bergholz: Wo ich die kyrillischen Buchstaben lernen musste, weil ich das ja nicht lesen konnte. Waren ja alles... in russisch geschrieben, als ich dort anfing. #01:05:08-8#

Astrid Kirchhof: Und bei der... letzte Frage, bei der Betriebsschule, gab's da auch Pädagoginnen und Lehrerinnen? #01:05:16-0#

Jutta Bergholz: Wenig. Wir hatten eine Deutschlehrerin, eine für Sprachen, Englisch, und wir hatten Lehrmeister...innen im Bau, in der Chemie. Also für die Aufbereitungsbetriebe. Im Bau war eine mal, aber das war nicht lange. Sonst waren keine Lehrerinnen da. Die Unterrichtsinhalte waren nichts für Frauen. Solche Ausbildungen hatten die nicht. #01:05:44-7#

Astrid Kirchhof: Ja, ja, verstehe. #01:05:45-6#

Jutta Bergholz: Das waren die Männer, ja. Und die Abiturklassen. Da waren eben auch die Lehrer schon länger da. Die waren doch alle noch jung. Da kam dann mal eine noch mit dazu, aber sonst waren das meistens Männer. #01:06:02-0#

Astrid Kirchhof: Okay. #01:06:02-5#

Jutta Bergholz: Aber nicht... das es nun gezielt so gemacht worden war. Dann hatten wir noch ein pädagogisches Kabinett. Da waren Zeichnerinnen mit drin. Und überall hatten sich so ein paar mit... eingefunden. #01:06:21-2#

Astrid Kirchhof: Okay. #01:06:22-1#

Jutta Bergholz: Aber im Wesentlichen war es eben in der Verwaltung. Oder in der Kaderabteilung, diese (unv.) und es waren... Und die Sekretärinnen überall, das waren natürlich auch Frauen. #01:06:31-2#

Astrid Kirchhof: In der Betriebsschule jetzt? #01:06:32-4#

Jutta Bergholz: Ja, ja. Da waren doch Abteilungen und da gab's überall... #01:06:35-0#

Astrid Kirchhof: Sekretärinnen. #01:06:35-6#

Jutta Bergholz: ...auch in der Theorie. Das sind die theoretischen Abteilungen. Die hatte auch zwei Sekretärinnen, ne, ist klar. Das haben die Lehrer nicht selber gemacht. #01:06:44-4#

Astrid Kirchhof: Okay. Dann machen wir jetzt hier nochmal einen Cut. (Pause) #01:06:48-9#

Astrid Kirchhof: Jetzt kommen wir zu unseren mehr strukturierten Nachfragen. Ich hab... die erste Frage geht zu den Zäsuren, die Sie in Ihrem Leben erlebt haben. Sie haben ja drei Systeme erlebt und 45 [1945] und 89 [1989] waren so Zäsuren erstmal. Wie haben Sie das erlebt? Wie haben Sie das persönlich verarbeiten können? Wo haben Sie sich wohl, unwohl gefühlt? #01:07:13-1#

Jutta Bergholz: Also erst mal... erlebt habe ich alles sehr bewusst. Und... es ist gar nicht so einfach, jetzt mal schnell zurückzudenken. Also 45 [1945]. Es kamen die Amerikaner zu uns. Und wir waren zu Hause. Schule war abgebrochen, ich war von Weißenfels zurückgekommen ohne Abschluss. Weil das noch nicht zu Ende war, das Lehrerinnenseminar dort. Und dann war ich zu Hause. Und dann hat sich meine Mutter gekümmert, dass ich eine Lehrstelle bekam. Und da war ich zum ersten Mal mit Erwachsenen zusammen in ein... bei der Commerzbank. Und das war für mich sowas ganz fremd und Neues, dass ich... es war wie eine andere Welt. Hab ja noch nie mit... vorher mit Erwachsenen zusammengearbeitet. Die hatten ja auch ihre Probleme zu dieser Zeit. Gab's ja auch viele. Musst ich mich auch erst mal richtig sortieren. Wo geht das hin? Und ich war ja, wie gesagt, noch voll befangen im alten Leben. Ich war ja noch jung, war 17. Und dann lernte ich meinen Mann kennen. Kam in ein antifaschistisches Elternhaus. Wurde dort sehr herzlich aufgenommen. Einmal haben sie als Spaß gesagt: Unser kleiner Nazi. #01:08:41-4#

Astrid Kirchhof: (Lacht) #01:08:42-6#

Jutta Bergholz: Aber ich wurde dann schon allmählich... als ich alles kennenlernte, und ich lernte auch Leute kennen, die ich wirklich geachtet hab. Als mein Schwiegervater, der wurde dann Vizepräsident in der Wirtschaftskommission und da hatte der auch dann viele Freunde, auch von früher. Und da war ich manchmal auch sehr angetan, wie klug die waren. Und was die alles wussten. Und da bin ich dann so allmählich... überzeugt worden, dass das, was vorher war, falsch war. Ich meine, man hat's ja dann sowieso an all dem, was dann veröffentlicht wurde, gemerkt. Da konnte ja keiner mehr sagen, dass es gut war. Aber ich hab manchmal gedacht, wenn wir so unter uns waren, hab ich gedacht: Wenn ihr wüsstet, was in meinem Kopf rumgeht! Führergedichte und sowas. Und wir haben jede Woche ein Lied gelernt. Walter Baumann. Letztes Mal habe ich ein Lied gehört, da hab ich gedacht, nanu? Kam dann auch. Das war ein Lied vom BDM. Hmm, kannte ich noch genau. Passiert ja nicht mehr oft. Aber das war eben, was man mit 17 Jahren so bewältigen muss. Ja, und dann habe ich mich in der Arbeit ganz wohl gefühlt. Und ging auch gut. Aber lange hab ich's nicht getan, weil wir dann geheiratet haben. Das war 1950. Und dann sind wir auch gleich weggezogen nach Breitungen an der Werra, war mein Mann im Kraftwerk als Ingenieur tätig. Da haben wir dann so bis 1954 gewohnt. Es war eine schöne Zeit. Ich habe wieder ganz andere Menschen kennengelernt. Die sprachen Platt. Mein Mann hat die bis zuletzt nicht verstanden - me schwatzer plaat - und die hatten Ausdrücke, die waren (lacht) fern jedes Verstands! Wenn sie zum "Keerfich" gingen - zum Friedhof - und "Fürstee" kauften, das waren Bonbons und... hab ich alles gelernt. Wusste ich alles ganz genau. Dann sind wir weggezogen, waren in Gera. Da war ich Hausfrau. Aber dann wurde ein Kindergarten eröffnet und da durften unsere Kinder - mein Mann hat dann im Parteiapparat gearbeitet - die durften da rein, obwohl die Frauen noch nicht gearbeitet haben. Und da habe ich gesagt, jetzt muss ich arbeiten. Und da hat einer der Genossen gesagt: Die kann zur Wismut gehen. Die brauchen Leute! Die suchen dringend, die haben nur Sowjetische und kaum Deutsche. Da kam ich dorthin. #01:11:17-1#

Astrid Kirchhof: Was würden Sie sagen, wie lang hat dieser Übergang von, naja, noch Infiltriertsein vom "Dritten Reich", dann in das neue sozialistische System gedauert? #01:11:26-9#

Jutta Bergholz: Naja, ich war ja jung. Da ist man ja noch aufgeschlossen. Und dann hatte ich ja meinen Mann. Der mich ja dann nun... und seine Freunde waren eigentlich auch... ich kannte sie auch zum Teil von der Hitlerjugend, aber die waren im Tennisklub und wir haben... Es ging verhältnismäßig schnell, muss ich sagen. Dass ich eingesehen hab, das ging ja so nicht. Aber Schwierigkeiten machten mir die... die großen Versammlungen. Das hab ich alles erst mal nicht so verarbeitet. Und da waren ja auch nicht alle ehrlich, die auftraten, ne. #01:12:07-3#

Astrid Kirchhof: Sie sagten, Ihr Schwiegervater war bei den Sozialdemokraten. War das schwierig, dass er SPD war und eben nicht KPD? #01:12:14-1#

Jutta Bergholz: Nee, im Gegenteil. Der wurde gebraucht zur Einheit. Er war der Spitzenkandidat in Zeitz. Und es musste doch jemand da sein, der die Einheit vollzieht im Ort! Nee, den haben sie sehr gebraucht. Und er ist ja dann auch... ganz klar, nicht mehr SPD geblieben. Und mein Mann ist gleich, der hat gesagt: Ich fang mit der SPD gar nicht an. Er ist gleich in die KPD gekommen. Das war auch nicht so die... wenn sie sich trafen, die kamen nun viel zu meinen Schwiegereltern. 1. Mai war zum Beispiel bei denen ein Höhepunkt. Und da hat meine Schwiegermutter... nun bring endlich Kuchen, da waren Leute da. Interessant, alles mögliche! Und da spielte es keine Rolle mehr. Die hatten ja auch illegal zusammengearbeitet. Also war der... der Übergang war gar nicht schwierig. #01:13:05-2#

Astrid Kirchhof: Illegal heißt im Widerstand? #01:13:07-1#

Jutta Bergholz: Ja. Ja, ja. Ich hab dann die Schreibmaschine geerbt, wo sie Flugblätter drauf geschrieben haben. Aber die hab ich einem Museum geschenkt. #01:13:15-4#

Astrid Kirchhof: (Lacht) Und wie war das so für Ihre Eltern, dass die jetzt da mit... was weiß ich... #01:13:20-2#

Jutta Bergholz: Meine Eltern waren sehr jung, als ich unerwarteterweise auftrat. Und sie waren... mein Vater hat in der (unv.) gearbeitet als Blechschlosser, hat sich dann als Technologe qualifiziert. Lebte in seiner Arbeit, hat Tag und Nacht, wenn er gebraucht wurde... und meine Mutter, ich muss sagen, ich hatte eine wunderbare Kindheit, meine Mutter war ein Mensch, die hat die Menschen angezogen. Bei uns war immer... wir waren bescheiden, aber es war sehr schön. Aber sie waren... nicht politisch aktiv. Das... meine Mutter war zwar im DFD, dann. Hatte auch die goldene Nadel, weil sie immer für die Leute da war. Aber vorher war sie nirgends. Und sie war auch Vollwaise mit zehn Jahren, wurde bei ihrer Schwester aufgezogen. Das war eine SPD-Familie. Deshalb war sie Sympathisant, aber nicht aktiv. Und mein Vater auch nicht. Der war bei der Feuerwehr, Kommandant. Das war das Größte (unv.). #01:14:30-4#

Astrid Kirchhof: Das heißt, die Infiltration, von der sie sprachen, das kam eher von der Schule, von außen? #01:14:35-8#

Jutta Bergholz: Vorher? Ja. Ja. Na und ich hätte... meine Eltern hätten nichts sagen dürfen. Da hätte ich mich mit denen sehr gestritten. Das haben sie auch nicht gemacht. Ich war ja voll im Geschäft. Alle wir. Meine Freundinnen, alle! Wir haben uns auch immer getroffen in der Freizeit und so, wir waren viel unterwegs. Haben Germanen gespielt und solchen Blödsinn (lacht). #01:14:58-7#

Astrid Kirchhof: (Lacht) Germanen? #01:15:00-2#

Jutta Bergholz: Ja, ja. Die waren hoch im Kurs. #01:15:02-4#

Astrid Kirchhof: Aha. Und dann wie war die Zeit dann, sagen wir mal das letzte Jahr 89 [1989]. Wie haben Sie das denn so erlebt, auch im Betrieb? Wie war die Stimmung? Aber auch die Demonstrationen, die dann stattgefunden haben, wie war das? #01:15:17-5#

Jutta Bergholz: Am Anfang sind wir ja sogar mitgegangen, da war das ja ein bisschen anders. Aber als das dann so Pegida und sowas wurde... ich hab das überhaupt nicht begriffen, was... was jetzt losgeht. Erst mal, ich sagte ja schon, wo einer nach dem Anderen uns verließ und... es war auch eine Zeit, da hab ich ja noch gearbeitet. Da bekam ich eine Kur, da war ich in... Luhaèovice zur Kur. Und da waren dann schon immer die Leute, das gehörte zu Tschechien, aber... Slowaken waren das. Und da waren dann immer schon diese Sendungen, alles ging zur Grenze. Alles lief weg. Und das war ein furchtbarer Zustand, dass man nicht wusste beim nächsten Tag, ob sein Kollege noch da war. War ganz schrecklich! Einer, mit dem habe ich mich immer sehr gut verstanden, der hatte geheuchelt die ganze Zeit. Und der war dann auch über Nacht weg. Und das waren dann so Dinge, die habe ich schwer verarbeitet. In meinem Freundeskreis war es niemand. Die waren alle noch da. Aber sonst schon im Betrieb und das... mir war manches... ich hab manchmal gedacht, auch als diese... naiv war ich! Als diese... Auswanderung, also hab ich gedacht, hier muss doch jemand eingreifen. Wir haben doch ein Politbüro! Was machen die denn? Das waren so... hab ich gedacht, es muss doch einmal sein, dass da Schluss wird! Da hab ich mich schon schwer getan. Wirklich. Und dann habe ich mich auch ein bisschen zurückgezogen, wobei... es war ja dann, alle hatten erst ja noch eine Wohn... gruppe. War ich auch noch mit, weil man ja in der Wohngruppe auch sein muss. Und dann... er kriegt keine Luft, ne? Wir haben noch Wasser, wenn es sein muss. #01:17:21-3#

Astrid Kirchhof: Ja, willst du was trinken? (unv.) #01:17:25-0#

Jutta Bergholz: Ein (unv.) haben wir draußen noch. #01:17:28-9#

Astrid Kirchhof: Ich glaub, da hat keiner was draus getrunken. #01:17:32-0#

Jutta Bergholz: Ne, wir (unv.) wenn er keins hatte, war's seins. Ja, also wie gesagt, das zusammengefasst. Es war schwer für mich, unbegreiflich. Und dann konnte ich auch viele Menschen nicht verstehen, die sich plötzlich so geändert haben. Mein Abteilungsleiter, ein Kollege... ich hatte es ja als Frau auch nicht immer leicht bei uns. Sie haben... zum Beispiel hat er eines Tages zum Direktor gesagt: Ich hab jetzt einen Hochschulabschluss und jetzt möchte ich die Arbeit von der Jutta machen. Es ging natürlich nicht, weil da andere Leute entschieden und das hätte er nicht machen können. Das war nicht möglich. Heute wird das vielleicht im Betrieb, aber da hätte ich schon... in Chemnitz so, die hatten (unv.). Und der hatte dann auch gesagt, er war nie in dieser Partei, dabei war er mein Leitpropagandist. Das waren so Dinge, die konnte ich nicht verstehen. Aber er war wiederum sehr erfolgreich. Er hat die neue Schule aufgebaut, dann, wo ich sagte, die alle blieben... die Lehrmeister und... es war, es ist eben, ich komme nicht mehr auf den Namen dieser... die durch die Leute noch sehr erfolgreich... und er war auch sehr aktiv. Heute hat er Funktionen, ist er der Vorsitzende da. Waldbrücken. So. Ist ganz anders. Und damit hatte ich zu tun. Dass jemand sich so ganz und gar... entweder verstellt hat oder verändert. Das konnte man ja nicht feststellen. Nur als Beispiel, nicht generell. #01:19:02-3#

Astrid Kirchhof: Sie sagten, ganz am Anfang sind Sie mit den Demonstrationen mitgegangen? #01:19:06-3#

Jutta Bergholz: Ja, wir hatten anfangs... war das noch... ich weiß gar nicht, unter welchem Motto. Das war keine... wir wollten damals noch erhalten. Das waren die ersten, da waren das noch nicht Gegn... Gegendemonstranten. Sonst... richtig wussten wir auch gar nicht, wo es hinläuft. Bis wir dann gemerkt haben, nee, hier gehen wir nicht mit. Ich sag mal, wir waren nie... wir wussten auch, dass es so nicht weitergeht, wie es war. Ich hab ja dann auch noch Bücher gelesen. Waren ja viele, warum das so ist und... heute noch sind ja da Rätsel drin. Da lese ich einen Artikel, warum die Reformer, Gregor Gysi, die Brüder Brie und Klein, warum die die SED zerstört haben. Das stimmt natürlich nicht. Und da ist man heute noch unsicher, wenn man sowas liest. Und da brauchten wir auch immer jemanden, der einem so ein bisschen... und da hab ich unserem ehemaligen Landtagsabgeordneten, der erzählt mir das dann immer richtig. #01:20:16-4#

Astrid Kirchhof: Wollten Sie, Sie persönlich, die DDR, so wie sie war, oder reformiert, oder...? #01:20:21-3#

Jutta Bergholz: Reformiert! Reformiert. Wir haben auch gewusst... wir haben uns am meisten darüber geärgert, wenn wir mal immer gesehen haben, was für Unmöglichkeiten da passiert sind, da haben wir gesagt, es konnte ja gar nicht anders ausgehen, als so. Und das ist das Schlimme. Das hat uns... das ärgert uns heute noch! Es gab ja dann auch ganz böse Sachen, wo sie untereinander sich so sehr bekämpft haben, ne. Und meistens, die Philosophen wie Bloch und so, das, das war ja alles... das haben wir ja auch nicht gewusst! Das haben wir alles jetzt erst. Und wenn wir das jetzt lesen, dann fällt uns das sehr schwer. #01:20:57-6#

Astrid Kirchhof: Also die Wiedervereinigung hätte es Ihrer Meinung nach nicht unbedingt geben müssen. Eine reformierte DDR wäre ganz gut gewesen eigentlich? #01:21:05-0#

Jutta Bergholz: Hätten wir aber... ob wir es aushalten könnten wirtschaftlich, war auch nicht... hing ja dann auch damit zusammen, dass SU ganz anders lief, ging das ja gar nicht mehr. Weil man ja keinen Verbündeten mehr hatte. So wie es war, wollten wir es nicht. Weil das... es war... letztens gab's wieder, wir diskutieren ja auch immer noch... gibt's auch noch immer welche, die nun noch anders ein bisschen denken: Wie kann der denn sagen, wir waren ein stalinistisches Land? Ich sag: Das waren wir aber! Und das darf er sagen. Weil das stimmt. Und das ist das, was uns ärgert, dass das so gewesen ist. Hat sich ja wirklich nicht gut entwickelt. Und waren ja auch nicht alle dabei, die das so... ja, das war schon schwierig. Das sind Dinge... ich hab sie auch manchmal, das gestehe ich, verdrängt. Ich hab gedacht, du musst nicht alles bis zum Ende denken, das bringt dich um. Und... will dann auch nicht immer... von meiner Freundin, der ist so akribisch, der liest alle die Bücher und dann erzählt er von Herrenstein und so. Ich sag: Hör jetzt auf. Ich hab genug. Es ist... ich will das nicht, aber der liest das ganz. Und dann ärgert er sich auch (unv.) (lacht). #01:22:20-2#

Astrid Kirchhof: Und wie haben Sie sich dann in der Bundesrepublik gefühlt in den letzten Jahren, Jahrzehnten? #01:22:26-8#

Jutta Bergholz: Ja da gab's keine Umstellung. Ich hab ja nichts gemacht. Ich war ja... ich hab nicht gearbeitet, da hätte ich was gespürt. Und zu Hause... war alles, wie es immer war. Ich war auch nicht so, dass ich mich eingesperrt gefühlt hab, weil ich... reisen ist nicht mein Hobby. Aber andere, die das wollten, für die war das ja nun ganz furchtbar. Wir waren an der Ostsee, das hat mir gereicht, wirklich. Ich hatte keine Sehnsucht. Ich hab eher Heimweh als Fernweh. Das hat... das hat mir nicht gefehlt. Aber es war schon einiges... es hat mir auch nicht... der Intershop. #01:23:03-1#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:23:03-6#

Jutta Bergholz: Meine Freundin hat den geleitet hier. Und da bin ich mal rein gegangen, hab gedacht, jetzt guckst du dich mal um und sagst, was müsstest du denn nun unbedingt haben. Und... weil das doch immer diese Diskussion... hab ich gesagt, gab's dann schon Delikat-Läden. Denn unsere Schokolade früher, die hat mir nicht so geschmeckt. Und die Delikat-Läden, ich konnt's mir auch leisten so eine teure Tafel zu kaufen, und einen Kaffee, einen ordentlichen, gab's, mehr habe ich nicht entbehrt oder gebraucht. Ich hab gedacht, die Blusen, die kannst du auch überall, eine andere kaufen. Und... die Düfte hast, es roch immer so schön da drin... hab ich gesagt, hab ich dann auch immer, wenn wir so diskutiert haben mit den Frauen, ich sag, mach das mal, geh mal rein, guck dir an, was du unbedingt brauchst. Die schöne Wolle, die gibt's auch da oben in dem Laden. Und es war wirklich so. Aber wer natürlich von Anfang an, meine Freundin, die hatte eine Schwiegermutter, und wenn dann nun die Pakete kamen, haben natürlich alle Stielaugen gekriegt. Das spielte schon eine Rolle mit. Aber war nicht ein Grund irgendwie. Ganz bestimmt nicht. Weder das Reisen noch... wir haben ja nicht schlecht gelebt. Wir haben uns auch noch freuen können über was, was wir gekauft haben, was es gab (unv.) Jetzt sind sie alle satt, hm, hm. Wenn ich sie immer so höre, und... schon wieder drei Cent teurer geworden und so. Ja. #01:24:30-9#

Astrid Kirchhof: Würden Sie sagen, also dass Sie besser versorgt waren, weil Sie in der Wismut waren oder zählt das, was Sie sagen, für die ganze DDR? Dass man eigentlich ja... #01:24:40-9#

Jutta Bergholz: Ich kann ja eigentlich nur für mich sprechen. Wir waren... hatten eine Kantine. Und da gab's dann nun mal, das ist nun das leidige Thema, öfter Bananen, als woanders. Und wir kriegten sie nun auch. Aber die Grundversorgung war ja gewährleistet. Das war ja nicht so, das war ja dann bloß mal so... Und viel mehr als draußen gab's da auch nicht. Wir hatten natürlich... am Anfang gab's doch noch Essensmarken bis zu dieser Zeit. Und da waren schon unsere attraktiv. Wir kriegten extra für Milch und Käse und so. Wir hatten ja hier auch einige Verkaufsstellen, die nur Wismut... marken besorgten. Da gab's... und in dieser Abteilung hab ich angefangen, wo diese Marken abgerechnet wurden. Das war eine Katastrophe. Da gab's Reisemarken, 77 Gramm Zucker und so. So ein Paket. Andere Marken. Das war eine Wissenschaft. Aber es war schon... attraktiv und besser versorgt, ja. Dann nicht mehr, als die Marken abgeschafft waren, da war das nicht mehr so, dann... #01:25:56-9#

Astrid Kirchhof: Dann nicht mehr. Wann war das? Wann wurden die abgeschafft? #01:25:59-6#

Jutta Bergholz: Ja, wenn ich das jetzt noch wüsste. #01:26:01-7#

Astrid Kirchhof: Wenigstens das Jahrzehnt, 50er [1950er] Jahre? Oder erst viel später, 70er [1970er]? #01:26:10-6#

Jutta Bergholz: Das... da erschlägt mich meine Freundin, dass mir das nicht geläufig ist. Ich muss es sagen, ich hab diese jüngeren Daten, wenn ich überlegen muss, wann kam die D-Mark, muss ich alles überlegen. Es ist mir irgendwie nicht so... also ich hab ja dort gearbeitet, da gab's die noch. Ich denke Ende der 60er [1960er] war das dann weg. Gab's... aber das weiß jemand, das können Sie erfahren. Das betraf ja nicht nur die Wismut, ne. #01:26:45-8#

Astrid Kirchhof: Aber würden Sie sagen, die Wismut war ein Staat im Staat? #01:26:48-8#

Jutta Bergholz: War's schon zum Teil, ja, ja, doch. Und wir waren auch stolz, dass wir eben die Wismut waren. War schon... nicht jeder hat da gearbeitet und wir fühlten, waren ja auch ein bisschen überheblich, weil's uns... naja. Es war auch... wir haben auch gut verdient, also im Verhältnis. Also ich glaube nicht, dass... aber durch diese Zuschläge. Wir haben eben 20 Prozent auf unser Gehalt bekommen und das ist doch Geld! Und das war bares Geld, ne. Es war schon ein Unterschied. Aber als Staat im Staate, kann man nun auch nicht sagen. Waren Privilegien, die waren schon da. Aber die hatten wir ja denen zu verdanken, die den schweren Anfang geleistet haben. Und die... ich hatte einen guten Freund, der war so eine Art Wismut-Dichter. Martin Viertel, kennt ihn jemand? Sankt Urban, das war dann sogar ein Film. #01:27:50-9#

Astrid Kirchhof: Ja, das weiß ich, den Film weiß ich. #01:27:52-9#

Jutta Bergholz: Ich hab einige Bücher von dem. Wir waren zusammen im Englischklub. #01:28:00-6#

Astrid Kirchhof: Noch zu DDR-Zeiten? #01:28:02-0#

Jutta Bergholz: Nein! #01:28:02-9#

Astrid Kirchhof: Nein, später (lacht) (unv.). #01:28:04-7#

Jutta Bergholz: (Lacht) Volkshochschule. Den kannte ich auch erst später. #01:28:09-4#

Astrid Kirchhof: Also Staat im Staate ist ein bisschen zu weit? #01:28:12-1#

Jutta Bergholz: Ist zu weit, ja. Weil... aber Privilegien waren da. #01:28:16-0#

Astrid Kirchhof: Sie haben gesagt, Sie waren auch stolz, Wismuterin zu sein? Also Sie haben sich als Wismuterin gefühlt? #01:28:22-6#

Jutta Bergholz: Ja, jaja. Ja. Doch. Ich hätte auch mit jedem gestritten. Ging ja auch immer so: Die Russen schleppen das Erz weg. Ich sag: Sie bezahlen das! - Du glaubst doch selber nicht! - Ich sag: Ich weiß es. Wir haben's ja ausgerechnet. Und die haben das ja bezahlt. Die Investitionen wurden aus beiden Haushalten, aus deutschen und sowjetischen, finanziert. Und was dann gewonnen wurde, das haben sie bezahlt. Da gab's... war natürlich geheim, die Preise so, die kannten wir nicht. Wir haben nur bis zu dem, wie die Erzqualität geliefert wurde. Dann war Schluss, das war dann weiter oben, ausgerechnet. Muss man ja auch nicht wissen. Aber ich weiß, mein Freund war ja der stellvertretende Generaldirektor... weiß ich das. Die haben ja immer verhandelt, es waren harte Verhandlungen, ne. Mussten ja beweisen, was es kostet und die haben das bezahlt. #01:29:19-8#

Astrid Kirchhof: Was genau hat Sie stolz gemacht in der Wismut? #01:29:23-3#

Jutta Bergholz: Wir waren eine Gemeinschaft. Es war eine Atmosphäre. Wir duzten den Betriebsdirektor, als Beispiel. Das war eben der Horst. Und hatten trotzdem Respekt, so war das nicht. Aber wir waren eben auf einer Ebene, wenn es irgendwelche Dinge gab. #01:29:47-8#

Astrid Kirchhof: Und Sie würden sagen, außerhalb der Wismut war der Zusammenhalt nicht so stark? #01:29:52-9#

Jutta Bergholz: Nein, nein, nein. Das war nicht... gab sicher auch Betriebe, so viele kenne ich nicht. Mein Mann hat nur wie immer hier gearbeitet. So war das nicht. Die hatten da andere Verhältnisse, als... aber bei uns war das. Der Hauer, wenn der kam, wenn der zum Betriebsdirektor wollte, da ging der eben hin. Aber wir hatten keine Anarchie! Dass jeder machte, was er wollte, das war es nicht. Es war geordnet. Aber sie waren jedenfalls ansprechbar und haben auch zugehört. War natürlich auch manchmal... zum Frauentag, das war ja eine Tradition, wurde gefeiert. Und zum Beispiel saßen eine von der Eisenbahnabteilung neben dem Direktor. Sagt der den nächsten Tag zu mir: Also, wieso hat die Frau noch keine Auszeichnung? Ich sage: Was hat sie dir denn da alles geflüstert, dass du jetzt auf die Idee kommst? Ich meine, so... #01:30:49-0#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:30:50-2#

Jutta Bergholz: war dann (lacht)... die hat eben erzählt, was sie leistet und da war der so angetan. Hätte ich der nun gleich am nächsten Tag einen Aktivisten-Orden besorgen müssen. Haben wir aber nicht gemacht (lacht). So als Beispiel sage ich Ihnen das so, das ist... wir konnten eben mit... miteinander. #01:31:08-4#

Astrid Kirchhof: Hatten Sie jemals Angst, für die Um... für die... also umwelt- oder gesundheitstechnisch, für die Wismut zu arbeiten? Oder dass das Uran war, das abgebaut... #01:31:17-5#

Jutta Bergholz: Spielte keine Rolle! #01:31:18-6#

Astrid Kirchhof: Bei Ihnen nicht und auch bei anderen eigentlich nicht, oder? #01:31:22-3#

Jutta Bergholz: Das weiß ich nicht. Es wurde ja auch genau geachtet. Ich meine, die Gruppe, die haben ja genau, früher in Schlema, die sind durch das Wasser gewatet. Das war reines Uran, ne. Rein nicht, aber jedenfalls... da hat der Geigerzähler geklingelt. Bei uns wurde aufgepasst. Es ging nicht mehr. Nee, da hatten wir keine Angst. #01:31:50-1#

Astrid Kirchhof: Sind Sie jemals krank geworden? #01:31:53-1#

Jutta Bergholz: Ja, aber nicht durch die Wismut (lacht). #01:31:55-4#

Astrid Kirchhof: Okay. #01:31:56-6#

Jutta Bergholz: Ich hatte von Anfang an... ich hatte eine Lungentuberkulose. Da war ich mal ein halbes Jahr in der Heilstätte. Aber das hatte ich durch eine dumme Sache, eine Rippenfellentzündung und danach blieb sowas eben zurück. Hat mit der Wismut überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil, ich war gut versorgt. #01:32:15-7#

Astrid Kirchhof: Okay. Wollen wir jetzt hier mal ganz kurz einen Cut machen? (Pause) Kommen wir mal zu den... Sie haben vorhin erzählt, Sie hatten auch russische Kollegen und dass das Verhältnis immer sehr schön war. Wie... haben Sie da eine Anekdote oder etwas? #01:32:33-7#

Jutta Bergholz: Na erstmal als ich dort begann, bei der Wismut zu arbeiten, da hatten wir nicht auch, sondern nur sowjetische. Da waren ganz wenig Deutsche da. Und das hat sich dann allmählich... wurden die so nach und nach nach Hause geschickt und es kamen immer Deutsche nach. Am Anfang waren die Abteilungsleiter alle Sowjetische und dann waren sie Stellvertreter. Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis. Wir haben... es gab auch Abteilungen, wo nur Sowjetische waren, die hatten dann nicht so viel Kontakt. Aber wir hatten in der Abteilung... und das war... das waren Kollegen, wie wir alle schon vorher. Und wir haben uns auch gut verstanden. Sprachlich nicht immer, da haben wir unsere Dolmetscher gebraucht. Sie konnten es aber auch zum Teil, aber wir haben auch viel Spaß gehabt. (Unv.) manchmal. Nee, war alles wirklich gut. Den vierzigsten Jahrestag, den haben wir 14 Tage lang gefeiert (lacht). #01:33:35-1#

Astrid Kirchhof: Also es wurde auch immer gerne gefeiert? #01:33:37-0#

Jutta Bergholz: Ja, aber nicht während der Arbeitszeit. Aber wir wurden auch... es war ja am Anfang ein bisschen schwierig. Aber wir wurden dann eingeladen in die Familien und umgekehrt auch. Das war aber immer ein bisschen mit Genehmigung. Das wussten wir nicht, aber das weiß ich heute. Man konnte das nicht einfach so... das war ja für sie auch eine Gefahr. Die wussten ja auch nicht genau, wohin sie gehen. Ich hab ja auch Kollegen von uns kennengelernt, die anders eingestellt waren, was wir erst später gemerkt haben. Aber wir in der Planung... und wir hatten einen Abteilungsleiter, der wirklich ein... sehr guter Geologe war. Und wir haben gemeinsam nun die Erzqualität ausgerechnet. Ich habe für ihn die Hilfsarbeiten gemacht und für ihn geschrieben. Und es war... wir haben uns wirklich gut verstanden. Aber nicht aufgedreht oder gewollt. #01:34:29-2#

Astrid Kirchhof: Waren da sowjetische Kollegen bis 89 [1989], bis zum Schluss da, oder ging der Großteil früher? #01:34:35-6#

Jutta Bergholz: Nee, sie gingen früher. Wir waren dann ja nur noch keine SDAG mehr sondern waren dann die Wismut, da war keiner mehr da. Vielleicht in Chemnitz, dass da noch mal einer, aber sonst bei uns war niemand mehr. #01:34:48-6#

Astrid Kirchhof: Hatten Sie denn noch Kontakt darüber hinaus? #01:34:51-8#

Jutta Bergholz: Anfangs ja, aber das war wahrscheinlich auch nicht so sehr gewünscht. Bei denen war doch auch schlimmer als bei uns, ne, das... Der eine, Georgij Emel'janowitsch Koptschenko, das weiß ich noch, der kam dann mich mal besuchen hier, steht er plötzlich vor der Tür. Aber sonst war das dann... die waren weg. Und dann war's vorbei. War doch dann nicht mehr, 89. #01:35:15-8#

Astrid Kirchhof: Was könnte der Grund sein, dass die Sowjetunion das nicht so wollte, den Kontakt? #01:35:20-7#

Jutta Bergholz: Na, sie waren immer besorgt, dass sie irgendjemanden dann... es war ja auch schon manchmal möglich, dass da... dass wir gar nicht so wissen. Es sollte bekannt sein. Sie wollten das wissen, wenn Kontakte waren. Aber wir, bei uns war nichts verboten. Wir durften das. #01:35:43-3#

Astrid Kirchhof: Wenn Sie jetzt an die Zeit denken bei der Wismut, was würden Sie sagen, war die Hoch-Zeit für Sie? #01:35:51-7#

Jutta Bergholz: Ja, das war eigentlich für uns so bis 71 [1971], bis die... bis das Objekt 90 aufgelöst wurde. Da waren wir doch nun in dem Objekt, in der Objektleitung, mit allen Betrieben verbunden und da hatten wir Kontakte nach allen Seiten und im Hause und das war für uns die Hoch-Zeit. Bis 71 [1971]. Und dann wurden wir ja alle aufgeteilt auf die einzelnen Betriebe. Da war das dann nicht mehr ganz so, weil wir dann, wie gesagt, alle getrennt waren, die wir uns ja schon eine ganze Zeit kannten. Und wir hatten auch durchweg ein kollegiales Verhältnis. Aber wir haben da eine Frauenklasse gehabt, die ein Ingenieurstudium gemacht haben. Das waren ja alles Dinge, um die haben wir uns gekümmert. Das, das war die Zeit, wo ich sage, das war auch für uns die schönste Zeit. Da haben wir auch viel Spaß gehabt. #01:36:49-0#

Astrid Kirchhof: Also das war auch kollegial einfach eine sehr schöne Zeit im Objekt 90. #01:36:53-4#

Jutta Bergholz: Ja, ja, ja. War nun nicht... mit manchen war es auch nicht. Waren nun nicht alle Engel, so nun nicht. Aber die meisten, wir haben uns wirklich... Es wurde auch immer dafür gesorgt. Wir haben ja auch dann Zusammenkünfte gehabt und... Frauen wurden ja auch geachtet bei uns. Und eins muss ich noch erwähnen. Ich hatte das Ihnen schon mal gesagt wahrscheinlich. Wir hatten ja auch Kommissionen. Wir hatten eine Konfliktkommission. Die haben sich dann auch gekümmert um Dinge, die waren mir ja fremd. Ich kam ja aus einer ganz anderen Richtung. War juristisch nicht gebildet. Ich musste dann die Juristen doch auch immer um alles fragen und die waren auch wirklich immer, dann wirklich aufgeschlossen. Und wir hatten... die Kassiererin machte eine ziemlich große... hatte eine ziemlich große, hatte eine ziemlich große Kassendifferenz. Normalerweise muss sie dafür aufkommen. Und dann kamen wir als Frauenausschuss und die Konfliktkommission zu dem Ergebnis, sie hatte solche Arbeitsbedingungen, dass sie nervös werden musste, es standen zu viele Leute und sie hatte keine Ruhe. Hat es nicht bezahlt. Als Beispiel. Und das fand ich gut. Und eine andere, die hatte auch ein Problem. Und da hat auch die Konfliktkommission so entschieden, wie es gut war. Aber wie wir wahrscheinlich nicht drauf gekommen wären. Das fand ich immer sehr gut, dass die da war. Ein Problem war auch dabei. Ein Lehrmeister spielt mit seinen Jungen Fußball, Herzinfarkt, tot. Tja, wir wussten, dass er herzkrank ist. Er hatte schon einen Schonplatz. Jetzt die Frage, gilt es als Arbeitsunfall? Es wurde entschieden, es ist ein Arbeitsunfall. Es war nur die Frage, wäre er gestorben, wenn er nicht Fußball gespielt hätte? Die Betriebsärztin: Nein. Also klar. Er hat ja nicht zum Spaß, sondern mit den Lehrlingen gespielt, ne, das war ja nicht... ja. Es war eine fragwürdige Entscheidung, aber ich fand's gut. #01:39:05-1#

Astrid Kirchhof: Also das heißt, wenn es ein Arbeitsunfall ist, dann kriegt auch die Witwe wahrscheinlich mehr Rente? #01:39:11-1#

Jutta Bergholz: Ja, die hatte drei Kinder und das war schon gut. Und da hatten wir eben ziemlich viel Spielraum in solchen Sachen. #01:39:17-9#

Astrid Kirchhof: Hmm, okay. #01:39:19-2#

Jutta Bergholz: Zu der Zeit noch. #01:39:21-5#

Astrid Kirchhof: Also im Objekt 90? #01:39:23-2#

Jutta Bergholz: Ja. #01:39:24-9#

Astrid Kirchhof: Können Sie sich an die Jahre 53 [1953] und 61 [1961] erinnern? Also Mauerbau und 53 [1953], 17. Juni [17.06.1953]? #01:39:32-3#

Jutta Bergholz: Aber nicht mit der Wismut! 53 [1953] war ich noch gar nicht da. #01:39:34-9#

Astrid Kirchhof: Ja, hmm. Mehr so persönlich, können Sie sich daran erinnern? #01:39:39-3#

Jutta Bergholz: Ja, da wohnten wir auf dem Dorf, da haben wir das 53 [1953]... haben wir schon sehr gemerkt. Wussten ja auch, mir war das... wir kriegten plötzlich diese Geschäftsinhaber, die hatten dann irgendwelche, das weiß ich nicht mehr ganz genau und das wissen sie schon alle. Es war doch dann so ein bisschen, wo es gegen den Mittelstand ging. Dann war das gut. Aber nur bedingt hab ich das gemerkt. Aber... Mauerbau... wir haben uns gefreut. Endlich, haben wir gesagt, endlich ist hier Ruhe! Und da haben sie mich auch immer belehrt, die Jungen, das heißt antifaschistischer Schutzwall. Nicht Mauer! (Lacht) #01:40:24-4#

Astrid Kirchhof: Und endlich passiert mal was jetzt, weil so viel Abwanderung war in den Westen und auch viele Arbeitskräfte ja abgewandert sind? #01:40:34-0#

Jutta Bergholz: Abgeworben waren. #01:40:35-2#

Astrid Kirchhof: Hmm, okay. #01:40:37-6#

Jutta Bergholz: Hmm, wir wussten ja auch manchmal nicht, ist der morgen noch da oder nicht. Und das ist ja ein furchtbarer Zustand gewesen. Einer, der hat im Markt eine große Rede gehalten für die deutsch-sowjetische Freundschaft. Am nächsten Morgen ist er weggefahren, ja. Ging ja alles. #01:40:55-5#

Astrid Kirchhof: Weil sie die... #01:40:56-3#

Jutta Bergholz: Unangenehm! #01:40:56-8#

Astrid Kirchhof: Weil sie die DSF nennen. Sie waren ja in der SED. Waren Sie auch in anderen Leit..., zum Beispiel in der DSF? #01:41:02-5#

Jutta Bergholz: Ja, ja, selbstverständlich. #01:41:04-0#

Astrid Kirchhof: Und da nur bezahlendes Mitglied, oder waren Sie da aktiv in der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft? #01:41:11-3#

Jutta Bergholz: Aktiv? War gar nicht so möglich. Viel haben die nicht veranstaltet. Wenn sie mal was... zur Oktoberrevolution oder so, wenn da mal eine Veranstaltung war, dann sind wir gegangen. Aber sonst... die Gruppe hat gearbeitet, im Wesentlichen den Beitrag kassiert und... wir waren eben alle drin. Kannte niemanden, der da nicht war. #01:41:33-1#

Astrid Kirchhof: Und waren Sie... also, in welchen Organisationen waren Sie noch? #01:41:36-9#

Jutta Bergholz: In der Gewerkschaft, ist klar. Und sonst... DFD wollte ich immer nicht. Ich hab gesagt, ich hab (unv.). Musste ich aber dann (lacht), haben sie mich überzeugt. Und das war dann... aber da war ich nicht aktiv. #01:41:53-6#

Astrid Kirchhof: Ist das Deutscher Frauen...? #01:41:56-7#

Jutta Bergholz: Demokratischer Frauenbund Deutschlands. #01:41:59-0#

Astrid Kirchhof: DFD. #01:42:00-5#

Jutta Bergholz: Meine Mutter war da. Die hat glaub ich mit den Frauen gearbeitet. Und die hatte keine politische Bildung und überhaupt keine Funktion jeweils gehabt. Die hat sich eben um alles gekümmert. Um Wohnung und um Kindergartenplätze. Aber in Zeitz, die wohnte nicht hier. #01:42:18-9#

Astrid Kirchhof: Und was haben Sie in der Gewerkschaft gemacht? #01:42:22-8#

Jutta Bergholz: Ich war Mitglied der BGL, der Betriebsgewerkschaftsleitung. #01:42:26-4#

Astrid Kirchhof: Hm, hm. #01:42:27-3#

Jutta Bergholz: Hm. #01:42:28-2#

Astrid Kirchhof: Und haben sich da um die Arbeitsverträge gekümmert oder Krankheiten? #01:42:32-3#

Jutta Bergholz: Es war ja aufgeteilt. Ich war da für die Frauenarbeit zuständig. #01:42:37-0#

Astrid Kirchhof: War das eine schöne Arbeit? #01:42:39-8#

Jutta Bergholz: Ja, aber nicht so sehr. Es waren... manchmal war es ein bisschen übertrieben. Jeder musste doch nun berichten, was er alles gemacht hatte. Da hab ich manchmal (unv.) (lacht) #01:42:49-7#

Astrid Kirchhof: War das... das war doch ehrenamtlich? #01:42:51-6#

Jutta Bergholz: Ja, ja. Ja, ja. #01:42:52-4#

Astrid Kirchhof: Ist das nicht sehr viel gewesen, so stelle ich mir das vor, neben Arbeit und Haushalt und Kinder, dann noch ein Ehrenamt? #01:42:57-1#

Jutta Bergholz: Ja, ich sag doch. Wir hatten... jede Woche waren mindestens noch zwei Veranstaltungen. Ich habe eine Zeit lang meinen Sohn bei meinen Eltern gehabt. Ich hätte das sonst gar nicht machen können. #01:43:10-3#

Astrid Kirchhof: Hm, hm. #01:43:11-1#

Jutta Bergholz: Hm, Kindergartenzeit und... aber meine Eltern waren jung, der hat das gut gehabt. #01:43:16-4#

Astrid Kirchhof: Hm. Waren die hier in der Nähe? #01:43:18-7#

Jutta Bergholz: Zeitz. #01:43:19-3#

Astrid Kirchhof: In Zeitz haben sie gewohnt. #01:43:20-1#

Jutta Bergholz: Wir haben uns immer getroffen, Wochenende immer. Obwohl wir damals noch kein Auto hatten. Zug fuhr auch. Und schnell. #01:43:28-4#

Astrid Kirchhof: Vielleicht können wir so zum Schluss noch mal über die, noch einmal über die Wendezeit reden. Vielleicht können Sie noch mal sagen, was so ein bisschen die Aufgaben waren in der Abwicklung? #01:43:42-0#

Jutta Bergholz: Wendezeit ist eigentlich eine Zeit, die zum Teil vorübergerauscht ist. Die ich nicht immer im vollen Bewusstsein ertragen konnte. Ich hab da einfach... das sein lassen. Und die Abwicklung, das war eine normale Abwicklung, wo die Schule dann eben nicht mehr bestand, wie sie vorher war. Wo es ein ganz normaler Ablauf gewesen ist. Hat man ja nun nicht so gespürt als Wende. Es war eben... wir haben uns auch nicht leicht getan, alle zu verabschieden, ne. Und nicht alle... wer konnte, der blieb ja dann zu Hause, das ist klar. Aber andere gingen dann auch in die Betriebe, wurden da auch... war eben Arbeiter-Bafög, das alles zu machen. Betraf ja nicht nur uns. Schule betraf ja alle. Haben ja alle... Und da hatte die übergeordnete Leitung, die hatten dann schon zu kämpfen. Mussten ja alles aufarbeiten und alle Unterlagen unterbringen, ich weiß nicht, wo die alle sind. #01:44:49-2#

Astrid Kirchhof: Hmm. #01:44:50-4#

Jutta Bergholz: Ja, aber wie gesagt. Es war bisschen Selbstschutz, dass ich nicht so alles vertieft hab. Weil das war unerträglich. Wenn sie mit Leib und Seele immer dabei waren und es war alles richtig. Wir hatten mal eine Zeit lang... mein Abteilungsleiter sagte: Lieber mit der Partei einen Fehler machen als immer dagegen stehen. So haben wir gehandelt und... auch nicht aus Angst! Nicht... natürlich wussten wir auch, dass wir manches... wurde dann kritisch betrachtet. Aber das war keine Angst. Wir haben uns auch gewagt, da was zu sagen, so untereinander. Auch mit unserem Parteisekretär oder so. Das war ein gutes Verhältnis. Aber weiter oben, war's (unv.), ne. #01:45:42-0#

Astrid Kirchhof: Also so richtig in Konflikt mit der Partei sind Sie eigentlich... #01:45:45-8#

Jutta Bergholz: Nein. #01:45:46-3#

Astrid Kirchhof: ...nicht gekommen? #01:45:46-8#

Jutta Bergholz: Nein, nein, nein. Überhaupt nicht. Bin ja auch nicht ausgetreten. Bin ja geblieben. Ich hab 70-jähriges Jubiläum jetzt diesen Monat. #01:45:59-2#

Astrid Kirchhof: Das heißt, dann war es die PDS uns später die Linke und Sie sind immer dringeblieben und haben sich auch engagiert? #01:46:06-5#

Jutta Bergholz: Ja. #01:46:07-7#

Astrid Kirchhof: Was macht man heute, was machen Sie da, wenn Sie einmal die Woche hingehen? #01:46:11-2#

Jutta Bergholz: Ja, bin ich für die Kassengeschäfte... wenn die kommen, Beiträge bezahlen oder Rechnungen, manche. Oder es ist doch immer irgendwas, es sind Veranstaltungen und das kostet Geld. Dann müssen wir Gebühren bezahlen oder... also, wie gesagt. Alles, was mit Kasse zutun hat. Das wird da... da führen wir ein Kassenbuch und so. Einmal in der Woche und (unv.) zwei Tage in der Woche ist Kassenzeit, übergeben wir dann den anderen. Da ist, an dem Tag ist... und um die Mitgliederbewegung. Es sterben ja auch manche, müssen wir dann austragen und kommen neue, eintragen. Neue kommen nicht so viele wie sterben, das ist klar. Aber... und es... wir haben auch Spaß untereinander. #01:47:05-6#

Astrid Kirchhof: Haben Sie eine Geschichte? #01:47:07-9#

Jutta Bergholz: Nee, eigentlich nicht. Da passiert jeden Tag so viel (lacht) #01:47:11-8#

Astrid Kirchhof: (lacht) #01:47:12-3#

Jutta Bergholz: Kommt auch manchmal jemand rein, der Luft ablässt. Wo man auch gar nicht weiß, ob er ganz normal ist. Und das müssen wir uns dann auch anhören. Wir müssen uns auch alles anhören. Weil wir... wir sind am Markt. Und dann kommen sie rein mit Problemen. #01:47:29-9#

Astrid Kirchhof: Also auch Bürger meinen Sie jetzt? #01:47:31-5#

Jutta Bergholz: Ja, ja. Ja, ja. Unsere Genossen, die kommen anders. Und manche, die sind auch wirklich wutentbrannt und suchen dann... wir können ja auch nicht immer die Vorsitzenden, nur in bestimmten Fällen. Da kam zum Beispiel eine Frau, die hat uns so sehr beschäftigt, den ganzen Tag. Da ging es um den Abtreibungsparagraphen. Und die kam nun an. Hat dann nun in den schwärzesten Farben geschildert, wie so eine Abtreibung vor sich geht und wie wir dazu stehen. Wollte sie von uns wissen. Mussten wir nun Rede und Antwort stehen. Und sowas kommt eben immer mal vor. Muss man ja auch reden. Sind ja auch dazu da, dass die Bürger sich bei uns informieren. Auch über uns. Ist manchmal nicht so einfach, weil man nicht alles beantworten kann. Gibt ja nun Fragen, wo wir keinen Einblick haben, ne. Und wir haben's ja auch als Stadtverordnete nicht so leicht. Es ist ja... wir... erleben das ja immer mit, was dann quer geht. #01:48:41-5#

Astrid Kirchhof: Sie sind selbst auch Stadtverordnete? #01:48:43-5#

Jutta Bergholz: Nein! Nein. Ich bin nur ehrenamtliche Mitarbeiterin. Um Gottes Willen! Stadtverordnete werden gewählt. Wenn wir jetzt wieder Wahl haben, kommen doch... Sie wissen doch, Sie wählen doch auch. #01:48:56-3#

Astrid Kirchhof: Ja, ich wusste nicht, weil Sie sagten, weil... Sie haben jetzt so gesprochen, als wären Sie Stadtverordnete. #01:49:00-9#

Jutta Bergholz: Ach, i wo! Nein. #01:49:02-2#

Astrid Kirchhof: Hab ich das nicht ganz... #01:49:02-8#

Jutta Bergholz: Ne, ne. Wir müssen als privat... als einzelne Genossen auch antworten. #01:49:07-8#

Astrid Kirchhof: Hmm, hmm. Ist das das Mitgliederbüro der Linken für ganz Gera, oder ist das für den Stadtbezirk? #01:49:15-1#

Jutta Bergholz: Nee, für Gera. #01:49:16-2#

Astrid Kirchhof: Für ganz Gera? #01:49:17-1#

Jutta Bergholz: Ja, ja. Na, so viel ist das ja nicht mehr. #01:49:21-5#

Astrid Kirchhof: Haben Sie Mitgliederschwund? #01:49:23-1#

Jutta Bergholz: Ja. Ja, ja. #01:49:24-5#

Astrid Kirchhof: Alle Parteien oder speziell jetzt auch die Linke? #01:49:26-6#

Jutta Bergholz: Alle. Und wir besonders, weil nun viele alt geworden sind, ne, die sterben uns dann weg. #01:49:33-6#

Astrid Kirchhof: Und die Jungen, würden Sie sagen, die gehen eher zu den Grünen, oder? #01:49:37-3#

Jutta Bergholz: Wohin sie gehen, weiß ich nicht. Die zu uns kommen, sind... machen Spaß. Machen uns Spaß, wirklich. Das ist... die kommen dann auch... als Bewusstsein. Aber ich habe auch anfangs mal gedacht, ich könnte meinen Enkel nicht überzeugen, weil ich nicht weiß, was er machen soll. Sie sind ja... sie schließen sich zusammen, aber die sind sich auch quasi ein bisschen selbst überlassen. Wenn wir jetzt einen Landtagsabgeordneten haben, der jung ist und der mit ihnen arbeitet. Und das gefällt mir. Sie sind alle wirklich aufgeschlossen und angenehm... Truppe. Aber es sind eben nicht zu viele. #01:50:22-9#

Astrid Kirchhof: Und Sie gehen eben auch, wenn da so Veranstaltungen sind, gehen Sie auch mit, oder sind dabei? #01:50:27-6#

Jutta Bergholz: Ja. Wir haben zum Beispiel immer einmal im Jahr Friedensfest am 1. September. Diesmal hatten wir es durch Corona im kleinen Rahmen direkt bei uns vor der Tür. Das ist ja der Markt. Und da gibt's ja auch Vorbereitungen und alle möglichen Arbeiten zu tun. Und die müssen immer alles selbst machen und da helfen sie alle mit. Und wir gehen dann natürlich alle mit, das ist klar. #01:50:55-1#

Astrid Kirchhof: Gibt's jetzt hier für diesen Teil noch etwas, was Sie gerne sagen oder erzählen möchten? #01:50:59-9#

Jutta Bergholz: Fällt mir nichts ein. #01:51:01-6#

Astrid Kirchhof: Wir haben auch sehr viel angesprochen. #01:51:03-5#

Jutta Bergholz: Ja! #01:51:05-0#

Astrid Kirchhof: Dann würde ich sagen, wir machen jetzt hier noch mal einen Cut und dann kommen wir noch zu den Bildern. (Pause) Frau Bergholz, wir gehen jetzt einfach noch mal durch ein paar Dokumente, Erinnerungsstücke, Fotografien und Sie erzählen einfach ein bisschen was, was Ihnen noch einfällt zu den Fotografien beispielsweise. #01:51:23-2#

Jutta Bergholz: Also es geht jetzt um den Abschnitt ab 1971, wo ich zur Betriebsschule ging und die zu dieser Zeit auch gegründet wurde. Nämlich von der Betriebsberufsschule des Objektes 90 zur Betriebsschule Dr. Theodor Neubauer Gera. Und Betriebsschule deshalb, weil nicht nur Berufsausbildung der Gegenstand der Arbeit war, sondern auch Kinder der polytechnischen Ausbildung wurden da in besonderen Lehrgängen vorbereitet auf ihren Unterricht. Außerdem hatten wir die theoretische Ausbildung und die praktische für die Berufe. Wir... im Wesentlichen für die Bergbaulehrlinge, also Facharbeiter für Bergbautechnologie. Wir hatten auch eine Ausbildung für unseren Baubetrieb, der in Ronneburg arbeitete und auch viele Zweitstellen hatte. Das waren auch, das war eine Abiturklasse. Und dann hatten wir auch für die Aufbereitungsbetriebe, hier im Wesentlichen Seelingstädt, die Ausbildung, sogenannte Chemie-Ausbildung. Und das war dann in den Betrieben die praktische und in der Schule war die theoretische. Ich war das zu dieser Zeit. Sie nehmen das so. Und... die Schule war sehr umfangreich. Sie wurde mit hohem materiellen Aufwand, hohen Investitionen gebaut. Nicht nur für diese Ausbildung, sondern auch für die Freizeit und für die Vollverpflegung der Lehrlinge. Für die Freizeit... sie wohnten im Internat, aber nur die Schüler, die weiter weg wohnten. Die anderen, das waren Fahrschüler, die wurden täglich hergebracht. Und im Internat war natürlich Vollverpflegung Voraussetzung. Die Küche war auch da. Und sie hatten dann auch die Möglichkeit in der Schwimmhalle, in der Turnhalle. Wir hatten auch immer diese Aktion "stärkster Lehrling". Da waren wir dann als Wismut immer sehr führend, wir kriegten da immer Preise. Da waren die Sportlehrer sehr stolz, mit Recht. Wir haben auch immer was dafür getan. Es waren so Höhepunkte im Leben der Lehrlinge. Und sie hatten auch im Wohnheim die Möglichkeit zur Freizeitgestaltung im... Bibliothek war im Hause und ein Tischtennisraum und, und andere, wo sie gesellig zusammen sein konnten, Bibliothek. Also es war von... von den Voraussetzungen her, war es eigentlich sehr gut. Sie hatten auch... im Zeulenrodaer Wald hatten wir, ich zeig mal, Sepp Wenig, der ja eine Legende der Wismut ist, wo ich mich gar nicht weiter auslasse, aber er hatte dafür gesorgt, dass wir ein Grundstück dort kauften. Und es war... Seeschlösschen hieß es, weil das ein ziemlich großer Teich, also man kann schon sagen, ein See mit dran war und da konnten die Lehrlinge, entweder wenn man einen Lehrgang hatte für Kulturgruppe oder Wochenend, je nachdem, was nun vorgesehen war. Es war nicht... will mal sagen, so Interhotel-Niveau, das waren zwei Schlafsäle und ein Aufenthaltsraum. Aber der Wald war rundherum und die konnten mit dem Kanu fahren. Die konnten Fische angeln. Die hatten einen Karpfen drin, wurde manchmal auch großes Karpfenessen gemacht. So. Und das alles war in Gera verteilt, das Internat ist ein Gebäude, besteht aus zwei Häusern. Da hatte auch jedes eine eigene Leitung. Da war ein... jedes Haus sieben Geschosse und so ungefähr 37 Zimmer auf jeder Seite. Also kann man sich vorstellen, wie groß das war. Das war die Truppe der Erzieher. Und... es war das Emblem, das über der alten Schule hing (unv.) Giebelwandbild. Das war die alte Schule, die bestand schon, als es zum Objekt 90 gehörte. Da war das eine Aus- und Weiterbildungsabteilung und die war jetzt erweitert, aber war die alte Schule. Die heißt eben so, weil sie die ältere war. Da war die Ausbildung und Weiterbildung der Erwachsenen. Es waren ja manche auch ohne theoretischen Abschluss, die dann zum Beruf gekommen waren, die konnten das nachholen und hatten auch Ingenieurausbildung dort und auch manchmal Sonderlehrlinge. War eine sehr gute Lehrergemeinschaft dort. Und... #01:56:37-8#

Astrid Kirchhof: Hier drin glaube ich hatten Sie auch ein Zimmer mal von dem Internat #01:56:40-6#

Jutta Bergholz: Ja, von dem Wohnheim. #01:56:42-4#

Astrid Kirchhof: Ja. #01:56:43-4#

Jutta Bergholz: Das muss man jetzt wiederfinden. #01:56:46-6#

Astrid Kirchhof: Das war glaube ich weiter hinten. #01:56:52-8#

Judith Schein: Was ist denn das für ein Buch? #01:56:55-0#

Jutta Bergholz: Das hat... hat mein Sohn gesammelt, SDAG Wismut, die Geschichte hat er sich hier aufgeschrieben und dann... wenn die Bergleute aufziehen, da hatten wir auch eine Klasse, die musste immer, wenn sie neue... das waren die Abiturienten, weil die länger da waren, die mussten dann immer die Schalmeien blasen und auftreten und wenn dann ein Bergmannsaufzug war oder so, da traten die auf. Und hier ist ein... nein, das ist kein Bild, das ist... die Vermesser bei der Arbeit. #01:57:33-0#

Judith Schein: Ist das ein Geschenk gewesen von Ihrem Sohn oder hat er das für Sie gemacht? #01:57:36-6#

Jutta Bergholz: Das hat er für Sie hierher gelegt (lacht). Ja, das waren so... Geologie und... hier, die Facharbeiterausbildung an den Aggregaten, an der Bohrmaschine. Jeder Betrieb hatte seine Lampenstation, die er auch... jeder, der einfuhr, musste ja eine Lampe mitnehmen und die musste er dann wieder abgeben. Und in der Lampenstube wurden die dann wieder gereinigt und das war unsere. Das hier war hier die Seilfahrt. Das war natürlich auch immer Gesetz, dass sie pünktlich da sein mussten, denn die Seilfahrt wartete nicht. Und das war auch für uns... die Lehrlinge. #01:58:21-1#

Astrid Kirchhof: Was ist passiert, wenn einer mal zu spät kam? #01:58:23-5#

Jutta Bergholz: (Lacht) musste später, musste er eine andere Seilfahrt nehmen. Musste er warten. Das war nicht so gut. #01:58:30-7#

Astrid Kirchhof: Wie oft sind die eingefahren? #01:58:33-9#

Jutta Bergholz: Na, einmal am Tag. Wenn sie die praktische Berufsausbildung hatten, fuhren sie ein. Wenn... sie hatten auch manchmal Kabinettausbildung draußen, das war ein Plan. Was unter-Tage-Ausbildung war und was... Vorbereitung und... Ja, hier ist das Internat noch mal. Da sieht man das, die zwei Häuser und den Mitteltrakt, wo dann diese, wie ich schon sagte, kulturellen Einrichtungen waren. Und hier war ein Zimmer. Die Lehrlinge bewohnten immer zu zweit ein Zimmer. Das hier war der Raum. Hier ist das Bett. Manche hatten auch extra einen kleinen... Kammer für die Betten. Aber hier war das so ein Doppelstockbett. Und die zwei Sanitäreinrichtungen waren auf der Etage, Duschen und alles, was so ist. Das hatten sie nicht. Das ist auch nicht sinnvoll, denn sie mussten ja selbst die Zimmer in Ordnung halten und das war nun nicht ihre größte Freude. Ab und zu haben die Frauen dann auch dann Ordnung gemacht beziehungsweise wenn sie das Zimmer räumen mussten für Veranstaltungen, die manchmal durchgeführt wurden, wo wir... gab doch nicht so viele Hotels. Wenn wir zum Beispiel... wenn die Friedensfahrt hier war, da hatten wir den Tross zu versorgen. Die waren dann im Wohnheim. War auch eine der Aufgaben und da haben wir ganz schön zutun gehabt. Hier ist die Schwimmhalle. #02:00:06-5#

Astrid Kirchhof: Wie lange waren die Abiturienten bei Ihnen? #02:00:09-4#

Jutta Bergholz: Drei Jahre. #02:00:10-0#

Astrid Kirchhof: Drei Jahre. #02:00:10-6#

Jutta Bergholz: Ja. Und hier... wir hatten ja auch eine vormilitärische Ausbildung. Das spielte auch eine große Rolle. Da lernten sie noch Autofahren, durften sie im LKW einen Führerschein machen. War natürlich auch begehrt. Und... das war... und wir hatten auch einen Ambulanz... eine, zwei, eine Ärztin, zwei Ärzte und einen Zahnarzt war im Internat. Und dann... konnte jeder Gebrauch davon machen. Das war eine sehr schöne Sache. #02:00:47-1#

Astrid Kirchhof: Gab's auch Leute, junge Männer, die nicht genommen, oder nicht genommen werden konnten aufgrund von körperlichen, gesundheitlichen...? #02:00:53-6#

Jutta Bergholz: Das war ja vorher. Wir hatten doch eine Abteilung, die... ging Werbung. Das war... die ging da in der Republik... wir durften aber nur in bestimmten Bezirken werben. Das war ganz genau vorgeschrieben. Wir durften an der Ostsee und die (unv., D-Bezirke?) waren vorgesehen, weil nicht ein Betrieb dem anderen die künftigen Lehrlinge mit irgendwelchen Verlockungen abwarb. War das geregelt. #02:01:19-9#

Astrid Kirchhof: Hmm, okay. #02:01:20-8#

Jutta Bergholz: Ja, und das war eine ganze Abteilung, die haben die Vorbereitungen, und da stellte sich dann auch schon fest, ob sie bergbautauglich, gab ja auch eine Untersuchung. #02:01:29-1#

Astrid Kirchhof: Okay. #02:01:29-6#

Jutta Bergholz: Das war dann schon klar. Ja und wir hatten auch Jugendlager während der Ferienzeit. Eins an der Ostsee und einen im Gebirge. Und... das war sehr preiswert für 12 Mark war da die ganze Feriengestaltung, mit Fahrt und allem. #02:01:47-3#

Astrid Kirchhof: 12 Mark pro Tag? #02:01:48-8#

Jutta Bergholz: Insgesamt. Das war bloß eine Anerkennungsgebühr. #02:01:54-6#

Astrid Kirchhof: A-ha (lacht). #02:01:58-4#

Jutta Bergholz: Aber für sie war's Geld! Ja, ja. Ja, und hier ist noch mal ein... abgebildet, ein Förderturm. Also für Facharbeiter, für Bergbautechnologie, das war eben... Berufsberatungskabinett. Und die die Werbung auch durchführten. Da hat mein Sohn eine Zeit lang gearbeitet. #02:02:21-2#

Astrid Kirchhof: Achso, aha. #02:02:21-9#

Jutta Bergholz: Bevor er... Erzieher wurde. Da hat er ja erst mal ein Studium gemacht. #02:02:27-7#

Judith Schein: Könnte ich noch was dazu fragen? #02:02:29-5#

Jutta Bergholz: Jederzeit, alles. #02:02:30-5#

Judith Schein: Und zwar, ich würde gerne wissen... das hat ihr Sohn jetzt selber gebastelt, oder, also? #02:02:35-6#

Jutta Bergholz: Ja, das, nun, das ist eine Mappe, die... wo er die her hat, weiß ich nicht... #02:02:41-2#

Judith Schein: Also die Fotos sind von Ihnen? #02:02:43-3#

Jutta Bergholz: Wo her die her hat, das kann ich Ihnen nicht sagen. Wir waren da nun nicht immer in Kontakt, was alles... ich wusste überhaupt nicht, dass er das hat. #02:02:51-2#

Astrid Kirchhof: Ich glaub, das hat er selbst gemacht. #02:02:52-6#

Jutta Bergholz: Hast du irgendwas?... und da sag, bringt er das mit. #02:02:56-9#

Judith Schein: Also musste er das für die Schule machen oder so? Weil ja... #02:02:59-9#

Jutta Bergholz: Nein, nein! Er... das hat er für sich gemacht, als Dokument. Und das hier, das haben wir alle gehabt. Aber ich hab sie alle verschenkt. Da musste er mir auch seins bringen. Haben wir zehn Mark sonst verlangt. Ja, das war, wie gesagt, das war'n Internat mit den Erziehern. Da sehen Sie mal, dass das eine ganz illustre Truppe war, schon viele. Wir hatten ja auch ehemalige Sportler. Zum Beispiel war doch Gera ein bisschen Hochburg für Boxen. Ehemalige Boxer waren bei uns als Erzieher oder die Radfahrer. Und das... die kamen natürlich auch gut an. Denn die Arbeit im Internat war nicht immer so einfach. Weil die Jugendlichen ja auch ein bisschen... da und ein Speiseraum, da hatten wir auch ein Wandbild. Wandbilder, das war... Künstler wurden da verpflichtet. #02:03:59-2#

Astrid Kirchhof: Hier so, Urkunden, also haben Sie gar nicht? Also Sie haben diese Clara-Zetkin-Medaille gekriegt... #02:04:05-3#

Jutta Bergholz: Hmm! #02:04:05-9#

Astrid Kirchhof: Hatten Sie noch mehr Auszeichnungen? #02:04:07-6#

Jutta Bergholz: Jo, da hab ich eine ganze Mappe. Aber die habe ich versteckt. #02:04:10-5#

Astrid Kirchhof: Achso (lacht)! #02:04:11-4#

Jutta Bergholz: (Lacht) Aktivist und, und, und Kollektiv der Sozialistischen Arbeit und noch, was es so alles... und dann von der DSF ein... und die Thälmann-Plakette und sowas alles, das gab's immer mal Auszeichnungen. #02:04:28-6#

Astrid Kirchhof: Ich frag deswegen, weil die Bergmänner, die wir bis jetzt befragt haben, die haben mir alle Urkunden gezeigt, jetzt wollte ich nur wissen, ob Sie auch sowas gekriegt haben? #02:04:36-9#

Jutta Bergholz: Hab ich. #02:04:37-1#

Astrid Kirchhof: Haben Sie auch. #02:04:37-9#

Jutta Bergholz: Ja, aber... #02:04:38-8#

Astrid Kirchhof: Müssen Sie jetzt nicht zeigen, ich wollte nur wissen. #02:04:40-5#

Jutta Bergholz: (Lacht) Ich hab nur die eine gezeigt, weil's die höchste ist. #02:04:43-1# #02:04:43-1#

Astrid Kirchhof: Ah ja, das... #02:04:43-9#

Judith Schein: Können wir noch mal durch die Fotos gehen? #02:04:46-2#

Astrid Kirchhof: Ja, achso (Pause). Vielleicht sagen Sie noch mal was zu der Situation, die war doch gestellt? #02:04:50-9#

Jutta Bergholz: Ja, natürlich. Wurden... nein, da wurde eine Wand gestaltet von allen Leitungskräften und vor allen Dingen auch die Auszeichnungen, die jeder schon hatte. Das hab ich abgeschnitten. Das stand hier unten drunter. #02:05:07-5#

Astrid Kirchhof: Was stand da? #02:05:08-9#

Jutta Bergholz: Naja, alle Auszeichnungen, die sie hatten. #02:05:11-4#

Astrid Kirchhof: Achso! #02:05:12-4#

Jutta Bergholz: Ja, das wurde dann... wir hatten im Küchentrakt... einen Raum, das hieß der Rote Salon, weil eine rote Tapete dran war. Und da wurden alle möglichen Veranstaltugnen durchgeführt. Die hat dann die Küche betreut. Musste man aber ein bisschen betteln, denn das war schon ein bisschen attraktiv, ne. Und da war dann eine Wand und da waren alle möglichen Leute, also eigentlich die Leitung und da stand dann drunter Funktion und Auszeichnungen. Das sollten alle sehen, wie gut wir waren. #02:05:52-1#

Astrid Kirchhof: (Lacht) #02:05:52-5#

Jutta Bergholz: Wie gesagt, ich hab abgeschnitten. #02:05:53-5#

Astrid Kirchhof: Großartig. #02:05:55-5#

Jutta Bergholz: Ja, und das war... #02:05:56-6#

Astrid Kirchhof: Das war der Herr Wenig. #02:05:58-4#

Jutta Bergholz: Ja, der Sepp Wenig mit seinem Kraftfahrer. Hier, der hat ihn immer... und das war unser Direktor. Die... da hat er die Jugend mal besucht. Das war immer so sein Hobby. Die haben ihm da auch eine sportliche Vorführung gemacht. Das war aber spontan, er kam, wann es ihm gefiel. Hat er uns dann überfallen. #02:06:16-8#

Astrid Kirchhof: Der, der Direktor, wie hieß der? #02:06:19-3#

Jutta Bergholz: Karneth zu dieser Zeit. #02:06:21-0#

Astrid Kirchhof: Wie? #02:06:21-5#

Jutta Bergholz: Karneth. #02:06:22-5#

Astrid Kirchhof: Karneth. Und Sie waren seine... #02:06:24-9#

Jutta Bergholz: Ich war Stellvertreter. #02:06:25-9#

Astrid Kirchhof: Stellvertreter. #02:06:26-3#

Jutta Bergholz: Er hatte drei Stellvertreter. Einen für die Theorie, einen für die... na, wie wie soll... also, der hat dem unterstanden, die Erzieher, die Internate und das alles. Und ich. #02:06:39-3#

Astrid Kirchhof: Und Sie, wie hieß Ihr Bereich? #02:06:40-5#

Jutta Bergholz: Ökonomie... #02:06:41-4#

Astrid Kirchhof: Ökonomie. #02:06:42-2#

Jutta Bergholz: ...hieß das. Da war eben alles drin. #02:06:43-7#

Astrid Kirchhof: Okay. #02:06:44-6#

Jutta Bergholz: Das war unser Parteisekretär, feiner Kerl. Ist schon... die Frau ist an ASL gestorben und er auch. Das war der spätere Direktor. Die haben alle so viel geraucht! Hab ich meine Not gehabt. Hab ich gesagt, ihr seid asozial, da haben sie mich genannt: Und du bist... naja, Gegner. #02:07:05-8#

Astrid Kirchhof: (Lacht) #02:07:06-2#

Jutta Bergholz: Komme gar nicht auf den bösen Ausdruck, wie sie mich dann genannt haben. #02:07:09-3#

Astrid Kirchhof: Und wie hieß dieser Kollege und dieser und der, der dann später Direktor war? #02:07:13-4#

Jutta Bergholz: Der heißt Funke. Werner Funke. Das ist auch ein ganzes Drama, was seine Abwicklung war. Und das ist der Helmuth Risch. Der kam vom Norden. Der wurde dann Direktor. Aber der ist auch an seiner Raucherei gestorben, hmm. #02:07:33-7#

Astrid Kirchhof: Waren Sie für die Abwicklung dieses Kollegen zuständig? #02:07:36-6#

Jutta Bergholz: Nein. #02:07:37-0#

Astrid Kirchhof: Nein, das nicht. #02:07:37-8#

Jutta Bergholz: Nein, nein nein. Das war die Gebietsleitung. Wir hatten eine Gebietsleitung, andere hatten eine Bezirksleitung. Und wir, Wismut, extra, hatten eine Gebietsleitung. Die saß in Chemnitz, ja. #02:07:49-8#

Astrid Kirchhof: Ah, okay. #02:07:50-9#

Jutta Bergholz: Hmm. #02:07:51-7#

Astrid Kirchhof: Und was... hier... (Husten aus dem Off) #02:07:53-8#

Jutta Bergholz: Da haben sie gefeiert. Wir haben da immer mal so Aufführungen gehabt und da waren eben nur die Kulturgruppen vereint. Singen konnten sie ja nicht gut, unsere Bergleute! Das war immer schwierig, aber... #02:08:07-5#

Astrid Kirchhof: (Lacht) #02:08:08-0#

Jutta Bergholz: ...sie haben auch manchmal (lacht) gesungen. Und dann waren eben die... #02:08:15-9#

Astrid Kirchhof: Das sind Sportler, oder, keine Sänger? #02:08:17-6#

Jutta Bergholz: Nee, nee, nee. Die da hinten sind die Sänger. #02:08:20-3#

Astrid Kirchhof: Achso. #02:08:20-6#

Jutta Bergholz: Das hier vorne sind die Sportler. Das war... es waren immer mal Veranstaltungen. Das kann ich nicht alles, was da nun immer war. Bei uns war dauernd was los. #02:08:29-4#

Astrid Kirchhof: War das 40 Jahre (Husten aus dem Off) Kriegsende? (Husten aus dem Off) #02:08:32-6#

Jutta Bergholz: Bitte? #02:08:33-4#

Astrid Kirchhof: 40 Jahre Kriegsende? Oder was war...? #02:08:36-8#

Jutta Bergholz: 45 [1945] bis 85 [1985], ja... #02:08:38-5#

Astrid Kirchhof: Könnte sein. #02:08:39-1#

Jutta Bergholz: Ja, ja ja. Sowas wurde da gefeiert. #02:08:42-0#

Astrid Kirchhof: Befreiung vielleicht. #02:08:42-9#

Jutta Bergholz: Naja, meistens war bei uns irgendein Anlass. Die haben wir ja auch aus DSF-Zeiten... drauf. Es ging dann manchmal um so einen Feiertag. Weiß ich jetzt ja nicht. Wir haben den 40. Jahrestag gefeiert. Wir haben alles gefeiert. Zentral und auch bei uns. Und hier war mal so eine Zusammenkunft zum Frauentag. Da wurde eine kleine Festrede gehalten. Das ist der spätere Direktor Risch. Hier sitzt, da ist der BGL-Vorsitzender. Und das bin ich. #02:09:12-9#

Astrid Kirchhof: Was sagen Sie denn zu dem Unterschied zwischen Muttertag und Frauentag? Haben Sie da eine Position dazu? #02:09:19-7#

Jutta Bergholz: Ja, habe ich. Einmal... man kann nicht nur Mütter ehren, weil die Frauen sind es wert, dass man sie ehrt, wenn sie... sie arbeiten ja alle. Und es wurde ja auch ein bisschen... es war dann so... rote... in den faschistischen Zeiten, heroisiert, muss man sagen. Sie kriegte schon ein Mutterkreuz bei vier Kindern und... ging's dann aufwärts. Das war ein bisschen, naja, wir sagen heute, das Land brauchte Soldaten. Das muss ja auch nicht immer der Grund sein. Und eine Mutter mit vielen Kindern ist auch wirklich angebracht, da braucht man nicht drüber zu reden. Aber es wurde eben ein bisschen zu einseitig. Und der Frauentag war für uns eigentlich eine Heimsuchung. Da mussten wir... hatten wir immer viel zu tun. Wir mussten eine große Veranstaltung... im Klubhaus, da war nun der ganze Saal voll. Und waren wir ja auch verantwortlich, Frauenausschuss, Kulturprogramm und... einmal hat der BGL-Vorsitzende uns überrascht. Da hat er gesagt: Ich hab was Schönes für euch, eine Fahnenkapelle. Ich sag: Du bist nicht mehr zu retten. Mussten sie ein Saal voll Frauen sitzt und auf der Bühne, die wollen Männer sehen (lacht) #02:10:36-8#

Astrid Kirchhof: (lacht) #02:10:38-8#

Jutta Bergholz: Hat er aber nicht verstanden. Die hatten dann auch ihre Probleme. #02:10:42-3#

Astrid Kirchhof: Was sagte er, hat eine was für Kapelle? Eine...? #02:10:44-9#

Jutta Bergholz: Eine Frauen! #02:10:45-7#

Astrid Kirchhof: Ach, Frauen. #02:10:46-4#

Jutta Bergholz: Die kamen doch von Prag und es war der Winter. Da kamen die noch zu spät, die hingen dann müde an ihren Instrumenten. #02:10:51-1#

Astrid Kirchhof: (Lacht) #02:10:53-0#

Jutta Bergholz: Am Höhepunkt (lacht) #02:10:53-6#

Astrid Kirchhof: Das ist ja witzig. Vielleicht jetzt noch ganz zum Schluss. #02:10:57-1#

Jutta Bergholz: Ja, die Schmirchauer. #02:10:59-1#

Astrid Kirchhof: Ja, die Schmirchauer und... #02:11:00-7#

Jutta Bergholz: Was dann in den... ich hab ja mit dem... der Neugestaltung dann und mit der... das ist ja eine gigantische Aufgabe gewesen jetzt dann, die Wismut dann wieder zurückzubringen, ne. Die ist ja jetzt noch, die Sanierung meine ich insgesamt. Das war ja... sehr, ein ganz teures Unternehmen und... aber da haben manche auch sehr gute Arbeit gehabt und... #02:11:29-6#

Astrid Kirchhof: Da muss ich noch was fragen. Finden Sie, dass die Bundesrepublik das gut gemacht hat, wie sie investiert hat in die Sanierung? #02:11:36-4#

Jutta Bergholz: Das musste ja sein. Sicherlich, man konnte es... und wir hatten da, die Schlammteiche rundherum, die waren ja offen, das musste ja alles weg. Und die gesamte Terracon... Terracon, das waren diese spitzen Berge. Die wollte man nicht in der Landschaft lassen. Man weiß ja auch nicht, ob sie strahlen. Da war ja höchstens Arm-Erz drin, aber... das hatte die Bevölkerung nicht gerne, so. Und es war in Schlema und auch bei uns hier. Und das haben sie aber gut eingeordnet und war natürlich ein riesen Aufwand, ein finanzieller. Auf jeden Fall. Und eins davon ist eben unsere Schmirchauer Höhe. Das ist eine Anhöhe, da kann man hochlaufen, aber ich glaube, mit dem PKW geht's auch. Und das ist noch ein früheres Stadium. Denn jetzt sind ja überall hier, bis hoch, die Steine. Wo ich eben auch einen habe, die Nummer 2019. Ich hab ihn auch gefunden, als ich dort war. #02:12:32-6#

Judith Schein: (Lacht) #02:12:33-3#

Jutta Bergholz: Und dann gibt's das Zertifikat dazu, denn man kann ja nicht einfach einen Stein dahin stellen, ne. Das muss ja alles seine Ordnung haben. #02:12:41-0#

Astrid Kirchhof: Das ist aber für Wismut-Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen, nein? #02:12:44-8#

Jutta Bergholz: Ja. Wenn aber jemand, ich weiß es nicht, also wir wurden... wir waren Listen, wer das durfte, ne. Und wie gesagt, wenn ich da... ich bin ja nicht oft da gewesen, aber da trifft man so viele bekannte Namen, leider auch viele, die es nicht mehr gibt. Kommt einem dann wieder in den Sinn. Und es ist schon eine schöne Sache. So, ich meine, es ist ja dann eine, die bleibt. #02:13:10-6#

Astrid Kirchhof: Ist es teuer, so einen Stein zu erwerben? #02:13:12-9#

Jutta Bergholz: Nee, 30 Mark. #02:13:14-5#

Astrid Kirchhof: Achso. #02:13:15-0#

Jutta Bergholz: Hmm. Ist nicht teuer. #02:13:16-6#

Astrid Kirchhof: Okay. #02:13:18-2#

Jutta Bergholz: 2011 hat er das erworben. Da war es dann fertig. #02:13:21-9#

Astrid Kirchhof: Ich hab noch eine Frage, obwohl es jetzt noch mal zeitlich davor ist. #02:13:25-7#

Jutta Bergholz: Hmm. #02:13:26-1#

Astrid Kirchhof: ...davon hatten Sie vorher, oder mir, dass Sie noch mal sagen, Sie haben da zugearbeitet... #02:13:33-2#

Jutta Bergholz: Ja. #02:13:33-9#

Astrid Kirchhof: ...bei der Abwicklung, ne? #02:13:35-3#

Jutta Bergholz: Ja, meine Leute, die in der Schule waren. Die musste man ja irgendwo... wer das Alter hatte, ging in die Rente oder je nachdem, oder krankheitshalber. Und wer dann noch übrig blieb, um Arbeitslosigkeit zu verhindern, oder sie auch nicht sich selbst zu überlassen, wurde eben diese, da sagten sie afög, das ist die Gesellschaft für Arbeitsförderung, mit Sitz Ronneburg und Chemnitz. Sie hatten für die neun und wir für die 90, hier... und das war natürlich alles auf Gesetzmäßigkeiten aufgebaut. Es war nicht willkürlich. Und die Sonderfestlegung als Tochterunternehmen der Wismut... war das eben Rechtsform gemeinnützige GmbH. So haben die gearbeitet. Die wurden ja auch bezahlt und bis sie ihre Arbeit gemacht hatten, ne... Die Grundlage war mit der Zielstellung, die Überbrückung... und Rückvermittlung in andere Wismut-Unternehmen, eben auch in die Sanierung, oder was noch bestand, und je nach Entwicklung und Auftragslage und manche mussten wir auch sagen, hier ist Ende. Da hat er noch eine gewisse Zeit gehabt, bis er dann ausgeschieden ist mit den entsprechenden Abfindungen, was da nun war. Oder es gab ja für jeden eine Besonderheit. Es wurde dann... ja, oder es wurden Qualifizierungen durchgeführt für bestimmte Sachen, was dann neu (unv.) Und Anpassungen, wurde das... es war alles auf gesetzlicher Grundlage. Ganz, es waren ja viele Leute, die es betraf. Und wir haben immer zusammengesessen und haben dann... wo der Stand ist, wo jeder (unv.)... ging's um jeden Einzelnen. Aber wir haben sie dann nicht so alleine gelassen. #02:15:41-6#

Astrid Kirchhof: Haben Sie auch Lehrgänge dann in der Zeit durchgeführt für die Männer, die in die Sanierung gegangen sind? Gab's das auch? #02:15:48-8#

Jutta Bergholz: Ja, die... die Sanierung, das waren ja die Fachleute, die konnten das. #02:15:52-7#

Astrid Kirchhof: Ah, ja. #02:15:53-2#

Jutta Bergholz: Das ist eben dem Bergbau verwandt, ja. Die haben zum Beispiel die Schächte, wenn... abgebaut und oder verfüllt und... das konnten die. Dass das natürlich Arbeitsberatungen und auch die Technologie festgelegt wurde, ja, aber Lehrgänge brauchten die nicht, auch die die Leitung hatten. Das waren doch die ehemaligen Steiger, ne, und Obersteiger. Die konnten das. Die mussten dann nur die Zeichnungen haben und das konnten die. #02:16:23-0#

Astrid Kirchhof: Und waren Sie damit involviert zu entscheiden, wer geht, bleibt in der... bleibt und geht in die Sanierung und wer wird ent...? #02:16:30-1#

Jutta Bergholz: Nee, das, das war hier mit, mit der afög wurde das mit entschieden. #02:16:34-3#

Astrid Kirchhof: Achso. #02:16:34-8#

Jutta Bergholz: Es wurde festgelegt, wer wird gebraucht. Das hat doch die Unternehmensleitung mit festgelegt. Das waren ja auch ziemlich verantwortungsvolle Funktionen zum Teil, ne. Die Leitung. #02:16:48-2#

Astrid Kirchhof: Aber Sie haben denen zugearbeitet, sag ich mal, ne? #02:16:52-0#

Jutta Bergholz: Ja, aber das war... der Aufwand war nicht der größte. Nur, wen wir dafür hatten, der da arbeiten konnte. Und dann haben sie das übernommen. #02:17:02-9#

Astrid Kirchhof: Okay. Letzte Frage für unser Interview, sind Sie schon mal interviewt worden? #02:17:08-5#

Jutta Bergholz: Nein. #02:17:10-0#

Astrid Kirchhof: Sie haben das so perfekt gemacht. #02:17:12-3#

Jutta Bergholz: Ich hatte Bauchschmerzen gekriegt. #02:17:14-8#

Astrid Kirchhof: (Lacht) #02:17:15-3#

Jutta Bergholz: Du wirst dem nicht genügen, hab ich gedacht. Das geht doch nicht. #02:17:18-7#

Astrid Kirchhof: Ich glaube, das war alles sehr organisiert, fand ich. Und... #02:17:21-7#

Jutta Bergholz: Ja. So bin ich, ja. #02:17:24-5#

Astrid Kirchhof: Dann danken wir Ihnen für dieses schöne Interview. Dankeschön. #02:17:28-2#

Jutta Bergholz: Ich bedanke mich.